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Kurze Mitteilungen. 11. März 1927 Die Genehmigung der Danziger Sa nierung sanleihe durch den Völkerbundsrat wird in Danzig mit Befriedigung ausgenommen. In Subotica (Jugoslawien) sind weitere zehn Kommunisten verhaftet worden, darunter auch zwei Männer, die seinerzeit unter Vela Khun in Ungarn eins grosse Rolle spielten. Wie in Paris verlautet, sollen die französisch- ru ss i s ch e n V e r h a n d l u n g e n am 16. März wie der ausgenommen werden. Das Hochwasser in S ü d w e st f r a n k r e i ch nimmt einen immer mehr bedrohlichen Umsang an. Schahsekretär M elIon erklärte, daß die vermehr ten französischen Kriegsschuldenzah- lungen nichts an der Natur des noch nicht ratifizier ten französisch-amerikanischen Abkommens änderten. Die niederländische Zweite Kammer hat den Morgenblättern zufolge am gestrigen Mittwoch den deutsch - niederländischen Ausgleichs- undSchiedsvertrag vom 20. Mai 1926 mit dem dazugehörigen Schlußprotokoll ratifiziert. Die japanische Regierung hat die Ein ladung Coolidges zur Dreimächte-Konferenz angenommen. Ski MchM W die MlerWW. 1l. März 19^7 Mit 47 gegen 19 Stimmen. Im Neichsrat wurde gestern die Regierungsvor lage über die Erhöhung der Mieten am 1. Aprij und 1. Oktober um je zehn Prozent mit 47 gegen 19 Stim men angenommen. Wie wir erfahren, hat Sachsen im Reichsrat für die Mieterhöhung gestimmt, da nach Lage der Sachs eine Opposition aussichtslos gewesen wäre. Die Beratung über das A r b e i t s z e r t n o t - geseh wurde wiederum von der Tagesordnung ab- ge setzt, da noch immer keine Einigung unter den Re gierungsparteien über diese Frage erzielt worden sei. Der Reichstagsausschuß sür das Wohnungswesen beschäftigte sich am Donnerstag mit den demokratischen und kommunistischen Anträgen, die eine M.i lder u n g verfolgen herbeiführcn wollen, die durch die Frei gabe der gewerblichen Räume sich ergeben haben. Der Ausschuß hielt eine Regelung im Sinne des demokrati schen Antrages für erforderlich, wonach paritätisch be setzte Schisdsstellen eingesetzt werden sollen, die bei Kün digungen und Mietsteigerungen angerufen werden können. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 10. März 1927. Das Haus setzte die Einzelberatung des Etats des Arbeitsministeriums beim Kapitel „Sozialversiche rung" fort. Abg. K a c st.e n (Soz.) verlangte ein Mit- bestimmungsrechr der Versicherten bei Besetzuna der lei tenden Stellen Ler Versicherungsämter und der sozialen Gerichtsbarkeit. Abg. ZT e g l e r (Dem.) meinte, sehr Mangelhaft seien das langwierige Verfahren und die Verhandlunqsart. namentlich vor den Oberversiche- rungsämtern. Die Ausdehnung der VersicherungsvfUcht in der Unfallversicherung müsse endlich einmal Wirk lichkeit werden. Abg Becker-Arnsberg (Zentr.) stimmte den Beschwerden wegen der Behandlung der Versicherten bei den Persicherungsbehörden zu. Den Krankenkassen müsse das Recht der Selbstabgabe von Heilmitteln verbleiben, weil sie sonst gezwungen wären, dem Handel das Fünf- bis Sechsfache der Preise zu zahlen. Abg. Beythien (Deutsche. Volksv.) betonte, berechtigten Klagen gegen Urteile der Versicherungs- Berichte müsse man nachgehen. Entschieden sei aber der sozialdemokratische Antrag abzulehnen, der die Innungskrankenkassen beseitigen wolle. Dann bezeich- irete die Mgeordnete Frau Arendsee (Komm.) es als bewußte Irreführung der Oeffentlichkeit. wenn ge sagt werde. Staat und Wirtschaft seien durch die soziale Gesetzgebung belastet. Die deutschnationale Abgeordnete Frau Schott bekämpfte die Selbstversorgung der Krankenkassen mit Heilmitteln. Beim Abschnitt Arbeitsvertrags recht und Arbeitsgerichtbarkeit forderte der sozial demokratische Abgeordnete Aufhäuser vom Minister, er solle die schematische Angliederung der süddeutschen Arbeitsgerichte an die ordentlichen.Gerichte verhindern. Der Abgeordnete Huke (Zentrum) schilderte die Lohn- oerhältnisse in den verschiedenen Industriezweigen als durchaus unbefriedigend und trat für einen weiteren Ausbau des Tarifvertrags- und Schlichtungswesens ein. Der Abgeordnete Schneider-Berlin (Dem.) for derte Gesamtbetriebsräte sür Konzerne und Schutz nicht wiedergewählter Betriebsräte gegen Entlassung. Der Volksparteiler Thiel verlangte vom Minister ein Ge setz über die Tarissähigkeit der Verbünde. Der Sozialist Schmidt-Köpenick beklagte sich über die Schlich- rungsausschüsse. Darauf vertagte das Haus die Weiter beratung aus Freitag nachmittag 2 Uhr. Fortschritt in den deutsch-französi schen Wirtschastsverhandlungen. II. März 1927 Ueber den Stand der deutsch-sranzösischen Handels vertrags-Verhandlungen wird von unterrichteter Seite mitgeteilt: Ein Protokoll über die Grundlagen sür den endgültigen Vertrag ist nunmehr aufgesetzt worden und bildet einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der bis herigen Haltung Frankreichs in drei Punkten: 1. Der endgültige Vertrag wird sofort mit der Meistbegünstigung cle facto beginnen. 2. Frankreich wollte bisher keine Bedingungen über die Sätze seines Minimaltarifes eingehen. Diese Schwierigkeit ist beseitigt. 3. Frankreich lehnt es nicht mehr ab. Uber Herab setzungen seines Minimaltarifes zu verhandeln. * - Der endgültige Vertrag ist natürlich noch nicht ge sichert. Die Detailarbeit geht erst an. aber wir haben einen starken Fortschritt erreicht. Das Protokoll liegt der Reichsregicrung zur Genehmigung vor. Frankreich will sür April und Mai ein Weinkontingent haben. Darüber wird noch in der Regierung beraten. Deutsch land würde das Kontingent natürlich nur gegen wich tige Gegenleistungen geben. kwbebenkstsmopbe in Japan. Unsere Kaite zeigt das Erdbebengebiet um die Städte Osaka, Kobe und Kioto „ die verhältnismäßig wenig Schaden gelitten bgben. Aus aller Wett. 11. März 1927 * Neues Verhör in der Mordaffäre Nofen. Wie die Abendblätter aus Breslau melden, hat in der Mord affäre Rosen der Untersuchungsrichter gestern über raschenderweise einen Schwerverbrecher vernommen, der schon 1925 im Verdacht stand, an dem Doppelmord be teiligt zu seil^. Es handelt sich um den Strafgefangenen Alois Fleischer, der zurzeit hier eine längere Gefäng nisstrafe verbüßt. JeMe SAÄMbeit w UM oes WlaMs. Es ist noch nicht allzu lange her, Laß man auch in aufge klärten Kreisen Lie Meinung hegte, alles was an Mode und Form in Bekleidungsfragen zum guten Ton gehöre, müsse un bedingt aus dem Ausland, aus Paris oder London, stammen. Dem Kenner der Verhältnisse war es längst nicht mehr ver borgen, daß diese Meinung keineswegs zutrefse. Ls ist recht erfreulich, daß das deutsche Bekleidungsgewerbe auch vom Aus lande die Bestätigung erhalten hat, daß man dort mit Erstau nen und Bewunderung die Bemühungen und Erfolge des deut schen Matzschneidergewerbes auf dem Gebiete des Modeschaffens anerkennt. Im Pariser „Soir" schreibt alle Vierteljahre ein.Fachmann unter dem Pseudonym „Claude Farrs" einen Modebericht. Be reits im Oktober 192Z wies dieser Fachmann auf das Vorhan densein einer eigenen deutschen Moderichtung in der Herren kleidung hin. Im Frühjahr 1928 kommt dieser Berichterstatter zu folgenden Ausführungen: „Man muß es den Deutschen lassen, daß sie gerade Lie Zeit der höchsten politischen und wirtschaft- ? lichen Bedrängnis benutzt haben, um ihren kulturellen Einfluß s am Kontinent weitmöglichst auszudehnen. Das Kapitel Herren- mode ist heute nicht nur in Berlin eine rein deutsche Angelegen heit, auch in Wien, in Genf, in Stockholm, in Kopenhagen und sogar in Bukarest findet man deutsche Schneiderateliers, die in hoher Blüte stehen. Es wird für die deutschfreundlichen Vettern jenseits des Kanals nicht allzü erfreulich sein, einsehen zu müs sen, Latz Ler deutsche Schneider allmählich den großen englischen Einfluß in der Modegebung der Herrenkleidung zurückdrängt. Aber auch wir Franzosen muffen sehr an der Arbeit sein, um die deutschen Fortschritte wieder wettzumachen." Nicht nur die französische Presse bringt dieser Situations veränderung im deutschen Schneidergewerbe ein lebhaftes und anhaltendes Interesse entgegen. Auch in London und dem gan zen übrigen England findet man häufig Stimmen der Anerken nung. Erst kürzlich, im November 1926, schrieb der „Observer" über dieses Kapitel, daß die kulturelle Bedeutung Ler deutschen Volkswirtschaft damit wieder über dieGrenzen der deutschenSprach- gebiete hinauswachse. Man sehe heute in den englischen Schnei derwerkstätten überraschend viele Modelle, die sich streng an die deutsche Modeschöpfung der neuesten Zeit anlehnen. Bemerkens wert sei schon, Laß eine große Reihe englischer Moden, denen die englischen Schöpfer eine große Zukunft voraüsgesagt hatten, am Kontinent wirkungslos verpufften. Der „Observer" schreibt diese Erscheinung der bedeutenden Gegenwirkung der deutschen Modeschöpfung zu, die vor allen Dingen in Zentral- und Süd europa von Tag zu Tag neue Anhänger gewänne. Ueber die Schaffenskraft und Lebensfähigkeit des deutschen Gewerbes und «besonders der deutschen Schneidereibetriebe ver breitet sich im August 1926 die amerikanische Zeitschrift „Sar- torial Art Journal", Neuyork, wie folgt: „Es ist nicht anzuneh men, datz irgend eine andere Kulturnation als die deutsche Lie Kraft aufgebracht hätte, mitten in einer wirtschaftlichen Krisen zeit, die auf eine ganz naturgemäße Industrialisierung hin drängte, ein lebensfähiges Kleingewerbe zu erhalten. An der Eigentümlichkeit der deutschen Verhältnisse liegt dieser Umstand begründet, der uns für unsere amerikanischen Zustände wie ein Wunder dünkt. Von Interesse ist auch ein Artikel von Halevy in der Buda- pOer Zeitschrift „Szabo Jpar", der im März 1925 erschienen ist. Es heißt da: „Die neue Gesellschaft des Kontinents, Lie ja nicht nur in Budapest, sondern ganz allgemein in allen europäischen Großstädten eine gänzlich andere geworden ist, hat auch ihre Ge schmacksrichtungen wesentlich geändert. Man kann nicht einmal sagen, Laß hier durchschnittlich Geschmacksverirrungen vorkom men, denn zum mindesten ist die heute en vogue befindliche Her renmode, deren Urheber in Berlin und Wien sitzen, um nichts nachteiliger als die früher ausschließlich gepflegten Herrenmoden aus London, Paris und Neuyork. Im Gegenteil, man ist bei uns sogar Ler Ansicht, datz man sich unter Ler deutschen Mode- führung ebenso gut und paffend kleiden kann wie früher, dazu - aber noch erhebliche Ersparungen macht. Es ist also lein Wun der, wenn die deutsche Herrenmode im ärmer gewordenen Eu ropa bald einen Vorrang einnimmt." Wann wird Ler Prophet auch im eigenen Lande Anerken nung finden? 88) (Nachdruck verboten.) .Ach, Me sie sich danach sehnte, von ihren Eltern sprechen zu hören, so, wie Heerfurt bei seinem letzten Be such im Professorenhause von ihnen gesprochen, hatte und nicht, wie es Tante Anna stets getan, mit dem furchtbaren Refrain: „Dein Vater war ein Mörder und Selbstmörder, deine Mutter eine Ehebrecherin." Ganz bleich wurde Sanna beim Gedanken an diese Worte. Sie stand vor dem Spiegel und sah, wie sie bleich wurde. Aber dann sah sie noch etwas — wie ihr gelöstes Haar sie wie,ein dichter Mantel einhüllte, bis zu den Knien, und wie auf der lockigen Flut die Sonne rötliche, metallisch- glänzende Lichter verstreute. „Das ist die wundervolle Schattierung, wie sie reifen, jungen Kastanien eigen ist," dachte sie und errötete nun vor ihrem eignen, reizenden Spiegelbild. Eilig fesselte sie die herrliche Flut, aber es wollte gar nicht so rasch vonstatten gehen, wie sie es wünschte. Zum ersten Male vermißte sie eine geschickte Zofe, weil ihr die Zeit zu kostbar dünkte^ die sie auf ihre Fnsur verwenden mußte. Aber endlich war sie doch mit ihrem Anzug fertig. Sie mußte ihr Neisekleid wieder anziehen und war froh, daß sie wenigstens eine frische Bluse mit eingepackt hatte. Schlicht genug war der Anzug für die reiche, junge Lutsherrin, aber sie sah doch elegant und vornehm dar innen aus. Sanna gehörte zu den Frauen, die jeden An zug durch ihre Persönlichkeit adeln. Sobald sie fertig war, verließ sie ihr Zimmer und ging die Treppe hinab in den großen, weiten Flur, der sich hallenartig wölbte. Dort kam ihr frisch lachend und blitz sauber die hübsche Frau Verwalterin entgegen. „Guten Morgen, gnädiges Fräuleins Hoffentlich haben Sie gut geschlafen in dieser ersten Nacht daheim und was Schönes geträumt." Sanna reichte ihr lächelnd die Hand. Es strahlte etwas frohes, kraftvolles von dieser Frau aus, und Sanna wax zumute, als wagten sich keine trüben, quälenden Gedanken in ihre Nähe. Aus dem Souterrain, wo die Küche lag, klang das muntere Lachen und Schwatzen einiger Mägde. Sanna atmete froh auf. Dies laute, frische Lachen war ihr eine Erholung nach der leblosen Stille und Eintönigkeit im Professorenhause. „Sehr gut habe ich geschlafen, Frau Verwalter — auch geträumt habe ich — einen seltsamen Traum. Und nun bin ich so spät aufgewacht." „Das schadet nichts, gnädiges Fräulein. Und nun kommen Sie zum Frühstück. Aber die Mädchen machen einen Lärm." Die Verwalterin beugte sich über das Geländer der Treppe, die nach dem Souterrain führte und rief hinab: „Trine, Dörte, ehr sid woll ut Rand un Band! Wat foll dal gnedige Frölein seggen!" Das Schwatzen und Lachen verstummte und wurde von einem unterdrückten Kichern abgelöst. „Lassen Sie doch die Mädchen schwatzen, Frau Ver walter, mich stört es gewiß nicht," sagte Sanna lächelnd. Die Verwalterin lachte. „Hier ins Haus muß andere Dienerschaft. Das sind Mägde vom Wirtschaftshof, die nur aushelfen sollen, bis Hauspersonal hier ist? Mein Mann hat schon gestern abend danach geschrieben. Wir haben es uns ja ganz anders ge dacht, wenn Sie mal zu uns heimkehren, gnädiges Fräu lein. Da sollte alles mit Blumen bekränzt sein und ein feierlicher Empfang stattfinden. Nun hat es auch so gehen müssen. Aber die Hauptsache ist, daß Sie nun da sind. Nun soll ein anderes Leben in Glossow werden. Wir freuen uns ja so sehr, daß wir nun endlich wieder eine Herrschaft haben. So, gnädiges Fräulein, bitte hier herein. Ich habe den Frühstückstisch hier gedeckt, wo auch früher das Frühstück genommen wurde." Damit öffnete die freundliche Frau eine Tür. Sanna betrat das hohe, Helle Zimmer. Es war mit weißen Holzmöbeln und hellgrün gestreif ten Stoffen ausgestattet in einer Art, wie man sie viel in altenglischen Landhäusern findet. Die Formen der Möbel waren schlicht und doch vornehm. In der Mitte stand ein runder Tisch, der einladend gedeckt war. Auch ein Blumenstrauß fehlte nicht in einem hohen Kristallglas. Das Geschirr war von feinstem alten Porzellan und aus getriebenem Silber. „Ich habe schnell das nötigste ausgepackt, Silber und Porzellan ist ja seit Jahren wohl verpackt aufbewahrt worden. Wie freue ich mich, daß das nun alles wieder zu seinem Rechte kommt," sagte die Verwalterin und rückte Sanna einen Sessel zurecht. „Wenn Sie Zeit haben, liebe Frau Verwalter, dann setzen Sie sich zu mir und leisten mir ein wenig Gesell schaft," bat diese lächelnd. „Das will ich gern tun. Mein Mann wird dann auch herüberkommen. Er hat schon einen Jnspizierungsrttt hinter sich und macht sich nur ein bißchen schmuck. So staubig kann er Ihnen nicht vor die Augen kommen am ersten Tag. Er ist froh, daß Sie nun wieder in Glossow sind. Na — und ich nicht minder." Sanna langte mit gutem Appetit zu. Die Verwalte rin wollte sie bedienen, aber das litt sie nicht. „Es ist sehr lieb von Ihnen, daß Sie sich über meine Heimkehr freuen, trotzdem ich Ihnen doch nur Mühe und Arbeit mache." „Ach, die Tage sind am schönsten, die bis zum Rand mit Arbeit gefüllt sind." Sanna seufzte. „Da muß ich mich vor Ihnen schämen. Ich habe bis her meine Tage mit wenig nützlichen Dingen ausgefüllt." „Nun, in der Natur gibt es auch nicht nur lauter nutz bare Küchengewächse — es muß auch Rosen und Lilien geben." Sanna lachte. „Ei. Frau Verwalter, was machen Sie für hübsche Komplimente. Aber ich habe große Lust, mich hier in Zu kunft ein wenig zu betätigen." (Fortsetzung folgt.)