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Kurze Mitteilungen. 29. Dezember 1926 Das Völkerbundssekretariat dementiert noch einmal nachdrücklichst alle Nachrichten, wonach der General- sekr etär des Völkerbundes, Sire Eric Drummond zurückzutreten gedenke und durch Dr. Be nesch ersetzt werden solle. Es bemerkt hierzu, daß diese Nachrichten ein für allemal dementiert werden können. Von dem rumänischen Aerkehrsminister und einem Vertreter des Otto-Wolf-Konzerns ist ein Vertrag über die Lieferung von Eisenbahn schienen im Werte von 40 Millionen Mark aus Reparationskonto unter zeichnet worden. Im französischen Ministerrat ließ Kriegsminister Painleve eine Vorlage unterzeichnen, die das Dienst- alter auf 21 Jahre festsetzt. Im Mai 1927 sollen nur die jungen Leute einberufen werden, die vor dem 1. Mai 1907 geboren sind. Briand berichtete über die Lage in China. Nach Meldungen aus Triest beabsichtigt die süd slawisch e Regierung die Einrichtung einer Frei zone im Hafen von Suzas. Wie Havas meldet, soll heute der deut sch - ita - lienische Freundschafts- und Schiedsge richtsvertrag im Palais Chigi unterzeichnet werden. Wie aus Moskau gemeldet wird, ergab die erste ganz Rußland umfassende Volkszählung, die seit 18 Jahren stattgefunden hat, und jetzt abge schlossen ist, eine Zahl von 145 500 000 Einwohnern. Um die sächsische Regierungsbildung. 29 Dezember 1926 Lipinski gegen die „große Koalition". Der frühere sächsische Minister Lipinski befaßt sich im „Vorwärts" in einem Artikel mit derSachsen triss. Lipinski geht zunächst auf die Schwierigkeiten in der Ministerprüsidentenwahl ein und erklärt, daß sie ihre Ursachen darin habe, daß die Deutsche Volkspartei den Vürgerblock wolle, während die Altsozialisten und die Demokraten die Große Koalition erstrebten. Da dies ohne die Sozialdemokratische Partei aber nicht möglich ist. hofften sie, daß der Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auf die jüch- sische Partei einwirken werde, um die sächsische Sozial demokratie für die EroßeKoalition zu gewinnen. Diese Hoffnung hält Lipinski aber für trügeris ch. Die Altsozialisten wollten keine Regierung unterstützen, die von der KPD. abhängig ist. Der Kandidat Fleißner paßt ihnen nicht. Die Deutsche Volkspartei lehne eine Große Koalition mit den Linkssozialisten ab und be gegne sich in der Abneigung mit der sozialdemokratischen Landtagsfraktion. Für die Sozialdemokratische Partei Sachsens ist die Große Koalition unmöglich. Als Gründe führt Lipinski u. a. die von der im Jahre 1924 geschaffenen Großen Koalition geführte Personalpolitik an. In den Ministerien seien die Sozialdemokraten fast restlos entfernt worden. Das Personalwesen sei Deutsch- nationalen und Volksparteilern übertragen worden. Die Bureaukratie des monarchischen Staates sei auf der ganzen Linie wieder in den Sattel gehoben worden. Eine neue Regierung könne aber das Vertrauen des Volkes nur wiedergewinnen wenn sie imstande sei, die durch die Große Koalition geschaffenen Zustände zu be seitigen. Eine Große Koalition, die jetzt käme, würde aber die Stabilisierung dieser Zustände bedingen. Würde die sozialdemokratische Fraktion aus solche Be dingungen eingehen und in eine Regierung der Großen Koalition eintreten, ohne in der Lage zu sein, an diesen Zuständen etwas zu ändern, so würde sie die Partei und die Arbeitermassen enttäuschen und auf lange Zeit das Vertrauen der Arbeiterschaft verlieren. Ein Bündnis der Sozialdemokratie mit einer anderen Partei oder eine Unterhandlung sei ausgeschlossen, denn es sei keine Partei da, mit der sich eine Mehrheit bilden ließe. Zum Schluß heißt es: Eine Weimarer Koalition lasse sich wirklich mit fünf Demokraten inSachsennichtbilden. Die Aufwertler kämen für eine Verhandlung nicht kn Betracht und die Wirt schaftspartei sei nur eine Spielart der Deutsch- nationalen. So sei kein Partner für eine sozialistische Regierung vorhanden. Seien die A l t s o z i a l i st e n nicht selbstlos genug, bei der nächsten Wahl für Fleißner zu stimmen, sobleibtnurdieAuflösungdie- ses Landtages oder der Vürgerblock. Die Regierungsbildung im Reich. 29 Dezember 1926 Zuerst Versuch mit der Rechten. Gegenüber den fauch von uns wiedergegebenen) Darstellungen, wonach die Bestrebungen rechtsgerichte ter Kreise darauf gerichtet seien, mit Hilfe der Deutschen Volkspartei ein Bsamtenkabinett der verschleierten Rechtsregierung oder aber ein rechtsgerichtetes Minder- hsitskabinett zu bilden, schreibt die rechtsvolkspartei- liche „Tägliche Rundschau": Tatsächlich liegen die Dinge so, daß voraussichtlich ein Mann derRech- t e n mit der Regierungsbildung beauftragt wird und ! daß man versuchen wird, ein Kabinett sämtlicher bür- i gerlichen Parteien zu bilden. Sollte dieser Versuch und der Versuch, gegebenenfalls ohne Demokraten ein Kabi nett zu bilden, mißlingen, so wird wahrscheinlich wieder die Mitte mit der Neubildung der Regierung betraut werden müssen. Scheitert ein Kabinett auf dieser Grundlage im Reichstage abermals, bleibt wohl nichts weiter übrig, als die Auflösung d e s R c i ch s t a g s. Bisher keine Besprechung zwischen Stresemann und Westarp. Die deutjchnationale Pressestelle teilt zu der von der demokratischen Presse verbreiteten Nachricht über „Der leuchtende Friede". Der neue Kaiser von Japan. Eine Stunde nach dem Tode des Mikados wurden dem Prinzen Hirohito die Zeichen der Kaiserwürde, der heilige Spiegel, das heilige Schwert und die heiligen Juwelen über reicht. Der Prinz Hirohito hat als neuer Kaiser von Japan den Namen „Showa" „der leuchtende Friede", angenommen. Der Leichnam des verstorbenen Kaisers wird nach Tokio über führt werden. Die in Japan üblichen Trauerfeierlichkeiten legen Handel und Wandel fast vollkommen still, so daß man schwere wirtschaftliche Folgen befürchtet. Die offizielle Beisetzung findet wahrscheinlich erst im März oder April statt, bis dahin befindet sich das Land in Landestrauer. Alle Festlichkeiten sind sofort i abgesagt worden. Unser Bild zeigt den neuen Kaiser von Japan, s den bisherigen Kronprinzen Hirohito, bei einer Militärparade j in Japan. eine angebliche Besprechung zwischen Dr. Strese mann und Graf Westarp mit, daß Graf Westarp seit dem 19. Dezember in Süddeutschland bei Ver wandten zur Erholung weilt und daß er an keinem Frühstück mit dem Herrn Reichsaußenminister teil genommen hat. Aus aller Welt. 29. Dezember 1926 * Selbstmord eines Verurteilten. Wie die Morgen blätter melden, hat sich in Greifswald der Hauptichrijt- leiter des ehemaligen Norddeutschen Beobachters, Oesterreicher erschossen, weil er eine Geldstrafe von 1000 Mark nicht bezahlen konnte und die Strafvollzugs behörde ihn zum Strafantritt aufgefordert haben soll. * Zugzusammenstoß bei Paderborn. Auf der Strecke Paderborn—Altenbeken fuhr unweit der Blockstelle Schierenberg an einer sehr unübersichtlichen Stelle ein Personen,zug auf einen Eüterzug auf. Mehrere Güter wagen wurden zertrümmert. Von dem Personenzug ist eiy Gepäckwagen und ein Wagen vierter Klasse entgleist und schwer beschädigt worden. Bei dem Zugzusammcn- stoß sind mehrere Fahrgäste leicht verletzt worden. Die Aufräumungsarbeiten sind soweit fortgeschritten, daß der Eisenbahnverkehr eingleisig in der Richtung nach Altenbeken aufrecht erhalten werden kann. Dagegen ist die Strecke nach Paderborn vorläufig noch gesperrt. * Festnahme einer Räuberbande. Der Polizei ist nunmehr die Aufklärung des Raubüberfalles bei den Vereinigten Stahlwerken in Lierenfeld vom 17. De zember gelungen bei dem den Tätern 10 000 Mark in die Hände fielen. Die Täter, drei Brüder Lärm aus Gerresheim, konnten verhaftet, das geraubte Geld je doch noch nicht herbeigeschafft werden. In dem Besitz der Brüder, die bei den Unruhen des Jahres 1923, den Plünderungen in Gerresheim und wahrscheinlich bei verschiedenen Raubüberfällen der letzten Zeit eine be deutende Rolle spielten, wurden fünf Pistolen und eine Reihe gestohlener Gegenstände gefunden. Die Ermitt lungen der Polizei gehen weiter. Im Zusammenhang hiermit wurde auch ein Händler aus Gerresheim wegen Hehlerei und Begünstigung festgenommen. * Im Ostsee-Eis gesunken. Aus Hamburg berichtet man: Der Dampfer Walter Hölken der hiesigen Reede rei Schröder, Hölken und Fischer ist im Packeis der Ost see auf der Fahrt nach Leningrad leck geworden und ge sunken. Die Besatzung wurde gerettet. Der Dampfer war eines der ältesten Schiffe der deutschen Handels marine. * Gefangenenausbruch aus dem Gefängnis in Krappitz. Aus Eleiwitz wird gemeldet: Aus dem Krap- pitzer Ämtsgerichtsgefängnis gelang es vier Straf- und Untersuchungsgefangenen auszubrechen. Die Häftlinge, die sich in einer Gemeinschaftszelle befanden, überfielen bei der Essenausgabe den Justizwachtmeister, fesselten ihn und eigneten sich die Schlüssel an. Dann öffneten sie die Gesängnistüren, überkletterten die Mauern und entkamen. * Wieder ein Alpenhotel in Flammen. Im Hotel zur Post in Seefeld in Tirol brach Eroßfeuer im Dach stuhl aus. Die Feuerwehr konnte weiteren Schaden ver hindern. * Ein Meteor in der Schweiz niedergeganqen. In Ulmic bei Murten im Kanton Vern ist ein Meteor niedergegangen. Die Bauern tränkten gerade das Vieh, als eine feurige Kugel unmittelbar vor einem Hause niederschlug. Ein junger Bauer konnte noch eben recht zeitig flüchten, um nicht zerschlagen zu werden. * 10V spanische Fischerboote untergegangen. Wie die Morgenblätter aus Madrid melden, sind bei Valencia, Vincaros und Eastellon an der spanischen Ost küste etwa 100 verankerte Fischersegler unteraegangen. Es gab mehrere Tote und viele Verletzte. * Große Feuersbrunst in einer nordauttralischen Stadt. Eine Feuersbrunst zerstörte 15 Eeschäftsgebäude in Kyogle an der Nordküste Australiens. Der Schaden wird auf 100 000 Pfund Sterling geschätzt. Nach dem Brande wurden die Häuser ausgeplündert. 81 - (Nachdruck verboten.) So flüsterte sie ihm ein, was ihr zweckdienlich erschien und lenkte dabei nach ihrem Willen, wohin sie ihn haben wollte. Dabei betonte sie stets, daß dies alles zu Sannas Vesten sei. Sanna gegenüber spielte sie sich dagegen auf, als stehe sie unter dem Zwange, den der Professor auf sie ausübte. Sie zeigte sich dem Kinde süßlich-sanft und liebe voll und reizte es gegen Onkel Michael auf. Auf keinen Fall wollte sie es midSanna verderben. Diese war immer hin die Erbin von Glossow und eines sehr großen Ver mögens, das ihre Eltern ihr hinterlassen hatten. Und man konnte nie wissen, was die Zukunft brachte. Die weit sichtige berechnende Frau faßte schon neue Pläne ins Auge für alle Fälle, die Gregor und Sanna gemeinsam betrafen. Und auch für diese Pläne arbeitete sie klug vor, indem sie Sanna zu einer klösterlichen Erziehung verdammte und ihr immer ins Gedächtnis rief, daß sie mit ihrem von ihren Eltern mit Schmach bedeckten Namen nicht anspruchsvoll in der Wahl eines Gatten sein durfte. Sie setzte es durch, daß Sanna im Hause unterrichtet wurde, daß sie außer Gregor weder Freundinnen noch Ge spielen bekam. Sogar einen kurzen Tanzkursus bekam sie nach ihrer Konfirmation nur allein im Hause, unter Rei- Hilfe Gregors, der inzwischen schon Student jur. gewor den war. Michael von Sachau war ein viel zu harmloser Mensch, als daß er dies Spiel durchschaut hätte. Er war auch viel zu viel mit seinen Arbeiten beschäftigt, um den scharfen Be obachter zu spielen. Anna von Rehling gewann mehr und mehr Einfluß auf ihn und er ließ ihr völlig freie Hand in der Erziehung Sannas, weil er glaubte, sie verstehe das besser als er. Kam Sanna einmal in der Not ihres Herzens zu ihm, wies er sie schroff zurück und schickte sie zu Tante Anna. So wuchs die Kluft zwischen Onkel und Nichte immer breiter und tiefer. Je älter Md verständiger Sanna wurde, je mehr fühlte sie, daß hinter Anna von Rehlings schein barer Sanftmut und Freundlichkeit die Falschheit lauerte. Ihr ehrliches reines Herz empörte sich gegen diese Falsch heit, aber ihre Empörung glitt machtlos ab an der glatten heuchlerischen Art Tante Annas. Sie lernte daher mehr und mehr, sich zu beherrschen und ihr Denken und Empfin den für sich zu behalten. Aber dabei wurde sie unsagbar einsam und traurig und ihre Gedanken flogen sehnsüchtig über die hohe Gartenmauer hiuaus in die freie schöne Welt, in der es keinen Onkel Michael, keinen Gregor und keine Tante Anna gab. So verlebte die arme Waise eine freudlose Kindheit, eine traurige Jugend im Hause ihres Onkels, und ihr liebevolles junges Herz litt tausend Qualen, weil sie keinen einzigen Menschen hatte, der sie verstand und liebte und weil man ihr sogar mit immerwährenden Schmähungen das Andenken an ihre toten Eltern verunglimpfte. In den ersten Jahren war Gregor noch ständig im Hause gewesen, der ihr so widerwärtig war mit seiner kriechenden schmeichlerischen Art wie seine Mutter. Dann ging er fort, nachdem er sein Abiturtum gemacht hatte, um an auswärtigen Universitäten zu studieren. Von da an sah sie ihn nur in den Ferien. Gregor war ganz von Onkel Michael abhängig. Dieser bezahlte das Studium für ihn und gab ihm auch jetzt noch, da er Assessor war, einen reichlichen Zuschuß, damit er in Berlin anständig leben konnte. Onkel Michael war inzwischen 60 Jahre alt geworden und fühlte sich schon seit Jahren leidend. Anna von Reh ling wußte, daß er ein Testament gemacht hatte, aber trotz ihrer Klugheit und trotz allen Spionierens war sie nicht dahinter gekommen, wie er testiert hatte. Und das ließ ihr keine Ruhe. Wohl stand Gregor bei ihm ncch immer hoch in Gunst und Anna von Rehling hoffte, daß ihn der Onkel zu seinem Haupterben eingesetzt hatte, trotzdem ihm Sanna verwandtschaftlich näher stand. Auch hatte die kluge Dame dem Professor zu verstehen gegeben, daß Sanna reich genug sek und fein Erbe nicht brauche. Aber sicher war sie doch nicht. .Hantztjächltch tn her letzte» Zett wäre» ihr Betzenlen aufgestiegen, ob Michael von Sachau »uaunftm ihre- Sohnes testiert hatte. Der alte Herr war jetzt zu leidend, um viel arbeiten zu können. So hatte er viel unfreiwillige Mußestunden bekommen und das gefiel Anna von Reh ling durchaus nicht. Er bekümmerte sich mit einem Male um allerlei Sachen, die ihm früher gleichgültig gewesen waren und hatte zuweilen einen so sonderbar forschenden Blick, der sie beunruhigte und zur Vorsicht mahnte. Um für alle Fälle sicher zu gehen, begann sie nun, ihren Plan zu forcieren, aus Gregor und Sanna ein Paar zu machen. Dann war Gregor doch auf alle Fälle ge sichert und erhielt nicht nur das Vermögen des Onkels, sondern auch das Sannas. Und außerdem wurde er Herr über Glossow. Mit ihrem Sohne hatte sie schon längst über diesen Plan gesprochen, und es sand sich, daß Gregor ebenfalls die Möglichkeit erwogen hatte, »die Kleine' kirre zu machen. Mutter und Sohn arbeiteten sich nun auch in diesem Punkte in die Hände. Gregor begann, sobald er in den Ferien im Professorenhause weilte, Sanna mit Eiser den Hof zu machen. An große Schwierigkeiten glanbte er nicht. Dank der Vorsicht seiner Mutter war Sanna von jedem Verkehr mit jungen Leuten zurückgchalten worden. Sie kannte nur die älteren, gelehrten Herren, die bet dem Onkel ein und aus gingen, und diese kamen als Freier nicht in Betracht. Außerdem wußte Sanna, daß sie nicht wählerisch sein durfte, sie mußte froh sein, wenn ein Mann mit seinem ehrlichen Namen die Schmach, die dem ihre» anhaftete, zudeckte. So glaubte er, sehr leichtes Spiel zu haben, zumal er ein stattlicher, ansehnlicher Mensch war, dem sich die Frauen durchaus nicht abbold zeigten. Zu seinem peinlichen Erstaunen merkte er jedoch, drß sich Sanna seinen Bewerbungen gegenüber sehr ablehnend verhielt. Sie kam ihm nicht nur nicht enw-oen, wie er geglaubt und gehofft hatte, fondern wich ihm direkt aus. (Fortsetzung folgt.)