Volltext Seite (XML)
Politische Schlägerei bei einer Beerdigung. . In Berlin fand die Beerdigung des ermordeten na tionalsozialistischen Studenten Wessel statt. Infolge der großen Anteilnahme persönlicher und politischer Leid tragender geriet der Trauerzug ins Stocken, besonders in folge der bedeutenden Anzahl politischer Gegner, die sich versammelt hatten. Plötzlich begannen die Demon stranten den Trauerzug mit Gejohle anzugreisen, versuch ten die Studentenvertreter aus den Autodroschken zu reißen und sangen die Internationale. Die Nationalsozia listen setzten sich zur Wehr. Es entstand eine große Prügelei, bei der es um so gefährlicher herging, als beide Parteien größtenteils in Zivil erschienen waren, so daß Freund und Feind sich gegenseitig kaum erkennen konnten. Auch die Polizei konnte die Parteien nicht aus einanderhalten. Als daraufhin eine Anzahl Schüsse abgegeben wurden, ging die Polizei mit dem Gummi knüttel gegen die Streitenden vor. Eine große Anzahl Personen wurde in verletztem Zustande in verschiedene Krankenhäuser übergeführt. Die Polizei nahm mehrere Verhaftungen vor. Glücksnummer 222^88. Das Große Los der Preußisch-Süddeutschen Lotterie. Viele, nein, die meisten von uns sind wieder um eine schöne Hoffnung ärmer: es sind das alle diejenigen, welche seit langer, längerer oder kürzerer Zeit mit heißem Bemühen an der Preußisch-Süddeutschen Klassenlotterie als Mitspieler beteiligt sind und bei jeder Ziehung der be rühmten 5. Klasse besagter Lotterie auf das nicht minder be rühmte, aber beinahe schon sagenhafte „Große Los" rechnen. .Diesmal gewinne ich's bestimmt!" denkt jeder bei Beginn der Ziehung — „So eine Gemeinheit! — nicht einmal ein Freilos habe ich gewonnen!" sagen die meisten nach Schluß der Ziehung. So ist das Leben! Bei der jetzt im Gang befindlichen Ziehung der Preußisch-Süddeutfchen hat das Große Los ziemlich lange auf sich warten lassen: die Spieler mußten drei Wochen .in schwebender Pein langen und bangen" oder hangen und bangen, ehe sie über ihr trauriges Schicksal — das Schicksal, das Große Los nicht gewonnen zu haben — Sicheres erfuhren. Jetzt aber ist es endgültig heraus, das Große: auf die Nummer 217 188 ist es gefallen. Eigent- rich sind es ja zwei Große Lose von je 500 000 Mark, denn in der Preußisch-Süddeutschen wird jede Losnummer in zwei Abteilungen gespielt, so daß es eine Nummer 217 188 und eine Nummer 217 188 8 gibt. In der ersten Abteilung fiel das Große Los nach Iena, in der zweiten nach Bremen. In Jena wird die Glücksnummer in Achteln gespielt, so daß jeder der acht Spieler 50 000 Mark ausgezahlt erhält. Für „Lotterielaien" ist hier zu be- merken, daß von jedem Gewinn von vornherein 20 Prozent abgezogen werden, so daß statt der nominellen 500 000 Mark in Wirklichkeit nur 400 000 Mark aus gezahlt werden. Aber 50 000 Mark sind schließlich auch eine runde, nette Summe. In Bremen aber wurde die Glücksnummer in Halben gespielt, so daß es dort nur zwei Gewinner gibt, von denen jeder 200 000 Mark bekommt, Ivas noch erfreulicher ist als „nur" 50 000 Mark. Allen anderen Spielern aber, denen das „Große" in so schmählicher Weise durch die Lappen gegangen ist, bleib! jetzt noch die Hoffnung auf die Schlußprämie, die jo gleichfalls 500 000 Mark beträgt und gleichfalls in zwei Abteilungen zu gewinnen ist. Hoffen wir also das Beste lieber Leser! Deutsches Reich Preußischer Landtag bis 11. März vertagt. Der Preußische Landtag vertagte sich am 1. März nach kurzer Sitzung, in der nur kleinere Vorlagen erledigt wür gen, auf den 11. März, um dann die zweite Beratung des Haushalts des Handelsministeriums vorzunehmen. Wäh rend der Pause nimmt der Untersuchungsausschuß zur Nachprüfung der Kreditgebarung der Preußenkasse am 6. März seine Verhandlungen wieder auf, um die Beweis würdigung im Falle der Raiffeisenkredite abzuschließen. Der Mittellandkanal. Das Oberpräsidium der Provinz Sachsen teilt mit, der Reichsverkehrsminister Steaerwald habe die Er klärung abgegeben, es entspreche nicht den Tatsachen, wenn ihm unterstellt werde, daß er sich nicht gerne für die Vollendung der begonnenen Arbeiten am Mittelland kanal nach dem Staatsverlrage vom 24. Juli 1926 ein setzen wolle. Es bestehe kern Anlaß zu der Besorgnis, daß die Arbeiten am Mittellandkanal eingestellt werden. Aus In- und Ausland Berlin. Wie der Polizeipräsident mitteilt, haben die U n - stimmigkeiten zwischen dem Polizeivizeprästdenten Dr. Weiß und dem Kommandeur Heimannsberg in Berlin jetzt nach der Rückkehr des Letztgenannten ihre Erledigung gefunden. In einer eingehenden Aussprache gelang es, alle Unstimmig keiten und Mißverständnisse restlos auszuräumen. Stettin. Die „Antifaschistische Junge Garde", eine Orga nisation der K. P. D., veranstaltete im Abstinentenheim eine öffentliche Protestkundgebung gegen die Verbote der Berliner und der Hamburger „Antifaschistischen Jungen Garde". Die Versammlung wurde von den Beauftragten der Polizei aus gelöst und etwa 80 Teilnehmer zur Feststellung ihrer Per sonalien in Kraftwagen in das Polizeipräsidium befördert. Hongkong. Zwei katholische Priester und drei christliche chinesische Schwestern, die im Bezirk Tingtal von Banditen entführt worden waren, sind ermordet worden. Der italienische Gesandte in Peiping richtete eine Note an die chinesische Re gierung und sandte telegraphisch einen Bericht nach Rom. Der frühere Großherzog von Mecklenburg-Schwerin will keine Zeitung herausgeben. Bei der Zwangsverstei gerung des Gebäudes und der Druckerei der früheren Kommanditgesellschaft Dietzsch u. Co., Schwerin, des Ver lages der früheren deutschnationalen Tageszeitung Meck lenburger Nachrichten hat, wie berichtet wurde, die Ver mögensverwaltung des früheren Großherzogs von Meck lenburg-Schwerin das Äeistgebot abgegeben. Jetzt wird mitgeteilt, daß der frühere Großherzog nicht die Absicht habe, eine Zeitung zu übernehmen. Die Vermögens verwaltung habe sich an der Zwangsversteigerung nur deshalb beteiligt, weil sie finanziell au dem Unternehmen interessiert gewesen sei. Das erste Stresemanndenkmal. Das erste Strese manndenkmal soll in Mainz am Ufer des Rheins er richtet werden. Mit den Geldsammlungen ist bereits be gonnen worden. Brandstiftungsepidemie. In der Rotthaler Gegend 'Niederbayern) ist eine Brandstiftungsepidemie aus gebrochen. Innerhalb einer Woche sind allein in der Um gegend von Pfarrkirchen sechs Großfeuer ausgebrochen. Alle diese Feuersbrünste sind auf Brandstiftung zurück- zusühren. Bombenexplosion in einem amerikanischen Nachtlokal. In einem Nachtklublokal in Chikago explodierte unter dem Orchesterpodium ein Bombe. Da die Explosion während einer Tanzpause erfolgte, wurde nur ein Musiker verletzt. Der Saal, das darunterliegende Stockwerk und ein an stoßendes Hotel wurden beschädigt. Der Anschlag steht im Zusammenhang mit dem Streik unter den Spirituosen händlern. Waffen aus der Luft für eine Sträflingsrevolte. Ein Flugzeug, das längere Zeit in geringer Höhe über dem Staatsgefängnis Auburn im Staate Newyork, in dem im letzten Jahre wiederholt Gefangenenaufstände er folgt waren, kreiste, verursachte eine erhebliche Aufregung, da man vermutete, daß aus dem Flugzeug Waffen für die Sträflinge abgeworfen werden sollten. Als 60 Poli zisten mit Maschinengewehren Feuer auf das Flugzeug eröffneten, verschwand es. Zum Schutze des Gefängnisses wurde Staatsmiliz mobilisiert. Erdrutsche in der Umgebung von Palermo. In der Umgebung von Palermo haben Erdrutsche großen Schaden angerichtet. Außer Weinbergen und Obstgärten sind auch zahlreiche Häuser zerstört oder beschädigt worden. Durch die abstürzenden Erd- und Steinmassen wurden an drei Stellen Gebirgsflüsse verschüttet. Infolgedessen staut sich das Wasser und wird zur Gefahr für die weiter talwärts Sprechapparate Platten,Nadeln,Reparaturen Teilzahlung gestattet! Alfred Dürre, MH. WerWtte, Wilsdruff. Zedtlerstratze 183 liegenden Siedlungen und besonders für die Brücken der Flüsse. Bunte Tageschronik Witten. Die Seilsabrik Schulte-Bellinghausen ist durch ein Feuer vollständig zerstört worden. Große Mengen Hanf und Teer sielen den Flammen zum Opfer. Rengsdorf i. Westerwald. Im Alter von fast 82 Jahren starb auf seinem Landsitz Kommerzienrat Friedrich Henckel, der Begründer der Henckel-Werke. Brüssel. Ein Eisenbahnzug, der von Brüssel kam, stieß mit einem anderen Zug zusammen. Zwei Wagen sind umge stürzt, acht Reisende wurden verletzt. . Sandwina besiegte Bertazzolo in Newyork in einem 10-Runden-Kamps sicher nach Punkten. Der Engländer Charlie Smith wurde im gleichen Programm von De Kuh in der ersten Runde k. o. geschlagen. - Sharkeys Sieg über Scott ist von der Newyorker Bor- kommission bestätigt worden, obwohl der Engländer Protest wegen Tiesschlags eingereichl hatte. Der Titelkampf um die Weltmeisterschaft wird im Juni zwischen Sharkey und Schme ling stattsinden. , Acht Fußballkurse hält der Deutsche Futzballbund in diesem Jahre ab, einen Jugendletterkursus vom 13. bis 1S. April im Sportforum, einen Ausbildungskursus vom 4. bis 16. August im Berliner Poststadion, einen Schiedsrichterkursus vom 18. bis 23. August ebenfalls im Berliner Poststadion, ser- ner drei Auswahlkurse in Duisburg, Nürnberg und Breslau sowie zwei Wetterbildungskurse in Berlin. Das 23. Berliner Sechstagerennen wird gegenwärtig im Sportpalast veranstaltet. Fünfzehn Paare ringen um den Sieg. kuncklunk-progrsmm — » » Rundfunk Leipzig (Welle 259), Dresden (Welle 319). Dienstag, 4. März. La. 13.10: Schaliplatten. » 14 30: Neu erscheinungen auf dem Musikalienmarkt. » 15.15: Uraufführung von Schaliplatten. » 16: Dr. Schiller: Der Sternenhimmel mi M S 16.15: Dr. Lehmann: Eine Viertelstunde VerkehrsunsaN«. »1630: Heiteres Konzert. Komzak: Wiener Spaziergänge. — Strauß: Wiener Blut. — Krausz: Blues und Lharleston aus „Glück m de, Liebe". — Lonradi: Berlin, wie es weint und lacht, Ouo. — Kollo: Melodien aus „Wie einst im Mai". — Borchert: Hallo 1930! » 17.30: Durch das unterirdische Leipzig. Ein Gang mit dem Mikrophon. » 18.05: Frieda von Weibdorf: Hausfrauen an der Waterkant, was sie dort lernten und erlebten. » 18.40: Französisch. » 19.05: Oberreg.-Rat Dr. Heiland: Hellsehen und Kriminalpolizei S 19.35: Konzert. Weinberger: Puppenspiel-Ouo. — Gade: Hol bergiana. — Lalo: Namouna-Ballett-Suite. » 20.35: Fasching « Dazwischen etwa 22: Aktuelle Viertelstunde. » Anschl.: Zeit, Wetter Dienstag, 4. März. Berlin W. Welle 418. — Berlin O-, Magdeburg, Stettin Welle 283. 9.00: Studienrat Dr. Fr. Lederer: Das volkstümliche Lied im alten Berlin um 1830. * 12.30: Mitteilungen und praktische Winke für den Landwirt. 4- 15.20: Elsa Matz, M. d. R.: Aus- wanderungsfragen. * 15.40: Ingenieur I. Böhmer: Technische Wochenplauderei. 4- 16.05: „Penne und Pauker" (Zwiegespräch zwischen Studienrat Dr. Nitsche und Primaner Donig). 4- 16.30: Heiteres Konzert (Das Leipziger Funkorchester). 4- 17.30: „Der Hasenroman" von Fr. Jammes. 4- 18.00: Stunde mit Büchern. 4c 18.30: Fastnacht (Schallplattenkonzert). 4- 19.00: Dr. I. E. Poritzky: Der Reiz der Anekdote. 4- 19.30: Pro gramm der Aktuellen Abteilung. 4- 20.00: Politische Zeitungs schau. 4- 20.20: Bunter Faschingsabend. 4- Danach Fastnachts ball. Tanzorchester Ben Berlin. 4- 24.00: Um Mitternacht beim Sechstagerennen. Deutsche Welle 1635. 9.00—9.25: Das volkstümliche Lied im alten Berlin. Stud.- Rat Dr. Franz Lederer Gesang: Charlotte Freyer Am Flügel: Emil Schwartzkopf. 4- 9.30—10.25: Wir besuchen den Zirkus Sarrasani. 4- 12.00—12.25: Französisch für Schüler. 4- 14.30 bis 15.00: Tanzturnen für Kinder. 4- 15.00—15.30: Schach funk. 4- 15.45—16.00: Die Technik im Haushalt. 4c 16.00 bis 16.30: Künstlerische Handarbeiten. 4c 16.30—17.00: Nachmittags konzert Leipzig. 4- 17.30—17.55: Das Lustspiel von Moliöre bis zur Gegenwart. 4- 17.55—18.20: Politische Bücher der letzten Monate. 4- 18.20—18.40: Viertelstunde für die Gesund- hett: Unser täglich Brot. 4c 18.40—19.05: Französisch f. Fort geschrittene. 4- 19.05—19.30: Schöpferisches Musikerkennen (Arbeitsgemeinschaft). 4- 19.30—19.50: Technischer Lehrgang. Das Baugewerbe: Feuerschutz für Wohn- und Geschäftshäuser. 4- 20.00: Politische Zeitungsschau. 4- 20.20: Ans Breslau: „Fafchingsartikel." Eine Sendung durch Eilboten von Max Ophüls. 4c 21.30: Heitere Stunde. Robert Koppel. 4- Danach: Fastnachtsball. Tanzorchester Ben Berlin. 4- 24.00: Um Mitternacht beim Sechstagerennen. 54. Fortsetzung Nachdruck verboten Franks dunkle Augen schienen so traurig, als er hervor preßte: „Ohne Ilse ist mein Leben verpfuscht, nur durch sie kann ich Lust zur Arbeit, zum Streben haben." Pauline Wildhard rang mit einem Entschluß. War es nicht trotz allem ihre Pflicht, Ilse klaren Wein einzuschenken? Aber leid tat sie ihr, so bitterleid. Du lieber Himmel, wie schrecklich mußte es für das junge Mädchen sein, einen Tag vor der Hochzeit diese Wahrheit zu erfahren. Frank drängte: „Liebste Tante, sei doch gut! Sieh, die meisten Männer gehen doch nicht als schneeweiße Bäh- lammchen in die Ehe. Wenn ich wohlhabend gewesen, oder mich in leidlicher Stellung befunden, hätte ich Jutta vielleicht geheiratet, ehe ich Ilse kannte. Aber seit ich Ilse gesehen, wußte ich, sie ist es, die ich erringen mußte. Tante, was willst du noch mehr? Jutta Linden verläßt nach unserer Rückkunft von der Reise den Rauneckhof und geht ins Ausland, ich aber werde Ilse stets achten und ehren." Pauline Wildhard seufzte. „Ganz einig bin ich mir noch immer nicht darüber, ob ich recht handele, aber ich bringe es nicht fertig, dem armen Wurm, der Ilse, weh zu tun. Also sei es! Doch es bleibt dabei, was ihr beide mir ver sprochen, es muß dabei bleiben. Morgen abend reist Frank mit seiner Frau ab und während das Paar sort ist, suchen Sie, Fräulein Linden, sich eine Stellung, recht weit von hier entfernt, möglichst im Ausland. Verstanden?" Jutta erwiderte fest und klar: „Cs bleibt dabei, gnädige Frau, und nun vielen Dank für Ihre große Güte." Sie erhob sich plötzlich, nach einem Blick auf die Uhr über dem Büffet. „In fünf Minuten geht der Zug, mit den, mich Ilse bestimmt erwartet." „Dann eilen Sie sich nur," mahnte die Baronin und Jutta Linden war froh, so gut davongekommen zu sein. Sie grüßte und verließ im Laufschritt den Wartesaal, Frank sei nem Schicksal überlassend. „Also nun können wir ja auch aufbrechen," meinte Pau line Wildhard zu dem verlegen an seiner Unterlippe herum beißenden Neffen. „Das Weibsstück hat sich ja zum Schluß noch leidlich anständig benommen. So eine ordentliche Dusche, eine der Art, wie sie sie von mir gekriegt, hilft immer noch. Aber reden wir nicht mehr von der häßlichen Geschichte, sonst gerate ich nochmals in Harnisch." Brav ging Frank Wildhard neben der alten Dame her. Vorläufig war die so heikel gewesene Situation gerettet. Jutta hatte sich klug benommen. Wenn seine Tante Jutta allerdings nur ein ganz klein wenig besser gekannt hätte, würde sie ihr kein Wörtchen von ihrem Versprechen geglaubt haben. Jutta aber erreichte noch im letzten Moment den Zug. Sie achtete nicht auf die im gleichen Abteil Mitfahrenden, ihr Hirn arbeitete erregt. Pauline Wildhard hatte sie heute noch schlimmer belei digt als neulich abends im Sodener Kurpark, hoffentlich konnte sie ihr alles einmal hohnlachend heimzahlen. Ja, sie würde den Rauneckhos verlassen, aber nicht, um sich in einer abhängigen Stellung zu ducken, sondern sie wollte in Ruhe, Freiheit und Bequemlichkeit an irgendeinem schönen Plätzchen abwarten, bis die Stelle der Herrin des Rauneckhofes frei geworden, dann kehrte sie triumphierend wieder. Geld besaß sie ja. Frank war generös gewesen und würde noch generöser sein, wenn er erst Ilses Mann geworden. Um ihre Zukunft war Jutta Linden nicht mehr bange. Frank mußte tun, was sie wollte, er kam von ihr niemals mehr los. 14. Ein Morgen voll Klarheit und Sonnenglanz lag Uber den Taunusbergen. Ulrich Werdenberg wollte heute seinen gc 'ähnlichen Inspektionsritt unterlassen, heute war Ilse Raunecks Hochzeitstag. Um zehn Uhr wurde sie in der Dorfkirche getraut. Ulrich Werdenberg hatte das ihm gebrachte Frühstück fast unberührt gelassen. Jeder Bissen hatte ihm im Halse gewürgt. Nun lief er durch seine zwei Zimmer hin und her, wie ein Tier in seinem Käfig. In seinen Schläfen empfand er einen unerträglichen Druck. Wodurch hatte er die furchtbare Strafe verdient, mitan sehen zu müssen, wie Ilse einen Mann heiratete, der ihrer in keiner Weise würdig war. Es gehörte nicht viel dazu, seinen oberflächlichen Charakter zu erkennen. Es war schade, daß Ilse ihr Herz an so einen verloren hatte. Er trat vor die an der Wand seiner Wohnstube hängen den Photographien Ilses hin, betrachtete das Bild der Elf jährigen genau so andächtig wie die anderen Bilder, auf denen sie älter war. Als diese Bilder gemacht wurden und Ilse sie ihm schenkte, war er glücklicher als heute. „Damals gehörte mir dein Herz, Mädelchen," flüsterte er, „heute hast du es an einen faden Kerl gehängt, der sich nie zu dir gefunden hätte, wenn du nicht reich wärst!" Er war fest davon überzeugt, eine arme Ilse Rauneck hätte der Baron niemals geheiratet. Er saß dann unter den Bildern, schaute bald das eine, bald das andere an und plötzlich ward sein Gesicht Heller und froher. Er selbst war Ilse auch nicht gleichgültig, etwas von ihrer harmlosen Kinder- und Iungmädchenliebe mußte sie sich bewahrt haben, sonst hätte sie sich nicht neulich nachts so sehr um ihn geängstigt. Niemals würden die Augenblicke aus seinem Gedächtnis schwinden, da sie ihm ihre Besorgnis be kannt. Sie hatte gefürchtet, ihm könne etwas geschehen, hatte um ihn gebangt. Der Gedanke war ein Schatz von un ermeßlichem Wert sür ihn, er würde ihn sorgsam aufheben und ihn behüten als sein Köstlichstes durch sein ganzes weiteres Leben, mochte es sich auch noch so fern vom Raun eckhofe abspielen. Er erhob Ich, nahm seinen Zimmerspaziergang wieder auf. (Fortsetzung folgt.)