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Die Reichsregierungsbildung. vollständiger Gleichberechtigung der konfessionellen und der Weltlichen Schule mit der Gemeinschaftsschule steht im Widerspruch mit der Reichsverfassung und den Er- klärungen, die sämtliche Parteien der Weimarer Koa 28. Januar 1927 Amtlich wird gemeldet: Gestern vormittag wurden vom Reichskanzler die Besprechungen mit den Partei führern der an der Regierung beteiligten Parteien fort gesetzt. Gleichzeitig verhandelte auf seinen Wunsch der Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius und der Reichsarbeitsminister Dr. Brauns mit Vertretern der gleichen Parteien über die Grundlage des Wirt schafts- und Sozialprogrammes der künftigen Regie rung. Nachdem die Stellungnahme der demokratischen Fraktion am Nachmittag erfolgt war. wurde die Aus sprache beim Reichskanzler insbesondere über die Per sonenfrage wieder ausgenommen, die bis in die späten Nachmittagsstunden andauerte. Die Ablehnung der Demokraten. Die demokratische Reichstaasfraktion veröffentlicht folgende Erklärung: Die deurschdemokratische Fraktion bedauert, das; die Verhandlungen über eine Koalition der Mitte vom Reichskanzler Dr. Marx vorzeitig ab gebrochen worden sind. Eine tragfähige Koalition der Mitte hätte sich auf Grund des Zentrums-Manifestes bilden lassen. Diese ist ebenso wie die große Koalition daran gescheitert, daß starke Kräfte unter Ablehnung aller anderen Möglichkeiten, von vornherein auf Ne Rechtsregierung hingearbeitet haben. Die Richtlinien, die mit den Deutschnationalen vereinbart sind, bedeuten eine völlige Preisgabe der bisherigen deutschnationalen Opposition gegen die Außenpolitik von Rathenau bis Stresemann. Innenpolitisch bedeuten sie. wenn sie auch hinter dem Zentrumsmanifest zurllckbleiben. eine Anerken nung der Republik und den Schutz ihrer Symbole, während bisher der Staatsform und den Farben Schwarz-Rot-Eold der erbitterte Kamps der Deutschnationalen galt. Auf dem Gebiet einer Re form der Reichswehr werden weitgehende Ver sprechungen in unserem Sinne gemacht. Dagegen weisen die ohne unsere Mitwirkung festgestellten Richtlinien auf dem Gebiete der Schule eine uner trägliche Einseitigkeit auf. Die Forderung lition zu dem Artikel 146 abgegeben haben. Weiter sieht die Fraktion einen besonders bedenklichen Mangel in dem Fehlen wirtschaftspolitischer Richtlinien. Aber überhaupt betrachtet die deutschdemokratische Fraktion den Wert solcher Richtlinien als problematisch, wenn die Zusammensetzung der Regierung nicht die Gewähr iür eine gute Durchführung gibt. Diese Gewähr ist nichr in einem Kabinett zu erblicken, in dem Männer eine füh rende Stellung haben, deren heutige Worte mit ihren Taten und Worten von gestern in unlösbarem Wider spruch stehen. Die Fraktion glaubt deshalb, in der Opposition mit besserem Erfolge sür die Erfüllung der in den Richt linien gegebenen Versprechungen für die Wahrung der deutschen Geistesfreiheit und für die Sicherung einer gesunden Wirtschafts- und Finanzpolitik und einer ge rechten Steuerpolitik bürgen zu können. Amerika und die deutsche Regierungskrise. In Washingtoner Rcgierungs- und Senatskreisen begrüßt man allgemein die letzte Entwicklung der deut schen Regierungskrise, die eins Ausschaltung des Sozialismus aus der Regierung und die Mitarbeit der Partei ergebe, die für eine gesunde Wirtschaftsentwick- lung den Hauptausschlag gebe. Große Bedeutung mißt man dem Umstande bei. daß die Deutschnationalen die für die innere Gesundung so wichtigen Ministerien des Innern und der Wirtschaft beanspruchen. Das Ver bleiben Stresemanns in der Regierung wird besonders begrüßt. Marx bei Hindenburg. Amtlich wird bekanntgegeben: Reichspräsident von Hindenburg empfing heute den geschäfts- führcnden Reichskanzler Dr. Marx zum.Bericht über die gestern geführten Verhandlungen. Das Pariser Kompromiß über die Resipunkte. 28. Januar 1927 Aus Paris wird gemeldet: Das Interalliierte Militärkontrollkomitee trat gestern nachmittag zu einer neuen Sitzung zusammen, an der auch die deutschen Ver treter teilnahmen. Die Besprechungen galten der end gültigen Formulierung des auf Grund der letzten deut schen Vorschläge zustande gekommenen Kompromis ses in der Frage der Ostfestungen. Die Votschafter- konferenz wird nach den neuerlich getroffenen Maß nahmen voraussichtlich am Sonnabend vormittag zu sammentreten, um die zwischen der deutschen Regierung und dem alliierten Militärkontrollkomitee vereinbarten Lösungen zu prüfen. Ihre Zustrmmung dazu gilt als gesichert. In der gleichen Sitzung wird dann die offizielle Feststellung erfolgen, daß Deutschland auf dem Gebiete der Abrüstung allen ihm im Friedensver- trage von Versailles auferlcgten Verpflichtungen nach gekommen ist. Am 1. Februar, dem Tage, an dem die I. M. K. K. Berlin endgültig verlassen haben wird, geht die militärische Ueberwachung Deutschlands auto matisch aus den Völkerbund über. Wie dazu die T.-U. erführt, soll die Einigung über Einzelheiten noch ausstehen. Die deutschen Unterhänd ler sollen der Schleifung aller Anlagen zu gestimmt haben, dienachdemIahre 1919 geschaf fen wurden, wogegen die Alliierten die Aufrecht erhaltung der Anlagen zugestanden haben sollen, die be reits im Jahre 1919 bestanden. Die deutschen Dele gierten hätten erklärt, daß sie nicht in der Lage seien, alle die von ihnen verlangten Zugeständnisse zu machen. Die Havas-Agentur meldet, daß schon fetzt die all gemeinen Linien eines Abkommens festgelegt wurden, daß jedoch über einige Einzelheiten noch diskutiert wird. Noch keine Einigung. 28 Januar 1927 Dem offiziösen Petit Parisien zufolge ist in der gestrigen Sitzung des Versailler Militär komitees keine Einigung über die zu zerstörenden Anlagen an der Ostgrenze getroffen worden. Die deutschen Unterhändler haben sich um neue Instruktionen nach Berlin gewandt. Senator Vorah sür ein freies China. 28. Januar 1927 Der Vorsitzende des Außenausschusses des Senates. Borah, führte über die Lage in China aus: Die Politik der Vereinigten Staaten im fernen Osten müßte für ein freies China eintreten. Seiner Meinung nach könne das Vorgshm Großbritanniens, das eine starke Streit macht und Flotte nach China sende, zu einerKata - strophe führen. Die unabhängige Arbeiterpartei und China. Die unabhängige englische Arbeiterpartei hat dem kantonesischen Außenminister ein Telegramm gesandt, in dem sie für die Zurückziehung der britischen Streit kräfte aus chinesischen Gebieten und Gewässern eintritt und der erfolgten Erklärung der Arbeiterpartei voll zu stimmt. „Um eine vereinte Opposition gegen die imperialistische Politik der Regierung gegenüber China herbeizufllhren". hat die Unabhängige Arbeiterpartei eine für den 6. Februar von ihr anberaumte Versamm lung abgesagt und beschlossen, mit der Arbeiterpartei und dem Eeneralrat des Gewerkschaftstongresses bei einer am selben Abend veranstalteten Versammlung mitzuwirken. Weitere Truppen sür China. 28. Januar 1927 Wie gemeldet wird, werden 8400 Offiziere und Mannschaften von London und Southampton heute und Sonnabend abfahren. Nach dem „Star" verlautet, daß sich nach Ein treffen des Flugzeugmutterschiffes „Ar gus" in den chinesischen Gewässern dort ungefähr 80 britische Flugzeuge befinden werden. Sympathie des tüdchinesischen Mirnster- prüsieenten sür Leutschland. 28. Januar 1927 Den Abendblättern zufolge hielt der Minister präsident der Kantonregierung Tannienkai bei einer deutschen Krankenhausbesichtigung in Namjung eine Rede, in der er erklärte: „Deutschland ist jetzt arm und kann nicht mehr soviel Geld aufbringen für Volksschulen und Krankenhäuser wie ehedem. Deswegen müssen wir Chinesen selbst Geld bsistevern. Die Deutschen stellen dafür ihr Wissen und ihr Herz in unseren Dienst und dafür wollen wir ihnen dankbar sein, zumal Deutsch lands Missen heute als das Gründlichste und Beste gilt. Wenn gegen Engländer und Franzosen Front gemacht wird, so ist das wohl be greiflich, aber gegen die Deutschen, auch gegen die Kapellen der Deutschen sich zu wenden, ist Unsinn, denn die Leute von diesen Kapellen stellen sich in den Dienst des chinesischen Volks tums. Vor einem gemeinsamen Schritt der Mächte in China. Der Pekinger Korrespondent des Daily Telegraph meldet: Morgen werden die Mächte eine identische Note an die chinesische Negierung richten, in der sie der Aus legung der Washingtoner Zuschlagszölle zustimmen. Japan wird sich daran nicht beteiligen. Infolgedessen können die Zölle nicht durch das Seezollamt eingszogen werden, vielmehr muß eine besondere Einrichtung ge schaffen werden. Schanghai neutrale Zone? Zwei Führer der gemäßigten nationalistischen Rich tung in China haben dem amerikanischen Konsul in Schanghai die Schaffung einer neutralen Zone um diese Stadt vorgeschlagen. Der Vizekönig von Indien hat von ver schiedenen indischen F ü r st e n Angebote von Trup pen zur Verwendung in China erhalten. Der Geier der Wallstreet. Neuyork, 28. Jan. Funkspr.) Nach hier vor liegenden Meldungen wurde im argentinischen Senat von einem sozialistischen Senator ein Antrag auf Vor legung aller Nicaragua betreffenden Schriftstücke gestellt. In diesem wird ferner verlangt, daß Argentinien bei der Aufnahme von Anleihen vorsichtig zu sein habe, da es sonst leicht Beute der Wallstreet-Geier werden könnte. Der Antrag wurde von verschiedenen Senatoren unterstützt. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 27. Januar 1927. Die zweite Beratung der Anträge über die Grundschule wird fortgesetzt. Nach den Ausschuß beschlüssen kann die völlige Auflösung der privaten Vor schulen aufgeschoben werden, wenn eine baldige Auf lösung oder ein baldiger Abbau erhebliche wirtschaftliche Härten für die Lehrkräfte oder die Unterhaltsträger mit sich bringen würde. Die Schülerzahl soll aber den bis herigen Umfang nicht übersteigen. Wenn sich Härten ergeben, soll aus öffentlichen Mitteln eine Entschädigung gewährt werden. — Abg. Frau Scheid el (Dnat.) hält die Vorlage für dringlich. Die Aufregung der Linken sei wirklich nicht angebracht. In Ostpreußen seien zum Beispiel jetzt 1000 Kinder für die Schule neu an- gemeldet, die von den überfüllten Grundschulen nicht aus genommen weiden können, wenn die Vorschulen beseitigt würden. Aehnlich lägen die Verhältnisse zum Beispiel in Breslau. Der Vorwurf, man wolle das Erundfchul- gesetz durchlöchern, sei unberechtigt, es solle nur sozial durchgeführt werden. Abg. Rheinländer (Ztr.) erklärt, es handele sich durchaus nicht um ein hochpoli tisches Gesetz. Der Abbau der Privatschulen sei seiner zeit angeordnet worden, oLne daß die Entschädigungs frage geregelt war. Der Reichstag habe aber in einer Entschließung die gesetzliche Regelung der Entschädigung verlangt und darum handele es sich heute. Gegen die Zerschlagung der höheren Prioatschulen, deren päda gogischer Wert unbestreitbar sei, müsse sich das Zentrum mit Entschiedenheit wenden. Im Interesse der Gerech tigkeit müsse dem Ausschußantrag zugestimmt werden. — Abg. Rosen bäum (Komm.) bekämpft die Vorlage. Der Redner erklärt, daß es für die Massen von Jung lehrern, die ohne Entschädigung entlassen seien, keine Gerechtigkeit gäbe. Privatschulen seien überhaupt mit den heutigen Verhältnissen nicht mehr vereinbar. -- Abg. Dr. Runkel (D. Vp.) bestreitet, daß das vor liegende Gesetz oerfassungsändernd sei. Da es nur die soziale Tendenz des Erundschulgesetzes gegenüber den Lehrkräften an den privaten Vorschulen und deren Unter haltsträgern aufnehme und somit eine Ergänzung dieses Gesetzes und auch der Reichsverfassung darstelle. — Abg. Rönne bürg (Dem.) tritt für die Entschädigung ein, weist aber darauf hin, daß die Regierung' ohnehin in kürzester Frist ein Entschädigungsgefetz vorlegen wollte. Daher sei die Weiteroerfolgung der gestellten Anträge unverständlich. Sie habe Bedenken und Mißtrauen bei den Linksparteien hervorgerufen. Es handele sich um die Konfessionalisierung der Vorschulen und des höheren Schulwesens überhaupt. Staatsrecht gehe über Eltern recht. Die demokratische Fraktion lehne die Vorlage ab. — Abg. Kube (Völk.) erklärt, es sei kennzeichnend, daß bei jeder Frage, die irgendwie mit Kultur etwas zu tun haben könnte, auf der linken Seite das größte Ge schrei erhoben würde, als ob die geistige Freiheit in Deutschland gefährdet sei. — Abg. Kube: Nicht die Grundschule sei in Gefahr, sondern das Agitations bedürfnis der Linken. — Damit schließt die Aus sprache. Die Abstimmungen werden vertagt. Es folgt die Beratung einer Reihe völkischer An träge zur Aenderung des Anleiheablösungsgesetzes. — Abg. Seiffert (Völk.) spricht die Hoffnung aus, daß die neuen Regierungsparteien, die auf dem Boden des Eigentums ständen, sich zusammenfinden werden, um auch den Wünschen der entrechteten Sparer Rechnung zu tragen. Die Anträge werden dem Rechtsausschuß über wiesen. — Das Haus vertagt sich auf Donnerstag, den 3. Februar, nachmittags 2 Uhr. — Auf der Tages ordnung steht die Entgegennahme einer Er klärung der Reichsregierung. Nolstandsarbeiten in Sachsen. Die Denkschrift des Neichsarbeitsministers über die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen derReichsregierung teilt mit, daß auf Grund der von den Ländern ausgestellten besonderen Programme wirtschaftlich wertvoller Not standsarbeiten solche Notftandsarbeiten mit insgesamt 29,42 Millionen Tagewerken grundsätzlich genehmigt worden sind. Die Förderungsbeträge dieser Arbeiten belaufen sich auf rund 240 Millionen. Davon entfallen auf Sachsen 3 071 980 Tagewerke mit einer Förderung von 35 245 305 Mark. Hiervon wurden verwendet für Straßenbauten 1642 300 Mark, für Meliorationen 5 469 591 Mark, für Hochwasserschutz und Gewinnung von Wasserkräften 17 392 648 Mark, für Kanalisations arbeiten 740 677 Mark und für kleinere Notstandsarbei ten 10 Millionen Mark. Die Denkschrift bringt ferner eine Uebersicht der Not standsarbeiten, deren Förderung die Reichsarbeitsver waltung im Laufe des Jahres 1926 zugestimmt hat. Es handelt sich um Arbeiten, die aus Mitteln der produk tiven Erwerbslosenfürsorge gefördert wurden,und zu dieser Erundförderung noch eine sogenannte verstärkte Förderung durch Darlehen aus den Mitteln des Reiches und der Länder erhielten. So wurde die Regulierung der Neiße von der Landesgrenze bis zur Erottauer Straße mit 755 000 Mark gefördert, die Weiterberichti gung der Elster bis zur Möschwitzer Flurgrenze mit 648 600 Mark, die Erweiterung der Kaditzer Flutrinne sowie Verlegung des Hochwasssrdammes in Dresden- Stetzsch mit 540 000 Mark, der Bau einer Talsperre im Tal der Wilden Weißeritz an der Lehnmühle mit 4 068 800 Mark, die Regulierung der Zwota und Brunn- döbra mit 357 000 Mark, die Verlegung des Prohliser Landgrabens in Reick und Dobritz und der Ausbau der Mügelner Straße mit 635 WO Mark und die Mulden regulierung in der Stadt Glauchau mit 1017'000 Mark. Ferner wurden ausgeworfen für den Bau einer Wasser leitung in Neugersdorf 380 000 Mark, für Straßcnbau- ten im Bezirk Glauchau 509 OW Mark, für den Bau einer EntlastungsstrFßs bei Chemnitz 720 WO Mark, für die Herstellung des Oberbaues, für die Erweiterung der Gleisanlage usw. im Gelände der Eroßmarkthalle Leip zig 692 000 Mark, für den Bau einer hochwasserfreien Straße zwischen Leipzig, Leutzsch und Wahren 402 WO Mark, für den Bau eines Abfangkanals links der Elbe in Dresden 1 014 WO Mark, für Kanal- und Straßenbau in Dresden 333 000 Mark. Für den Bau einer Talsperre bei Weiterwiese wurden 1700 000 Mark bewilligt, sür die Errichtung einer Talsperre am Koberbach bei Crim mitschau 800 000 Mark, für den Bau einer Talsperre an der Zschopau bei Kriebstein 2169 6W Mark, für den Bau der hydroelektrischen Speicheranlage Niederwartha 14 580 000 Mark, für die Gasfernleitung von Flöha nach Laubsdorf-Marbach, Schellenberg und Frankenberg 270 OW Mark, für den Bau einer Ferngasleitung von Annaberg nach Eelenau und Geyer 332220 Mark.