Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 05.03.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193003050
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19300305
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19300305
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-03
- Tag 1930-03-05
-
Monat
1930-03
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 05.03.1930
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
tyürrngucyeu SlaatsiHmoverschrervungen aniegen zu müsseu. Außerdem wird dem Innenminister weitgehende Möglichkeit gegeben, neuzugründenden oder auch bereits bestehenden Sparkassen die Genehmigung zu versagen, bzw. sie zu Zweckverbänden zusammenzulegen und sie mü Filialen der Thüringischen Staatsbank und Landesspar lasse zu vereinigen. Grützner von der Sozialdemokratie ausgeschlossen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands teilt mit: „Der sozialdemokratische Parteivorstand hat in seiner Sitzung vom 4. März einstimmig beschlossen, den Senats- Präsidenten beim Oberverwaltungsgericht, Grützner, aus oer Partei auszuschließen. Er erklärt, daß die Behaup tung Grützners, er habe vom Parieivorstand für sein Vor gehen gegen den Minister Grzesinski freie Hand erhalten, aus Unwahrheit beruht." Das Schreiben Grützners an den preußischen Ministerpräsidenten Braun, in dem die privaten Verhältnisse des früheren preußischen Innen ministers Grzesinski berührt wurden, gab den Anstoß zu Grzesinskis Rücktritt. Der neue Innenminister Wäntig hat sein Amt angetreten. Die Kriegsgeschadigten. Die „Arbeitsgemeinschaft für den Ersatz von Kriegs- und Verdrängungsschäden" veranstaltet am 8. und 9. März in Berlin einen Kongreß der Verdrängten und der Liqui dationsgeschädigten, um vor der Öffentlichkeit, der Volks vertretung und den maßgebenden Regierungsstellen die Notwendigkeit der endgültigen Regelung der Entschädi gungsfragen anläßlich der bevorstehenden Lösung der großen Finanzprobleme im Reich zu erörtern. Es sollen von Vertretern der Verbände die Auswirkungen der Ent schädigungsfrage nach allen Richtungen hin in sachlicher Weise erläutert werden. Insbesondere soll die Bedeutung einer dringlichen Lösung der Entschädigungsfrage für die endgültige Liquidierung des Krieges, die Gesamtentwick lung der deutschen Volkswirtschaaft, das allgemeine Rechts empfinden im In- und Auslande und den wirtschaftlichen Wiederaufbau des deutschen Volkes sachlich dargestellt werden. Angeblicher Kommunistenputsch am 6. März. Seit einigen Tagen schon beschäftigen sich eine Anzahl von Blättern mit einem projektierten Putschversuch der Kommunisten, der für den 6. März in den Großstädten, besonders in Berlin, angesetzt sein soll. Die Veröffent lichungen der Berliner„RotenFahne" haben diese Gerüchte gestärkt, denn das Blatt spricht von einem „internationa len Kampftag gegen die Erwerbslosigkeit und gegen die kapitalistische Rationalisierung und ihre Auswirkungen". In Moskau soll beschlossen werden, die deutsche kommu nistische Offensive mit allen Kräften zu unterstützen. Bei der augenblicklich sehr geschwächten Lage der Kommunisti schen Partei, die neuerdings durch innere Spaltung wieder geschwächt worden ist, ist von der angekündigten Revolution nicht viel zu hallen. Der Sicherheit halber soll die Berliner Schutzpolizei entsprechende Vorbereitun gen getroffen haben, falls es zu den üblichen Einzel demonstrationen kommen sollte. Andererseits wird auch von Gegendemonstrationen der Rechtsradikalen gesprochen. Aus In- und Ausland Berlin. Das Reichswehrministerium teilt mit, daß in der Leipziger Waffendieb st ahlsaffäre nunmehr ein Zivilangestellter des Leipziger Waffendepots festgenommen worden ist, der seit Januar mit den Kommunisten in Ver bindung stand und durch seine Kenntnisse über die Lagerung und Bewachung der Waffen den Diebstahl ermöglichte. Berlin. Das deutsch-polnische Schiedsgericht für Ober- schlesten, das sich mit Klagen von neun ostoberschlesischen Spiritusfabrikanten gegen den Polnischen Staat befaßte, hat sämtliche Klagen abgewiesen. Berlin. Eine große Strafkammer des Landgerichts III ist am 1. März d. I. wegen der durch den Übergang der Sonderstrafsachen aus das Landgericht I bedingten Verminde rung der Geschäfte aufgelöst worden. Rostock. In der Stadtverordnetensitzung sand die Nats- vorlage betreffend Einführung einer kommunalen Bier steuer nicht die vom Rat erhoffte Mehrheit. Die Biersteuer ist damit für Rostock einstweilen gefallen. Brüssel. Der belgische Landesverteidigungsmiuister beab sichtigt, dem Parlament einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach oem ein Fonds von 500 Millionen Frank geschaffen werden soll, der dem Ausbau der VerteidigungderO st grenze oienen soll. Moskau. Die Telegraphenagentur der Sowjetunion läßt sich direkt aus Schanghai melden, daß in Peking eine neue chinesischeZentralregierunggebildet worden sei. Kapstadt. Der Gesetzentwurf zur Einschränkung der Zahl der aus Ost- und Südeuropa kommenden Einwanderer durch die Anwendung des Quotensystems ist im Abgeordneten haus in dritter Lesung angenommen worden. Er bedarf noch der Bestätigung durch den Senat. Wie denken Sie über Berlin? Ein Engländer entdeckt Berlin. — Die Krolloper soll ver schwinden. — Alt-Berlin wird neu gebaut. — Hausse im Leihhaus. Ein Ausländer muß kommen, um den Berlinern zu be- cheinigen, daß sie eigentlich ganz nette und honette Leute sind ;nd daß ihre Stadt sich sehen lassen kann unter den Städten 'er Welt — sonst glauben sie's nämlich nicht. Man sagt den Spreeathenern Schnoddrigkeit und Selbstgefälligkeit nach und behauptet von ihnen, daß sie überall, wo immer sie auch sein nögen, in ironischer Weise Vergleiche zögen zwischen dem lnderswo und Berlin, Vergleiche, die immer zugunsten Berlins ausfielen: „Bei uns in Berlin . . .!" Mag sein, mag ein. Aber im Grunde seines Wesens ist der waschechte Ber- tner ein Mensch, der in genau derselben ironischen Weise sich elbst zum besten hat und, wenn er mit seinesgleichen zusammen st, an seinem Berlin kein gutes Haar läßt. Schlankweg alles wird verungeniert: „Was, Sie wollen sich beklagen? Da ollten Sie mal erst zu uns nach Berlin kommen . . .!" Und >a mutz tatsächlich erst einer nach Berlin kommen und den tber sich selbst empörten Berlinern zu Gemüte führen: „Kinder, imbt euch nicht so! Ihr seid ja viel, viel besser als euer Ruf!" Und ausgerechnet ein Engländer muß diefer eine sein, Uner von den stolzen Albionesen, von denen man erzählt, datz os für sie auf der ganzen bewohnten Erde nichts Höheres gebe als 1. England, 2 England und 3. nochmals England. Also ein nachdenklicher Engländer war kürzlich eine Zeit lang in Berlin, hat sich die Riesenstadt von oben bis unten, oon rechts nach links und vom äußersten Osten bis zum wildesten Westen angesehen, ist mit einem Tagebuch voll Notizen und mit einem gewaltigen Schütteln des Kopfes nach London zurückgekehrt und lobt jetzt in einem dicken Buche, das er „Wie es sich in Berlin leben läßt" überschrieben hat, die Reichshauptstadt über den grünen Klee. Einfach alles hat ihm imponiert. Hat man je und irgendwo solche Hotels gesehen, wie sie Berlin dem Fremden bietet? Mit solchem Essen, mit solchen fabelhaft bequemen Zimmern, mit solcher Bedienung? Wo auf der Well gibt es das zum zweitenmal? In Paris vielleicht? In London vielleicht? Daß ich nicht lache! Wohlgemerkt: „ich" ist der Engländer! Und seht euch mal die Berliner Schn- und Sipos an und die zu ihnen gehörigen Polizetämter und die märchenhaft sauberen Berliner Straßen und die totschicken Berliner Mädchen — „Klasse", sage ich euch — und die Schaufenster am Kurfürstendamm und die Kinos und die Nachtbars und die Theater und die Restaurants und die Casös und die Sportplätze und die Postämter, die neuen mindestens, die eine Sehenswürdigkeit für sich sind — ja, seht euch das alles mal ein bißchen genauer an als bloß immer mit dem Baedeker in der Hand, ihr, meine lieben Brüder und Schwestern, und auch ihr, liebe Ententegenossen von ehedem, und ihr werdet aus dem Staunen nicht mehr herauskommen! Sagt, wie gesagt, der begeisterte Engländer. Und nun er zähle man das mal dem also gepriesenen Berliner — der wird aber lachen! Denn der gepriesene Berliner Weitz ja gar nicht, was er an seiner Stadt hat, und das Nörgeln ist ihm Lebenselement. Was haben wir nicht eben jetzt wieder alles auszusetzen an uns! Da ist z. B. die Sache mit der Kroll oper. Die Krolloper ist ein Stück altes Berlin, drautzen im Tiergarten gelegen. Früher, als es noch das „alte Berlin" überall gab in Berlin, als wir noch die Berliner Gemütlichkeit hatten, pilgerten der Berliner und seine Berlinerin gern hin aus „zu Kroll", wo die vielen berühmten internationalen „Stars" auftraten, um den „Troubadour", den „Postillion" und die „Mignon" hinauszuschmettern in den Tiergarten. Jetzt wird drautzen „bei Kroll" zwar auch noch gesungen, aber es lohnt sich nicht mehr, und der Preußische Staat muß jährlich aus seiner eigenen Tasche 1,8 Millionen zuschießen, um das Singen bei Kroll einigermaßen aufrechtzuerhalten. Und da will denn der Preußische Staat mit Zustimmung seines Land tages die Krolloper schließen, weil wir ohnehin schon genug Opernhäuser haben in Berlin Genug Opernhäuser, aber nicht Geld genug, nm in sie hineinzugehen und die Opern anzuhören. Aber obwohl er kein Geld hat, ist der Berliner außer sich, daß man ihm die geliebte Krolloper wegnehmen will „Barbarei" nennt er das und „Banausentum", und so was sei überhaupt noch nicht dagewesen, und so was könne auch nur in Berlin passieren! Und jetzt wünschten wir wahrhaftig, daß das alles auch der Engländer, der Berlin die „erste Stadt der Welt" nennt, zu hören kriegte! Im übrigen: „altes Berlin" — das sollen wir in diesem Sommer neu aufgebaut und in Fülle zu sehen be kommen. Das Märkische Museum will das in die Hand nehmen, um den Engländern und den andern Berlin be suchenden Fremden eine Sommerschau zu bieten. Die ganze Berliner Architektur vom Barock bis zum moderneren Waren hausbau wird rekonstruiert und die Straße „Unter den Linden" und das Opernhaus von einst und dle Porzellanmanufaktur und die alte Zunftzeit und das Berliner Volksleben von einst. Wie sie das mit dem Volksleben machen wollen, darauf darf man einigermaßen neugierig sein, denn das Berliner Volks leben von heute hat mit dem von Anno dazumal kaum noch eine auch nur entfernte Ähnlichkeit aufzuweisen, und wenn es bei der Rekonstruktion des Volkslebens nur auf Theater spielerei abgesehen sein sollte, so müßten wir schon ergebens! dafür danken, denn von Theater haben wir wirklich einiger maßen genug — sonst hätten wir ja die Krolloper nicht erst abzuschaffen brauchen. Und außerdem drängt sich auch da wieder die leidige Geldfrage dazwischen: woher nehmen? Seit Jahren kann man das jeden Tag von neuem hören: „Es geht uns nicht besonders gut in Berlin!", und dann kann man hören, daß Berlin wertvolle Aktien aus seinem Besitz unter Preis verkaufen oder mindestens doch beleihen lassen wolle, um sich einigermaßen auf dem Damm zu halten, und dann kann man weiter hören, datz im Staatlichen Leihamt die Kundcnzahl seit vier Jahren um 70 000 gestiegen sei und der Leihbetrag von 3,5 Millionen auf 8,5 Millionen, und daß die Leute gezwungen seien, immer wertvollere Stücke aus ihrem Besitz zu versetzen Alles das kann man zu hören bekommen - aber was ergibt sich daraus? Datz wir ciuc „Sommerschau' haben müssen und überhaupt noch immer mehr neue Amüse ments, zumal, da die alten am Verkrachen sind. Klar — müssen wir haben! Der begeisterte Engländer hat schon recht: Berlin ist eine Stadt, die sich sehen lassen kann, so und so. Es kommt hier jeder auf seine Rechnung, der Fremde, der entzückt ist, und der Berliner, der ein bißchen schimpfen und kritisieren mutz, im stillen aber immer wieder denkt: „Ja, wir Berliner... Wenn ihr uns nicht hättet'" Diogenes von oer Panke. j Neues aus aller weit s Ein Anschlag aus ein Flugzeug. Ein von Dresden in Gleiwitz eingetroffenes Flugzeug wies bei feinem Ein treffen an der unteren Tragfläche, etwa 1Meter vow Führersitz entfernt, eine Einschußöffnung auf. Da das Flugzeug bis Oberglogau in großer Höhe, zwischen Ober glogau und Gleiwitz aber nur in 300 bis 400 Meter Höhs flog, ist anzunehmen, daß der Schuß auf der letzteren Strecke abgegeben wurde. Auf dem Bürgersteig vom Auto überfahren. In Schwerin fuhren zwei Autos mit höchster Geschwindigkeit aufeinander und wurden stark beschädigt. Der eine Wagen wurde herumgeschleudert und fuhr auf den Bürgersteig Dabei wurde eine ältere Dame, die Vorsitzende des Lan desverbandes mecklenburgischer Hausfrauenvereine, Fran Dr. Crain, überfahren und schwer verletzt. Sie hat mehrere Knochenbrüche und anscheinend auch innere Ver letzungen erlitten. Flammentod eines Fabrikbesitzers. Der Besitzer de> chemischen Fabrik Otto Rech u. Co. in Wesel ist bei einem Schadenfeuer in den Bureauräumen der Firma in dell Flammen umgekommen. Rech scheint versucht zu haben, den Ofen mit einer leicht entzündbaren Flüssigkeit in Gang zu bringen, wobei eine Explosion eintrat. Der Brand konnte in kurzer Zeit abgelöscht werden. Als man in die Räume eindrang, fand man die Leiche des Firmeninhabers völlig verkohlt vor dem Ofen. Überfall auf eine Stationskasie. In den Dienstraum des Bahnhofs Otzenhausen bei Trier drangen zwei mas kierte Räuber ein, hielten dem diensttuenden Betriebs assistenten einen Revolver vor und plünderten dis Fahr- kartenschalterkasse, in der sich 87 Mark befanden. Um ciw Verständigung mit den Nachbarstationen zu verhindern hatten die Verbrecher die Fernsprechleitungen zerschnitten Es aelang ihnen, in der Dunkelheit zu entkommen. Naubüberfall im Eisenbahnzuge. Auf der Streckt Venedig—Wien wurde in einem Eisenbahnabteil de> 70jährige griechisch-orthodoxe Pfarrer Sarbon von einem jungen Burschen überfallen und seiner geringen Barschast beraubt. Der Räuber, der in Knittelfeld aus dem Zug« gesprungen war, konnte infolge genauer Personalbeschrei bring festgenommcn werden. Bunte Tageschronik Hamburg. Der stellungslose Chauffeur Erich Prüß HM nach der Rückkehr von einem Maskenfest seine fünfjährig' Pflegetochter in bestialischer Weise ermordet. Es handelt sick uni einen Lustmord Hamburg. Bei Terschelling stieß der schwedische Dampfe' „Baldur" mit einem Königsberger Kohlendampser zusammen Der Kohlendampser sank sofort, seine Besatzung wurde gerettet Bombay. 6000 Ballen Baumwolle im Werte von taufen? Rupien wurden hier durch einen Brand vernichtet. » Fördert die Ortspreffe » 58. Fortsetzung Nachdruck verboten Der Bürgermeister fragte gerade den Doktor etwas und Eberhard von Halden wandte sich Jutta zu. Sie blinzelte ganz leicht und unauffällig Frank an, den Brief schon seit dem Betreten des Zimmers zusammengepreßt in der Rechten bereithaltend. Frank sah ein Stückchen weißes Papier aus ihrer Hand vorragen und begriff. Wie dumm von Jutta, ihm hier vor all den Leuten einen Brief zustecken zu wollen. Hatte sie denn an der gestrigen Lehre noch nicht genug? Sollte er ihren Wunsch ignorieren, sollte er tun, als ob er sie nicht verstände? Aber das schien ihm gewagt. Vielleicht machte ihm dann Jutta deutlichere Zeichen. Er war sehr wütend auf sie. Vielleicht handelte es sich auch um etwas sehr Wichtiges, was sie ihm mitteilen mußte. Aber er ahnte, es war nur die alberne Eifersüchtelei, die sie wieder schreiblustig gemacht. Der Wischer von ge stern schien schon wieder vergessen zu sein. Er tat ein paar Schritte und trat nun dicht hinter Jutta, sagte über ihre Schulter weg etwas zu seinem Freunde. Sie standen zu dritt so, daß niemand beobachten konnte, wenn Frank aus der Hand der ihm halb den Rücken wendenden Jutta den Brief nahm. Der Inspektor, der jetzt allein stand, da Eberhard Halden zu Jutta Linden gegangen, streichelte den Hund, der es sich an der Erde bequem machte, sagte freundlich: „Nun geh wieder, Wulf, hier darfst du jetzt nicht bleiben!" Der Hund zögerte. „Geh hinaus, Wulf!" gebot Ulrich Werdenberg. Er wußte, das Tier kannte den Befehl genau. Gehorsam erhob sich der Hund und weil eben das Mäd chen, mit dem Wulf vorhin ins Zimmer gekommen, wieder hinauszugehen im Begriffe stand, saqte er noch: „Lauf, Wulf, schnell, lauf!" Der Hund drängte sich seitlich an Eberhard Walden vor- bei und beabsichtigte, sich zwischen Jutta und Frank durch zuschieben. Der Brief, der Frank eben an sich nehmen wollte, war deutlich in Juttas Hand sichtbar, und Wulf, dem ' Ilse in letzter Zeit allerlei Apportierkunststücke beigebracht, fand die Gelegenheit, einmal auch ohne Befehl zu zeigen, was er konnte, außerordentlich günstig. ' Ein kurzer Ruck und der Brief war in seiner Schnauze. ' Einen Augenblick später war er schon durch die vom Mädchen noch offen gehaltene Tür verschwunden. ' Jutta wunderte sich, mit welchem energischen Ruck ihr ' Frank den Brief förmlich entrissen hatte. Frank aber allein, der das Unglück gesehen und es doch nicht mehr hatte auf halten können, schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß der , Brief nicht wieder von unberufenen Augen gelesen werden j möge, wie der gestrige. Immerhin wollte er sich nicht auf i einen glücklichen Zufall verlassen. j Er sagte hastig zu seinem Freunde: „Verzeih, bitte, ich , möchte etwas sehr Dringendes mit Fräulein Linden be- , sprechen." Eberhard von Halden trat zu dem Inspektor und Pau- ; line Wildhard äugte plötzlich zu dem Paare hinüber. c Was fiel denn nur Frank ein, so eifrig mit der Linden zu tuscheln. ; Jutta flüsterte warnend: „Mache dich nicht auffällig, x Lies meinen Brief nachher bei erster Gelegenheit, vernichte ihn dann sofort." j Er raunte: „Ich habe ihn doch nicht, der verflixte Hund zog ihn, ehe ich zufassen konnte, aus deiner Hand, die du , auf dem Rücken hieltest." Er blickte sie befehlend und drohend an, sonst hätte sie c laut aufgeschrien. c O, du lieber Himmel, nu war das Unheil da! durchzuckte i es Jutta und sie selbst hatte es heraufbeschworen. Sie durfte doch jetzt keinen Lärm schlagen und dem Hunde nach jagen. Sie hatte auch keine Ahnung, wo er hingelaufen. „Was sollen wir tun?" fragte sie mit Augen, die vor Schreck förmlich hervorzustehen schienen. Er mahnte leise: „Vor allem kaltes Blut und zusammen nehmen. Vielleicht verschleppt der Köter den Brief so, daß er nie wieder zum Vorschein kommt. Zu tun ist jetzt gar nichts, oder —" Weiter kam er nicht. Mit äußerst liebenswürdigem Lä cheln, aber böse blickenden Augen stand Pauline Wildhard vor den beiden. Jutta streifte nur ein nichtachtender Seitenblick, als sie zu Frank sagte: „Deine Verlobte muß im Augenblick kom men, es fehlen nur noch drei Minuten an neun Uhr." 15. Nachdem Hermine Seydel und Jutta das Zimmer ver lassen, betrat Ilse den Nebenraum, wo über zwei Stühlen ihr Brautkleid lag. Auf dem Tische ruhte der myrthenbe- steckte weiße Schleier und alles andere, was sie später für die kirchliche Trauung brauchte. Sie blickte die Sachen an, ließ ihre Augen auf der blauweißen Seide des Kleides ruhen. Jetzt mußte sie hinunter ins Wohnzimmer. Unter des Vaters Bild mußte sie erklären, sie wolle Frank Wildhards Frau werden und eine Stunde danach würde der Priester, der ihre Eltern zu Grabe geleitet und der sie getauft, ihren Bund mit Frank segnen. Und dann gehörte sie Frank, dann gehörten sie zueinander fürs ganze Leben. Warum erschauerte sie nur plötzlich? Ihre Nerven konn ten nicht in Ordnung sein. Sie sann, ohne es zu wollen: Ob Liebe sterben kann? und ihre Hände fanden sich zusammen, als wollte sie beten. Sie dachte, es war ja die höchste Zeit, sie mußte hinunter gehen. Was glaubte man sonst nur von ihr? Sie hatte außer Hermine Seydel, die vorhin bei ihr oben gewesen, noch niemand begrüßt. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)