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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt. — Nr. 16 — Montag, den LO.Jan 1930 Tagesspruch Hat Frau Sorge im Register . Ihres Sollbuchs dich verpaßt. Denk, wir alle sind Geschwister, Trag mit hilfreich andrer Last. Gesundheitspflege tut not. Zilr Internationalen Hygieneausstellung Dresden 1930. Sachsens Hauptstadt ist kein Neuling auf dem Gebiete des Ausstellungswesens; in den letzten dreißig Jahren hat sich Dresden einen sehr angesehenen Platz unter den deutschen und auch den ausländischen Ausstellungsstädten erworben. Eine Internationale Kunstausstellung, eine Städtebau-Ausstellung und eine Photographische Aus stellung sind wohl die Höhepunkte der Vorkriegszeit. Noch höher aber ragt die Internationale Hygiene ausstellung des Jahres 1911. Sie hat ihren Glanz weiterbehalten, auch in der Zeit nach dem Kriege, in der die jedes Jahr einem andern Gebiete gewidmeten „Jahresschauen Deutscher Arbeit" sich weithin Geltung zu verschaffen wußten. Doch waren auch andere Städte sehr rege, und so kam man zu einer Hypertrophie des Aus stellungswesens in Deutschland, die sogar die Frage ent stehen ließ, ob man nicht auch die Dresdener Jahres schauen beenden oder wenigstens unterbrechen sollte. Für 1930 hat man cs getan: aber an die Stelle der Jahres schau tritt ein viel größeres Unternehmen, die Internatio nale Hygieneausstellung Dresden 1930. Ist das nun unlogisch? Man erkennt, daß es zuviel Ausstellungen gibt, und hört deshalb mit den regelmäßig wiederkehrenden Jahresausstellungen auf, begibt sich aber gleichzeitig an ein viel größeres Unternehmen? Man muß die Berechtigung dieser Ausstellung aber trotz dem zugeben. Zunächst Wegert des Themas selbst, dem sie gewidmet ist. Unendlich viel Lasten und Leiden hat uns der Krieg gebracht. Wollen wir sie bestehen, dann brauchen wir vor allem ein gesundes Volk — Volks gesundheit tut not. Für die Belehrung darüber, wie Volksgesundheit zu erwerben und zu erhalten ist, kann kaum genug getan werden. Und das Volk selbst ist nicht gleichgültig gegenüber dieser Aufgabe; es nimmt die Auf klärung willig hin und sucht sich immer neue Ratschläge. 5,5 Millionen Menschen haben schon 1911 die Dresdener Hygieneausstellung besucht, mehr als 7,5 Millionen Be sucher wurden in den Wanderausstellungen gezählt, die das Dresdener Hygienemuseum in rund 600 deutschen Städten herumgeschickt hat. Hierbei wird ein Punkt berührt, der gleichfalls für die Veranstaltung der neuen Ausstellung spricht. Die Ausstellung von 1911 hatte unter der Anregung des un vergeßlichen Karl Lingner so viel wertvollstes Material zusammengestellt, daß niemand es verantworten konnte, alle diese Dinge mit dem Ende des Unternehmens wieder zu vernichten oder in alle Welt zu zerstreuen. Sofort kam der Plan, ein H y g i e n e m u s e u m zu schaffen, dessen Aufgabe die fortdauernde Unterweisung in der Hygiene sein sollte. Krieg und erste Nachkriegszeit zwangen zur Verschiebung des Planes, — daß man trotz dem nicht untätig war, beweisen die schon genannten Wanderausstellungen im ganzen Reiche und im Aus lande. Dann aber auch ist es gelungen, mit Hilfe von Reich, Staat und Stadt das Hygiencmuscum zu errichten. Der prächtige, von Wilhelm Kreis geschaffene Van ist jetzt vollendet, viele Hände sind nun am Werk, ihm den Schatz seiner inneren Einrichtung zu geben, damit im Mai des Jahres die Weihe stattfinden kann. Einen Tag später wird auch die Ausstellung eröffnet werden. Sie soll den Blick der ganzen Welt aut das Museum wenden und sie soll zugleich auch den anderen Nationen Gelegenheit geben, den Stand der eigenen Volksgesund- heitspflege zu zeigen. Daß fast alle Kulturnationen dem Rufe zur Beteiligung gefolgt sind und mit reichem An schauungsmaterial auf dieser internationalen Schau er scheinen werden, beweist ebenfalls, daß es sich um keine überflüssige und gleichgültige Veranstaltung handelt, daß man vielmehr einer großen Aufgabe gerecht wird. Dresden wird alle Kräfte daransetzen, das ihm ent gegengebrachte Vertrauen zu rechtfertigen. Mit besonderer Freude.ist es zu begrüßen, daß das Ausstellungsgelände unmmelvar neveu »er Diane liegt, wo tagtäglich Mensi für die Volksgesundheit geleistet wird: hier sind die Sportwiesen, hier liegt auch das vorbildliche große Arnold-Bad. Die Ausstellung umfaßt mit ihren Hallen -nNd Tribünen zum Teil sogar diese Plätze, das Hygiene museum ragt darüber, und so wird sich ein überaus glück licher Zusammenklang von Ausstellung, Museum und praktischer Körperpflege ergeben. Die Saat, die hier gesät wird, kann nicht ohne Früchte bleiben. Abschied Schuimans vom Reichspräsidenten. Hindenburgs Ansprache. Der bisherige amerikanische Botschafter in Berlin, Dr. e. y. Schurman, der schon vorher im Auswärtigen Amt seinen Abschiedsbesuch abgcstattet hatte, wurde vom Reichspräsidenten in Abschiedsaudienz empfangen. Im Anschluß daran gab der Reichspräsident zu Ehren des scheidenden Botschafters ein Frühstück, au welchem u. a. der Reichskanzler, führende Beamte des Auswärtigen Amtes, der französische Botschafter de Margcrie, die Rektoren der Universitäten Berlin und Heidelberg und weitere Vertreter der Wissenschaft teilnahmcn. Während des Essens brachte der Reichspräsident einen Trinkspruch aus, in dem er u. a. sagte: „Es ist mir ein lebhaftes Bedürfnis, Herr Botschafter, in dieser Stunde, da wir voneinander Abschied nehmen müssen, für alles das zu danken; was Sie in Ihrer Eigen schaft als Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland geleistet haben. Sie haben während Ihrer fast fünfjährigen Arbeit hier zur Wiederherstellung der alten guten Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten wesentlich beigetragen." Botschafter Schurman erwiderte und bemerkte, daß er zur Wiederherstellung und Förderung der alten guten freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern etwas habe beitragen können. Das sei ihm eine Genugtuung und eine Ehre gewesen, die er immer als die höchste seines Lebens betrachten werde. Als Privatmann werde es sein Bestreben sein, das gute Einvernehmen und die herzliche Freundschaft zwischen den, amerikanischen nnd dem deutschen Volke weiter anszubauen. Ausschreitungen Streikender in der Tschechoslowakei. Blutiger Zusammenstoß zwischen böhmischen Glasarbeitern und Gendarmen. Die streikenden Glasarbeiter des Falkenauer Bezirkes (Tschechoslowakei) veranstalteten in Unterreichenau, wo sich die größte Glasfabrik befindet, Kundgebungen. Ein Gendarm wurde von den Demonstranten zu Boden geworfen und schwer mißhandelt. Das Gendarmeriekommando gab Feuer. Darauf flüchteten die Demonstranten und wurden von der Gendarmerie verfolgt. Hierbei wurde ein Demonstrant durch einen Bajonettstich verletzt. 21 Personen wurden ver haftet. Landheim für die sächsische Angvstelltenjugend in Grünhain im Erzgebirge. Das in herrlicher Lage vom Gau „Freistaat Sach sen" im Gewerkschaftsbund der Angestellten (GDA.) errichtete Jugendheim wurde kürzlich unter Beteiligung der sächsischen Staatsregierung eingeweiht. Das Heim entspricht allen modernen hygienischen Anforderungen und gewährt über 100 Jugendlichen bequem Unterkunft. Myko will die Papageien ausrosten. Die amerikanischen Vogelhändler bezweifeln die Papageienkrankheit. In Glauchau hat die Papageienkrankheit ein drittes Todesopfer gefordert: ein Arbeiter namens Götze ist im Stadtkrankenhause der Krankheit erlegen. InFlorenz starben innerhalb von zwei Tage zwei Personen einer Familie, die kürzlich aus Brasilien Papa geien erhalten hatte. Zwei weitere Personen sind schwer erkrankt. Die Stadtverwaltung hat strenge Maßnahmen gegen die Einfuhr von Papageien getroffen. In Mexiko will man, wie es scheint, ganze Arbeit machen, um die Papageienkrankheit aus der Welt zu schaffen: die Behörden von Mexiko-Stadt haben nämlich eine Verordnung erlassen, nach der alle in Privatbesitz be findlichen Papageien ansgcrottet werden sollen. Allen diesen Alarmnachrichten gegenüber verhalten sich mindestens die amerikanischen Vogel- Händler kühl und reserviert: ihre Vereinigung gibt bekannt, daß sie einen Arzt und einen Bakteriologen anstellen werde, um Untersuchungen dar über vorzuuehmen, ob es überhaupt eine menschliche Krankheit gibt, die man als Papageienkrankheit bezeichnen kann. Die Vereinigung erklärt, eine vorläufige Umfrage iu medizinischen Kreisen habe ergeben, daß die Ärzte von keinem einzigen Fall von Pittakosis wüßten der bei einem Menschen bakteriologisch nachgcwicsen worden wäre. Übertragung von Ruhr durch einen Affe!«? In Stelle im Kreise Winsen erkrankte eine sieben köpfige Familie unter schweren Symptomen, ohne daß die Ursache der Erkrankung ermittelt werden konnte. Den Kindern war von Verwandten in Übersee ein Affe als Spielkamerad gesandt worden. Die amtliche Unter suchung in Stade hat «tun das Vorhandensein von echter Ruhr, die wahrscheinlich von dem Affen auf die Menschen übertragen worden ist. festgestcttt. Das jüngste Kind der Familie, ein zweijähriges Mädchen, ist der Krankheit er legen, während sich die übrigen Familienmitglieder außer Lebensgefahr befinden. Köhls Amerikafahrt. Vorläufig kein neuer Transozeanflug geplant Der Ozeanflieger Hauptmann Köhl weilte kürzlich mit feiner Frau und mit seinem Fluggenossen, dem irischen Oberst Fitzmaurice, in Amerika, um Land und Leute besser kennenzulernen als vor anderthalb Jahren, wo ihm nach den Aufregungen des Transozean fluges nicht viel Gelegenheit zu näherer Bekanntschaft gegeben war. Fitzmaurice und Köhl, die von der Ham - burg-Amerika-Linis Freifahrtkarten auf Lebens zeit erhalten haben, sind auf der „Deutschland" hin übergefahren und auf der „Bremen" als Gäste des Norddeutschen Lloyds zurückgekehrt. Köhl ist des Lobes voll von der gastlichen Ausnahme, die er in Amerika gefunden har. Oberst Lindbergh war eigens seinetwegen von Kolumbus per Flugzeug nach Indianapolis gekommen. Man hatte erzählt, daß Köhl in naher Zeit einen neuen Transozeanflug unter nehmen wolle, und daß Ausländer dieses Unternehmen finanzieren würden. Köhl bestreitet das ganz entschieden: er denke augenblicklich an keinen neuen Flug, und Wenn er wirklich wieder einmal hinüberfliegen würde, so würden sich sicher Deutsche finden, die die Kosten übernehmen. „Die Amerikaner," fo erklärte der Ozeanslieger am Schluffe seiner Mitteilungen, „sind flugtechnisch sicher weit vorgeschritten, aber »vir Deutschen können uns neben ihnen schon sehen lassen." Oie Interessen Ostpreußens. Beschlüsse des Provinziallandtages. Der Provinziallandtag hat den von der Zenttumspartei eingebrachten Antrag angenommen, der die Erwartung aus spricht, daß das Liquidationsabkommen mit Polen und ebenso der in Aussicht genommene Handelsvertrag eine solche Gestal tung erfahren, daß die Interessen Ostpreußens nicht beein trächtigt werden. Dazu erklärte der Äbg. Gras Kanitz, er hoffe, daß der Deutsche Reichstag nicht eine,« Vertrag ratifi zieren werde, der Ostpreußen schädigt. Weiter wurde der Antrag des nationalsozialistischen Abg. Koch angenommen, die Reichs- und Staatsregierung zu ersuchen, keine Verträge Weder wirtschaftlicher noch politischer Natur mit Polen ab- zuschließen und alle Verzichte aus deutsche Ansprüche in Polen zu unterlassen. So hab ich MM M gefunden Roma« vo« Margarete Elzer. 67. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). Und dann berichtete der Briefträger, der sich nun sehr als Held zu fühlen begann: „Wie ich dann einsehen hab' müssen, daß es die Seejungfern doch nicht waren, da bin ich dann drauf los, sag ich euch. Und da hatte ich dann die Bescherung." „Hast du denn nicht gerufen? Schließlich mutz ja nicht sein, daß auch Leut mit abgestürzt sind!" „Nein, gerufen hab' ich nicht. Aber sehen hätte ich sie doch müssen, nit wahr?" „Freilich, sehen hätte er sie müssen!" „Gnade Gott, den Menschen, wenn sie mit dem Wagen abgestürzt sind, da kommt alle Hilfe zu spät! Aber wir müssen natürlich hin, Leute! Sehen, was noch zu machen ist! Kommt, wollen unser Zeug nehmen, Stricke, Hacken, Beile und eine Winde, Fackeln, und einer muß zum Doktor!" „Zum Doktor lauf ich!" Es war -er Kainzer ans öem Schlierseeischen. Und ehe -je andern antworten konnten, sprüng er auch schon davon. , Emsig machten sich die andern fertig, nm zu retten, was noch zu retten war, Sie sträubten sich gutherzig erst noch alle dagegen, zu glauben, daß der Wagen mit Menschen abgestttrzt sei. Wie ein Wilder sprang der Goldschmied mittler weile die Dorfstratze entlang zum Doktor.. Dabei lief er gerade Gundula in den Weg. Die Neichbergerin hatte sich aufgemacht, um in Scholastika Holz zu kaufen für einen Scheuerbau. Als sie den springenden Mann sah, da rief sie ihn an, und er erkannte sofort seine Wohltäterin. Er wartete gar nicht erst ab, daß Gundula fragte, sondern rief ihr die Schreckensbotschaft gleich zu - „Im See liegt ein Auto! Ich lauf schnell, den Dok tor zu holen!" „Weiß man schon, wem der Wageu gehört?" „Nix gewisses nicht! Der Talwirt meint nur, es sei heut außer dem kleinen Wagen des Lohneckers keiner in der Richtung nach Pertisau durchgekommen, wenn es also einer aus der Richtung ist — aber es kann ja auch einer von Jenbach, oder sonst woher sein, das muß sich alles erst noch beweisen!" Und damit lieh er die völlig erstarrte Gundula stehen und rannte weiter. Gundula aber war es einen Augenblick, als wankte ihr der Boden unter den Füßen. Sie hatte Inge mit ihrem Vetter in dem kleinen Auto fortfahreu sehen, nnd eine lähmende Angst hatte sie befallen, daß der Wagen der verunglückte fern könnte. Mit einer fast wilden Bewegung strich sie sich über die entsetzten Augen, und plötzlich rannte sie, so schnell sie ihre Füße nur tragen konnten, Lem See zu. Sie langte atemlos gerade beim Talwirt an, als die Leute bedrückt und eilig sich auf den Weg machen wollten. „Hallo, Talwirt!" „Ah, die Retchöergeritt! Grüß Gotti Wir sind ein bissel eilig, es hat am See ein Unglück gegeben. Es mußte ja mal so kommen. Was hab' ich schon geredet und bin vorstellig gewesen, wegen dieser elendigen Straß'! Nun wird ja wohl wenigstens eine Warnungs tafel aufgestellt werden." Gundula hatte vor rasendem Herzklopfen von den redseligen Worten des Wirtes nichts gehört. Hastig fragte sie jetzt: „Habt Ihr in Pertisau angefragt, ob der Wagen des Lohneckers drüben angekommen ist." Sie erklärte dem aufhorchenden Wirt, daß ihr der Kainzer schon berichtet hatte. Der ein wenig schwer fällige Wirt rückte sein Käpplein bedrückt hin und her. „Na, angesragt haben mir net, aber es mutz doch auch der Wagen nit sein!" „Los, los! Ich komme mit!" Und ohne weitere Worte «nachte sich nun die Ret tungskolonne aus den Weg. Es ging fast immer im Lausschritt, und je näher man der Unfallstelle kam, nm so größer wurde iu Gundula die Augst vor der Ge- witzheit. Und schon von weitem iah sie aus der ans dein Wasser ragenden Kühlerspitze den aufgeschraubten Talismann: Ein grober Schmetterling aus Bronze. Unwillkürlich hielt sie den Wirt am Arin fest und murmelte stöhnend: „Es ist des Lohneckers Wagen!" Der Talwirt hatte das an der Lage des Wagens längst gesehen, datz er in der arideren Fahrtrichtung nicht abgestürzt sein konnte, Weil er aber wußte, datz die Neichbergerin seit Fugend aus mi« dem Lohnecker befreundet war, so hatte er es nicht über das Herz ge bracht, ihr von dieser Entdeckuna zu sprechen. Die letzten paar Schritte raunten sie nun in Ge schwindschritt. Gundula, die an bas Unglück noch im mer nicht glauben wollte, r>ef mit überschlagender Stimme immer wieder: „Ahoi! Ahoi!" Aber nichts antwortete als der schauerliche dumpfe Widerhall von den Bergen. Und mit wilder Hast gingen die Leute daran, den Wagen aus dem See zu zerren. Sie arbeiteten im Schweiße ihres Angesichtes, und keiner dachte auch nur eine Sekunde daran, datz all ihr Müden die Men schen nicht mehr retten könnte, die der Wagen in die See geschlendert haben mutzte, da sich doch nichts und niemand meldete sich auf Gundulas Rufe. (Fortsetzung folgt.)