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Tagessvruch Laß deinen Alltag nicht zum Sonntag werden, HA' eine Pflicht, und sei sie noch so klein! Der Müßiggang kann deinen Tag gefährden. Dann wird dein Sonntag grauer Alltag sein. Vom Gchmiedegesetten zum Staatspräsidenten. Thomas Masaryks 80. Geburtstag. Thomas Garrigue Masaryk, der Präsident der Tschecho slowakischen Republik, vollendet am 7. März das 80. Le bensjahr. In der Tschechoslowakei feiert man diesen Geburts- >ag eine ganze Woche lang, und der alte Herr muß ein um fangreiches Festprogramm über sich ergehen lassen: Empfang bon Kindern und Erwachsenen aus allen Ländern der Republik, Empfang von Vertretern des Bezirkes Göding in Mähren, wo der Präsident das Licht der Welt erblickt hat, Empfang der Legionäre und der Missionen der ausländi schen Staaten, Gratulationsaufmarsch der Mitglieder der Re gierung und der Nationalversammlung, feierlicher Aufmarsch der Prager Garnison, Festvorstellungen in den Prager Theatern — das alles und noch viel mehr steht auf dem Pro gramm. Thomas Garrigue Masaryk hat in seinem Lande Gegner, aber keinen Feind. Man ehrt ihn, huldigt ihm dort, weil man in ihm den Begründer des Tschechoslowakischen Freistaates sieht, dann aber auch, weil man ihn als einen Mann achtet, der ost sür einen Ausgleich, für eine Versöhnung Politischer Gegensätze eingeirelen ist. Auch der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei ist Masarvk nicht un ¬ sympathisch, wenn er auch nicht das getan hat, was er hätte tun können, um ihre Niederhaltung durch die Tschechen zu verhindern. Bei jeder passenden Gelegenheit betont Masaryk aber seine Achtung vor deutschem Wesen und deutscher Art, und er kennt deutsche Art und deutsches Wesen sehr genau, da er seine philosophische Schulung aus deutschen Hochschulen er halten und einen großen Teil seiner Werke in deutscher Sprache geschrieben hat. Romantisch fast mutet der äußere und innere Werdegang Masaryks an. Als ein armes Proletarierkind begann er seine Laufbahn in einer Schmiedewerkstatt, kam dann, von Gönnern gefördert, in ein Wiener Gymnasium, von dort auf die Uni versitäten Wien und Leipzig, habilitierte sich als Dozent der Philosophie in Wien, wurde darauf Professor in Prag und kam schließlich von der Akademie zur Politik als ein Führer, der der tschechischen Geschichte die entscheidende Wendung gab. Er war es, der mehr als andere und gemeinsam mit dem jetzigen tschechischen Außenminister Benesch auf den Sturz der österreichischen Monarchie oder mindestens doch aus die Los losung Böhmens von der Habsburger Krone hinarbeitete. Vor dem Kriege war Masaryk mehr als einmal in erbittertem Kampf mit der offiziellen tschechischen Politik. Er suchte, als er an der Spitze der Tschechischen Volkspartei stand, eine Verständigung mit den Deutschen auf Gurnd natio naler Gleilbbereebtiauna und trat damals für den obliga torischen Unterricht im 'Deutschen an den tschechischen Mittel schulen ein. Während des Krieges erfolgte dann der steile Ausstieg der Lebensbahn des Professors Masaryk, ein Aufstieg, der ihn zum Führer der tschechischen Auslandsrevolution machte und zum Eingreifen in die internationale Politik ver anlaßte. In Paris, in London, in Amerika „dirigierte" er die tschechischen Revolutionskomitees und setzte es durch, daß die Westmächte im Herbst 1918 die tschechischen Legionäre als krieg- sührende Macht anerkannten. Und dann ging cs Schlag aus Schlag. Es kani die Ausrufung der Unabhängigkeit der Tscheche! und es kamen die Friedensdiktate von Versailles und St. Germain, wo Masarvk als Einslüsterer des unkundigen Wilson eine Rolle spielte, die für die Mittelmächte unheilvoll war! Masaryk war dann natürlich der „gegebene" erste Präsi dent des neuen Tschechenstaates, und als seine Präsidentschasts- zeit abgelaufen war, wurde er im Mai 1927 fast einstimmig auf weitere sieben Jahre zum Präsidenten gewählt. Eine einzig dastehende Ehrung hat ihm das Parlament seines Landes vor einigen Tagen bereitet, indem es ein „Gesetz" an nahm, dessen einziger Paragraph lautete: „T. G Masaryk hat sich um den Staat große Verdienste erworben." Von Masaryks m deutscher Sprache geschriebenen Werken sind besonders zu erwähnen „Der Selbstmord als soziale Massenerscheinung der modernen Zivilisation" und „Die philo sophischen und soziologischen Grundlagen des Marxismus". MMonenmsolvenz einer Gelleidefirma. Infolge der landwirtschaftlichen Notlage. Die weit über die Grenzen Mecklenburgs hinaus bekannte Getreidegrotzhandlung Christian Callies in Greves mühlen teilte ihren Gläubigern mit, daß sic am 1. März ihre Zahlungen eingestellt habe. Die Schwierigkeiten sind im Wesentlichen aus das Festliegen der Außenstände in der Land wirtschaft infolge der lang andauernden Notlage der Land wirte zurückzuführen Eine ruhige Abwicklung zoll im Wege des gerichtlichen Vergleichs angestrebt werden. Aus beteiligten Kreisen verlautet, daß die Zahlungsverpflichtungen der Firma Callies etwa 1^» MilltonenÄark betragen. Karnevalsnachktänge. Faschingslust und Ausschreitungen. In Münster i. W. wurde nach 16jähriger P«usc zum erstenmal wieder ein Karnevalszug veranstaltet. Un gezählte Menschenmassen wohnten den Aufzügen der alten Stadtwache vor dem Rathause bei. Obwohl die Kostümie rung auf den Straßen verboten war, trugen zahllose Passanten zumindest eine karnevalistische Kopfbedeckung. Der Rosenmontagszug setzte sich aus 60 verschiedenen Wagen- und Fußgängergruppen zusammen. In München kam es beim Faschingstreiben zu wüsten Ausschreitungen halbwüchsiger Burschen. Autos wurden angehalten und beschädigt, Straßenbahnwagen aufgehalten, ihre Schaffner belästigt. Bei einem Zusammenstoß mit radaulustigen Burschen mußte das polizeiliche Überfallkommando ein greifen und vom Gummiknüppel Gebrauch machen. Den Schutzleuten wurden die Helme von den Köpfen ge schlagen. Nachdem mehrere Verhaftungen vorgenommen worden waren, kam es zu einer Kundgebung der radau lustigen Burschen vor der Polizeistation in der Löwen grube. Auf dem Marienplatz, wo zeitweise lebensgefähr liches Gedränge herrschte, wurde von den Radaubrüdern ein Auto nmgeworfen. Rosenmontagszug in Bonn. Der Wagen der Steuerschraube. Das SildergeschW der Beamtendank. Direktor Weber schadenersatzpflichtig. Die in Liquidation stehende Bank für Deutsche Be amte hat, wie erinnerlich, gegen ihre früheren Leiter und Aufsichtsratsmitglieder Schadenersatzklage angestrengt mit der Begründung, daß deren fahrlässige Geschäftsführung den Zusammenbruch des Beamtenfinanzinstituts herbei- gesührt hat. Einer dieser Prozesse ist bereits zu Gunsten der Bank entschieden worden, und zwar die Regreßklage gegen Alois Weber wegen des bekannten Bildergeschäftes, das erhebliche Verluste gebracht hat, da die Gemälde, die als Deckung für Millionenkredite gedient haben, nur sehr problematischen Wert haben. Zerfall der Anhängerschaft Primos. Nach einer Meldung aus Madrid kam es verschiedentlich zu Kundgebungen gegen die sogenannte Patriotische Union, die Regierungspartei unter der Diktatur Primo de Riveras. Verschiedene Gruppen haben es aus diesem Grunde bereits vorgezogen, sich anszulösen. Oie Beisetzung Merry KeS Vals. Am Montag fand in der Peterskirche in Rom die feierliche Beisetzung des Kardinals Merry del Val statt. Der Totenfeier wohnten der Bruder und der Neffe des Verstorbenen, ferner das Diplomatische Korps, der Päpst liche Hof, verschiedene Erzbischöfe, Bischöse usw., Ver treter verschiedener religiöser Orden und Gesellschaften und der spanische Botschafter als Vertreter König Alfons XIII. bei. Ale MsieMiche Kottenkonfereuz. Teileinigung zwischen Amerika uns Japan. Wie verlautet, sind in den Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und Japan gewisse Fortschritte erzielt worden. Japan soll sich bereit erklärt haben, seinen Prozentsatz großer Kreuzer von 70 auf 65 Prozent herab zusetzen, wenn man ihm eine größere Zahl leichter Kreu zer zubilligt. — Die Sachverständigen haben ihren Be richt über die bewaffneten Handelsschiffe und sonstigen Spezialschiffe sowie die Schiffe, vie Gegenstand einer Sonderbshandlung sein können, fertiggestellt. Angeblich haben sie ein Einvernehmen erzielt. Feuer Wahabiienaufstand. Beunruhigende Gerüchte in Jerusalem. Über die Lage in Transjordanien sind in Jerusalem be unruhigende Gerüchte im Umlauf Nach arabischen Mit teilungen hat die Regierung Flugzeuge, Panzerautos und Streitkräfte entsandt, um starke Banden von Wahabiten, die in Transjordanien eingefallen sind, aus dem Lande zu treiben. Zehn transjordanische Soldaten sind getötet worden. Auch Zapan hat Arbeitslose. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nach europäischem Muster Die Arbeitslosigkeit in Japan steigt beträchtlich an und wird nach Tokioter Meldungen in aller Kürze die erste Million erreicht haben. Die Zahl von Schließungen von Fabriken und Geschäften nimmt ständig zu. Man versucht auf dem Wege von Notstandsarbeiten die Arbeitslosigkeit zu verringern. Die Regierung hat gleichzeitig einen Plan für die Einführung einer Arbeitslosenversicherung in Vor bereitung. Mit dem bevorstehenden Abschluß der Wiederaus bauarbeiten in Tokio, die der Beseitigung der Erdbebenschäden des Jahres 1923 gelten, werden mehrere hunderttausend Arbeiter beschäftigungslos. Deutsches Reich Staatliche Komrolle für thüringische Sparkassen. Wie zuverlässig verlautet, bereitet die thüringische Regierung einen Gesetzentwurf vor, der eine außerordent lich weitgehende Einflußnahme auf die Gemeindesparkasfen Thüringens vorsieht. Die Sparkassen sollen danach ge halten fein, 50 Prozent., ihres Spargeldzuwachses in 57. Fortsetzung Nachdruck verboten Er sagte hastig: „Verzeihung, aber es ist die höchste Zeit, ich muß an die Station." I „Ja so!" Ilse erwachte wie aus tiefem Traum. Sie ,xeichte ihm die Hand. „Sobald wir fort sind, holen Sie sich , Wulf, bitte, solange mag er noch drüben Lei mir bleiben, wenn er auch nicht mehr viel von meiner Gesellschaft hat." Sie eilte wieder über Gänge und Treppen zurück in ihr Zimmer. Wulf hielt sich neben ihr. r Unten im Wohnzimmer sollte die standesamtliche Trau ung stattfinden. Tisch und Stühle waren unter dem großen Bild ihres Vaters zurechtgestellt, so hatte es Ilse gewünscht. Sie schaute flüchtig in das Zimmer, das die Mädchen eben mit frischen Blumen schmückten. Viele dunkelrote Ro sen waren dabei und ihr süßer schwerer Duft erinnerte Ilse an die Rosen, die ihr Frank im Sodener Kurpark mit zärtlichem Blick gereicht. So schön war der Abend in Soden gewesen. Weshalb mußte der Ausklang in ihr soviel Ver worrenheit schassen? Weshalb schien ihr Frank seitdem ein anderer? Weil er zusammengezuckt war, als der Pneu platzte, weil er danach zu deutlich gezeigt, wie wenig mutig er war. Konnte so etwas tiefe wahre Liebe erschüttern? Sie eilte in ihr Zimmer. O, nur nicht weitergrübeln jetzt und weiterfolgern. Sie dachte Dinge, die sie nicht den ken durfte. Sie liebte Frank und echte Liebe kann nicht wankelmütig sein. Jutta erschien. Sie umarmte Ilse. „Wie freue ich mich über dein Glück. Nun ist es bald so weit. Meine Gedanken werden dich auf deiner Reise be gleiten. Recht viel Glück, du Gute, recht viel Glück. Nach her werden wir kaum noch dazu kommen, uns richtig Lebe wohl zu sagen." Ilse erwiderte den Kuß Jutta Lindens. „Halte gut Haus, derweil ich fort bin." Es klopfte und gleich darauf trat Hermine Seydel ein. Sie zog Ilse mit Herzlichkeit an sich. „Liebstes Jlsekind, mich ergreift dieser Tag, als ob ich heute ein eigenes Töchterchen hergeben müßte. Meine innig sten Wünsche, mögen Sie die glücklichste der Frauen werden." Sie ließ Ilse frei, ging im Kreise um sie herum. „Fein sehen Sie aus, wie eine ganz Besondere, der Baron hat einen Mordsdusel, finde ich." Um Juttas Lippen zitterte Spott, aber sie wagte natür lich keine Bemerkung. „Mein Alterchen wartet unten und der Bürgermeister ist auch eben gekommen," plauderte Hermine Seydel und ra schelte stolz mit den Volants ihres lila Taftkleides, dessen Seide schon ein wenig brüchig war. „Haben Sie schon al les für die Reise zurechtgemacht?" fragte sie. Ilse nickte. „Die großen Koffer von Frank und mir liegen bereits auf der Station, die Handtaschen sind ge packt und ebenfalls dort. Wir reisen nach dem Essen mit dem Zweiuhrzuge." Man hörte ein Auto anfahren. „Jetzt kommt Ihr Herzallerliebster," sagte Hermine Sey del und sah dabei zufällig Jutta an. Sie bemerkte deutlich, wie sich deren Züge flüchtig verfinsterten. Man konnte mei nen, das Wort „Herzallerliebster" hätte sie geärgert. Her mine Seydel fiel plötzlich wieder die Photographie Frank Wildhards ein, die sie in Juttas Kommode gesehen. Sie wollte das doch vergessen. Aber manche Dinge vergaß man so schwer, manche Dinge waren wie Stehaufmännchen. So oft man sie auch nieder duckte, sie richteten sich immer wieder von neuem auf. „Also kommen Sie, mein Jlsekind," lächelte die Dok- torsfrau und nahm Ilses Arm, „es ist wohl Zeit. Sie müs sen ja die Angekommenen noch begrüßen." Ilse war es mit einem Male, als ob ihre Füße schwer wie Blei würden. Nur einen Augenblick noch, dachte sie, oder noch besser, ein paar Minuten, sie war" so unruhig und erregt, als sollte sie nicht dem liebsten Mann angetraut wer den, sondern als erwarte sie unten im Wohnzimmer etwas Furchtbares, dem sie noch im letzten Moment zu entrinnen versuchen mußte. Sie stieß hastig hervor: „Liebe, gute Frau Doktor, und auch du, Jutta, geht voran, ich folge sofort. Ich muß noch ein paar Herzschläge allein sein." Frau Hermine glaubte die Erregung Ilses zu begreifen, und Jutta war froh, aus dem Zimmer zu kommen. Sie wollte eine Gelegenheit suchen, Frank Wildhard den Brief zuzustecken. Beide Damen betraten das Wohnzimmer und die Ba ronin und Hermine Seydel begrüßten sich überaus freund lich, Jutta Linden aber erhielt von Pauline Wildhard nur ein kaum merkliches Kopfneigen als Erwiderung auf ihren Gruß. Frank unterhielt sich mit dem Bürgermeister, der Inspektor mit Franks Freund, Eberhard von Halden, der einen etwas verlebt aussehenden Eindruck machte. Es gab ein allgemeines Vorstellen, dann sagte Hermine Seydel: „Ilse Rauneck wird in wenigen Minuten hier sein." Jutta beobachtete genau Frank Wildhard, und ließ auch seine Tante nicht aus den Augen. Heute mußte sie sehr vor sichtig sein. Wenn die Alte etwas davon merkte, daß sie Frank einen Brief zusteckte, konnte es die unangenehmsten Folgen haben. Vor Pauline Wildhard hatte sie jetzt einen Höllenrespekt. Es war heiß im Zimmer und der Rosendust machte die Luft drückend. „Wollen wir nicht ein wenig die Fenster öffnen," schlug Hermine Seydel vor, es ist noch nicht dreiviertel neun, nach her schließen wir die Fenster wieder, während der Trauung." Alle erklärten sich einverstanden. Ulrich Werdenberg machte die Fenster weit auf und als eines der Mädchen eben etwas Vergessenes ins Zimmer brachte, drängte sich Wulf mit in die Stube, kam von den anderen, die alle in gegenseitige Unterhaltung versunken waren, bis zu Ulrich Werdenberg, den er nächst Ilse am meisten verehrte. (Fortsetzung folgt.!