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Tagesspruch Du hast zwei Ohren und einen Mund, willst du's beklagen? Gar vieles sollst du hören und wenig drauf sagen. Du hast zwei Augen und einen Mun-d, mach' dir's zu eigen! Gar manches sollst du sehen md manches verschweigen. Rückert. Zer Vrand des Lloyddampfers „München". Was ist explodiert? Der Brand des Lloyddampfers „München" hatte, wie aus Newyork berichtet wird, eine riesige Menschenmenge herbcigclockt. Zehntansendc umdrängtcn bis in die späte Rächt hinein das Dock, so daß Polizcircscrven eingesetzt werden mussten, um die Ordnung aufrechtzucrhaltc». 13 Schlepper und 26 Dampfspritzen sowie 6 pneumatische Lettern waren an der Brandstelle zur Hilfeleistung cin- gcsctzt ^»c Explosionen auf dem Dampfer hatten solche Gewalt, daß Trümmerstücke 50 Fust hoch geschleudert wurde«; ein tzcucrwehrmann wurde wie eine Feder über Bord getragen. Durch die Explosionen wurde gewaltiger Schaden an- gerichtct. rue geiamte Achterreling wurde weggerissen, alle Zensier wurden zertrümmert. Das Deck war von Trummerstucken bedeckt. Als der fünfte Feueralarm aus gesandt wurde, stand das gesamte Hinterschiff in Flammen, und die Feuerwehrleute, die das Schiff sämtlich verlassen hatten, mußten den Brand nunmehr von der Landungs brücke aus bekämpfen. Der Dampfer legte sich, bevor er unterglng, stark auf die Steucrbordseite, während die Flammen über das Oberdeck des sinkenden Schiffes fegten. Unter der verbrannten Ladung befinden sich 7000 Vögel, meist Kanarienvögel. Kapitän Brüning gab sich die größte Mühe, wenigstens die Schiffspapiere zu retten. Mit der Axt in der Hand versuchte er an die Papiere heranzukommen, doch nur die Rettung des Logbuches gelang ihm. Dem Schiffs zahlmeister war es möglich, 40 000 Mark Schiffsgelder in Sicherheit zu bringen. Oie Ursache -er Explosionen rätselhaft. Die Explosionen, die die Katastrophe auf der „München" hcrbcigeführt haben, sind bis jetzt ein Rätsel. Wie der Newyorkcr Vertreter des Lloyds mitteilte, sind mit Proben der Ladung, die im wesentlichen aus Kali, Schellack und Torf bestand, Laboratoriumsversuche an- acstellt worden, die jedoch keinerlei Aufschlüsse über die Ursache des Unglücks geben konnten. In Newyork ist die Meinung aüfgetancht, daß im Laderaum Nr. 6 des Dampfers Salpeter und Kalisalpeter unter- aebraGt acwescn sei. Dws wird von den zuständigen unrichtig bezeichnet. Der fragliche Laderaum E NN? gewöhnliches Kali enthalten, das als ungesähr- Dcr Lloyddampfcr „München". Anteilnahme in München. Der bayerische Ministerpräsident Dr. Held hat im Namen der bayerischen Staatsregierung dem Nord deutschen Lloyd aus Anlaß des Brandes auf der „München" herzliche Anteilnahme ausgesprochen. Ein Beileidstelegramm sandle auch der Münchener Ober bürgermeister Dr. Scharnagl. Die „München" war bekanntlich das Patenfchiff der Stadt München. Das Schiff ist erst vor ungefähr sechs Jahren als Schwester schiff der „Stuttgart" in Dienst gestellt worden. Es ge hörte zur sogenannten Städteklasse, war 13 500 Tonnen groß und führte Passagiere der Kajüten-, der Touristen- und der dritten Klasse. Wiederaufnahme des Untergrundbahnverkehrs unter dem Hudson. Der Untergrundbahnverkehr von Newyork nach Hoboken und New Jersey, der eingestellt worden war, weil das Wrack der „München" direkt über dem Bahn tunnel gesunken war, ist wieder ausgenommen worden. Die leitenden Ingenieure sind nach einer genauen Unter suchung zu der Ansicht gekommen, daß der auf dem Tunnel lastende Druck nicht so groß sei, um die Gefahr eines Bruchs der Decke herbeizuführen. Das Heck der „München", das sich an einer von dem Tunnel entfernten Stelle auf den Flußgrund aufstützt, nimmt nach Ansicht der Fachleute den größten Teil der Gesamtlast des gesunkenen Schiffes auf. pacettis Nach oiger in Berlin? Die Gerüchte über vte bevorstehende Ernennung des bisherigen Apostolischen Nuntius in Budapest, Monsignore Cesare Orsenigo, zum Nachfolger Pacellis als Runttus in Berlin haben sich in den letzten Tagen soweit verdichtet, daß mit seiner Ernennung in nicht allzu ferner Zett zu rechnen sein dürfte. Nachfolger Orsenigos in Budapest soll der gegen wärtige Nuntius in Konstantinopel, Monsignore Carlo Rötta, werden. Das Brotgeseh. Roggenbrot, Weizenbrotund Mischbrot. Der Brotgcsetzentwurf, der dem Reichsrat vorliegt, be stimmt u. a., daß unter „Roggenbrot" nur Brot verkauft wer» darf, das mindestens zu 95 Prozent aus Roggen hergcstevt „Weizenbrot" darf nur Brot verkauft werden, da- mindestens zu 95 Prozent aus Weizen hergestellt ist. Brot au» erner Mischung darf nur unter der Bezeichnung „Mischbrot" verkauft werden. Das Gewicht ist aus dem Brot leicht erkenn bar anzugeben. — Man hofft, durch dieses Gesetz den jährlichen Mehrverbrauch an Roggen um mindestens SM OM Tonnen zu steigern. Loch immer Winter am Ardeitsmarll. 2,5 Millionen Hauptunterstützungsempfänger. Die Arbeitslosigkeit hat auch in der Berichts woche ihren winterlichen Höhepunkt noch nicht über schritten. Die Kurve der Zahl der Hauptunterstützungs empfänger in der versicherungsmäßigen Arbeitslosenunter stützung ist auch in der Berichtszeit vom 3. bis 8. Februar noch um 50 000 angestiegen; sie dürfte nach den Vor- meldunaen der Landesarbeitsämter am 6. Februar dicht an 2 260 000 liegen. Zu dieser Zahi unterstützter Arbeits loser kommen noch rund 250 000 K r i s e n u n t e r st ü H t e, so daß rund 2,5 Millionen Hauptunterstützungsempfänger in der ersten Februarwoche — ungerechnet die Fluktuation innerhalb dieses Massenandranges und die übrigen Arbeitsuchenden — den deutschen Arbeitsmarkt belasteten. An dieser großen Arbeitslosigkeit sind die Außen- berufe mit mehr als die Hälfte beteiligt. Die Ent lassungen sind auch in der Bcrichtswoche noch nicht zum Stillstand gekommen. Die Zurückhaltung in der Aufnahme neuer Bauprojekte und in der Auftragserteilung an die Baustoffindustrie hielt an; sic gibt zu ernsteu Besorg Nissen über Zeitpunkt und Grad derFrühjahrsentspannung allen Anlaß, wenn es nicht schnell gelingt, die Finanzkräftc auf dieses Schlüsselgebiet des Marktes so weit als möglich zu konzentrieren. Das Lt-Booi als Angnffsmiiiel. Die Rede Alexanders auf der Flottenkonserenz. Der Erste Lord der Admiralität, Alexander, erklärte u. a. in seiner Rede, mit der er in der heutigen Plenar sitzung der Seemüchtekonserenz die Erörterung über die Unterseebootsfrage emleitete, er betrachte es als eine s ch w e r e V e r a n t w o r t u n g, einen Vorschlag zur Er örterung zu stellen, die Unterseeboote für die Zwecke des Krieges vollkommen abzuschaffen. Eine Wie derholung der Ereignisse des Weltkrieges müßte verhin dert werden. Im weiteren Verlauf seiner Rede suchte Alexander an Hand der Erfahrungen im Weltkriege die These zu widerlegen, daß die Unterseeboote nur Verteidi- gungsschrffe seien, und betonte, daß sie zum großen Teil für A n g r i ff s z w e ck e gebraucht wurden. Es werde vielleicht gesagt werden, daß der britische Vorschlag vou besonderem Nutzen für England sei. Er wolle die Be deutung dieser Frage für England nicht verkleinern, aber er erinnere daran, daß die anderen Mächte ebenfalls schwere Verluste erfahren hätten, insgesamt über zwei Mil lionen Tonnen. Die neue Kreundschasi. Der österreichisch-italienische Vertrag. Der FreundschaftS-, Vergleichs- und Schiedsgerichtsvertrag zwischen Österreich und Italien sieht vor, daß zukünftige Streitigkeiten der beiden Verlragsteile, die nicht durch die ge wöhnlichen diplomatischen Verfahren bereinigt werden könnten, einem Vergleichsverfahren zu unterwerfen sind. Scheitert dieses, so ist der Streit vor ein Schiedsgericht zu bringen. Die vertragschließenden Teile werden eine'ans fünf Mitgliedern bestehende Vergleichskomnnssion bilden. Lehnen die Beteiligten die Vorschläge der Vergleichs kommission ab, so wird der Streit einem besonderen Schieds gericht unterbreitet. Kommt hier ein Kompromiß innerhalb dreier Monate nicht zustande, so kann jeder Vertragsteil den Streitfall vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof bringen. Rechte und Pflichten, die den Ver tragspartnern als Mitgliedern des Völkerbundes zukommcn, werden in keiner Weise berührt. Aber jeder Streit zwischen den Vertragspartnern ist dem vorgesehenen Vergleichsverfahren zu unterziehen, bevor er dem Völkerbund unterbreitet wird. Der Vertrag läßt sich dahin kennzeichnen, daß er in allen wesentlichen Punkten dem Muster der bisher abgeschlossenen Verträge dieser Art folgt Einstellung der Liquidierung des österreichischen Eigcntnms. Die italienische Regierung hat die Einstellung der Liquidierung des österreichischen Eigentums verfügt. Nach dem Haager Übereinkommen hätte die Liquidierung des österreichischen Eigentums mit der Ratifizierung des Überein kommens außer Kraft treten sollen, doch hat die italienische Regierung einem Wunsche der österreichischen Regierung ent sprechend, die sofortige Einstellung der Liquidierung an geordnet. Amerikanisches Rathaus geftürmt. Unruhen in Cleveland. Über tausend Männer und Frauen, angeblich Kom munisten, stürmten das Rathaus in Cleveland (Ohio) und versuchten, in die Sitzung des städtischen Wohlfahrts- ausschusses einzudringen, der über die Arbeitslosigkeit in der Stadt beriet. Die gesamte Polizei der Stadt wurde aufgeboten. Zwanzig Personen und zwei Polizisten wur den verletzt. l3. Fortsetzung Nachdruck verboten Und dann fiel ihr sogar doch unter dem Durcheinander ein Gegenstand auf, der schon an Größe alles Sonstige in der-vierschrötigen Vitrine überragte. Es war ein blank geputzter Hahn aus Messing, der den Schnabel wie zum Krähen geöffnet hatte und auf einer Halbkugel, im Durchmesser von ungefähr fünfzehn Zenti metern, stand. Die andere Hälfte der Kugel lag abge- ichraubt daneben. Der Hahn selbst mochte einen Durch messer von fünfzehn Zentimetern haben. Es war das größte Stück in der plumpen, umfangreichen Vitrine. Jutta wies darauf hin. „Man meint, der Hahn wäre von einem Kirchturm?" Ilse nickte. „Beinahe stimmt die Annahme! Der Hahn stammt von unserem alten Turm, der noch die Zeit des drei ßigjährigen Krieges miterlebt hat. Ueber der verrosteten, knarrenden Wetterfahne war sein Platz. Aber der Hahn ist wohl noch nicht so alt wie der Turm, dennoch müssen re spektable Jahre hinter ihm liegen. Und er hat eine eigen artige Geschichte. Wenn du willst, erzähle ich sie dir gerne." Sie langte den Hahn von dem mit längst abgescheuer tem, braunem Samt überzogenen Brett der Vitrine, hielt ihn Jutta entgegen. „Schau dir das Tier genau an; man glaubte einmal, es sei ein Schatz in der Kugel, auf der es stand, deshalb ist sie geöffnet worden und es hat sich dann niemand mehr die Mühe gemacht, die andere Hälfte wieder anzufügen, der jetzigen Halbkugel wieder die ursprüngliche Vollkuqelacstalt zurückzugeben." Sie stellte den Hahn, der ziemlich schwer war, wieder an den vorher innegehabten Platz und schlug vor, das Wohnzimmer aufzusuchen, weil es dort gemütlich warm wäre. > Jutta Linden war gern einverstanden, denn sie fror in dem großen, ungeheizten Raum. Im Wohnzimmer empfing die beiden mollige Wärme und dort erzählte Ilie die Geschichte des Hahnes. „Mein Urgroßvater, Traugott Rauneck, soll ein etwas sonderbarer Mann gewesen sein," begann sie, „er hat sich oft über seine Mitmenschen lustig gemacht. Als er starb, waren nicht so viele Werte da, wie man eigentlich erwartet hatte, und ein merkwürdiges Testament erweckte den Glau ben, er hätte diese Werte versteckt, um seine Erben danach suchen zu lassen. Er hatte eigenhändig zugunsten seines einzigen Sohnes testiert und folgenden Vers dabei hinter lassen: Des Hauses Glück kommt nur bei Nacht, Der Hahn am alten Turme wacht, Wenn du ihn siehst im feurigen Schein, Wirst du der Reichste im Lande sein!" Jutta Linden hörte aufmerksam zu. Die Geschichte war nach ihrem Geschmack. Ilse lächelte: „Nicht wahr, ein höchst sonderbarer Vers?" Sie erzählte dann weiter: „Der Erbe, mein Großvater, wußte aber mit dem Vers nicht viel anzufangen. Wie er ihn auch drehte, es kam kein Sinn heraus. Dennoch fand er keine Ruhe, grübelte immer wieder darüber nach. Bis dann eines Tages in dem alten Turm durch irgendeine Un vorsichtigkeit ein paar morsche Dachsparren in Brand ge rieten und der Hahn bei den Löscharbeiten von der ursoli den Wetterfahne herunterstürzte. Weil man ihn aber kurz zuvor noch von Flammen umgeben erblickt hatte, meinte mein Großvater plötzlich, den Sinn des merkwürdigen Ders chens erfaßt zu haben. Er hatte ja nun den Hahn, wie es darin hieß, „im feurigen Schein" gesehen und glaubte allen Ernstes, es müsse ein Schatz in der Kugel verborgen sein. Er öffnete sie oder ließ sie öffnen. Doch sie war leer und eigentlich war seine Annahme auch Unsinn, denn er tagte sich dann selbst, sein Vater hatte doch vorher gar nicht wissen können, ob es einmal im alten Turm brennen würde. Er fand, der Vers blieb sinnlos und beschied sich mit dem, was sein Vater hinterlassen, denn es war sowieso genug. Wenn auch nicht soviel, wie er gemeint. Und seitdem ist der Hahn un ten geblieben und nicht mehr auf seinen früheren Stand platz zurückgekehrt. Mein Vater sprach wohl ein paarmal davon,' ihn wieder über der Wetterfahne befestigen zu lassen, aber es unterblieb doch und nun ruht er schon lange aus in der Vitrine, die Vater zuweilen unter Familienmuseum nannte." Jutta war etwas enttäuscht. Sie hatte doch mehr von der Geschichte erwartet, die durch das Versckzen so span nend anfing. Sie meinte: „Ich an deiner Stelle ließe den Hahn wie der, auf den Turm hinaufschaffen, wo er hingehört, umso mehr, da das auch deines Vaters Absicht gewesen ist." Sie sagte es, ohne sich etwas dabei zu denken, ihr war es gleich, ob der Hahn auf der Wetterfahne stand oder in der Vitrine. Aber Ilse war sofort von großem Eifer erfüllt. „Wenn es Frühling wird, soll der alte Kerl wieder auf den Turm hinauf, bestimmt soll er das! Dein Interesse macht mir Freude, Jutta!" Die andere lachte in sich hinein. Nichts auf der Welt war ihr gleichgültiger als der alte Hahn von der Wetterfahne! Man pflegte auf dem Rauneckhofe früh zur Ruhe zu gehen, und nachdem Jutta am ersten Tage mit ihrem süße sten Lächeln Ilse Rauneck „Gute Nacht" gewünscht und sich in ihrem Zimmer eingeriegelt und eingeschlossen hatte, setzte sie sich an den kleinen Schreibtisch. Sic legte einen Bogen von dem hübschen, elfenbeinfarbenen Papier vor sich hin, von dem ihr Ilse vorsorglich einen Karton voll zurechtgc- stellt. Und dann nahm Jutta Linden die Feder zur Hand und schrieb: «Fortsetzung folg!..