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MsdmfferTageblatt T! für LüfgertuM/ Äeamte/ Angestellte u. Arbeiter. Mr 73 — 8d.Iahraanft Wilsdruff-Dresden Donnerstag, den 27. März 1930 Telepr.-Adr.: .Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 DM Handeln nicht verhandeln! SHMstWdeil dsr ReiGregierliW » Fördert die Ortspresse Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Line Tragödie des Weltkrieges. 58 Leichen nach mehr als elf Jahren geborgen. Der Londoner „Daily Telegraph" berichtet: Die Er innerung an eine furchtbare Tragödie des Krieges wird wachgerufen durch die Nachricht, daß die Überreste von einem Offizier und 57 Mann des Monitors „Glatton" geborgen worden sind und am 3. April mit militärischen Ehren auf dem Friedhof von Gillingham beigesetzt wer den sollen. Der Monitor war am 16. September 1918, acht Wochen vor dem Waffenstillstand, im Hafen von Dover in Brand geraten. Da die Gefahr einer Explosion bestand, die zu ungeheueren Zerstörungen geführt hätte, erfolgte Befehl, das Fahrzeug zu torpedieren, wobei von der Besatzung, die aus 303 Mann bestand, über hundert den Tod fanden. Im Jahre 1926 gelang es, das Schiff an die Wasseroberfläche zu bringen und landeinwärts zu schleppen. Im Laufe der Abwrackarbeiren wurden dann allmählich die Überreste eines Teils der mit dem Fahr zeug gesunkenen britischen Seeleute gefunden. Amerika schüttelt Frankreich ab. Vertagung der Seekonferenz. Von zuständiger amerikanischer Seite wurde in be stimmter Form die Erklärung abgegeben, das? die ameri kanische Flotte niemals zur Verfügung gestellt werden würde, um die Sicherheit irgendeiner europäischen Macht zu garantieren. Diese Erklärung wurde mit Bezugnahme auf die Londoner Konferenz und mit dem Bemerken ge geben, daß man etwaigen Folgen dieser Erklärung für die Londoner Konferenz gleichgültig gcgenübcrftehe. Der Entscheid richtet sich in deutlichster Form gegen Frank reich und dessen Verlangen, bevor Abrüstungspläne bei der Flotte erwogen werden könnten, müßte die französische Sicherheit durch die Mächte garantiert werden. Die Ver einigten Staaten schütteln Frankreich kurz und entschieden in dieser Beziehung ab. Der italienische Vertreter, Grandi, in London hat Macdonald den Vorschlag gemacht, die Konferenz aus sechs Monate zu vertagen, um Italien und Frankreich die Gelegenheit zu geben, die zwischen ihnen schwebenden Probleme zu bereinigen und zu einem Ab kommen über Flottenparität, Flottenabrüstung usw. zu gelangen. * „Handeln" — dieses Wort dröhnte auch im Sirenen- M der „E u r o p a", als sie nun als schnellstes Handels- nhlsi der Welt im Newyorker Hafen eintraf. Endlich — "nn ein übles Schicksal hatte ja fast ihr Leben zerstört, 's die Feuersbrunst durch die Schiffsräume raste. Auch bem" ""d gerade an diesen schweren Schlag mag man ""ch einmal erinnern; denn dieser Schlag ist über- unven worden. Unverdrossen hatte man sich wieder ans , n gemacht, das jetzt von einem so stolzen Erfolg gerront ist. Das ist das Tempo unserer Zeit, in die auch Deutschland mitten hineingestellt ist. Entschlußkraft und Zlelbewußtes Handeln verlangt sie zuallererst, — und un erfreulich ist es, daß man so oft in der Innenpolitik, in der parlamentarischen Vertretung des deutschen Volkes, von diefem Rhythmus der Zeit wenig verspürt. Man ist wieder einmal „so weit" im Reichstag. So weit also, daß man dort immer nur „die Schwierigkeiten" sieht. Und vor allem sich gegenseitig beschuldigt, neue Schwierig keiten zu entdecken, in den Weg zu werfen. Man ver handelt - aber in diesem Wort scheint das „Handeln" mit besonders kleinen Buchstaben geschrieben zu sein. Denn dieses Verhandeln dreht sich seit Wochen oder eigentlich schon seit Monaten immer um denselben Punkt. Und in dieser Zeit wächst und wächst das Defizit, wächst die finan zielle Not, drückt das Unsichere der ganzen Lage, das Hinausschieben jeder Entscheidung immer stärker auch auj das deutsche Wirtschaftsleben, das ein ganz klein wenig Atem zu schöpfen beginnt. Schon ist der zweite Nach- tragsetat für das Jahr 1929/30 notwendig geworden und in ein paar Wochen werden die endgültigen Zahle?? über den Reichshaushalt noch viel lauter sprechen. Und trotz dem ha? man sich im Reichstag wieder eine Zeit zu??? Ver bandeln geschaffen dadurch, daß man durch eine?? „Rotetat" die vorläufige Finanzgebarung des Reiches „regelt" — wen?? man diese rein etatsrechtliche Bestimmung als eine „Regelung" bezeichnen will. Dabei liegt ja ein „Finanz- Programm" tatsächlich vor, ist von der Regierung aus gestellt, vom Reichsrat auch schon genehmigt worden. Aber die Koaiitionsparteien wolle?? in ihrer Gesamtheit nicht „anbeißen", den Bissen hinunterschlucken, auch wenn er allerhand Bitternisse sür die eine oder andere Partei ent hüll. „Wie sag' ich's meinem Wähler?" — aber die großen Masse?? der Wähler interessieren sich kaum noch für Einzel heiten, für Anschauungsdisfercnzcn, die mar? ja kaum nock hinsichtlich ihrer Ursprünge feststellen kann. Der Neichs- präsidem hat vor vierzehn Tagen verlangt, daß die Par teien der Rcgicruugskoalition sich schnellstens auf ein Finanzprogramm einigen. Sons.! würden sich andere Wege finden, auf denen man zum Ziel kommt und die vor? de? Verfassung für der? Fall der Not geöffnet werden. Das wirft seiner? Schatten über das ergebnislose Verhandeln Vielleicht möchte sich auch so mancher — in diesen Schatter flüchten. Auch die Reichsbahn muß handeln. Den?? auck ihr brachte das bisherige Verhandeln keinen Ausweg aus den wachsenden Schwierigkeiten ihrer finanziellen Lage Tie ist als Verkehrsinstrnment sehr empfindlich für du Schwankungen der Wirtschaftskonjunktur und mußte ir ihren Vetriebsergebnissen ganz besonders unter der all gemeinen Krise leiden, weil sie ja nicht die geringste Er leichterung ihrer Lasten mit der Durchführung des Äsung Plans erfährt, nach wie vor ihre 660 Millionen Re parationsverpflichtungen und dazu noch Vie Beförderung^ stcuer mit 300 Millionen aus den Überschüssen abzuführer hat. Und schon vor Monate?? hat die Reichsbahn mit geteilt, man könne für die kommende Zeit einen Haushab gar nicht aufstelleu, der in Ausgaben und Einnahmen balancieren würde. Wenn ihr eben nicht eine Tarif erhöh ung bewilligt würde, was aber mehrmals vor der Reichsregierung abgelehnt wurde. Auch die besonders dringend gewünschte Drosselung bestimmter Teile des Kraftwagenverkehrs, der ja der Reichsbahn schwerste Ein büßen bringt — Dr. Dorpmüller, der Generaldirektor de? Reichsbahn^ beziffert sie auf nicht weniger als 450 Mil lionen — ist über ein Verhandlungsstadium nicht hinaus- gekommen, weil an sich sehr berechtigte Wünsche große? wirtschaftlicher Kreise einen heftige?? Widerstand leistete« gegen alle Forderungen, die auf Tariferhöhungen abzielerr Run handelt die Reichsbahn, wie es bei ihr als einen? nach kaufmännischen Grundsätzen geführten Unternehmer? nicht anders zu erwarte?? ist: Beschränkung der sachlichen und persönlicher? Betriebsausgaben, darunter leider auck Arbeiterentlassungen. Der laufende Betrieb soll und mus hch selbst erhallen; und wenn erst der für die Deutsch? Reichsbahn vorgesehene Anteil an der Mobilisierungs anleihe cinläuft, dann solle?? diese Mittel lediglich für außerordentliche Ausgaben, also für solche zwecks Ausbau und Sichcrheitssördcrung des Betriebes, Verwendung sindcn. Die Last der Verpflichtung, jährlich rund ein« Milliarde hcrauszuwirtschaflen, wird schwerer und immer schwerer. Und im Personen- wie im Güterverkehr immer fühlbarer. Schwierige Kabinettsbildung in Polen. Der Bruder Marschall Pilsudskis beauftragt. Im Polnischen Sejm ist die amtliche Mitteilung aus gegeben worden, daß der Staatspräsident deir Bruder des Marschalls Pilfudski, den Abgeordneten Jan Pil- sudski, mit der Kabinettsbildung beauftragt habe. Der Abgeordnete Pilsudski hat den Antrag angenommen. Tilgung der schwebenden Schuld durch die Kreuger-Anleihe. Diskontierung der Zündholzanleihe. Ein unter Führung der Reichsbank stehendes deut sches Konsortium und ein internationales Konsortium haben es übernommen, den Erlös der dem Deutschen Reich von der Kreuger-Gesellschaft zu gewährenden An leihe von 125 Millionen Dollar zu diskontieren. Diese Anleihe ist bekanntlick in zwei Raten von 50 Millionen Oie Parteiführer machen Schwierigkeiten. Langwierige Finanzverhandlungen. Im Reichstag herrschte am Mittwoch wieder einmal höchste Krisenstimmung. Den Anlaß dazu gab die ergeb nislos verlaufene nächtliche Besprechung der Parteisührer der Regierungsparteien mit dem Reichskanzler über die Sanierung der Reichsfinanzen. In diesen Verhandlungen hatte Reichssinanzminister Dr. Moldenhauer eine?? neue?? Vorschlag gemacht, nach dem u. a. eine allgemeine Ände rung der Leistungen in der Arbeitslosenversicherung nur durch Gesetz vorgenommen werden sollte. Dieser Vor schlag genügte indessen den Sozialdemolrate?? und auch den Vertretern des Zentrums nicht, weil nach ihrer Ansicht hierdurch ein teilweiser Abbau der Leistungen der Arbeits losenversicherung nicht verhindert werde?? könnte. Auch in der Frage der Steuersenkung wurde eine Verständi gung zwischen Volkspartei und Sozialdemokrale?? in der nächtlichen Führerbesprechung nicht erzielt. In Neichstagskreisen wurde daraus hingewiesen, daß, falls nicht noch im letzten Augenblick eine Einigung über aas Finanzprogramm des Neichskabinctts unter den Parteiführern erzielt werden sollte, der Reichskanzler das Steuerprogramm der Reichsregierung vor den Reichstag bringen und zur Abstimmung stellen würde. Dieses Pro gramm würde allerdings kaum eine Mehrheit finden, so daß dann die Reichsregierung in ihrer jetzige?? Zusam mensetzung aufhören würde, zu bestehen. I?? den Wandelgängen des Reichstages wurde?? be reits allerlei neue Negierungskombina tionen besprochen. Es tauchte wiederum wie vor etwa drei Wochen der Gedanke der Bildung einer Weimarer Regierungskoalition auf, man sprach weiter davon, daß der Führer der Reichstagsfraktion des Zentrums, Abg. Dr. Brüning, die Bildung eines neuer? Kabinetts übernehmen würde, das auf die Mitwirkung der Sozial demokratie verzichte?? und Anlehnung nach rechts suche?? würde. Neben Dr. Brüning wurde auch der Name des frühere?? Staatssekretärs in der Reichskanzlei, des jetzigen Bürgermeisters von Esser?, Dr. Bracht, der ebenfalls dem Zentrum nahe steht, als kommender Reichs kanzler genannt. Mar? wollte schon wissen, daß Fühler ausgestreckt worden seien, den Führer des Reichsland bundes, den deutschnationalen Abgeordneten Dr. Schiele, für ein neues Kabinett als Minister zu gewinnen, wodurch man die gemäßigten Mitglieder der deutschnationalen Reichstagsfraktion und Mitglieder der volkskonservativen Vereinigung für das neue Kabinett interessieren wollte. Ob die eine oder andere dieser Kombinationen zur Durchführung gelangen wird, wird sich bald erweisen müssen. Denn nicht nur die Öffentlichkeit wartet unge duldig auf einen Abschluß der Finanzverhandlungen, auch die Fraktionen selbst fühlen, saß man nun endlich zu einem Ergebnis kommen müßte. Die nächsten Stunde?? müssen nun also Aufklärung über das weitere Schicksal des Kabinetts Müller bringen. Man glaubt noch an Verständigungsmöglichkeiten. Die Parteiftthrerbesprechung am Mittwoch nachmittag beim Reichskanzler, an der auch einige Ressortminister teil- nahmen, dauerte etwa drei Stunden. Eine Einigung wurde weder über die Arbeitslosenversicherung noch über die Steuersenkung erzielt. Man einigte sich jedoch dahin, daß die sozialpolitischen Sachverständigen der Regierungsparteien nochmals versuchen sollen, eine Verständigung über die Arbeitslosenversicherung hcrbeizu- führen. Man glaubt in Kreisen der Regierungsparteien, daß im Falle einer Verständigung über dieses Problem die Steuersenkung keine unüberwindlichen Schwierigkeiten mehr bereiten wird. Die Parteiführer treten am Donnerstag beim Reichs kanzler wieder zusammen. Die für Mittwoch abend vor gesehene Kabinettssitzung ist vertagt worden. Sie wird erst im Anschluß an die Parteiführerbesprechung am Donnerstag stattfinden. Neue Arbeitslosenkompromitzformel Berlin, 26 .März. Am Mittwoch abend traten im Reichs tag die sozialpolitischen Sachverständige?? der Regierungsparteien zusammen, um die letzten Verständigungsmöglichkeiten in der Frage der Arbeitslosenversicherung zu prüfen. Wie die Telegra- phenunion aus parlamentarischen Kreisen erfährt, liegt den Be ratungen eine neue, vom Zentrum vorgeschlagene Formel zu Grunde, die gewisse Aussichten sür eine Einigung der Regierungs parteien bietet. Eine Beitragserhöhung soll danach zunächst nicht erfolgen. Von der Einführung einer Zuschußpslicht des Reiches, die bei den Sozialdemokraten auf großen Widerstand stößt, soll ab gesehen und die Darlehnspflicht des Reiches arisrecht erhalten blei ben. Die Mittel sür die Rückzahlung der Darlehen sollen aber nötigenfalls durch eine Beitragserhöhung aufgebracht werden kön nen. Die während des Tages überwiegend pessimistische Beurtei lung der Lage ist nach dem Bekanntwerden der neuen Formel einem gewissen Optimismus gewichen. Man hofft, daß bis zur Kabinettsitzung am Donnerstag eine endgültige Verständigung über diesen Punkt erzielt wird. Die Frage der Steuersenkung wird Donnerstag vormittag von den Parteiführern behandelt werden. Atecksr erqebnisws Berlin, 26. März. Die Verhandlungen der sozialpoliti schen Sachverständigen der fünf Regierungsparteien, die gegen 19 Uhr im Reichstag begannen, wurden nach etwa dreistündiger Dauer ohne Ergebnis abgebrochen. Wie die Telegraphenunion von gut unterrichteter Seite dazu erfährt, sind die Verhandlungen im wesentlichen daran gescheitert, daß von sozialdemokratischer Seite keinerlei Zugeständnisse hinsicht lich der von der Volkspartei sür notwendig erachteten Resorm- maßnahmen gemacht worden. Auch das Zentrum und die Demo kraten erkannten in den Verhandlungen ausdrücklich an, daß Re- formmaßnahmen in der Frage der Arbeitslosenversicherung fest gelegt werden müßten, so daß auch zwischen den vier anderen Parteien eine Einigung nicht zu erzielen war. Das Schwergewicht der Finanzverhandlungen liegt nunmehr wieder bei den Partei führern, die am Donnerstag vormittag 10 Uhr beim Reichskanz ler zusammentreten. Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, SÄSSL Gewall, Kritg oder sonstiger ö-lri-drstorungkn drftchl d-in Anspiu<t> auf Li-s-rnng drr Z-imng oder Kürzung drs Bezug-urcMb. — Nucklkndung -ingesondter Sidrisrstückr rrsoigl nur, wen» Porto d-Megt. Anzeigenpreis: d e 8 gespaltene Aaumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlicher? Bekanntmachungen 40 Reich», Pfennig, die 3 gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungs^cbüyr 20 Sieichspfennige. geschriebene Erscheinungs- — . * tage und Platzvvrschriften .Verden nach? Wöplichkert Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeige«, annahme dis ; arm.lOUdr. -————Für dir Richtigkeit der durch Fernruf üdermitteltenAnzLigeu übernehmen wir keine Garantie. Ieder Liabatranspru ch erlischt, wenn der Betrag dnrcb Klage einaezo^en werden mutz oder derAuftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigennehmenollö Vermittlungsstellen entgegen.