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Scheidelie- Das ist ein eitles Wähnen! Sei nicht so feig, mein Herz! Gib redlich Tränen um Tränen, Nimm tapfer Schmerz um Schmerz! Ich will dich weinen sehen, Zum ersten- und letztenmal! Will selbst nicht widerstehen! Da löscht sich Qual in Qual! In diesem bittern Leiden Hab ich nur darum Mut, Nur darum Kraft zum Scheiden, Weil es so weh uns tut. Hebbel. Wurm IW dis Fernsehen so lange aus M warte«? Bon Karl S a u l - Weißstein. Die Grundfrage des Fernsehens ist gelöst. Aul der vor jährigen Funkausstellnng konnte man bereits Filme fern sehen, und die diesjährige Ausstellung verspricht uns aller hand Neues auf diesem Gebiete. In Amerika gab es schon vor Monaten mehr als 20 000 Fernsehamateure. Den wenigsten Interessenten dürfte es bekannt sein, daß schon seit langer Zeit fast täglich von Berlin aus Diapositive, Filme und dergleichen gesendet werden und daß jeder, der das nötige Geld zur Beschaffung eines Fernsehapparates hat, heute schon Bilder daheim verfolgen kann. Diese Fernsehsendungen sind aber nicht etwa identisch mit dem einfachen „Bildfunk", der im Zeiträume von einigen Minuten auf einer Walze ein Bild aufzeichnet: Regelrechte bewegte Szenen, die man mit all ihren Bewegungen in der Ferne vor einem entsprechend konstruierten Apparat verfolgen kann, werden zu noch unregelmäßigen Zeiten von Berlin ausgestrahlt. Diese Sendungen dienen vorläufig nur Ver suchszwecken. Es muß nämlich zunächst eine Klärung der „Bildpunktzahl" herbei geführt werden, ehe das Reichspost ministerium dem Publikum die Anschaffung von Fernseh geräten zumuten kann. Zur Klarlegung ist es nötig, mit kurzen Worten auf das Prinzip oes Fernsehens einzugehen: Wenn man in einer illustrierten Zeitung eine reproduzierte Photographie unter dem Vergrößerungsglase betrachtet, erkennt man, daß sich das Bild aus zahllosen Hellen und dunklen Punkten zusammen- setzl, die zusammen den Bildeindruck ergeben. Tas fernzusehende Bild wird nun durch eine einfache und sinnreiche Vorrichtung — die Lochscheibe — Punktweise sehr schnell abgetastet. Um ein grobes Bild zu bekommen, es schon, wenn es in nur 900 Lichtpunkte zerlegt wird. 900, in der Helligkeit entsprechend schwanken den Lichtpunkte Werden als elektrische Wellen ausgestrahlt, un Empfangsgerät wieder in Licht umverwandelt und im Empfänger ebenso schnell wieder zusammengesetzt, wie sie der Mnder ausstrahlt, und der Beschauer sieht das Bild. Das Abtasten durch die Lochscheibe geschieht außerordent- iich schnell: In einer Sekunde wird das Bild 10 bis 15 mal abgetastet und vom Empfänger ebenso schnell durch Loch- schcibe oder Spiegelrad zusammengesetzt. Es geht also gerade so schnell wie beim Film im Kino: und, werden beim Sender die Teilbildchen eines laufenden Films abgetastet, dann sieht der Beschauer das bewegte Filmbild. Dio Abtastung mit 900 Bildpunkten ist aber, wie gesagt, noch recht grob, und sie läßt manche Feinheiten vermissen. Fe zahlreicher und kleiner die Lichtpunkte sind, in die das Bild zerlegt wird, desto schärfer muß natürlich das Bild wer den. Deshalb wendet man bereits eine Zerlegung in 2500, sogar in 10 000 und mehr Lichtpunkte an. Es gibt aber eine bestimmte Grenze, bei der eine noch weitere Zerlegung keine Vorteile mehr bietet. Je feiner die Zerlegung ist, desto teurer werden die Apparate, und somit ist die brennende Frage augenblicklich: Welches ist bei den verschiedenen Systemen die günstigste Lichtpunktzahl, ohne die Apparate unnötig zu verteuern! ' Ehe diese Frage nicht entschieden ist, kann der Allgemein heit der Kauf von Fernsehapparaten nicht empfohlen wer den, denn jeder Apparat spricht natürlich nur auf jene Licht punktzahl an, auf die er konstruiert ist, und ein voreiliger Kauf würde bei späterer Aenderung der Lichtpunktzahl die teuer erstandenen Apparate wertlos machen. Vor diesem Verluste will das Reichspostministerium das Publikum schützen. Wahrscheinlich wird innerhalb Jahresfrist diese Frage geklärt sein und dann das Fernsehen in den Familien seinen Einzug halten. Ewige Gebote z«r RoerschWoche 1. Stelle den Kohlenkasten nicht unter die Feuerung! 2. Lege Holz und Wäsche zum Trocknen nicht auf den Ofen! 3. Trage keine glühenden Kohlen zum Ofen! 4. Gieße kein Petroleum in den brennenden Ofen! 5. Fülle keinen Spiritus in den brennenden Kocher nach! 6. Lebe Vorsicht beim Waschen mit Benzin! 7. Gehe mit keinem offenen Licht auf «den Dachboden! 8. Wirf nie Streichholz, Zigarren- oder Zigarettenstummel achtlos weg! 9. Rauche nicht im Bett! 10. Uebe Vorsicht mit elektrischen Plätteisen usw.! 11. Leuchte undichte Gasleitungen nicht ab! 12. Üebe Vorsicht beim Ausschwefeln! 13. Tue nicht im Walde abkochen und rauchen! 14. Laß dein Kind nicht mit Streichhölzern spielen! Bringt in allen Betrieben, öffentlichen Gebäuden, Lokalen sowie in sämtlichen Wohnhäusern in den Hausfluren Adresfen- tafeln an: Nächster Feuermelder (Adresse und Telephon): Nächste Sanitätsstation (Adresse und Telephon): Nächster Arzt (Adresse und Telephon): Nächste Apotheke ^Adresse und Telephon): Lage des Hauptgashahnes im Hause: Lage des elektrischen Hauptschalters im Hause: Lage des Hauptwasserrohres im Hause: Verwahrung des Verbandskastens im Hause und Betrieben: Warum die Wirischastspartei in die Regierung ging. Auf einer Versammlung des Wahlkreises Potsdam! der Wirtschaftspartei sprach der Parteivorsitzende Drewitz über die Gründe für den Eintritt der Wirtschaftspartei in die Negierung. Er erklärte, zur Regierung der Großen Koalition habe die Partei nur deswegen in schärfster Opposition gestanden, weil sie bei der seinerzeitigen Re gierungsbildung durch Reichskanzler Müller von vorn herein ausgeschaltet worden sei und alle ihre Vorschläge abgelehnt worden seien. Die Wirischastspartei habe immer betont, daß sie zur Mitarbeit bereit sei, wenn der überwiegende Einfluß der Sozialdemokraten in der Negierung gebrochen werde. Angesichts des Appells des Reichspräsidenten zur Einigung habe die Partei sich dem Reichskanzler Brüning nicht versagen dürfen und wollen, um so mehr, als die Lage der L a n d - Wirtschaft eine sofortige Hilfe notwendig gemacht habe. Auch habe man die sonst unvermeidliche Kata strophe, daß das Reich am 1. Mai vor leeren Kassen stände und die Beamtengehälter nicht hätten ausgezahlt werden können, verhindern müssen. Durch ihren Eintritt in die Regierung habe die Wirischastspartei das Steuer der bisherigen sozialistischen zugunsten einer bürgerlichen Politik herumgeworfen. Das neue Steuerprogramm sei nur eine vorübergehende Maß nahme, noch vor dem Herbst soll das Steuervereinheit lichungsgesetz verabschiedet werden, das vor allem einen Abbau der Realsteuern und die Einführung der Verwal tungsabgabe bringe. Evangelischer VvMag in Vieleseld. Kundgebung für christliche Kultur. Der Evangelische Neichselterntag in Bielefeld fand seinen Abschluß mit zwei Kundgebungen, an denen neben den Abaekandten des Elternbundes aus dem Reick Tau sende aus Bielefeld und dem Ravensberger Lande teft- nahmen. Am Sonntag nachmittag sammelten sich die Massen in den Räumen der Ausstellungshalle. Hier hielt Pfarrer Förtsch-Berlin die Festrede unter dem Motto „Evangelisches Polk wach' auf". Was gegenwärtig in Rußland unter der Herrschaft der Christentumsfeinde sich abspiele, sei ein Signal für die ganze Christenheit. Wenn die Welle der bolschewistischen Zersetzung über die Gren zen Rußlands nach Westeuropa komme, sei Deutschland das am stärksten gefährdete Land. An einer Reihe von Vorgängen schilderte der Redner die Arbeit der agitatori schen Stoßtrupps, die den Boden auflockere sür die Saat des bolschwestisischen Geistes. Demgegenüber gebe es nur eine Hilfe, der bolschewistischen. Idee die große welt umspannende Idee des Gottes- und Christenglaubens entgegcnzustellen. Diesen Glauben zu stärken und lebendig werden zu lassen, sei die Lehre und Wirkung der welt bewegenden Vorgänge in Rußland. Generalsuperintendent U. Zöllner schloß mit einem Aufruf zur Besinnung aus die Kräfte des evangelischen Glaubens. Mit dem Gesang des Liedes „Ein feste Burg ist unser Gott" wurde die Kundgebung geschlossen. Der Bombenanschlag in Warschau. Suche nach den Tätern. Die Untersuchung der in der Warschauer Sowsct- gesandtschaft aufgefundenen Höllenmaschine hat ergeben, daß darin etwa fünf Kilogramm Sprengstoff enthalten waren, die wahrscheinlich wenige Stunden nach der Ent deckung des Anschlages explodiert wären. Die polnischen Polizeibehörden haben über 60 Haussuchungen in den Kreisen der russischen Emigranten vorgenommcn, gegen die sich der erste Verdacht der Urheberschaft gelenkt hat. Irgendwelche Ergebnisse hat aber die Untersuchung nicht zutage gefördert. Die meisten Vermutungen laufen darauf hinaus, daß eine neue Störung der polnisch-russischen Be- ziehungeü beabsichtigt gewesen sei. Die rechtzeitige Ent deckung des Attentates ist einem bloßen Zufall zu ver danken. Von hier aus sottre vir Lmvjet-GrjanvtkHast in Warschau in die Luft gesprengt werden. Der Schornstein auf dem Dach des GesandtschaftsgedäudeS, in dem an Drähten eine Höllenmaschine in das Innere des Hauses Hinabgelasseu war. Wenige Stunden vor der Ex plosion, die durch eine Uhrwerkzündung herbeigesührt werden sollte, wurde der Anschlag zufällig entdeckt. Entschließung -er Bodenreformer. Abschluß der Tagung. Die Sonntagssitzung der Bodenreformer wurde mit der Bekanntgabe einer Entschließung eröffnet, in welcher der 33. Bundestag der deutschen Bodenreformer von der Neichs- regierung und dem Reichstag die unverzügliche Einbringung eines Notgesetzes fordert, nach dem bis zum Inkrafttreten eines diese Frage endgültig regelnden Neichsgesetzes die zur Zeit des Inkrafttretens der Reichsverfassung bestehenden Landes gesetze über die Vaubeschränkung und die Fluchtlinienfestsetzung ihre Gültigkeit behalte». Weiter heißt es: „Der Bund deutscher Bodenreformer hält im Gegensatz zum Refcrentencntwurs eines Bautandgesetzes und des Entwurfes eines Wohnheimstättengesetzes an den Be schlüssen des ständigen Beirates für Heimstättenwesen beim Neichsarbeitsministerium vom 17. Oktober 1928 fest. Grund stücke und Rechte an Grundstücken, die auf Grund dieses Gesetzes erworben werden, dürfe» nur unter solchen dringlichen Fällen KONäblVONttxmS lckHILIVLIOLki Lopvrlelit dv ^Isrtin reuciitvJngec, NnIIe iSasie) s31 Zudem empfand er als mächtigste Entschuldigung vor sich selbst, daß er aus Mitleid gelogen hatte, daß er nicht einen Heller von ihrem Reichtum für sich begehrte, nichts von der Erbschaft, die den Anstoß zu dem Aufruf gegeben hatte. Aber wenn die alte Dame nun wieder auflebte und er jahrelang die einmal angenommene Nolle spielen mutzte? „Nicht denken! Nicht daran denken!" sagte die Stimme m ihm, und als sie auf dem Heller landeten und das Auto der Fluggesellschaft sie nach der Hauptstadt hincintrug, als er hörte, wie die alte Dame hier uud da ein Gebäude, eine Straße wiedererkannte, als er sah, wie Helle Freude ihre Wangen rötete, da wußte er, daß er sich hüten mußte, sie aus ihrem Wahn zu reißen. „Sie halten das Leben der Greisin in Ihren Händen!" hatte der Notar gesagt, und es war Wahrheit. So weigerte er sich nicht, als sie ihn bat, in einem der großen Geschäftshäuser die Umwandlung mit sich vor- Sunehmen, die nun einmal nötig war: die Umwandlung aus dem Waldarbeiter in den reichen Sohn einer Ham burger Patrizierin; aber er lächelte in sich hinein ob des Staunens seiner „Mutter", als sie sah, daß er genau wußte, was er gebrauchen würde. Und doch fand sie alsbald eine Erklärung dafür, die ihr Zugleich ein neuer Beweis wurde, daß er wirklich ihr Jochen war. „Niemals würde ein junger Mann, der immer nur Arbeiter gewesen ist, wie es auch seine Vorfahren waren, wissen, was ein anderer aus unseren Kreisen braucht", sagte sie. „Was man in der Jugend gewohnt war, vergißt man nie ganz, und magst du auch freiwillig auf alles das verzichtet haben, so findest du dich sogleich wieder zurecht, wenn es an dich herantritt. Die Verkäufer mögen sich nicht wenig wundern, wie du in die Kleidung gekommen bist, die du noch trägst! Diese Leute sind doch alle mehr oder weniger Menschenkenner, und daß sie dich richtig beurteilen, das siehst du doch aus Sem, was sie dir zur Wahl vorkegen. Einen Arbeiter, wie du einer sein willst, würden sie ganz anders bedienen. — Du verstehst mich, Jochen, nicht wahr?" Ja, er verstand sie vollkommen, auch, daß sie schon ver gessen hatte, wie er ihr seinen echten Paß gezeigt hatte. Hätte sie noch daran gedacht, so hätte sie sich nicht ge wundert, daß er genau wußte, was ein junger Mann aus reichem Hause braucht. Er hütete sich indessen, sie-daran zu erinnern. Wozu noch einmal den Zwiespalt heraufbeschwören? Jedenfalls ruhte die alte Dame nicht, bevor er nicht mit dem Geschäftsführer in einer Umkleidezelle verschwun den war, und in fast fieberhafter Erregung wartete sie auf sein Wiedererscheinen. Noch regten sich leise, leise Zweifel in ihr, und wenn Jochen angenommen hatte, sie habe vergessen, daß er ihr den Paß gezeigt hatte, so irrte er sich. Insgeheim hatte sie doch immer wieder daran denken müssen. Aber, aber — sie wollte, sie durfte nicht zweifeln! „Mutter" hatte er sie genannt, hatte sich vor ihr nieder- geworfen. „Er ist es, ist es wirklich!" klang es in ihr, und das schnelle Klopfen ihres Herzens war ihr wieder ein Beweis, daß hier gar kein Irrtum möglich war. Da wurde der Vorhang der Zelle zurückgeschlagen. Der Geschäftsführer erschien zuerst, lächelnd, als hätte er eine große Tat vollbracht, und er hatte ja wirklich alle Selbstbeherrschung aufbieten müssen, als er gesehen hatte, wie grob die Wäsche des jungen Herrn war, wie armselig, wenn auch sauber, sein Anzug! Was mochte diesen Menschen veranlaßt haben, eine der artige Komödie zu spielen? Aber nun — nun war er wieder, was er immer ge wesen war — auch in der Arbeitskleidung —, der geborene Gent! Daher das sieghafte Lächeln auf dem Gesicht des Ge schäftsführers ! Die Sanitätsrätin aber saß da und streckte beide Hände vor, in den Augen ein Leuchten innigster Freude, und dabei zuckte es doch um ihren Mund, als seien ihr die Tränen nahe — Tränen der Rührung freilich. Ja, das war er! So hatte sie ihn immer in ihren Träumen vor sich gesehen. Nicht mehr als den Jüngling, als der er sie verlassen hatte. Ihre Mutterliebe hatte doch nicht ausdenken können, daß er zugrunde gegangen sein könnte. Er mußte sich durchgerungen und etwas vor sich gebracht haben. Sie vergaß, weil sie es so wollte, daß er ihr als schlichter Waldarbeiter gegenübergetreten war. In ihr jubelte es: „Er ist es! Er ist es!" Erst jetzt war sie ganz überzeugt, daß ihr Sohn ihr entgegenkam, und sie wünschte, daß Albers hätte dabei sein können. „Jochen!" murmelte sie jedoch nur, sich besiunend, daß sie den Angestellten des Geschäfts kein Schauspiel geben durfte, und freute sich, daß er sich nicht anders benahm als vorher, daß kein eitles Wohlgefallen an der neuen Klei dung sich auf seinen Mienen ausprägte. „Ich sehe, daß ich dir so besser gefalle als vorher, Mutter", sagte er halblaut, „und so freue ich mich, weil du dich freust." »Ja, Jochen, ja — ich freue mich!" Und leise, daß nie mand als er es verstehen konnte, gestand sie ihm, was sie ganz erfüllte: „Nun erst bist du mein Jochen!" Sie drückte ihm die Hand und erschrak doch wieder, weil sie ganz vergessen hatte, daß er nicht bezahlen konnte, daß sie das tun mußte. S ie mußte ihm gleich ein Bankkonto er öffnen lassen, daß er ebenfalls ein Scheckbuch erhielt. „Du erlaubst, daß ich diese Auslagen einstweilen decke?" fragte sie und fand es wunderbar nett von ihm, als er lachend erwiderte: „Gern, Mutter! Wir werden es schon gegenseitig aus gleichen!" tRortsebuna kolat.)