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Wilsdruffer Tageblatt : 24.02.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193002244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19300224
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19300224
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-02
- Tag 1930-02-24
-
Monat
1930-02
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 24.02.1930
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Laudbundführer Schladebach über die Lage Der Land- und Forstwirtschaftliche Bezirksverband Dresden- Neustadt hielt am Sonnabend im Saale des Kurhaushotels Klotzsche seine Hauptversammlung ab. Dabei hielt der sächsische Landvolkführer, Landtagsabgeordneter Schladebach, einen Vortrag über Landwirtschaft und politische Lage. Er skizzierte dann in knappen Umrissen die politische Lage, na mentlich den Kampf um den Neuen "Plan. Dessen Unmöglichkeit ergebe sich daraus, daß die aus ihm resultierenden Lasten gleich bedeutend seien mit der Ablieferung je eines mittleren Bauern gutes im Werte von 25 MO Mark aller fünf Minuten. Wenn man beim Neuen Plan soviel von Erleichterungen spreche, so bedeute das etwa, daß man vorübergehend ein solches Bauerngut nur aller sechs bis sieben Minuten abzuliefern habe. Erst aus solchen Beispielen werde die Ungeheuerlichkeit des Planes klar. Der Redner kam dann auf den Sturz der sächsischen Regierung zu sprechen und betonte, daß das Kabinett zweifellos das beste seit der Revolution gewesen sei. Man verstehe einfach nicht, wie dieses sachlich arbeitende Kabinett habe gegen das Votum der Parteien stimmen können, die es stützten. Wenn für Bayern die Stimmenthaltung tragbar gewesen sei, dann hätte sie für Sachsen, das doch die Folgen des Avungplanes besonders hart empfinden würde, auch tragbar sein mästen. Die ausgezeichnete Rechtferti gungsrede des Ministerpräsidenten hätte vor der Zustimmung vor den Parteien gehalten werden müssen, dann hätte man sich be stimmt verständigt. Aber es gehe nicht an, daß die sächsische Regierung im Reiche die Politik der Großen Koalition treibe. Zur Agrarpolitik übergehend, führte der Redner aus, daß die so ost betonte Senkung auf der Ausgabenseite allein die Rentabili tät der Landwirtschaft nicht ermöglichen werde. Hand in Hand da mit müsse vielmehr eine Erhöhung der Preise gehen, die dem Landwirt die Existenz ermögliche. Es folgte eine eingehende Kri tik der gegenwärtigen Preispolitik, namentlich der viel zu hohen Einfuhr und des mangelnden Zollschutzes. Es gebe sehr zu denken, daß wir z. B. den überflüssigen Roggen nur mehr mit 20 Mark Verlust pro Tonne exportieren könnten. Die Lage auf dem Ge treide-, Kartoffel-, Vieh- und Milchmarkte sei trotz aller Schein konjunktur verzweifelt. Zwar würden die Führer der grünen Front alles tun, was möglich wäre, um zu retten, was noch zu retten sei, namentlich werde und wolle man den landwirtschaftlichen Nachwuchs im Geiste der nationalen Agrartradition erziehen, aber solange wir das gegenwärtige parlamentarische System hätten, müsse man lediglich hoffen und nicht ganz verzweifeln. Wenn aber einmal die Stunde der Entscheidung schlage, dann möge auch für die sächsische Landwirtschaft das Urteil lauten, daß sie ihre Pflicht getan habe. Er selbst habe es sich zur Lebensauf gabe gesetzt, die sächsische Bauernschaft restlos zu einen und ge schlossen in die Reichsfront der deutschen Landwirtschaft ein- jchwenken zu lassen. (Lebhafter, langanhaltender Beifall.) Sscklen unck NacbbsrlcbaN Geldmarkt »nd Konjunktur Leipzig. Hierzu schreibt die Allgemeine Deutsche Lredit- Anstalt, Leipzig, in ihrem letzten Wochenbericht vom 22. Februar 1930: In dem hier behandelten Zusammenhang verweist man u. a. auch darauf, daß bei der schwachen Konjunkturlage in zahl reichen führenden Industriestaaten gegenwärtig der allgemeine Geldbedarf wohl eingeschränkt sei, dagegen schon bei einer leich- den Besserung erneut aufleben könne. Dies aber stehe einer allzu weit gehenden Berücksichtigung der rein geldtechnischen Voraus setzungen für in Kürze vorzunehmende nochmalige Diskontermäßi gungen umso eher entgegen, als die bereits erwähnte Unterschied lichkeit der offiziellen Geldsätze in den verschiedenen Staaten die internationale Geldlage im ganzen noch äußerst labil erscheinen lasse, was seine Bestätigung für die zurückliegende Zeit in der von Reichsbankpräsident Schacht besonders betonten starken Gold- fluktuation im Rahmen der Reichsbankausweise 1929 findet. Da bei wird man voraussichtlich am ehesten an die Aussichten der amerikanischen Industrie denken, die man vielfach in Verbindung mit den Hooverschen Programmpunkten zu einer Wirtschafts stützung und ausgehend von den jüngsten Produktionsziffern heute keineswegs mehr für so unsicher hält, wie es noch vor einigen Wochen fast durchgängig geschah. Nach der vorangegangenen Stockung im industrieellen Finanzierungsgeschäft kann dies aber möglicherweise die Bereitstellung größerer Mittel erforderlich machen. Es bleibt daher zunächst die Frage offen, ob wirklich jene Auffassung zutreffend ist, nach der ungeachtet des in den U. S. A. zurzeit zu beobachtenden Wandels in der Form der Geldbeschaf fung, nämlich vom Typ der Aktien-Emission zu dem der Bonds- Emission — über die geplante deutsch-französische Reparations anleihe hinaus in Betracht kommende Kapitalbeträge für Anleihe zwecke in Deutschland zur Verfügung stehen werden. Jedenfalls vermögen dahingehende Beobachtungen jene nicht ganz unbedenk liche Ueberlegung nicht auszuschalten, derzufolge es für die deut sche Wirtschaft mehr darauf ankommt, daß sie überhaupt fremde Kapitalunterstützung erfährt, als daß diese einige Bruchteile von Prozenten teurer oder billiger ist. Parteitag der Wirtschastspartei. Am Sonntag, den 2. März, findet im Saale des Zoologischen Gartens in Dresden eine Kundgebung der Wirtschastspartei statt. Finanzminister Dr. Weber wird über „Sachsenkrisis und Mittelstand", Reichstagsabg. Glaserobermeister Oskar Beier. Dresden, über „Sozial politik im Deutschen Reichstag" und Landtagsabg. Dr. Wilhelm über „Der Tributhlan und Deutschlands Mittelstand im Kampf um die nationale Erneuerung unseres Bölkes" sprechen. Dresden. (Z usa m m e n stö ß e zw i s che n N a t i o nal sozialisten und Kommunisten.) Anläßlich des zehn jährigen Bestehens der nationalsozialistischen deutschen Arbeiter partei führte die Dresdner Ortsgruppe eine große Kundgebung durch. Am frühen Nachmittag fand am Theaterplatz ein Konzert statt, an das sich ein mehrstündiger Werbemarsch der Sportabtei- lungen anschloß. Hierauf hielt im überfüllten großen Saal des Ausstellungspalastes Landtagsabgevrdneter Meyer und Reichs tagsabgeordneter Strasser Ansprachen an die Erschienenen und gaben Aufklärung über die Entwicklung der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei. Die Kommunisten hatten in der Arbeiterstimme, die deshalb auch am 22. Februar beschlagnahmt worden war, und durch Handzettel, für die der Landtagsabgeordnete Opitz verant wortlich zeichnete, zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten aufgefordert. Es kam am Theaterplatz und in der Bautzener Straße zu Zusammenstößen, die die Polizei zum Einschreiten zwangen und mehrere Festnahmen veranlaßten. Dresden. (Die Unterschlagungen beim Bank- Ha u s A l b e r t K u n tz e k C o. v o r G e r i ch t.) Vor einiger Zeit erregte der Zusammenbruch des Dresdner Bankhauses Albert Kuntze Lr Lo. weit über Sachsen hinaus erhebliches Aufsehen. Gleichzeitig wurde damit bekannt, daß zwei Angestellte desselben große Unterschlagungen begangen hatten, die für die Zahlungsein stellungen mitbestimmend gewesen sind. Es betraf dies ehemalige Kassierer, Kurt Friedrich Ernst Doering, geboren 1893 in der Provinz Posen, und Richard Ernst Eduard Dünnebier, 36 Jahre alt, die ein jeder (!) rund 180000 Reichsmark den ihnen anver trauten Kassen entnommen und die riesigen Summen restlos ver wettet haben. Bei Doering wurde eine veruntreute Summe von etwa 190 000 Mark errechnet, doch gab dieser nur den zuerst ge nannten Betrag zu. Im Falle Dünnebier, der schon einige Jahre zurückliegt, war seitens der Firmeninhaber von einer Strafan zeige abgesehen und andererseits von den Angehörigen dieses un- gekteuen Kassierers die völlige Abdeckung zugesagt worden. Auf dessen unterschlagene Summe gelangten etwa die Hälfte, gegen 90 000 Mark, an das Bankhaus zurück. Doering und Dünnebier standen am Sonnabend gemeinsam wegen Unterschlagung vor dem Dresdner Schöffengericht. Sie gaben die Verfehlungen zu und blieben dabei stehen, daß sie nichts von den Geldern auf die Seite gebracht hätten. Erstgenannter Angeklagter erklärte, daß er im Gegenteil bei Buchmachern noch gegen 8000 Mark Schulden habe' Das Gericht hörte die Ehefrau Doering sowie den lagjährigen Prokuristen Feldmann und den Firmenmitinhaber Bankier Dr. Kuntze, von denen letzterer wegen Verdachts der Begünstigung un vereidet blieb. Staatsanwalt Scheffler beantragte, die Angeklag ten wegen fortgesetzter Unterschlagung zu einem Jahr sechs Mo naten Gefängnis zu verurteilen. Das Gericht ging darüber hin aus und erkannte bei Doering auf zwei Jahre, bei Dünnebier, der sich noch des Verbrechens der Urkundenfälschung schuldig gemacht, auf zwei Jahre einen Monaten Gefängnis. Letzterer, der sich auf freiem Fuße befand, wurde wegen der Strafhöhe und weil Fluchtverdacht begründet erscheint, am Schlüsse der Ver handlung in Haft genommen. Amtsgerichtsrat Köhler betonte in der Urteilsbegründung u. a., daß die offenbar recht mangelhafte Kontrolle strafmildernd in die Wagschale fiel, andererseits lag aber ein unglaublich grober Vertrauensbruch vor, der bedingte, noch über den Antrag des Staatsanwaltes hinaus zu gehen. Dresden. Besuch des Gesandten Doktor Popoff im Mitteleuropa-Institut. Nach dem Minister Dr. Popoff der sächsischen Regierung, dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden, Dr. Blüher, und dem Präsidenten der Industrie- und Han delskammer einen kurzen Besuch abgestattet hatte, begab er sich in das Mitteleuropa-Institut, dessen Direktor, Professor Dr. Hoffmann, nach einer kurzen Begrüßung einen überblick über Organisation, Arbeitsweise und Ziele des Mitteleuropa-Institutes gab. Im Anschluß daran erfolgte eine Besichtigung der Einrichtungen des Institutes. Gegen 2 Uhr mittags folgten die Herren einer Einladung des königlich bulgarischen General konsuls zum Frühstück. Um 5 Uhr veranstaltete zu Ehren des Gesandten der Oberbürgermeister der Stadt Dres den, Dr. Blüher, der Vorsitzende des Verwaltungsrates des Mitteleuropa-Institutes, in den Festräumen des Rat hauses einen Empfang. Dresden. L a n d e s sh n o d e. Die 14. evangelisch lutherische Landessynode wird voraussichtlich im Laufe der nächsten Monate zwei bis drei Wochen im Gemeinde saale der Kreuzkirche zu Dresden, an der Kreuzkirche 7, tagen. Dresden. Ernennung. Der nichtplanmäßige außerordentliche Professor Dr. Franz Heinrich Weißbach ist zum ordentlichen Honorarprofessor für Keilschrift forschung und alte Geschichte in der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig ernannt worden. Dresden. Mit einerSchußwundeimKopf aufgefunden. An der Straße Dresden—Altenberg, unweit der Riedelmühle, wurde der Ingenieur Walter B. aus Dresden mit einer Schußwunde im Kopf neben seinem Kraftwagen aufgefunden. Der Wagen war den etwa 15 Meter tiefen Abhang neben der Straße hinab gestürzt. Ein Krastwagenführer brachte die Nachricht nach der Riedelmühle und verständigte von dort aus einen Arzt in Schmiedeberg. Nach Anlegung eines Notver bandes wurde der Schwerverletzte nach der Diakonissen anstalt in Dresden gebracht. Sein Zustand ist sehr ernst. Da mit einem Verbrechen gerechnet werden muß, hat die Mordkommission des Kriminalamts Dresden die Erörte rungen am Tatort ausgenommen. Dresden. Tödliches V e r k c h r s U N g l ü ck. Am Sonnabend fuhr an der Kreuzung Hauptstraße-Albert- straße ein etwa 40 Jahre alter Radfahrer in einen städti schen Kraftomnibus hinein und wurde tödlich überfahren. Die Feuerwehr mutzte den Wagen heben, um den Verun glückten zu befreien. Dresden. Mandatsniederlegung tm Säch sischen Landtag. Der Landtagsabgeordnete Graupe in Zwickau hat sein Landtagsmandat niedergelegt, da ihm infolge Ablebens des Reichstagsabgeordneten Dr. Levi ein Reichstagsmandat zugefallen ist. Für Graupe wird der Berufsschullehrer Robert Müller, Chemnitz, als Abgeordneter in den Landtag eintreten. Bautzen. Bemerkenswerte Beschlüsse der Stadtverordneten. Einige bemerkenswerte Be schlüsse kamen in der letzten Stadtverordnetensitzung zu stande. U. a. beschlotz man auf Antrag der National sozialisten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Hinblick auf gewisse Unstimmigkeiten bei Vergebung und Ausführung von Aufträgen des Stadtbauamtes und bei der Anweisung von Abschlagszahlungen für diese Arbeiten. Ferner beschloß man auf Antrag der National sozialisten und einiger den Kreisen der Wirtschaft ange hörigen Stadtverordneten, die Ausführung von Jnstalla- tionsarbeiten und den Verkauf von elektrischen Artikeln leitens des Städtischen Elektrizitätswerkes einzustellen. Liebcnwerda. Raub überfall. Am Sonnabend wurde ein Braunkohlenarbeiter, der von der Nachtschicht zurückkehrte, in der Nähe seines Wohnortes Bukowien von zwei fremden Männern überfallen, die ihn zu Boden schlugen und übel zurichteten. Dem überfallenen raubten sie den gesamten Wochenlohn in Höhe von 40 Mark und ließen ihn dann hilf- und besinnungslos auf der Straße liegen. Er wurde dann in das Krankenhaus gebracht. Von den Tätern feblt noch jede Svur. Crimmitschau. Hohes Lebensalter. Karl Heinrich Heine konnte hier am 20. Februar seinen 90. Ge burtstag feiern. Auch seine Ehefrau wird in diesem Jahre 90 Jahre alt. Das Ehepaar ist 59 Jahre verhei ratet. Plauen (Vogtl.). Verhaftung wegen Brand- stiftung. Zu dem Schadenfeuer in Unterlosa ist noch zu berichten, daß der Landwirt Arno Hofmann unter oem Verdacht der Brandstiftung sestgenommen und dem Amtsgericht Plauen zuqesührt worden ist. Hainichen. Gemeinsam in den Tod gegan gen. Seit einiger Zeit wurde das Ehepaar Fritz und Paula Kaiser aus Bernsdorf bei Forchheim vermißt Die Leichen beider wurden jetzt im Mühlgraben bei der Nennigmühle aufgefunden. Nach den bisherigen Fest stellungen ist mit Selbstmord im beiderseitigen Einver nehmen zu rechnen. Leipzig. Tariferhöhungen als Deckung für Fürsorgeausgaben. Vom Fürsorgeamt Leipzig sind 1805 000 Mark zur Bestreitung von Mehr ausgaben angefordert worden, die infolge der Not der Zeit zwangsläufig entstanden sind. Mittel zur Bestreitung dieser Ausgaben im laufenden Haushaltsplanjahre sind nicht vorhanden. Da auch die Steuern völlig ausgeschöpft sind, bleibt, um die erforderliche Deckung für diese not wendigen Ausgaben zu beschaffen, nichts anderes übrig, als die Deckung aus den Technischen Werken durch Er höhung der Werkstarife zu beschaffen. Der Verwaltungs rat wurde deshalb um alsbaldige Vorschläge, wie diese Tariferhöhung am zweckmäßigsten zu gestalten ist, ersucht. * Gefangene auf Llrlaub. Änderungen der sächsischen Strafvollzugsordnung. Nach einer Bekanntmachung im Sächsischen Gesetz blatt wird die Strafvollzugsordnung für die sächsischen Justizgefängnisse in einigen Punkten abgeändert. Danach werden die Strafgefangenen in drei Klassen ein geteilt: Unter-, Mittel- und Oberstufe. Die einzelnen Stufen unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich der Unterbringung, der Bestimmungen für den Aufenthalt im Freien, der Benutzung des Spiel- und Lesezimmers, der Bestimmungen für Besuche und Briefverkehr, der Verwendung der eigenen Mittel und des Hausgeldes, der Überlassung von bestimmten Gegenständen, des Rechtes der Selbstverwaltung, der Einrichtung von Urlaub. Den Gefangenen der Oberstufe wird in an gemessenem Umfange Selbstverwaltung eingeräumt. Sie dürfen sich ans ihrer Mitte heraus mit einfacher Stimmen mehrheit Obmänner wählen, die der Bestätigung durch den Gefängnisvorstand bedürfen. Die Obmänner haben die Aufgabe, in den Gemeinschaftsräumen, bei Vorträgen und ähnlichen Veranstaltungen, beim Er holungsurlaub im Freien, beim Turnen, bei Turnspielen und bei anderen Zusammenkünften für Ordnung unter den Gefangenen zu sorgen. Die ständige Beaufsichtigung der befangenen durch Beamte kann hierbei eingeschränkt werden. Die Obmänner sind berechtigt, Wünsche und Vorschläge der Gefangenen dem Gefängnisvorstand, dem Gefängnisleiter oder dem Abteilungsleiter sowie einem Vertreter des Justizministeriums bei dessen Anwesenheit vorzutragen. Die Obmänner der Oberstufe können bei der Zusammenstellung und der Prüfung der Kost heran gezogen werden. Ausgewählten Gefangenen der Ober stufe kann gestattet werden, an Sonn- und Feiertagen in Begleitung eines Beamten Spaziergänge in die Um gebung des Gefängnisses zn unternehmen. Gefangene der Mittel- und Oberstufe dürfen sich auf eigene Kosten eine in deutscher Sprache erscheinende Zeitung oder Zeit schrift halten. Der Gefüngnisvorstand darf einen Gefangenen, der eine Gefängnisstrafe von mindestens neun Monaten oder eine zeitige Zuchthausstrafe verbüßt und der Ober stufe angehört, beurlauben, wenn dem Gefangenen Unterkunft und Unterhalt für die Urlaubszeit gesichert werden. Der Urlaub darf zwei Wochen im Jahre nicht übersteigen. Meffehoffnungen. Guter Auslandsbesuch erwartet. Das Leipziger Messeamt äußerte sich über die Er- wartungen, die man auf die Frühjahrsmesse 1930 setzt. Man fühle natürlich auch die allgemeine Depression und ihre Auswirkungen. Aber Umfragen bei verschiedenen Industriezweigen zeigten durchaus Hoff nung s f r oh e Antworten. Für Spielwaren rechne man mit geringen Jnlandsumsätzen, aber das Auslands geschäft werde normal werden. Die Textilindustrie erwarte einen größeren Umsatz als im vergangenen Jahre. Für die Große Technische Messe lassen die An meldungen und auch andere Reaktionen auf die Propa ganda des Leipziger Messeamtes auf besonders starken Auslandsbesuch schließen, überhaupt werde der Aus landsbesuch zur Messe bedeutender sein als je zuvor. Großes Interesse zeige die italienische Industrie. Die Automobile fehlten zwar als geschlossener Messeteil, aber der Reichsverband der Fahrzeug- und Karosseriebetricbe veranstalte eine sehr umfangreiche Sonderausstellung für Zugmaschinen, Lastwagen und Anhänger und für Kipper. Die Zahl der angemeldeten Aussteller hat 9000 bereits überschritten. Das Urteil im Aibuschüh-Prozeß. In der Berufungsvcrhandlung gegen die Diebes- - und Hehlerbande Aibuschütz und Genossen, die vor etwa einem Vierteljahr durch das Schöffengericht in Leipzig je zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt wurden, hat die Große Strafkammer beim Landgericht Leipzig als Berufungsinstanz folgendes Urteil verkündet. Es werden bestraft mit Zuchthaus: Aibuschütz sechs Jahre, Cohn sechs Jahre, Cytrin zwei Jahre zwei Monate, Erlich fünf Jahre sechs Monate, Einys ein Jahr sechs Monate, Scheibe ein Jahr neun Monate, Kirschenbaum ein Jahr fünf Monate. Für sämtliche Verurteilten wurde Stellung unter Polizeiaufsicht für zulässig erklärt; auf die ausgeworfenen Strafen wurden sechs bis zehn Monate Untersuchungshaft als verbüßt angerechnet. Der Angeklagte Topor wurde freigesprochen. Ein Schwindler in Zollbeamtenuniform. In Görlitz, Werdau, Annaberg und ander wärts ist seit längerer Zeit ein Schwindler aufgetreten, der sich von Müller nannte. Er trug die Uniform eines Zollbeamten und verschaffte sich durch allerlei Vor- spiegelungep bei Wohnungsgebern, Gastwirten usw. Kredit. Hatten die Schulden eine gewisse Höhe erreicht, so verschwand er. Das Kriminalamt Dresden erhielt Kennt nis, daß der Schwindler dort eintrefsen werde. Schon nach kurzer Zeit gelang es einem Beamten der Fahndungs- abtcilung, den angeblichen von Müller in Zollbeamten uniform festzunehmen. Er wurde als der 27 Jahre alte Schneidergehilfe Karl Müller aus Neustadt in Schlesien fcstgestcllt. Auf dem Wege nach dem Kriminal- amt versuchte er wiederholt, zu entkommen. Müller ist, wie er selbst angibt, wegen ähnlicher Betrügereien in Ostpreußen vorbestraft. Welchen Umfang die neuerdings verübten Straftaten haben, werden die weiteren Erörte rungen der Kriminalbchörden ergeben.
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