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Wilsdruffer Tageblatt : 24.02.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193002244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19300224
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19300224
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-02
- Tag 1930-02-24
-
Monat
1930-02
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 24.02.1930
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das Blaue Band des Atlantiks für England zurllcrerovern soll. Das Schiff soll eine noch höhere Geschwindigkeit entwickeln als die geplanten Neubauten der französischen Transatlantikgesellschaft. Man hofft, eine Stunden- geschwindigkcit von 30 Seemeilen erreichen zn können. , Überführung der toten Eismcerflieger nach den Ver einigten Staaten. Ein russischer Flieger hat die Leichen des Fliegers Eielson und des Mechanikers Borland an Bord des vom Eis blockierten Dampfers „Nanuk" ge bracht. Von dort ans sollen die Leichen durch Flugzeuge nach Nome (Alaska) übergeführt und dann nach den Ver einigten Staaten zur Bestattung gebracht werden. Springflut in Kalabrien. Catanzaro in der italie nischen Provinz Kalabrien wurde von einer Springflut heimgesucht, die erheblichen Schaden anrichtete. Die Be völkerung hat sich in die höher gelegenen Teile der Stadt flüchten müssen. Menschen sind nicht umgekommen. Els Personen von einer Kohlenlawine verschüttet. Infolge des Bruchs eines Stahlträgers stürzte in einem Kohlenlager des Newhorker Stadtteiles Bronx eine Lawine von etwa 1000 Tonnen Kohlen auf den Hof hinab. Dabei wurden elf Personen verschüttet. Zwei Personen konnten als Leichen geborgen werden. Auch die anderen neun Personen dürften kaum noch lebend geborgen wer den können. Bunte Tagesckronil Rom. In der Nähe von Neapel stürzten zwei Mauern ein. Bei dem Einsturz der einen Mauer wurde ein Mann getötet, bei dem der anderen fanden drei Kinder den Tod. Rom. Die starke Bora weht in Triest immer weiter. Mehrere Häuser wurden durch die Gewalt des Sturmes ab gedeckt. Auch aus anderen Teilen Italiens kommen Sturm- meldungcn. Meine Nachrichten j Kardinal Perosi gestorben. Rom. Kardinal Carlo Perosi ist tm Alter von 61 Jahren gestorben. Perosi wurde im Dezeniber 1868 geboren und ist von Papst Pius XI. im Jahre 1926 zum Kardinal kreiert worden. Mit dem Tode Perosis sinkt die Zahl der Kardinäle auf 61 (33 Ausländer, 28 Italiener), die Zahl der Kurien- kardinäle hingegen beläuft sich jetzt auf 23, darunter fünf Aus länder. Anleihe der Sowjetregierung. Moskau. Auf ein von den Werktätigen Moskaus, Lenin grads und vieler anderer Städte au die Regierung gerichtetes Ersuchen, zur Finanzierung des Fünfjahrplanes eine besondere Anleihe aufzulegen, beschloß die Negierung, im Laufe des Jahres 1930 eine Anleihe unter der Bezeichnung „Fünfjahr plan in vier Jahren" auszugeben. Sämtliche Obligationen der früher ausgegebenen ersten, zweiten und dritten Jndustri- alisierungsanleche und Vauernanleihe sind gegen Obligationen der neuen Anleihe einzutauschen.. Der Umtausch der Obliga tionen hat bis zum 1. Januar 1931 zu erfolgen. Ordensverleihungen in Rußland. Moskau. Aus Anlaß des zwölften Jahrestages der Roten Armee wurde hier eine feierliche Sitzung abgehalten. Das ZeMralexekutivkomitee der Sowjetunion bewilligte zur Feier -es Tages zahlreiche Forderungen von Arbeitern und öffent lichen Organisationen und beschloß, Stalin und Kalinin den Orden des Noten Banners zum zweitenmal zu verleihen. Außerdem wurde dieser Orden aus Anlaß des zehnten Jahres- . tages der Ersten Reiterarmee ihrem einstigen Führer Jegorow zum zweitenmal, Woromschilow zum drittenmal und Budenny zum viertenmal verliehen. Kampf mit Stratzenräubern. Ncwyork. Atts Puebla wird über Mexiko-Stadt gemeldet, daß in der Nähe von Tecamachalco ein ernster .Kampf zwischen Militär und einer Räuberbande stattgefunden habe. Die Sol daten überraschten die Straßenräuber, als sie dabei waren, mehrere Automobile auszurauben. Bei dem Kampfe wurden 14 Personen tödlich verwundet Explosion eines Lagerhauses. Vier Todesopfer. New Castle (Pennsylvanien). Bei einer Explosion in einem kleinen Lagerhause der Pennsylvania-Eisenbahn in der Nähe von Edcnburg kamen vier junge Leute iu deu Flammen um. Man vermutet, daß Vagabunden aus Fahrlässigkeit die in den! Hause lagernden Gasoliumengen entzündeten. Vier Hotelgäste verbrannt. Oakland (Kalifornien). Bei einem Brande, dem ein kleines Hotel zum Opfer siel, kamen vier Personen ums Leben, sieben wurden bei den Rettungsversuchen verletzt. Ergebnis der japanischen Parlamentswahlen. Tokio. Rach dem nunmehr vorliegenden Gesamtegebnis der Wahlen hat die Regierung eine Mehrheit von 80 Man daten über alle anderen Parteien davongetragen. Die Regie rungspartei Minscito hat insgesamt 273 Mandate erlangt, nämlich ei,neu Gewinn von 101 und einen Verlust von 2 Man- oaren. Die Oppositionspartei Setyukei hat einen Gewinn vs« 9 und einen Verlust von 73 Mandaten zu verzeichnen. Di- Anzahl ihrer Mandate ist aus 174 zurückgegangen. Die Part»« der Proletarier und die der Unabhängigen haben j« L, M anderen Parteien insgesamt 9 Sitze erlangt. Vier Schwerverletzte bei einer Gasexplosion. Brüssel. Sonntag ereignete sich in einem Hause der Rue de Flandre eine Gasexplosion. Das erste und zweite Stockwerk des Hauses stürzten teilweise in die Tiefe. Vier Personen wurden schwer verletzt. Die Trümmer des zerstörten Hauses gerieten in Brand. In der Nachbarschaft zersprangen sämt liche Fensterscheiben. Preußischer Landtag. Berlin. Im Landtage wurde die allgemeine Aussprache über den Landwirtschastsetat geschlossen. Nach kurzer Einzel aussprache wurden die Abstimmungen auf Mittwoch vertagt. Nächste Sitzung Montag. . Die preußische Generalsynode. Berlin. Die neugewählte 9. Generalshnode, die ver fassungsmäßige Gesamtvertretung der evangelischen Kirchen der altpreußischen Union, ist in Berlin feierlich eröffnet worden. Als Präses der Synode wurde v. Winckler, als Vizepräsi denten wurden v. Wolfs, Aachen und Grafv. Seyd litz - Sandreczki wiedergewählt. Nach feierlicher Verpflichtung der Mitglieder beschloß die Synode die Einsetzung der Ausschüsse für die verschiedenen Arbeitsgebiete, die die Synode be schäftigen werden. Die Versammlung tritt Montag zu ihrer ersten Geschäftssitzung zusammen. Der Student Wessel seinen Verletzungen erlegen. Berlin. Der nationalsozialistische Student und Abteilungs führer Horst Wessel, der bekanntlich vor einiger Zeit in seiner Berliner Wohnung von dem inzwischen festgenommenen kom munistischen Führer Höhler durch Mundschuß niedergestreckt worden war, ist am Sonntag früh seinen Verletzungen erlegen. Austritt aus der Deutfchnationalen Volkspartei. Hamburg. Der Vizepräsident des Hanseatischen Ober landesgerichtes, Senatspräsident Dr. v. Dassel, Mitglied der Bürgerschaft, hat in einem an Geheimrat Dr. Hugenberg persönlich gerichteten Schreiben seinen Austritt aus der Deutfchnationalen Volkspartei erklärt. Plünderungen in Königsberg. Königsberg i. Pr. Am Sonnabend mittag plünderten Trupps von Burschen in verschiedenen Stadtteilen zu gleicher Zeit Bäckerläden. Von einer größeren Menge begleitet, er schienen die Burschen im Laden mit dem Ruf „Wir haben Hunger!" Ohne abzuwarten, ob man ihnen etwas verabfolge, ergriffen sie die Backwaren, mit denen sie in der Menge ver schwanden, ehe die Polizei zur Stelle war. Vor zwei anderen Bäcker- und Fleischerläden sammelten sich ebenfalls Menschen an, doch konnte das Überfallkommando die Menge zerstreuen, ehe es zu Übergriffen kam. Da man eine weitere Ausdehnung dieser Plünderungen vermutet, so hat die Polizei alle erforder lichen Maßnahmen ergriffen. Die Polizei konnte zwei der Übeltäter sestnehmen. Unglück in einer Feuerwerkskörperfabrik. Paris. In einer Fabrik zur Herstellung von Feuerwerks körpern in Le Mans ereignete sich eine Explosion. Eine Halle, in der elf Frauen beschäftigt waren, stürzte ein. Zwei Arbeite rinnen kamen ums Leben. Arme KLnder — reiche Kinder. Von Dorothee Goebeler. Frau Lotte zieht ihr kleines Mädchen für die Schule an, und packt ihm das Frühstück ein. Ein „feines Kleid" hat das Kind an, viel feiner als die andern oder wenig stens als viele der andern es tragen. In das Frühstücks paket kommen Apfelsinen und Schokolade und gut belegte Butterbrote. „Ich habe immer alles viel besser als die andern," sagt das Kind, dreht und ziert sich vor dem Spiegel. Frau Lotte sieht ihm voll Stolz nach. In der Schule wird Grete natürlich bestaunt und bewundert. In der Freiviertelstunde geht sie nur mit der Frieda spa zieren, die ist allenfalls ebenso fein wie sie, und hat auch ebenso gute Sachen mit. Die andern aber? Na ja, das sind arme Kinder. Die Käthe kriegt nicht mal Wurst auf ihr Frühstücksbrot; Grete und Frieda konstatieren es im Ton höchster Nichtachtung. Eine kleine Szene aus dem Schulleben, aber eine, die oft vorkommt, die sich in jeder Schule, in jeder Schulklasse wiederholt. Muß sie vorkommen? Es ist zu verstehen, daß eine Mutter den Wunsch hat, ihr Kind so hübsch wie möglich anzuziehen und ihm gute Dinge zuzuwenden. Muß sie aber gerade die Schule dazu benutzen? In der Schule sitzen Kinder der verschiedensten Kreise zusammen. Nicht alle Eltern vermögen ihr Kind herauszuputzen und ihm Leckerbissen zuzustecken. Mit was für Gefühlen sieht das Kind ärmerer Familien auf den glücklicheren Gefährten? Wir leben in harten Zeiten. Den wenigen, die noch über auskömmlichere Mittel verfügen, stehen ungezählte Tausende gegenüber, denen es am Notwendigsten mangelt. Ihre Kinder lernen die Not des Daseins ohnehin schon früh genug verstehen. Muß man sie ihnen in der Schule noch ausdrücklicher klarmachen? Laßt eure Kinder im Hause und auf Familienfeste« die vorzüglichsten Kleider tragen. Es ist nicht nötig, daß sie damit auch in der Schule protzen. Auch die Leckereien und die nötigen Stärkungsmittel kann das Kind daheim bekommen. Es braucht nicht damit den ärmeren Klassen genossen zu zeigen, daß es mehr hat als sie. „Wenn Kin der merken, daß etliche von ihnen reich und andere arm sind, dann sind alle arm," hat mal ein Pädagoge gesagt. Das Wort hat sehr recht. Kinder, die mit Hochmut und Überhebung auf einfachere Gefährten herabsehen, sin- viel ärmer als jene, denn sie sind um ihr Bestes, um ihre harmlos fröhliche Kindheit betrogen. Das sind auf der andern Seite aber auch die, die empfinden, daß sie arm sind, deren Mutter vielleicht da heim jeden Tag oder bei jeder Gelegenheit wiederholt: „Ja, für dich ist das nichts, du kannst das nicht haben, du bist ein armes Kind." Ein Kind, dem das immer wieder vorgesagt wird, wird dadurch noch viel ärmer, als es schon ist. In seiner Seele erwacht der Neid. Auch für das arme Kind gibt es noch immer Freuden genug, die es mit rechter Kinderseligkeit erfüllen kann. Kinder, in deren Seele der Neid gepflanzt wurde, können im Leben selten restlos glücklich sein. Immer werden sie nach denen sehen, die mehr haben, immer werden sie grollend fragen: „Warum habe ick das nicht auch?" Unsere Kinder sollen Kameraden sein und sich zusammenfinden frisch und fröhlich als Geschwister. Kein frühreifes Protzentum, aber auch kein Neid darf in ihren Herzen lebendig sein. Und darum, fort mit dem Begriff arm und reich aus der Kin derstube und aus der Schule. Im Leben später werden die sozialen Gegensätze schon scharf genug hervortreten. Nicht der Protzer und nicht -er Neider werden mit ihnen fertig. Nur die können und werden sie bezwingen, die schon als Kinder lernten, in dem andern den Kameraden, den Mit menschen, den gleichgestellten Gefährten zu sehen. HunMunk-progrsmm Rundfunk Leipzig (Welle 259), Dresden (Welle 319). Dienstag, 25. Febr. Ta. 13.10: ..Bauernkapellen." Schall- platten. » 14.30: Bücherstunde der Jugend. « I5: Tin Gang durch die Glasfabrik Sophienhütte Ilmenau (Thür.;. « 16: Dr. Scharf: Stimmungstraining durch Selbstbeeinflussung. « 16.30: Dvorak: Karneval-Ouv. — Nicodd: Faschingsbilder. — Svendsen: Nor wegischer Künstlerkarneval. — Verdi: Aus „Ein Maskenball". — Sullivan: Maskenfest aus „Der Kaufmann in Venedig". — Strauß: Walzer aus „Der Karneval in Rom". » 18.05: Adele Lurenburg: Umschau in der Welt der Frau. » 18.40: Französisch. » 19.05: Reichskunstwart Dr. Redslob: Mitteldeutschland als Vorort deutscher Eartenbaukunst. O 19.35: Deutsches Rationaltheater, Weimar: Norma. Tragische Oper von Bellini. » 22.20: Zeit, Wetter. « 22.30: Unterhaltungskonzert. Dienstag, 25. Februar. Berlin W. Welle 418. — Berlin O., Magdeburg, Stettin Welle 283. 9.00: Mit dem Mikrophon in einer Großbäckerei. (Doktor Waller Nölle). 4 15.20: Margarete Cämmerer: Mütter schulung. 4- 15.40: Jean Chantavoine, Direktor des Pariser Konservatoriums: Musikpflege und Musikerziehung im heu tigen Frankreich. 4- 16.00: Sportliche Improvisationen. Ein führende Worte: Burkhard von Reznicek. 4- 16.30: Aus Leipzig: Orchesterkonzert. 4- 18.00: Jugendstunde (Berlin). Sprecher: Dr. Walter Benjamin. 4- 18.25: Stunde mit Büchern. 4- 18.55: Das physikalische Weltbild der Gegenwart. Physikalisches für Nichtphysiker. Prof. H. Reichenbach: Welt bild und Wirklichkeit. 4- 19.20: Wiedereröffnung des ägyp tischen Parlaments. <- 19.55: Inhaltsangabe und Personen verzeichnis zu der nachfolgenden Übertragung. 4- 20.00: Aus der Staatsvver Unter den Linden: „Traviata." Oper in vrei Akten von Giuseppe Verdi. Dirigent: Richard Lert. 4- Da nach: Politische Zettungsschau. Deutsche Welle 1 635. 9.00—9.25: Besuch einer Großbäckerei. Reportage. 4- 12.00 bis 12.25: Französtsck für Schüler. 4- 14.30—15.00: Tanzturnen für Kinder. 4- 15.00—15.30: Schachsunk. 4° 15.45—16.30: Künstlerische Handarbeiten. 4- 16.30—17.00: Nachmittagskonzert Leipzig, 4c 17.30—17.55: Staatliche Pressepolitik einst nnd jetzt. * 17.55- 18.20: Die Chemie im täglichen Leben. Die Chemie der Gärung. 4- 18.20—18.40: Insekten als Krank heitsüberträger. * 18.40—19.05: Französisch für Fortge schrittene. 4- 19.05—19.30: Schöpferisches Musikerkennen. (Arbeitsgemeinschaft.) 4c 19.30—19.50: Technischer Lehrgang. Das Baugewerbe- Wärmewirtschaft im Wohnungsbau. 4- 20.00—20.30: Mensch und Maschine. 4- 20.30: Georg Bertram spielt. (Flügel.) 4- 21.00: Aus Königsberg: Orchesterkonzert. 4c Danach: Politische Zeitungsschau. 38. Fortsetzung Nachdruck verboten „Zu der Annahme, der, na sagen wir mal, der „Fami lienschatz", wäre im Turm eingemauert, ist doch gar kein Grund vorhanden. Und so viel ich Fräulein Rauneck kenne, ist ihr die Erhaltung des alten ehrwürdigen Turmes mehr wert, als die höchst fragliche Aussicht, ein paar silberne Ge fäße und ein paar Juwelen zu gewinnen." Ilse nickte ihm zu: „Sie kennen mich wirklich gut, lieber Herr Inspektor." Frank hätte ihr am liebsten nach Gassenjungenmanier nachgemacht: Lieber Herr Inspektor! Aber er verkniff es sich, dachte hämisch, die längste Zeit war der „liebe Herr In spektor" auf dem Rauneckhof gewesen. Jutta aber sah Ulrich Werdenberg fast herausfordernd an. „Die meisten Frauen denken anders wie Fräulein Rauneck, Herr Inspektor. Da es sich um große Werte han- - dein soll, würden die meisten Frauen, genau wie ich es auch täte, alles daransetzen, sie zu erlangen. Mir zum Beispiel wäre, wenn ich vor die Wahl gestellt würde, der kleinste Brillant lieber als der alte Turm, in dem die Mäuse und Ratten Versteck spielen und die Fledermäuse ihr Stand quartier aufgeschlagen haben." „Anscheinend haben Sie also kein Gefühl für Pietät, Fräulein Linden," gab er gelassen zurück. Jutta rückte mit den Schultern. „Es hat keinen Zweck, über die Sache zu debattieren, denn ich bin ja nicht die Herrin vom Rauneckhof." Ihr Blick haftete nur den Bruchteil einer Sekunde lang auf Frank Wildhards gebräuntem Gesicht, aber ein Wunsch, nein, ein Befehl war in diesem Blick. Der Baron sagte: „Ohne den alten Turm abzureißen, werde ich doch noch einmal alle Hebel in Bewegung setzen, damit sich meine zukünftige Gattin einmal mit den Juwelen, die verloren gegangen, schmücken kann." Jutta Linden hörte den Doppelsinn aus den Worten „meine zukünftige Gattin" deutlich heraus. Sie war da mit gemeint, nur sie, und nicht die steifleinene Ilse Rauneck, über die der Weg zu Reichtum und Glück führte. Tagelang sann Frank Wildhard über den Vers nach, allersei sehr kühne Folgerungen waren das Ergebnis, aber da ein paar in die Praxis umgesetzte Proben aufs Exempel scheiterten, kümmerte er sich zunächst nicht mehr um die Schatzgräberei. Wenn er erst Herr auf dem Rauneckhofe geworden, würde er die Nachforschungen energischer be treiben. Der Hahn aber stand hoch und stolz über der knarren den, quietschenden Wetterfahne. Wenn der Abend seine dunklen Schattennetze um den alten Turm spann, wenn die Ratten und Mäuse ihre Tänze begannen und die Fleder mäuse durch ein zerbrochenes Turmfenster ihren nächtlichen Flug antraten, dann sah der Hahn weit zurück in die Ver gangenheit. Der alte Traugott Rauneck, der seit drei Ge nerationen im Grabe ruhte, wachte wieder auf um die Stunde der Mitternacht und sein weißer langer Bart flat terte im Winde. In seiner einer verschollenen Zeit ange hörenden Kleidung kam er dort drüben her, wo das Feld sich hügelan zog und wo der Weg vom Friedhof einmün dete. Ein altes Steinkreuz erhob sich an der Stelle, ein Sühnekreuz für eine böse Tat, über die man nichts Genaues mehr wußte. Urgroßvater Traugott Rauneck lehnte an dem Kreuz und winkte ihm zu und um den alten Turm klang es geisterhaft: Des Hauses Glück kommt nur bei Nacht, Der alte Hahn am Turme wacht, Wenn du ihn siehst im feurigen Schein, Wirst du der Reichste im Lande sein! 10. Ilse stand vor dem großen Spiegel im Probiersalon der eleganten Modistin, bei der die Baronin Pauline Wildhard arbeiten ließ und bei der ihr Brautkleid und ihre Reise- kleider angefertigt wurden. Die alte Dame saß auf einem Stuhl und unterwarf Ilse, die sich eben in dem schwarzen Jackenkleid aus ganz feinem glatten Tuch vor dem Spiegel hin und her drehte, einer genauen Musterung. Sie nickte beifällig. „Hochelegant siehst du in dem Kleid aus, liebe Ilse. Die Trauer ist betont, aber sie wirkt nicht zu düster." Sie rief die Direktrice an ihre Seite, machte sie noch auf ein paar Kleinigkeiten aufmerksam. Die Inhaberin des Ateliers mühte sich selbst um Ilse, neue reiche Kundinnen verwöhnte sie mit Liebenswürdigkeit. Sie trug das Brautkleid herbei. Aus blauweißer stumpfer Seide war es, mit schmalen Einsätzen aus prachtvoller alter Spitze, die Pauline Wildhard hergegeben. In schmiegsamer Zartheit legte sich das Gewand um den schlanken Mädchen körper und die Frankfurter Schneidergröße rief, die Finger spitzen mit den künstlerisch manikürten Nägeln zusammen tippend: „Welch eine bezaubernde Braut wird das gnädige Fräulein sein, der Herr Baron ist glühend zu beneiden!" Ilse war der Schmeichlerin, deren Schmeichelei in die sem Fall aber ganz ehrlich und aufrichtig gemeint war, herz lich dankbar. Sie wollte Frank gefallen, immer nur ihm gefallen, eine Lebensaufgabe schien es ihr. Gab es denn eine bessere Aufgabe, als sich zu bemühen, dem Manne, den man liebte und von dem man wiederge- liebt wurde, zu gefallen? In seinen Augen die Schönste zu sein? Sie war ja so unendlich glücklich durch ihn, der ihr sein Herz gegeben, durch ihn, der ihr gelobt, sie gegen alle Un- bill des Lebens zu schützen. Es war herrlich, sich so geliebt zu wissen. Und während Ilse Rauneck das Brautkleid probierte, saß der Mann, an den sie mit grenzenloser Innigkeit dachte, mit Jutta Linden in dem Separee eines kleinen Weinrestau rants, das jetzt am Nachmittag leer war und erst zu später Abendstunde die meisten Besucher empfing. Sie hatten ein paar Delikatessen gegessen und eine Flasche Sekt dazu ge trunken. (Fortsetzung folgt.)
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