Volltext Seite (XML)
Kurze Mitteilungen. 28. Februar 1927 Ueber die Ani wort Ruhlands an Eng land ist man in Paris, abgesehen von der äußersten Linken, in allen Parteilagern b e u n r u h i g t. Nur ein Teil der Londoner Morgenblätter nimmt heute zu der s o w j e 1 r u j s i s ch e n A ntwort n o r e Stellung. Offenbar will die Presse zunächst einmal die Ausfasjung der amtlichen Kreise Londons abwarten. Der Nationalrat der französischen Tozialistijchen Partei hat mit großer Mehrheit beschlossen, die Mich kehr zu dem von den Radikalen verteidigten Kreis wahlrecht zu unterstützen. Der König von England wird Heu le inkognito in Paris eintresfen. Dem diplomatischen Korrespondenten des Daily Telegraph zufolge sind zwischen Polen und Litauen trotz amtlicher Dementis Bestrebungen im Gange für die Auffindung einer V e r j ö h n u u g s - formel mit Bezua auf Wilna. Nach einer Morgenblättermeldung aus Neuyork wurde Admiral a. D. Paul Behnke am Sonnabend vom Präsidenten Coolidge in besonderer Audienz empfangen. Im atlantischen Ozean sind ein französischer und ein griechischer Dampfer gesunken. Wie weiter gemeldet wird, hat der deutsche Dampfer Phöbus Vie Mannschaft eines französischen Schoners aus Seenot «rettet. Die Lage der Reichspost. 28. Februar 1927 Darlegungen Dr. Schätzels. . Der Verwaltungsrat der Deutschen Reichspost beriet am 25. und 26. Februar den Voranschlag für das Rechnungsjahr 1927. Neichspostminister Dr. Schätzel führte in seiner Eröffnungsrede u. a. aus: Das letzte Jahr sei für die Reichspost schwer gewesen; im ersten Halbjahr hätten infolge der allgemeinen Wirtschafts depression der Verkehr der Reichspost und infolgedessen auch ihre Finanzen danicdergelegen. Erst etwa von Oktober an habe sich als Auswirkung der allgemeinen Wirtschaftsbesserung eine langsame, aber anhaltende Auf wärtsbewegung bemerkbar gemacht. Beinahe auf allen Gebieten der Reichspost seien Fortschritte zu verzeichnen. Durch Begrenzung der Rücklage sei es möglich gewesen, noch nachträglich für 1925 einen lleberschusz an das Reich abzuliefern. Die gegenwärtige Finanzlage der Reichs- post könne als gespannt, aber gesund be zeichnet werden. Beim Voranschlag für 1927 seien die Betriebsausgaben bis zur untersten Grenze der Vertret barkeit gesenkt worden. Die Betriebseinnahmen deckten die Ausgaben einschließlich der vorgesehenen Ablieferung au das Reich von 70 Millionen. Dem Reich müsse so viel als möglich an lleberschusz gegeben werden. Thesau rierungspolitik wolle die Reichspost nicht treiben. Da 1927 die Betriebseinnahmen nur zu einem ganz kleinen Teil als Anlageausgaben Verwendung fänden, müsse zur Schaffung der erforderlichen Anlagen eine Anleihe von 300 Millionen Mark für 1927 ausgenommen wer den, die aber nur allmählich zur Aufnahme gelangen werde. Nach eingehender Prüfung wurde der Vor anschlag für 1927 angenommen. Aus aller Wett. 28 Februar 1927 * Ein großes Unglück verhütet. Aus Hiamborn wird «meldet: Im fwizkeller der Petrusfchule wurde ein ehemaliger Heizer in dem Augenblick abgesagt, als er, vermutlich aus Rache, den Dampfkessel der Heizungs- anlage zur Explosion bringen wollie. * AutounfaÜ des Grafen Luckner. Aus Manchester Massachusetts) wird gemelder: Graf Luckner hat einen Autounfall erlitten, kam jedoch mit geringen Verietzun «n davon. Der Wagen überschlug sich und wurde völlig zerstört. * Oberitalien im Schnee. Aus Oberitalien werden weitere Schneefälle gemeldet, besonders aus dem Ge biete von Navarra, wo die Schneefälle 40 Stunden lang dauerten und die Schneehöhe zwei bis drei Meter er reicht. Vielfach sind die Straßen gesperrt und Autos im Schnee eingeschlossen. In Piemont sind zahlreiche Schneelawinen niedergegangen, die Viehställe ver schütteten. § De Pinedo aus dem Wege nach Bahia. De Pi nedo ist am Freitag vormittag 10.40 Uhr brasilianischer Zeit (2.47 Uhr nachmittags mitteleuropäischer Zeit) bei schlechtem Wetter von Pernambuko in Richtung aus Bahia abgeflogen. * Fischer in Seenot. An der Küste von Alaska herrscht furchtbarer Sturm. 300 Fischerboote mit tau send Heilbutfijchern befinden sich auf dem Stillen Ozean in schwerster Seenot. * Eine französische Ski-Patrouille unter einer Lawine begraben. Eine Skipatrouille. die von dem Grenzposten bei Chambery abstieg, wurde von einer Schneelawine ersaßt und verschüttet. Nur zwei Mann konnten gerettet werden. - Absturz eines französischen Riesenflugzeuges. Wie aus Biserta gemeldet wird, ist gestern das französische Riesenwasserflugzeug Jupiter mit fünf Mann Besatzung ins Meer gestürzt. Nur ein Mann konnte gerettet werden. * Ein neuer Erdrutsch bei Nizza. In der vergange nen Nacht ereignete sich unweit Nizza ein neuer Erd rutsch, bei dem das Bürgermeisteramt und das Kranken haus verschüttet wurden. Weitere Erdrutsche sind zu befürchten. Menschenleben sind nicht zu beklagen, da das betroffene Dorf bereits im November geräumt wor den war. * Flugzeugkatastrophe in Amerifa Das auf dem Panamerika-Flug befindliche nordamerikanische Pro- pagandageschwader. bestehend aus vier Flugzeugen, wurde bei Buenos Aires von einer Katastrophe be- lrossen. Die Flugzeuge flogen sehr dicht zusammen. Das Flugzeug „Neuyork" geriet bei einer Rechtswendung mit seinem Tragdeck gegen den linken Flügel des Nach- bar-Flugzeuges „Detroit". Beide Flugzeuge verwickel ten sich derart, daß sie sich nicht wieder voneinander frei- Ser NMiMWM Wer MM. Der Reichstagspräsident Paul Löbe mußte sich dieser Tage einer Blinddarmoperation unterziehen, die einen glücklichen Berlaus nahm. Uni er Bild zeigt das Porträt des Reichspräsidenten Vaul Löbe. machen konnten. In dem Augenblick, in dem sie abzu- stllrzen begannen, geriet die „Detroit" in Brand. Die beiden Insassen versuchten ihre Fallschirme zu ösfnen und abzuspringen. Leutnant Benton von der „Detroit" konnte sich nicht mehr freimachen und verbrannte. Sein Beobachter, Kapitän Worlsey, konnte zwar noch, ab springen. doch öffnete sich der Fallschirm nicht, sh daß der Kapitän durch den Sturz getötet wurde. Die beiden Offiziere der „Neuyork", Kommandant Daraus und Leutnant Whitehead, konnten mit geöffnetem Fallschirm abspringen und gelangten glücklich auf den Boden. Das Flugzeug „Detroit" verbrannte vollkommen. Dis „Neu york" wurde beim Aufprall auf den Boden zertrümmert. Versammlungen und Kongresse. 28. Februar 1927 Obermeistertag der Sächsischen Fleischer. Der Be zirksverein Sachsen im Deutschen Fleischerverband hielt in Chemnitz einen Obermeistertag ab, um zu den das Fleischergewerbe betreffenden Wirtschastsfragen Stel lung zu nehmen. Der Vorsitzende des Bezirksvereins Sachsen, Ehrenobermeister Dreßler (Freiberg), begrüßte die zahlreichen Teilnehmer aus allen Teilen Sachsens und referierte kurz über die Bestrebungen zur Auf hebung der Schlachtsteuer in Sachsen. Er teilte mit, daß in diesem Jahre mit einer Beseitigung dieser Steuer noch nicht zu rechnen sei. Die Steuer werde aber auch in Sachsen in absehbarer Zeit verschwinden müssen. Der neue Finanzminister Weber habe in einer Unter redung aber keinen Zweifel darüber gelassen, daß bei Aushebung der Schlachtsteuer in Sachsen unbedingt die Fleischpreise herabgesetzt werden müßten. Eine länger«» Debatte entwickelte sich über die Erneuerung des säch sischen Schlachtviehversicherungsgesetzes. Die Reform bedürftigkeit dieses Gesetzes wurde allseitig anerkannt. In bezug auf die jetzt wieder von den Kaufleuten ge währten Rabatte wurde erklärt, daß für das Fleischer- gewerbe die Gewährung eines Rabatts nicht in Frage kommen könne. Nach Besprechung von internen Ange legenheiten gab zum Schlüsse der Vertreter des Landes ausschusses des sächsischen Handwerks. Dr. Kunze (Dres den). aufklärende Erläuterungen über das Arbeits- gerichtsgesetz. Bund Deutscher Mietervereine. Der Bundesaus schuß des Bundes Deutscher Mietervereine, e. V. (Sitz Dresden), tagte am 26. und 27. Februar in Dresden und nahm mit den aus allen Dellen des Reiches zusam mengekommenen Vertretern der Verbände Stellung zu der Lage, die ganz besonders durch die bekannte Hirt- siefer-Verordnung vom 11. November 1926 für die ge werblichen Mieter geschaffen worden ist. Es wurde be schlossen, dem Reichstag sofort einen Antrag auf Be seitigung der Folgen der Hirtsiefer-Verordnung zu unter breiten, außerdem aber dem Minister Hirtsiefer gegen über nochmals in besonderer Weise Stellung zu nehmen. Die Eingabe an den Reichstag und das beabsichtigte Schreiben an Herrn Hirtsiefer soll der Presse alsbald zur Verfügung gestellt werden. Entschiedenen Wider spruch begegnet auch die von der Reichsregierung ge wünschte zweimal zehnprozentige Mietzinserhöhung; sie bedeutet eine Belastung der Mieter mit einer Milliarde jährlich. Für Kleinrentner und Erwerbslose wird da durch eine neue Quelle von Sorgen geschaffen. Der Hausbesitz brauche die Mietzinserhöhung zur Hausbe wirtschaftung nicht. Soweit die Erhöhung für dxn Wohnungsbau beabsichtigt ist, könnten die Mittel ander weit gewonnen werden, nämlich durch Verwendung der Hauszinssteuer lediglich für den Neubau, die Aufbringung der Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf dagegen über entsprechend gestaffelte Einkommen- und Besitzsteuer. Der Hinweis auf Mietssteigerungen in anderen Ländern schlage nicht durch; nicht nur, daß dort die alten Hypo theken nicht wie in Deutschland zu 75 Prozent (und in den meisten Fällen überhaupt) weggefallen sind, hätten diese Länder auch den Krieg nicht verloren; ihre Wirt schaft sei schon deshalb zur Aufbringung höherer Be träge imstande. voi^i 831 (Nachdruck verboten.) »Sie wissen, Herr von Gerlach? Wahrscheinlich sahen Sie Fräulein von Glossow auf der Station. Ich muß mich eilen, das Telegramm kam zu spät." . „Warten Sie nur. Sehen Sie sich doch erst einmal meine Begleiterin an. Ich bringe Ihnen Fräulein von Glossow schon mit. Wir haben unterwegs bereits unsere Bekanntschaft aus der Kinderzeit erneuert." Heerfurt sprang nun vom Wagen heraö und trat heran. Erst fetzt erkannte er unter der unförmigen Decke feine junge Herrin und reichte ihr erfreut die Hand. „Gott sei Dank, gnädiges Fäulein. Ich war schon in großer Sorge um Sie. Wie ich ging und stand, habe ich mich auf den Bock gesetzt und bin darauf losgefahren. Ihr Telegramm kam eben erst an. Wie gut, daß Herr von Gerlach seinen Wagen am Bahnhof hatte. Nun kommen Sie schnell, steigen Sie in den geschlossenen Wagen ein. Sie Mussen ja frieren." Sanna stieg, auf seine Hand gestützt, von dem Wagen herab, nachdem ihr Rolf die Decke abgenommen hatte. _ »Ich friere gar nicht. Herr von Gerlach hat mir seine Decke überlassen. Guten Abend, Herr Verwalter. Nun komme ich Ihnen doch Wohl ein wenig ungelegen?" „Gar nicht, gnädiges Fräulein. Wir freuen uns so sthr. Meine Frau ist gleich mit allen verfügbaren Kräften ms Herrenhaus gestürmt, um zu lüften und zu Heizen. Ist noch ein bißchen kalt bei uns." n» fagte Heersurt in freudiger Erregung und bedankte öch dann bet Herrn von Gerlach, daß dieser seine junge Herrin mitgenommen hatte. „Und zum Dank für diese rühmenswerte Tat bringen «le mich nun um die angenehme Gesellschaft, Herr Ver-- maiter," scherzte Rolf. „Ich hätte das gnädige Fräulein >eyr gern in Glossow eingebracht. Aber nun muß ich sie ausliefern. Mein gnädiges Fräulein, ich hoffe, die kühle Fahrt hat Ihnen nicht geschadet. Wenn Sie gestatten, werde ich in den nächsten Tagen einmal in Glossow voisprechen und mich erkundigen, wie sie Ihnen bekommen ist." Sanna reichte ihm die Hand. Er führte sie artig an seine Lippen und merkte, daß die kleine Hand kalt war und zitterte. Dieser Handkuß war ihr so etwas Ungewohntes, daß sie ihre Hand verschüchtert zurückzog. „Ich danke Ihnen sehr, Herr von Gerlach, für Ihre freundliche Hilfe." Weller vermochte sie nichts zu sagen. Er war ebenfalls abgestiegen und half ihr nun in den geschloffenen Wagen. Noch einmal führte er ihre Hand an seine Lippen. „Auf Wiedersehen," erwiderte sie leise. Dann trat er zurück und schloß den Schlag. Heer- furt sprang auf den Bock und ergriff die Zügel. „Gute Nacht, Herr von Gerlach, und nochmals vielen Dank." „Keine Ursache, Gute Nacht, Herr Verwalter." Der Wagen fuhr davon. Rolf von Gerlach sah ihm eine Weile nach. Dann stieg auch er wieder auf und fuhr weiter. Als er Glossow passierte, sah er die Fenster des Her renhauses hell erleuchtet. Bewegliche Schatten glitten hin und her, und vor dem Hause hielt bereits der Wagen.. Ihm war zumute, als müsse er sich mit freuen über die Heimkehr der jungen Herrin von Glossow. Sanna wurde auf der Schwell« ihres Elternhauses von der freundlichen Frau des Verwalters und einer An zahl Domestiken empfangen. In großer Eile hatte Frau Heerfurt die notwendig sten Vorbereitungen getroffen für den Empfang der jungen Herrin. Die hübsche, stattliche Frau lachte über das ganze Gesicht. „Gottes Segen zu Ihrem Einzug, gnädiges Fräulein! Wir freuen uns von ganzem Herzen Ihrer Heimkehr." Sanna ergriff die volle, warme Hand der freundlichen Frau. „Ich danke Ihnen sehr, liebe Frau Verwalter, und bitte Sie, mir zu verzeihen, daß ich Sie so unvermutet überfalle." Frau Heerfurt schüttelte den Kopf. „Wir haben seit langen Jahren auf diesen Moment gewartet, gnädiges Fräulein. Lange Vorbereitungen brauchte es nicht, es ist alles bereit. Gott sei Dank, daß Sie wohlbehalten eingetroffen sind. Nur einen rechten, festlichen Empfang haben wir nun in der Eile nicht ver anstalten können. Aber ein frohes Willkommen aus war men, ehrlichen Herzen können wir Ihnen doch bieten, und damit müssen Sie nun fürlieb nehmen." „Das ist mehr als ein festlicher Empfang, liebe Frau Verwalter." Diese führte Sanna nun ins Haus. Freundlich, mit ihrem lieben Lächeln, das alle Herzen gewann, grüßte Sanna die Dienstboten. Diese sahen sich freilich ein wenig scheu im Hause um, als könne ans irgend einer Ecke ein Spukgeist erscheinen. Aber Sanna wußte nichts von diesen Spukgeschichten. Sie wußte nur, daß sich in diesem Hause vor sechzehn Jahren ein furchtbares Drama abgespielt hatte und daß es seitdem unbewohnt geblieben war. Ein wenig bange war ihr doch ums Herz, als sie durch die hohe Halle und die Treppe hinaufschrllt. Sie mutzte daran denken, datz Herr von Gerlach verstummt war, als sie von ihren Eltern ge sprochen hatte. Ob man auch hier in der Heimat ihr ent gelten lassen würde, daß ihre Eltern ihren Namen mit Schmach bedeckt hatten? Ach — sicher würde es der Fall sein. Es war wie ein Wunder, datz Herr von Gerlach trotzdem so freundlich zu ihr gewesen war. Sicher war er ein sehr guter und edler Mensch, der es sie nicht empfinden lassen wollte, wie er zurückschreckte, als er ihren Namen er fuhr. Mit großen, bangen Augen sah sie um sich. Ob hier in der Heimat nicht ein neues tiefes Leid aus sie wartete? Ob es nicht doch besser gewesen wäre, wenn sie bei Onkel Michael geblieben wäre, der doch Wohl am Ende gewußt hatte, daß sie in der Einsamkeit seines Hauses besser aufge hoben war, als draußen in der Freiheit? Aber dann dachte sie wieder an Gregor und sagte sich aufatmend, daß sie doch recht getan hatte., (Fortsetzung folgt.)