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Die Selbstverwaltung Der 5 4er-Ausschutz für die besetzten Ge biete ist am Donnerstag 'm Berlin gewählt worden. Er besteht aus zwanzig Mitgüeoern des Zentrums, zwanzig Sozialdemokraten und acht Mitgliedern der Deut schen Volkspartei, vier Deutschnationalen und vier Demo kraten. Außerdem wurde beschlossen, den Ausschuß durch zwei Mitglieder zu erweitern. Cs werden auf diese Weiss noch zwei Kommunisten in den Ausschuß gewählt wer den. In dem Ausschuß befinden sich u. a. der Abge ordnete Imbusch (Ztr.), Dr. Klöckner und Herr von Krupp. Damit ist die Selbstverwaltung der besetzten Ge biete in die Wege geleitet. Dem sog. 54er-Ausschuß kommt die Bedeutung eines außerordentlichen Parlaments für die betreffenden Gebietsteile zu, das sich vornehmlich mit wirtschaftspolitischen Angelegenheiten zu beschäftigen haben wird und an dessen Spitze nur noch ein ausführendes Direktorium von zwei bis fünf Persönlichkeiten treten dürfte. . Ein Antrag an die Neichsregierung. Die Stadtverordnetensitzung in Düsseldorf be schäftigte sich gestern in der Hauptsache mit der Er werbslosenfrage. Von allen Seiten wurde auf den Ernst der Lage hingewiesen. Von seiten der Stadtverwaltung wurde hervorgehoben, daß in Düssel dorf etwa 120 000 Erwerbslose vorhanden sind, das sind zwei Drittel aller Industriearbeiter. Ein Antrag der bürgerlichen Parteien fordert die Reichsregierung auf, die Unterstützungen, so lange es irgend möglich sei, zu zahlen. Die Stadt müsse jede Verantwortung für die unabseh baren Folgen ablehnen, die dadurch eintreten müßten, daß das Reich die Städte im besetzten Gebiet in der höch sten Not im Stiche lasse. * Ein höchst ungünstiges Abkommen. Zwischen der Micum und dem Ruhrbergbau wurde folgender Vertrag abgeschlossen: Die Kohlenzechen liefern einen wesentlichen Pro zentsatz (18 Prozent) ihrer Kohlenförderung ab. Außer dem müssen die Kohlenzechen die seit der Besetzung des Ruhrgebiets an das Reich bereits aügeführte Kohlen steuer nochmalsan die Vesatznngsbehörden bezahlen. Die Willkür, die in dem Zwang der Doppelzahlung einer Steuer an sich liegt, wird nochdadurch ver - stärkt, daß als Grundlage für die Veranlagung die ser Steuer nicht die tatsächliche Förderung seit dem 11. Januar 1923, sondern eine fingierte Förderung genommen worden ist, und daß dazu noch 50 Prozent als Strafe für die Nichtzahlung aufgeschla gen worden sind. Im Wege der Verhandlung ist die Gesamtzahlung sür die rückständige Steuer auf ^Mil lionen Dollar festgelegt worden. Ferner haben sich die Kohlenzechen, obwohl in Deutschland die Kohlensteuer inzwischen aufgehoben worden ist, zu einer Abgabe von 10 Franken für die Tonne der ver kauften Kohlenförderung für die Zukunft verpflichten müssen. Die geltenden deutschen Ge setze über die Kohlenwirtschaft werden nicht aner kannt. Die Besatzungsbehörden behalten sich im ein zelnen vor, Bewilligungen für die Versendung von Koh len nach dem unbesetzten Deutschland und für die Aus fuhr nach dem Ausland zu geben, nachdem vorher der Kohlenbedarf der Besatzungstruppen und der franzö sisch-belgischen Regiebahn gedeckt worden ist. Die Frei gabe der von den Besatzungsbehörden beschlag nahmten Kohlenzechen hat nicht erreicht werden können. Abgesehen von diesen wesentlichen Punkten enthält das Abkommen noch eine Reihe von Nebenbe stimmungen, die den Wirtschaftsverkehr der besetz ten Gebiete und die geschäftliche Selbständigkeit der Kohlenzechen aufs äußerste beeinträchtigen und den Be satzungsbehörden eine Kontrolle über den gesamten der besetzten Gebiete. I Wirtschaftsverkehr und eine weitgehende Jngerenz auf ! die einzelnen Privatunternehmnngen ermöglichen. s Alles in allem genommen ist dies ein für die ' deutsche Wirtschaft und die Unternehmungen höchst un günstiges Abkommen. Wenn das Abkommen trotzdem von den Kohlenzechen angenommen worden ist, und die Reichsregicrunq der Unterzeichnung dieses Ab kommens nicht widersprochen hat, so liegt der Grund dafür darin, daß ohne eine Verständigung mit den Besatzungsbehörden der Weg für die Ingangsetzung der Wirtschaft der besetzten Gebiete und für die Ver hütung der andernfalls drohenden furchtbaren Gefahren für dis Bevölkerung nicht hat eröffnet werden können. Die schweren Opfer für das gpnze Reich und sie einzelnen Unternehmen, die in diesem Abkommen liegen, mußten unter dem unerbitt lichen Drucke der Besatzungsbehörden gebracht werden, um noch Schlimmeres von den besetzten Gebieten abzu wenden. Neue Abkommen. Nach einer Meldung aus Koblenz hat die Direk tion der Ausfuhrbewilligungsstelle der Besatzungsbehör den mit der Vadischen Anilin - und Soda - Fabrik ein vorläufiges Abkommen zwecks Lieferung von Stickstoffdünger getroffen. Die Direktion hat fer ner ein Abkommen mit der Solinger Industrie getroffen. Die Bedingungen sind die gleichen, wie die der bisherigen Abkommen mit deutschen Industriellen. Zwischen dem Mannesmann-Konzern und der Micum werden Verhandlungen über den Abschluß eines Vertrages im Rahmen des abgeschlossenen Haupt- abkommens geführt. Die Verhandlungen beziehen sich nicht nur auf die Kohlenwirtschaft, sondern auch auf alle dem Konzern angeschlossenen Hütten und Industrien. Inzwischen ist von der Micum die Genehmigung erteilt worden, mit sofortiger Wirkung täglich 2500 bis 3000 Tonnen Kohle, also etwa drei Züge, nach Holland abrollen zu lassen. Die Zulassung dieser Lieferung be deutet, daß etwa acht Schachtantagen wieder in Gang gesetzt werden können. * Belgische Sanktionen: Waggonraub. Die Brüsseler Regierung ist in Duisburg zur Beschlagnahme von etwa 100 Eisenbahnwagen geschritten ist, die sie alsPfand für die gestellten For derungen betreffs der Ermordung des Leut nants Graff verlangt hatte. Das Material im Werte von 1250 000 Francs wird von der belgischen Regierung verkauft werden. Eine Millionen wird dem belgischen Roten Kreuz zugeführt werden, während 250 000 Francs der Familie des Leutnants als Ent schädigung überwiesen werden. Der finanzielle Ertrag des französischen Waldraubes. Paris, 29. November. Das offizielle Ergebnis der Beschlagnahmung der Wälder im besetzten Rhein gebiet beträgt im Jahre 1923 21 Millionen Franken. Das Erträgnis im Jahre 1923/24 wird auf 80 bis 100 Millionen Franken geschätzt. Eine französische Antwortnote. Mißbrauch der Okkupationsgewalt durch Frankreich. Der deutsche Geschäftsträger in Paris hatte vor län gerer Zeit bei der französischen Regierung zur Sprache gebracht, daß die Stadtverwaltungen im besetzten Ge biete von den französischen Besatzungsbehörden auf dem Wege 'der Requisition gezwungen werden, städtische Räumlichkeiten den separatistischen Vereinigun gen im Rheinlande für Versammlungszwecke zur Ver fügung zu stellen. Die französische Regierung hat die Vorstellungen mit einer Note an den Geschäftsträger be antwortet, in der es heißt: „Nach dem Ergebnis der Untersuchung hatten die Ober bürgermeister von Koblenz und von Düsseldorf gegenüber den Leitern der Rheinischen Volksvereinigung und der Rheinisch republikanischen Volkspartei es schriftlich abgelehnt, die für diese für den 29. Juli und den S. August erbetenen Versammlungsräume zur Verfügung zu stel len, während sie früher „ähnlichen" Anträgen, die vom Zen trum, von der Demokratischen Partei und von der Volkspartei ausgegegangen waren, stattgegeben hatten. Nachdem sie auf diese Weise von den deutschen Behörden des Versammlungs rechtes beraubt worden waren, das zu den wesentlichen in der Verfassung festgelegten Freiheiten gehört, war zu befürchten, daß die beiden separatistischen Parteien sich zu Eewaltaktionen Hin reitzen lassen, oder daß sie ihre Versammlungen unter freiem Himmel abhalten würden. In beiden Fällen würde die öffent liche Ordnung gefährdet und die Sicherheit der Truppen in Frage gestellt worden sein. Unter diesen Umständen sind die Delegierten der Rheinlandkommission im Kreise Koblenz und der Delegierte des Oberkommandos in Düsseldorf, wie dies auch in anderen Fällen unter ähnlichen Verhältnissen zugunsten einer anderen Partei geschehen sein würde, zu der Entscheidung ge langt, datz die von ihnen ordnungsmäßig genehmigten separati stischen Versammlungen in der Festhalte in Koblenz und in der Tonhalle in Düsseldorf stattzufinden hätten. Hierzu wird halbamtlich bemerkt: Die Stellung nahme der französischen Regierung zu der deutschen Be schwerde ist charakteristisch für ihre Haltung gegenüber den Separatisten. Sie konstruiert einen Vorwurf gegen die legitimen Behörden daraus, daß diese es ablehnen, durch Hergabe städtischer Räume, die auf Umsturz der b est e h e nd e n S t a a tsv er f a s su n g ge richteten landesverräterischen Bestrebungen der Separa tisten aktiv zu unter st ützen, und entnimmt dar aus einen Vorwand unter Mißbrauchder Okku pationsgewalt ihrerseits diese Bestrebungen zu fördern. Politische Tagesschau. Ein verschwundener Regierungsrat. Regierungsrat Westphälinger, der mit anderen von seiner polizeilichen Tätigkeit entbunden wurde, ist seit einigen Tagen aus Chemnitz verschwunden. Es schwebt gegen ihn ein Verfahren wegen Waffenverschiebung. Westphälinger leitete seit dem 1. Oktober d. I. die beim Chemnitzer Polizeipräsidium eingerichtete Nachrichten stelle, die die sächsische Regierung über die Verhältnisse in Chemnitz unterrichtete. Der Totschlag an dem Fran l f urte r Staatsanwalt Haas. Wie aus Frankfurt a. M. berichtet wird, wurde im 'Falle des Totschlages an dem Staatsanwalt Haas nach achttägiger Verhandlung das Urteil gefällt. Wie erinnerlich, wurde Haas gelegentlich einer Demonstration im Vorgarten seines Haufes in grausamer Werse totgeschlagen. Zu verantworten hatten sich 21 Personen wegen schweren Landfricdcnsbruches, La von acht wegen Totschlages, sechs Angeklagte, wurden frcigcsprvchen, neun wegen schweren Landfriedensbruches zu Zuchthaus und Gefängnisstrafen zu vier bzw. zwei Jahren verurteilt. Wegen schweren Landfriedensbruches und Totschlages erhielten drei weitere Angeklagte acht Jahre Zuchthaus bzw. fünf Jahre Gefängnis. Leutnant Krull ins Ausland geflohen. Der frühere Leutnant Krull, gegen den der Veldacht sich richtete, an der Ermordung Rosa Luxemburgs be teiligt gewesen zu sein, hat sich ins Ausland begeben. Äußer der erwähnten Mordanklage schwebt gegen Krull noch ein Verfahren wegen eines geplanten Bombenan schlages auf den sozialdemokratischen Schriftsteller Dr. Parvus-Helphand. Schweiz. Gegen die Versklavung Deutsch lands. Unter dem Vorsitze des Pfarrers Dr. Bens hat sich in Basel ein Initiativkomitee gebildet, das in einem Zeitungsausruf zu einer Protestkundgebung ge gen die fortgesetzte Vergewaltigung Deutschlands durch die Siegermüchte auffordcrl. Amerika. Hilse für die deutschen Gewerkschaften. Der amerikanische Eewerkschastsbund beschloß, seine drei Millionen Mitglieder zu Beiträgen für die Bildung eines Unterstützungsfonds für die verarmten deutschen Gewerk schaften aufzufordern, die nach der Auffassung der ameri kanischen Gewerkschaftler das einzige Bollwerk Deutsch lands gegen Bolschewismus und Monarchismus seien. Zahlreiche Arbeiterführer haben sich für den Plan aus gesprochen, daß die Arbeiter ein Zehntel ihres Tages verdienstes für die Deutschen hergeben. f Verschlungene Wege. Roman von Walter Burkhardt. 43. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) XX. „Er hat sie getötet", flüsterte Hermione schaudernd, während sie neben der bleichen Frau niederkniete. „Nein, Hermione, sie Ist nicht tot!" rief Lukas. „Sie ist nur ohnmächtig. Sieh mich nicht so entsetzt an. Ich bin kein Mörder, ich tat nur, was ich mußte, um größeres Unglück zu verhüten. Du weißt, ja nicht, wer diese Frau ist," „Ich hörte, es aus.Urem eigenen Munde", ant wortete Hermione kalt, .Mährend sie die Kraftlose sorg lich hielt gnd st ützhe., / „Aber'sie ist unzurechnungsfähig, Hermione, eine ge-, jährliche Geisteskranke Man sollte sie in eine Anstalt bringen, denn zu Zeiten scheint sie tobsüchtig zu sein." „Sie hätte dir ein Leid angetan, Hermione, ich mußte dich vor ihr schützen. Armes Ding, die Krankheit hat sie erst kürzlich überfallen, früher — —" „Ich möchte einen Wagen haben", unterbrach Her mione ihn sehr ruhig. Sie neigte sich über die Kranke und dankte Gott, als ein leiser Atemzug die blassen Lippen bewegte. Dann fuhr sie in demselben bestimmten Ton fort, ohne Lukas anzusehen: „Großpapa muß benachrichtigt werden, sonst ängstigt >r sich über mein Ausbleiben." „Es ist am besten, Hermione, du gehst selbst nach Hause und veranlaßt das Nötige", meinte Lukas. „Nein, ich bleibe hier." t .„Aber ich kann dich unmöglich mit einer Wahnsin- lckgen allem lassen, Hermione. Mit dem Bewußtsein kehrt vielleicht ihre Wut wieder. Ich kann nicht gehen — —" „Ich wünsche es aber", erklärte sie so fest und ent schieden. daß er sich ihrem Willen fügen mutzte. Als er gegangen war, begann die Ohnmächtige kräf tiger zu atmen. Während sie langsam die Augenlider hob, flüsterte sie mit bebenden Lippen den Namen dessen, der im Leben dieser beiden Frauen eine so verhängnis volle Rolle spielte. „Lukas!" „Er ist nicht hier", sagte Hermione sanft, „ich bin bei ihnen — ich, Hermione von Rühling!" „Ach ja, ich entsinne mich", flüsterte Carry, „ich wollte mit ihnen sprechen. Plötzlich tat mein Kops so weh. Ich bin wohl gefallen?" „Ja, sie sind gefallen", entgegnete Hermione und wunderte sich selbst, wie ruhig sie blieb. „Wie fühlen sie sich jetzt?" „Danke, ganz gut — und Lukas?" „Er holt einen Wagen für sie, wir sind ganz allein. Sie hatten mir etwas* zu erzählen, nicht wahr?" „Ja, ich wollte warten, bis sie von ihrem Spa ziergang - zurückkamen. Es mutzte dunkel sein, ehe ich sie ansprechen konnte — sie sollten mein Gesicht nicht sehen." „Und was haben sie mir zu sagen?" „Ich wollte sie warnen, ihn zu heiraten —" „Und warum das?" „Er hat nicht das Recht, eine andere Frau, als mich zu heiraten. Ich habe ihm alles geopfert, er ae- hört mir!" „Wie soll ich das verstehen?? Da drängte sich Carry dicht an Hermione und flüsterte ihr Lie traurige Geschichte ihrer Jugend zu. Auch jetzt noch bestrebt, den Mann zu entschuldigen, den sie liebte, schilderte die Verblendete Lukas .aufrichtigen' Schreck und Schmerz, als sich die Ungültigkeit jener Trauung herausstellte, sprach sie von seinem.festen Vor satz', das Unrecht, das er ihr .unwissentlich' zugefügt hatte, zu sühnen. „Jahrelang", sagte sie in fieberhafter Erregung, „Jahrelang habe ich gelebt und geatmet nur in dem einzigen Gedanken, datz er sein Wort einlösen würde. Und jetzt war oer Zeitpunkt gekommen, jetzt, da Lukas im stande ist, einen Haushalt zu gründen, sollte unsere Ehe legulisierr weroen. Da traten sie Zwischen uns, Fräu lein von Nühllng. Ahnungslos streckten sie die Hand aus nach üem, was mir gehört. Aber der Besitz dessen, den sie mir rauben wollen, kann ihnen keinen Segen bringen. Darum kam ich hierher, um sie zu warnen. lEr kann ihnen ja ohnehin nicht so teuer sein, wie eh nist ist. Darum flehe ich sie an, geben sie ihn frei!" Erschöpft und zitternd ruhte Larry in Hermiones Armen; sie hatte gesprochen und erwartete nun mit Be stimmtheit, Latz ihre Worte den gewünschten Erfolg haben würden. Es kani ihr nicht in den Sinn, datz ihre Erzählung möglicherweise das Herz der Lauschenden zerreißen konnte: sie bedachte auch nicht, was sie tat, indem sie die so viel Jüngere einen Blick in Verhältnisse tun ließ, von welchen diese bisher wohl kaum eine Ahnung haben konnte. Dergleichen Bedenken gab es für Carry nicht; ihren Wünschen mutzte eben alles weichen. Und Hermione? Sie war einen Augenblick wie zer schmettert, ihre Wangen brannten vor Zorn und Wider willen über das, was sie hörte. „Wie furchtbar", dachte sie, „datz dergleichen Dinge in der Welt existieren, daß so etwas überhaupt geschehen kann!" (Fortsetzung folgt.)