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Eduard Bernstein 80 Lahre. Ein sozialdemokratischer Politiker. Am 6. Januar vollendet der sozialdemokratische Politiker Eduard Bernstein sein 80. Lebensjahr. In.Berlin geboren, besuchte er das Werdersche Gymnasium und wandte sich, nachdem er erst im Bankfach tätig war, 1878 der Politik zu. 1880 ging Bernstein nach Zürich, wo das Blatt der deutschen Sozialdemokratie, „DerSozial demokrat", erschien. 1888 aus der Schweiz ausgewiesen, ging Bernstein mit dem „Sozialdemokrat" nach London. Erst 1901 kehrte er nach Deutschland zurück, da er von den Behörden außer Verfolgung gestellt wurde. Durch Bernstein wurde der große Streit in der deutschen Sozialdemokratie über zeitgemäße Anpassung entfacht, wobei Bernstein die Führung der sogenannten revisionistischen Richtung innehatte. Während des Krieges setzte er dauernd sein internationales Ansehen ein, um eine Verständigung zwischen England und Deutschland anzubahnen, allerdings ohne Erfolg. Bern stein ist seit 1920 unbesoldeter Stadtrat in Berlin-Schöne berg. Im alten Reichstag saß er von 1902—1906 und dann wieder von 1912—1918. Der Nationalversammlung gehörte er nicht an, war aber von 1920 bis 1928 Mitglied des neuen Reichstages. Kanada nimmt Ltkrainefiüchtlinge auf. Jede An si ed l er f a m i l i e erhält 10 000 Mark. Rach einer Stockholmer Meldung ist von kanadischer Regie rungsseite jetzt erlaubt worden, daß 62 Familien der russischen Ukraineslüchtlinge, die im Sommer 1929 auswanderten und seitdem in Schweden wohnen, nach Kanada übersiedeln dürfen. Gleichzeitig sind von kanadischer Seite 150 000 Dollar zur Ver- füngung gestellt, die als Anleihe für die Reise und die Nieder lassung in Kanada dienen sollen. Explosion in einer Apotheke. Sieben Verletzte. Wie aus Santa Clara in Kalifornien gemeldet wird, erfolgte in einer dortigen Apotheke infolge Entzündung von Gasen eine Explosion, wobei die Vorderfront von sieben Läden zerstört und sieben Personen verletzt wurden, darunter eine tödlich Oie Polensiedlung in Woynowo. Der Staat wird einschreiten. Zu der skandalösen Gutsausteilung in der Grenzmark Posen- Westpreutzen wird von zuständiger Seite ein Einspruch der preußischen Behörden angekündigt. Wenn auch der Verkäufer, Prinz Bernhard zur Lippe, den Verkauf mit pol nischen Bauern getätigt habe, so sei damit, wie erklärt wird, der Verkauf noch keineswegs erledigt. Zunächst sei der Ver kauf noch nicht rechtskräftig geworden, weil er auf Grund einer Bundesratsverordnung von 1918 der Geneh migung des zuständigen Landraes unterliege. Die Genehmigung ist bisher nicht ersoiat, so daß das preußische Laudwirtschastsministerium als höhere Instanz vor läufig von ministeriellen Maßnahmen abgesehen hat. Außer dem würde dieser Verkauf von Teilen des Gutes auch nach dem Reichssiedlungsgesctz in Frage gestellt sein, da nach dessen Bestimmungen bei Gutsverkäufcn in der Ostmark bei Gütern von über 500 Hektar Größe die Reichssiedlungsgesellschaft das Recht besitzt, in den Vertrag einzutreten. Großfeuer in Borgsdorf. Drei Feuerwehrleute v-rletzl. In Borgsdorf bei Oranienburg brach ein Großfeuer aus, das mehrere Lagerschuppen, Bureauräume und eine Garage vernichtete. Der Brand erhielt durch die Fett - und Olvorräte, die in den Schuppen lagerten, einen besonders gefährlichen Charakter. Als die Feuerwehren aus Oranien burg und den anliegenden Ortschaften an der Brandstelle er schienen, standen bereits alle Räume des Lagers in Flammen. Nur mit Mühe gelang es, einige Sauer stofflaschen. kurz bevor die Flammen auf ihren Stand platz übergriffen, zu entfernen. Bei den Löscharbetten, die mehrere Stunden dauerten, erlitten leider drei Feuer wehrleute Verletzungen. Die Gefahr für den WelfensKatz. Neue Bemühungen. Die städtischen Kollegien in Hannover haben bekannt lich ein Eingreifen zum Erwerb des Welfenschatzes im Deutschen Reiche wegen Geldmangels abgelehnt. Die Gefahr des endgültigen Verkaufs nach Amerika ist in unmittelbare Nähe gerückt. Nun hatte der Herzog von Braunschweig-Lüneburg das Konsortium von deutschen und englischen Kunsthändlern, das die Sammlung ange kauft hat, verpflichtet, den Welfenschatz mehreren deut schen Museen für längere Zeit zu Ausstellungszwecken zu überlassen, bevor die Reliquien nach dem Ausland ge bracht werden. Die erste Ausstellung soll demnächst in Berlin, die zweite in Frankfurt am Main statt- sinden. Inzwischen haben neue Bemühungen um die Erhaltung des wertvollen Kulturgutes für Deutschland eingesetzt. Der Heimatbund Niedersachsen hat beschlossen, durch den hannoverschen Oberbürgermeister Dr. Menge bei der preußischen Staatsregierung die Genehmigung zu einer Lotterie für die Aufbringung von Mitteln zum Erwerb des Welfenschatzes nachzusuchen. Außerdem soll ein Appell an kapitalkräftige Kreise des In- und Aus landes gerichtet werden, um sie für die Aufbringung von Mitteln zu dem gleichen Zweck zu interessieren. Feuer im Kapitol in Washington. Zehn wertvolle Gemälde vernichtet. Vor einigen Tagen brannte es im Weißen Hause in Washington, dem Wohnsitze des Präsidenten der Ver einigten Staaten. Jetzt wird ein Brand aus dem Kapitol in Washington, dem Sitz des Kongresses, gemeldet. Das Feuer brach im Archivzimmcr des Repräsentantenhauses, wo ein Künstler mit der Auffrischung der Wandmalereien beschäftigt war, aus; es konnte nach 1)4 Stunden gelöscht werden. Zuerst befürchtete man, daß viele historische Dokumente vernichtet worden seien; das ist jedoch glück licherweise nicht der Fall. Dagegen sind mehrere Ge- bäudemodclle und zehn wertvolle Gemälde zerstört worden. Das Kapitol ist das imposanteste öffentliche Gebäude in Washington. Es ist aus Sandsteinquadern und weißem Marmor erbaut und bedeckt eine Grundfläche von 1,4 Hektar. Das Mittelaebäude wird von einem mit einer Das Kapitol in Washington. Statue der Freiheit gekrönten Dom überwölbt. Drei korinthische Säulenhallen zieren die östliche Hauptsront. Die zu ihnen hinanführenden Freitreppen sind mit den Statuen des Friedens, des Krieges, der Zivilisation und des Kolumbus geziert. Vor dem Gebäude selbst steht ein Reiterdenkmal Washingtons. Eine erzene Tür, die von Miller in München gegossen wurde, führt in die vom Dom überwölbte Rotunde, die mit historischen Fresken, Reliefs und Wandgemälden geschmückt ist. Südlich von der Rotunde liegen die Nationalgalerie, mit Standbilder» berühmter Amerikaner, und die Halle der Repräsentanten. Im nördlichen Flügel befinden sich der Senatssaal un» ^er Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, eim Bibliothek u. a. „Feuer-rill" und „Gedrangedritt." Wie'man eine Panik einschränken kann. Mehr als 70 Todesopfer hat die furchtbare Kino-f katastrophe in Paisley in Schottland gefordert. Die un glücklichen Kinder, die hier ihr junges Leben verloren haben, sind aber nicht dem Brande selbst, sondern der wilden Panik, die nach dem Ausbruch des Feuers im Zuschauerraume entstanden war, zum Opfer gefallen: sie sind von andern, nachdrängenden Kindern niedergetreten > worden, konnten sich nicht mehr aufrichten und sind er-s stickt. Die Panik bei einer Katastrophe, welcherart sie! auch sein mag, ist — man darf das ruhig sagen --- in vielen Fällen schlimmer als die Katastrophe selbst. Wie kann nun aber eine Panik, wenn auch nicht ganz 1 verhütet, so doch wenigstens eingedämmt werden? Eines Panik besonders in Schulen, Theatern. Kinos und an anderen Stätten, an denen sich viel Volk zn versammeln pflegt und an denen im Falle eines Alarms leicht ein Gedränge entstehen kann? In den Schulen wurde früher und wird vielleicht hier und da auch jetzt noch eine Art „Feuerdrill" geübt: die Schüler sollen bei Alarm zu zweien antreten, wie etwa in der Turnhalle, und dann vom Lehrer hinausgeführt werden. Um zu erproben, ob sie in Gefahrfällen immer in Bereitschaft sind, läßt man die Alarmglocke von Zeit zu Zeit plötzlich ertönen, so daß die Schüler nicht wissen können, ob es sich um eine wirk liche Gefahr oder um eine „Generalprobe" handelt. Nun meint aber ein bekannter Schulmann, der Geh. Studienrat W. Wetekamp, der sich eingehend mit diesen Drillfragen beschäftigt hat, nicht mit Unrecht, daß der „Feuerdrill" in der Schule an sich zwar eine gute Sache sei, aber den Zweck, eine Panik zu verhüten, doch nicht ganz erfüllen dürfte. Die Schüler würden z. B., wenn sie sich nicht in ihrer gewohnten Klasse befänden, bei Alarm wahrscheinlich nicht sofort zu zweien antreten. Außerdem aber würde der „Feuerdrill" für das spätere Leben kaum irgendwelche Bedeutung haben, denn dann sei kein Lehrer da, der antreten lasse und hinausführe. Weit besser als der „Feuerdrill" sei aus diesen Gründen der sogenannte „Gedrängedrill", der bezwecke, daß bei Alarm und bei einer Panik ein Gedränge verhindert werde. Ein Gedränge ent stehe, wenn die, die sich hinten befinden, plan- und sinnlos nach vorn drängen. Die Folge eines solchen Vorwärtsdrängens sei Verstopfung der Ausgänge, Hinfallen der Gedrängten und Zertretenwerden. Er habe einmal in der Schule bei einem Gedränge an einer schmalen Treppe den vorgestellten Fuß gegen die Treppenkante gestemmt und den Körper zurückgelehnt. Dadurch habe er Raum schaffen und das Gedränge eindämmen können, und diese Methode — Beugen des Knies des zurückstehenden Beines und Zurück lehnen des Oberkörpers — habe sich später in ähnlichen Fällen immer sehr gut bewährt. Es müsse bei jeder Stauung, vor allem, wenn jemand zu Fall komme, nach rückwärts gestemmt werden. Der „Gedrängedrill" sei auf seine Veranlassung dann auch auf anderen Schulen erprobt worden und man sei überall mit dieser Methode zur Verhütung allzu großer Panik zufrieden gewesen. In einer Schule in Gotha seien die Schüler bei einem plötzlichen Alarm in 45 Se kunden sämtlich im Freien gewesen, während sie beim „Feuerdrill" (mit „antreten" und hinausgeführt werdens > zwei bis zweieinhalb Minuten gebrauchten, um sicher ins Freie zu gelangen. Nirgends sei bei der „Gedrängedrill methode" in Alarmfällen eine Stauung entstanden, und als einmal bei einer solchen Übung zwei Schüler aus geglitten und hingestürzt seien, hätten sie sich unbehindert wieder erheben und weiterlaufcn können. Bei dem „Gc- drängedrill" sei es eben so, daß einige wenige Besonnene imstande seien, trotz großer Panik großes Unglück z« verhüten. Sprechapparate Platten,Nadeln,Reparaturen Teilzahlung gestattet! Alfred Dürre, mech. WerkstStte, Wilsdruff, Zedtlerstraße 183 Eo hab ich MM dich gefunden Nomon von Margarete Elzer. 39. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). Gundula merkte ihm an, wie schwer ihm diese Bitte wurde. Und sie hätte so gern mit ihren Fingern zart über die gekrauste Stirn gestrichen. Es war ihr schmerzlich, daß sie das nicht durste, sondern mit glelch- mätzig ruhiger Stimme nur sagen konnte: „Wenn du den Sepp dafür nehmen willst? Dann kann ich Steiner samt seiner jungen Frau öei uns einstellen!" Xaver atmete erleichtert aus: „Wenn du das tun wolltest? Ich bin dir schon so viel Dank schuldig!" „Wer spricht davon unter Kameraden!" Sie bot ihm mit ihrem hübschen Lächeln die Hand und er schlug ein, tief bedrückt, daß er immer der Neh mende war in diesem Bund. Als erriete Gundula seine Gedanken, sprach sie ihm gut zu: „Es wird auch einmal wieder die Zeit kommen, wo ich dich brauche!" „Du wirst mich immer und allzeit für dich bereit finden!" Und es war ihnen beiden, als erneuerten sie ihren Bund in Lieser Stunde. Xaver nickte ihr noch einmal mit einem ernsten Lächeln zu. „Wie geht es dem Vater?" „Nicht gut, glaub ich, Xaver. Er klagt ja nie, und spricht nicht über seine Leiden, aber sieht so elend und verfallen aus. Ich sorge mich sehr um ihn. Und es tut so weh, daß cs keine Linderung dafür gibt." „Hast ein rechtes Sorgenpückel, Gundula!" „Und möcht' es nicht missen. Ich müßt' ja schreck lich einsam sein, wenn mir der Vater einmal genom- men würde." Es ging Xaver durch und durch, wie sie das so still. wie etwas Unumstößliches, aussprach. Vielleicht, weil er nicht mehr wie srüher sagen konnte, ich bin doch auch noch da. Daran hinderte ihn Inge und ihre unge rechte Abneigung gegen Gundula. Er fühlte sich un endlich bedrückt, ja fast wie schuldig. Nur um mit seinem eigenen, dummen Gefühl fertig zu werden, fragte er: „Hast den Doktor kommen lassen?" „Vater will ihn nicht. Er ist so eigensinnig jetzt. Und vielleicht weil ich selbst nimmer so recht an eine Rettung glaube, mag ich den Vater auch nicht quälen." „Aber, was soll sein mit ihm?" „Kannst du dir denken, daß sich ein Mensch von so einem Unfall je ganz erholt?" „Dein Vater hat sich aber doch so lange ganz gut gefühlt?" „Vielleicht hat er auch nur noch Kraft genug gehabt, mir das vorzuspielen?" „Ach, was du dir für Gedanken machst. Das ist ja Unsinn! Du nimmst sicher alles zu schwer." „Hast Lu noch ein bissel Zeit, so schau einmal zum Vater." Xaver fühlte, daß Gundula nach einem Wort hungerte, das sie beruhigen mußte, und bereitwilligst folgte er ihr in das Haus. Drinnen im Zimmer saß der alte Reichberger teil nahmslos am Fenster. Nicht wie sonst hob er lebhaft den Kopf als er Schritte hörte. Erst als die zwei Menschen wie festge bannt stillstanden, wandte er müde den Kopf ihnen zu: „Gundula, ist es der Xaver?" „Ja freilich, Neichberger. Ich mutz doch einmal wieder nach dir schauen. Gut siehst du aus, und es geht dir hoffentlich auch gut." Gundula wurde von einer Magd aus dem Zimmer gerufen, ehe der Vater antworten konnte. Sie sah im Hiuauslanfen Xaver noch flehend an: Z-ß icbc Lich noch nachher?" Er nickte ihr beruhigend zu, und war dann mit Neichberger allein. „Ist Gundula draußen?" „Ja!" ^Komm her, Bub! Mußt nicht lügen, Laver!" „Aber Reichberger!" „Wie kann einer gut ausschauen, der sich so elend fühlt, wie ich mich fühle!" „Um Gottes willen, Reichberger!" „Sei stad! Xaver, es geht zu Ende mit mir." „Aber du müßtest einen Arzt haben." „Mir hilft kein Doktor mehr! Xaver, ich bitt' Lich nur um eines, laß mir mein Mädel nicht im Stich! Ich werd' ihr fehlen in der ersten Zeit, wie einer Mutter ihr greinendes Kind. Gelt, da nimmst dich ihrer an, und schützt mir das Mädel ror Verzweiflung." „Das braucht erst keine Bitte. Aber du wirst noch lange leben, Reichberger." „Das sagt ihr so, ihr Jungen, ihr Gesunden. Aber ist es denn ein Leben, meines, hm? Mit dem Jam mer?" Der Alte schlug mit einer verzweifelten Bewegung nach der Seidenbinde über den Augen und stöhnte tief auf: „Das kann keiner ermessen, der sein Augenlicht noch hat, mein guter Bub!" Scheu lieb Laver seine Hand über den zitternden Rücken des Alten gleiten. Worte fand er nicht. Und in seinem Herzen war ein lastendes Gefühl, als fli Las das letzte Mal, daß er allein mit dem alten Freund zu sprechen kam. Neichberger ließt die Wucht seiner Worte aus- klingen, dann legte er seine kalte, zitternde Hand auf Lavers feste, lebenswarme Finger: „Geh, Laver, versäum' dich nicht länger wegen mir alten Mann. Es hat mir wohlgetan, daß ich L- noch einmal gesprochen habe." lFortietzung folgt.)