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Tagesspruch Verliere deinen Freund um keinen kleinen Zwist; wenn aber sein Vergehn mehr als ein Fehler ist, wenn seinem Herzen Gift am Hellen Tage entschlüpfte, so reiß das Band entzwei, das dich mit ihm verknüpfte. Pythagoras. Sie Angst vor dem Scheintod. Aus Amerika kam vor kurzem die Nachricht, daß in Mexiko „ein Totgeglaubter, der nur scheintot war", infolge einer starken Erschütterung des Sarges wieder zum Leben erwacht ist und dadurch die Leidtragenden begreif licherweise in Angst und Schrecken versetzt hat. Diese Meldung findet eine Parallele in dem Märchen von Schneewittchen. Als die Diener des Prinzen den Glassarg von dannen trugen, stolperten sie bekanntlich über einen Strauch, und durch den Stoß fuhr das Stückchen, das Schneewittchen von dem vergifteten Apfel abgebissen hatte, aus der Kehle: Schneewittchen erwachte allmählich wieder zum Leben. Fälle von Scheintod sind Gott sei Dank überaus selten. Seitdem die Leichen vor der Bestattung min destens drei Tage zu Hause oder in der Leichenhalle liegen müssen, hat die Angst vor dem Lebcndigbegrabenwerden nachgelassen. In früheren Zeiten war diese Furcht über aus stark. So wurden Särge gebaut, die Fächer für Speiseund Trank enthielten und durch eine Röhre mit der Außenwelt verbunden waren. In manchen Leichenhallen waren besondere Wächter angestellt, die hohe Belohnungen erhielten, wenn durch ihre Aufmerksamkeit das Begräbnis eines Scheintoten verhindert werden konnte. In anderen Orten wurden den Toten Finger hüte aufgesetzt, die durch Drähte mit Glocken in Ver bindung standen, um so jede Lageveränderung der Leiche sofort automatisch zu melden. Uralt sind die Vorsichtsmaßregeln, die man zur Rettung vor dem Lebendigbegrabenwerden angewendet hat und noch immer anwendet. Die Flaumfeder, die vor Mund und Nase gehalten, unbeweglich bleibt, der Spiegel, der durch keinen Hauch mehr beschlägt, die Siegellacktropfen, die auf die Haut geträufelt werden und keine Rötung mehr Hervorrufen, sie alle sind keineswegs absolut sichere Zeichen des eingetretenen Todes. Bedeutend zuverlässiger ist schon das Offnen der Pulsadern: fließt kein Blut, so ist fast ausnahmslos der Tod eingetreten. Sollte dies dennoch nicht der Fall sein, so entschwindet dann gegebenenfalls im Sarge das erwachende Leben wieder so schnell wie es aufflackert. Der Tod ist nicht ein augenblickliches Ereignis, sondern ein Vorgang, der sich ganz allmählich und nicht ohne kürzere und längere Pause abspielt. Nach be stimmten Gesetzen sterben die einzelnen Organe unseres Körpers nicht gleichzeitig, sondern nacheinander. An der Leiche treten dann Erscheinungen auf, die auf ein Ableben des Gesamtorganismus schließen lassen. Die Muskeln des Toten erschlaffen, seine Gesichtszüge Werden entspannt, ihre Mimik fehlt. Die Atmung hat aufgehört. Um dies festzuftellen, be darf es aber feinerer Apparate als eines Spiegels oder einer Feder, die andererseits durch die letzten kaum wahr nehmbaren Atemzüge bewegt werden und so doch ein falsches Bild geben können. Viel wichtiger ist das Auftreten von Totenfleüen. Diese werden dadurch verursacht, daß das Herz seine Tätigkeit eingestellt hat. Das Blut folgt jetzt, wo der An trieb fehlt, nur noch dem Gesetze der Schwere und sammelt sich in den am tiefsten gelegenen Körperteilen. Der Er hängte z. B. wird also diese blauroten Flecken an Händen und Füßen aufweisen. Wird die Lage der Leiche bald nach dem Tode geändert, so können die Totenflecken wandern. Sie lassen sich drei bis sechs Stunden nach dem Tode bereits erkennen und sind nach zwölf Stunden völlig aus gebildet. Es braucht nicht betont zu werden, daß diese Flecken kriminell von größter Bedeutung sind. Eine weitere wichtige Erscheinung ist die Toten- ft.arre, deren Ursache noch nicht sicher feststeht. Sie be ¬ fällt den Toten nach zwei bis drei Stunden und erstreckt sich allmählich auf Unterkiefer, Nacken, Rumpf und Glied maßen, um später in gleicher Reihenfolge wieder zu ver schwinden. Das „Brechen" des Auges beruht darauf, daß dieses seine lebhaften Bewegungen emstellt. Der „Spiegel der Seele" ist keineswegs das Auge, sondern viel mehr sein fortwährendes Spiel und die dauernde Ver änderung seiner Umgebung, also der Lider und der Haut. Sodann werden beim Tode die oberen Schichten der Horn haut gelockert und erhöhen den starren und toten Aus druck des Auges. Was das Wachsen der Haare und der Nägel anbetrifft, so ist das nur ein scheinbares Überleben. Die Weichteile der Leiche schrumpfen und trocknen schnell ein, so daß.Haare und Nägel weiter aus der Haut hervor- ragcn. Alle diese Erscheinungen am leblosen Körper bieten aber keineswegs absolute Gewißheit sür den Eintritt des Todes. Das einzige wirklich sichere Zeichen ist der Be ginn des Zersetzungsprozesses, der eine chemische Um wandlung des toten Organismus unter Beihilfe von Bakterien und Hefen bedeutet. Dr. F. P r i tz e - Berlin. Die Eröffnung der FlottcnaLrüstungskonfcrcnz in London durch König Georg von England, dessen vor dem Mikro phon gehaltene Rede an hundert Millionen Rundfunk hörer weitergeleitet wurde. Rechts neben dem König der englische Außenminister Henderson, links hinter dem Thronscssel Ministerpräsident Macdonald. Fortsetzung der Gaarverhandlungen. Der Führer der deutschen Saardelegation, Staats sekretär a. D. Dr. von Simson, ist zur Fortsetzung der deutsch-französischen Saarverhandlungen wieder in Paris eingetroffen. Er hatte bereits eine erste Be sprechung mit dem Führer der französischen Delegation, dem Minister für öffentliche Arbeiten Pernot. Arbeitslosenkrawatte in Polen. Schwere Zusammenstöße zwischen Kommunisten und Polizei. In Graudenz versuchten etwa 700 Arbeitslose das Rat haus und die Starostei zu stürmen. Polizei trieb die Menge mit blanker Waffe auseinander. Zu größeren Zusammenstößen kam es im ostgalizischen Städtchen Soltqs zwischen lommunistischcn Demonstranten und Polizei, wobei aus beiden Seiten Schüsse fielen. Eine Person wurde getötet und fünf, darunter drei Kommunisten, verletzt. Ein weiterer Zusammenstoß zwischen Kommunisten und Polizei wird aus dem vstgalizischen Ort Lubycza Krelewska gemeldet. Eine Polizeistreife wurde von kommunistischen Demonstranten angegriffen. Auch dort wurde ein Kommunist, der eine» Polizisten mit dem Messer bedroht hatte, nieder- ge schossen. Weitere kommunistische Kundgebungen werden aus den tongreßpolnischen Orten Sosnowitz und Zdunska Wola gemeldet. Lteber 2 Millionen ohne Arbeit. Weitere Steigerung der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit stieg in der Woche vom 13. bis 18. Januar in allen Lanvesarbeitsamtsbezirken weiter an, doch war der Anteil der einzelnen Bezirke un gewöhnlich verschieden. Während in einigen Gebieten der Einfluß der milden Witterung sich durchsetzen konnte, blieb er in anderen nahezu wirkungslos; entweder lähmte rigorose Sparpolitik die Wiederentfaltung der Bgntätiakeit oder der örtliche Markt wurde einseitig So hab' ich Liebste dich gesunden Roma« V8N Margarete Elzer 76. Fortsetzung (Nachdruck verboten) Eben rollte der Wagen vor die Tür und Gundula eilte, um die Herrschaften zu empfangen. Fran Berta war längst nicht mehr mit der. über triebenen Sorgfalt gekleidet ,die Gundula an einer alternden Frau, au der Mutter einer verheirateten Tochter, so lächerlich gefunden hatte. Es war für Gun dula viel angenehmer, Fran Hoff jetzt betont mütter lich in ihrem Aeußeren zu finden. Die Herrschaften waren natürlich verstört und erschöpft. Gundula gab sich angesichts ihrer offenbaren Nervosität alle Mühe, ruhig und freundlich zu wirken. Von allen Opfern, die sie je Laver gebracht hatte und noch bringen würde, würde dies, einer Mutter den Tod ihres Kindes ver melden zu müssen, wohl das schwerste bleiben. Mit einem verlegenen Lächeln entschuldigte sie erst einmal, die Hände auf dein Rücken, daß sie sich nicht dnrch Handschlag begrüßen konnten. Im Zimmer ange kommen, nötigte sie Platz zu nehmen. Sie klammerte sich an jede Minute, die sie von ihrer schweren Pflicht noch trennte. Mer die Mutter in Frau Hoff gab keine Ruhe mehr. „Meiu liebes Fräulein Reichberger, wir danken Ihnen für die Mühe, die sie sich unseretwegen machen müssen. Ich ahne, nein ich weiß, daß Sie nns nichts angenehmes, vielleicht sogar schmerzliches zn sagen haben. Ich bin in einer ganz schrecklichen Aufregung, obgleich mein Mann mich beruhigt und mir sagt, daß es sich um einen Streit der Kinder handeln wird, den Sie beizulegen sich erboten haben." Gundula sah sie voller Mitleid an. „Leider hat Ihr Herr Gemahl nicht recht, gnädige Frau, aber ich wünschte, es wäre an dem!" „Wir konnten aus Ihrem Telegramm io gar keine Schlüsse ziehen!" Gundula dachte nicht an ihre Hände in diesem Augenblick, und so boten sic sich ebenso unvermittelt wie erschreckend den alten Leuten dar. Frau Verta wurde ganz fahl und fragte leise: „Sie sind verwundet? Hängt das mit unserem Kind zusammen?" Gundula konnte nur deu Kopf neigen. Frau Berta spraug entsetzt auf: „Ein — ein — Unfall?" „Leiöe?!" Es kam in der Qual ihrer schrecklichen Aufgabe hart und spröde von Gundulas Lippen. Frau Hoff sah sie mit angstvollen Blicken an: „Haben Sie Erbarmen, reden Sie!" Hoff trat nah an Gundulas Seite und fragte ganz leise, nur ihr verständlich: „Wir haben Schlimmes zu hören?" Gundula sah ihn mit einem Blick an, aus dem er die Antwort nur zu deutlich lesen konnte. Da trat er schnell zu seiner Frau und zwang sie, sich zu setzen: „Komm, Berta, wir wollen nns bemühen, Fräulein Reichberger ihr undankbares Amt nicht noch zu er schweren. Wir bitten um Ihren Bericht, mein sehr ver ehrtes Fräulein." Da nahm Gundula dann ihr Herz in beide Hände und erzählte den unglücklichen Eltern, wie ihre Tochter gefunden worden war. Frau Berta blieb unheimlich still, sie starrte ab wechselnd ihren Mann und Gundula an, bis sie mit er stickter Stimme flüsterte: „Ist das wahr? Max. mnst ich das glauben?" Max strich ihr voll Mitleid mit tief erblaßtem Ge sicht über die welk gewordene Wange: „Meine arme Berta!" Frau Verta war diesen schrecklichen Nachrichten nicht gewachsen. Sie verfiel in einen Weinkrampf, nnd beherrscht von dem Beschäftigungsrückgang in der Metall wirtschaft. Ländliche Bezirke, besonders in Schlesien, ver loren immer mehr ihr früheres Gleichgewicht, weil der Übergang von Dauerarbeitsverhältnisscn zur Saison beschäftigung die berufsübliche Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr vermehrt. Die Zahl der Hauptunwrstützungsempsängcr in der versicherungsmäßigen Arbeitslosenunterstützung, bekannt lich nicht die Gesamtlast der Arbeitslosigkeit, dürfte nach den Vormeldungen der Landesarbeitsümter am 15. Ja nuar dicht an 2,05 Millionen liegen. Damit ent spricht die Zahl dem Stand des Vorjahres. Die Aot -er deutschen Luftfahrt. Vor der Stillegung der Rohrbach-Werke? Die seit einiger Zeit im Umlauf befindlichen Nach richten von der bedrohlichen Finanzlage der bekannten R o h r b a ch - W e r k e, die neben Verkehrsflugzeugen auch Flugboote bauen, haben durch die Tatsache, daß die Firma Rohrbach seit mehr als zwei Wochen ihrem Personal keine Löhne und Gehälter mehr gezahlt hat, eine Bestäti gung erhalten. Danach scheint ein Konkurs, von dem bereits vor Tagen Gerüchte laut wurden, in greifbare Nähe gerückt zu sein. Das wäre um so bedauerlicher — abgesehen natürlich von dem außerordentlich großen Schaden, den die deutsche Luftfahrt durcb einen folchen Konkurs nehmen würde — als die Firma Rohrbach einen französischen Bauauftrag in Händen hat, der im Falle eines Konkurses nicht mehr zur Durchführung kommen könnte. Das Reich ist, wie in einer Mitteilung des Reichs verkehrsministeriums noch einmal ausdrücklich festgestellt wird, wegen seiner schlechten Finanzen nicht in der Lage, die Firma zum zweiten Male zu sanieren. Das Reich beabsichtige auch nicht, die angeblich versprochenen 200 000 Mark der Firma noch zu zahlen. Gerichtsverhandlung mit Hindernissen. Tumult im Breslauer Schöffengericht. Das Große Schöffengericht in Breslau verhandelte gegen Mitglieder der Kommunistischen Partei, die wegen schweren Ausruh rs angeklagt waren. Gleich nach Be ginn des Prozesses kam es zu Tumulten. Es hatten sich annähernd 200 Anhänger als Zuhörer eingefunden. Das Gericht beschloß hierauf, die Sitzung aus dem Schöfsengerichis- saal in den Kleinen Straskammersaal zu verlegen. Da die Angeklagten sich widersetzten, beschloß das Gericht, Zwangs- vorfübrung zu veranlassen. Als Zeugen geladene Schutzpolizisten brachten die Angeklagten m den Kleinen Straskammersaal. Unterdessen hatte sich anch die Erregung des Publikums gesteigert. Neue Mcnschenmassen versuchten, ins Gerichts- gebäudc eiuzudringen, so daß schließlich Polizei die Straße n säuberte und das Gcrichtsgcbäudc abriegelte. In der Verhandlung wurden zwei Angeklagte wegen schweren Aufruhrs und Körperverletzung zu Gefängnisstrafen "ernrtcilt. tim das Eigentum der Heilsarmee. Higgins hat den Prozeß gewonnen. Der in der Nachlaßsache des Heilsarmeegenerals Bramwell Booth zuständige englische Richter hat nach einer Londoner Meldung die Testamentsvollstrecker aus gefordert, dem neuen General Higgins das Eigentum der Heilsarmee im Werte von mehreren Millionen Pfund Sterling zu übergeben. Hierzu gehören auch Kapellen, Heime und andere Gebäude. Bekanntlich hatten sich die Testamentsvollstrecker geweigert, das seinerzeit von Booth verwaltete Eigentum der Heilsarmee dem jetzigen Führer Higgins herauszugcben. FiüchtlingStragödie in Südtirol. Ein Mädchen im Schneesturm erfroren. Wie aus Innsbruck berichtet wird, kam im Schnalsertal Zn völlig erschöpfter Mann zu einem Bauern und erzählte, saß er in den Bergen ein Mädchen z u r ü ck g e l a s s e n habe, da es nicht mehr weiter konnte. Die Bauern machten sich auf die Suche und sanden das Mädchen tot auf. Es war erfroren. Das Unglück ereignete sich gerade noch auf italie nischem Gebiet. Die Grcnzmiliz verhaftete den Mann, den. Münchener Bildhauer Brusa, der zuletzt in Bozen wohnte. Das Mädchen ist eine Rosa Zamboni aus Branzol. Beide wollten über die Grenze nach Österreich (luchten und vurden von einem Schneesturm überrascht. Brusa wurde in Hast genommen, ist aber vor einige» Tage» nicht transportfähig. Max Hoff hatte in der Sorge um seine Frau nicht Zeit, der eigenen Schmerzen zu denken. Wenn sie auch mit ihrer Tochter nicht besonders innig gestanden hat ten, oder vielmehr, wenn Inge auch kalt und ableh nend den Eltern gegenüber geblieben war, so wäre es doch ganz unnatürlich gewesen, wenn die Eltern unter dem Verlust ihres einzigen Kindes nicht znsammenge- brochen wären. Es dauerte lauge, ehe die arme Frau Hofs so weit beruhigt war, daß sie unter Schmerzen tragen konnte: „Und mein Schwiegersohn, wie trägt er es, der arme Mensch?" „Er meist es noch gar nicht!" „Wie ist das möglich?" „Ich komme jetzt zum zweiten TBl meiner Eröff nungen. Sie müssen mir glauben, daß auch dis mir außerordentlich schmerzlich sind!" „Was ist mit Xaver?" Gundula griff hinter sich ans deu Tisch wo sie den letzten Brief Inges liegen hatte, und reichte mit ihren verbundenen Händen den Eltern das Schreiben. „Ich weiß nicht, inwieweit Sie Ihre Tochter kann ten, wenn Sie so ahnungslos waren wie ich, dann must Sie das da vielleicht schmerzlicher treffen als die Trauerbotschaft. Mit ziterndeu Hände« nahmen die alten Leute deu zerknüllten Brief und suchten aufgeregt nach ihren Augengläsern. Frau Hofs hatte die Geduld nicht zu warteu, bis sie das Glas fand, darum bat sic beweglich: „Wollen Sie nicht so gut sein, uus deu Brief vor- »lesen?" in!" Die Antwort stand so eiskalt und unerbittlich in der Luft, und wirkte in ihrer Härte so ganz besonders aus Gundulas sonstige'.' Güte heraus. „Verzeihung, wir wollten Sie nicht kränken!" (Fortsetzung folgt.)