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Der französische Botschafter beim Reichskanzler Nach einer halbamtlichen Mitteilung erschien der französische Botschafter beim Reichskanzler und teilte mit, daß der f r a n zö s i s ch e M i n i st e r p r ä s i d e nt, obwohl es >hm völlig sernliege, sich in irgendwelche in nerdeutsche Behältnisse einzumischen, sich veranlaßt sehe, auf die Beunruhigung hmzuweisen, die in Frankreich durch Gerüchte über politische Borgänge in Deutschland entstanden sei. Die Gerüchte besagten, daß bei einem Er,ölg gewisser Bestrebungen eine R ech t sd i k t a-i u r zu erwarten sei; in diesem Falle müsse, nach bisherigen Aeußerungen führender Persön lichkeiten der deutschen Rechten, mit einer Zerreißung des Versailler Vertrages und der Vorbereitung eines deutschen Revanchekrieges gerechnet werden. Nachdem der Reichskanzler davon Kenntnis genom men hatte, daß dem französischen Ministerpräsidenten je der Versuch einer Einwirkung auf innerdeutsche Verhält nisse fer'nliege, betonte er besonders, daß einzig und allein das deutsche Volk da rüber zu entscheiden habe, unter welcher Ver fassungsform es feine Politik fortentwickeln wolle. Den. Bestrebungen einzelner deutscher Länder, die auf eine größere Selbständigkeit im Rahmen des Deutschen Reiches hinzielten, stehe die Reichsregie rung selbst n i ch t u nfy mp a th i s ch gegenüber. Wenn im übrigen die extremen Parteien links und rechts an Boden gewännen, so sei das eine Folge der verzweifelten Lage, in die Deutschland geraten sei und der gerade der französische Ministerpräsident die Macht habe zu steuern. Neben den ungeheuren materiellen Schwierigkeiten bereite auch seelische Bedrückung dem deutschen Volke die schwersten Leiden; wenn es sehen müsse, was die deutschen Brüder an Rhein und Ruhr zu erdulden hätten und wie die kleine Minderheit der Separatisten, die sich vielfach aus den übelsten Berbrecherkreisen zusammensetze, u n - gestraft ihr landesverräterisches Unwesen am Rhein treiben könne. Die heftigen Angriffe, die gegen die Reichsregierung von radikaler Seite geführt würden, beruhten darauf, daß heute, stchs Wochen nach Abbruch des passiven Wi derstandes, das ganze Wirtschaftsleben an Rhein und Ruhr schwerer darniederliege als vor dieser Zeit, und daß gleichzeitig die finanzielle Lage Deutschlands noch katastrophaler geworden sei. Der französische Minister präsident möge sich darüber klar werden, daß die Reichs regierung nach der Einführung einer festen Währung nicht mehr in der Lage sein werde, die bisherigen ge waltigen Summen für Rhein und Ruhr aufzubringen, wodurch ihre Bestrebungen, das Reichsbudget ins Gleich gewicht zu bringen 'gänzlich zunichte werden würden. Die Münchener Vorgänge hatten gezeigt, daß die Rem srungen genügende Kraft und Autorität be sitzen, um gewaltsamer Bewegungen Herr zu werden. Der französische Ministerpräsident müsse aber auch be denken, daß derartige Bewegungen gar nicht zum Aus bruch kommen würden, wennnichtseitdemFrie- densschlußjededeutscheRegierung, gleiche- gültig auf welchem politischen Standpunkt sie gestanden habe, vergeblich um erträgliche Bedingungen gekämpft habe und voneinem außenpolitischen Miß- erfolgzumanderengetrieben worden wäre. Der WMe Wm-Lu-eMMM. Wir sind in der Lage, über die Geschichte des schnell in sich zuchmmengebrochenen Putsches folgende Darstellung geben zu kennen: In den letzten Wochen haben Hitler und General von Ludendorff in Besprechungen mit General von Lossow und Oberst von Seiher in feierlicher Weise erklärt, daß sie loyal bleiben und nichts unternehmen wollten, ohne vorher die beiden Herren in Kenntnis zu setzen. Erst dann sollte jeder seinen Weg gehen, den er nach seinem Ermessen für richtig hielt, nachdem die Be ziehungen in freundschaftlicher Form gekündigt waren. Am Dienstag, den 6. November, legte Generalstaatskommissar von Kahr vor den Führern der vaterländischen Verbände seine Auf fassung zur Lage dar und zugleich den bestimmten Willen, den selben Zielen wie die vaterländischen Verbände zuzustreben. Er warnte die Führer ausdrücklich vor Putschen mit dem Hinweis, daß gegen solche mit militärischen Mitteln eingeschritten wer den müßte. Am 8. November nachmittags von 4 bis 6.30 Uhr fand eine Besprechung zwischen von Kahr, General von Lossow und Oberst Seißer im Eeneralstaatskommissariat statt. Es wurde Einheitlichkeit in bezug auf die Ziele festgestellt, wenn auch General von Ludendorff auf Tempo drängte angesichts der großen Notlage, in der sich breite Volksschichten befänden. Gleichwohl fand wenige Stunden später in einer überfüllten Versammlung im Münchner Bräukeller, während von Kahr seine angekündigte Rede hielt, ein verbrecherischer Ueberfall durch Hitler mit schwer bewaffneten Nationalsozialisten statt, wobei von Kahr, von Lossow und von Seißer — mit vorgehaltenem Revolver ge zwungen — erklärten, bei der Verwirklichung einer Reichs diktatur Hitler—Ludendorff mitzutun. Wenn von Kahr, von Lossow und von Seißer unter dem Zwange der Verhältnisse die ihnen erpreßte Erklärung abgaben, so geschah dies, weil die Her ren von der lleberzeugung erfüllt waren, daß nur in einem ge schlossenen und einheitlichen Zusammengehen und Vorgehen noch die Möglichkeit gegeben war, dis Staatsautorität innerhalb Bayerns aufrechtzuerhalten und das Auseinanderfallen aller Machtmittel zu verhindern. Aus dieser Erwägung allein haben Kahr, Lossow und Seißer die ihnen angesonnenen Zumutungen mit scheinbarer Zustimmung beantwortet, um die Freiheit des Entschlusses und des Handelns wieder zu gewinnen. Das im Saale versammelte Publikum benahm sich vom ersten bis zum letzten Augenblick mustergültig. Unter anderen Personen wurden von den Nationalsozialisten der Ministerpräsident von Knilling und die Herren Schweyer, Gärtner und Wutzelhoser festgenommen. von Hitler wurde darauf verkündet, der Ministerpräsident von Knilling sei abgesetzt. Er erklärte, es werde nun der Kampf gegen Berlin beginnen, von Kahr gab dann folgende Er klärung ab: In des Vaterlandes Not übernehme ich die Leitung der Geschäfte als Statthalter der Monarchie (Bravo), der Monarchie, die heute vor fünf Jahren schmählich zerschlagen wurde. Ich tue das schwersten Herzens und aus Liebe zu unserer bayerischen Heimat und unserem lieben teuren Vaterland. (Brau sende Zustimmung in der Versammlung.) Auch die übrigen Herren gaben Erklärungen ab. Den Herren von Lossow und von Seißer gelang es, in der Kaserne des 19. Infanterieregiments die Regierungsgewalt in die Hand zu nehmen, sofort die Trup pen und die Reichswehr zu mobilisieren und Verstärkungen aus den Standorten der Umgebung heranzuziehen. Es wurde sofort ein Funkentelegramm folgenden Inhalts ausgegeben: An alle deutschen Funkstationen! Generalstaatskommissar von Kahr, General von Lossow und Oberst von Seißer lehnen Hitlerputsch ab. Mit Waffen gewalt erpreßte Stellungnahme in Vierbräuversammlung ungültig. Vorsicht gegen Mißbrauch obiger Namen geboten. Am 9. November bis 5 Uhr nachmittags war der Putsch restlos zusammengebrochen. Ludendorff ehrenwörMch freigelaffen. M L n ch e n, 10. November. (Eig. Drahtber.) Der Minister von Knilling, Polizeipräsident Mantel und der Kabinettschef des Kronprinzen Rupprecht und alle wegen der vorgestrigen Vorgänge in München in Gewahrsam gehaltenen Personen sind wieder auf freien Fuß gesetzt worde.n. Auch General Ludendorff ist gegen sein ehren- wörtliches Versprechen, sich an der Bewegung nicht mehr zu beteiligen, freigelassen worden. Bei dem schweren Zusammenstöße am Odeonsplatz am Freitag mittag gab es nach den bisherigen Mitteilungen 12 Tote und 16 Verwundete. Unter den Toten sind der politische Beauf tragte des Kampfbundes Dr. von Falkenried, der Rat am Obersten Landesgericht Theodor von der Pforten, der Ingenieur Ritter von Strantzky und der in der national sozialistischen Bewegung viel genannte Oskar Turner. Der Generalstaatskommissar von Kahr hatte außer der Einsetzung der Standgerichte eine weitere Verordnung erlassen, die ein Verbot der Herstellung und Verbreitung von Flugblättern, Aufrufen und Plakaten enthält. Der Erlaß enthält weiter das strenge Verbot der Beschimp fung der Polizei, Reichswehr und Schutzmannschaften. Diese werden solches mit Tätlichkeiten beantworten. Ferner hat von Kahr bis auf weiteres alle Konzerte, Theater wie alle Vergnüngungsveranstaltungen ver boten. Von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens herrscht Straßensperre. Auf nationalsozialistischer Seite ist im Kampf auch der Redakteur des „Völkischen Beobach ters", von Schäubner-Nichter, gefallen. In Kreisen die der Re i ch s r e g i e r un g nahe stehen, hat die Nachricht von der Freilassung des Generals Ludendorff überrascht. Man legt Wert darauf, fest- zustsllen, daß keine Fühlungnahme der bayerischen Re gierung mit Berlin vor der Freilassung Ludendorffs stattgefunden hat und sofort Veranlassung genommen, in München nach den Gründen für die Freilassung anzu fragen. Erhöhung der Todesopferzahl. Wie jetzt feststeht, hat sich die Zahl der Todesopfer des Zusammenstoßes in München am Freitag auf acht zehn erhöht. Zn den Krankenhäusern liegen noch Schwerverletzte. Die Landespolizei hat vier Tote zu be klagen. Putschverhinderung auch in Budapest. Budapest, 9. November. Der Putsch, den der verhaftete Abgeordnete Alain und Genossen gleichzeitig mit einem Handstreich der Hitlerleute voll ziehen wollten, ist durch polizeilichen Eingriff rechtzeitig verhindert worden. Unter den Papieren Ulains fand man einen sorgsam ausgearbeiteten Vertrag, welcher den Titel trägt „Einleitende Verfügungen zwi schen Bayern und Ungarn", in deutscher Sprache abgefaßt ist und jede Verbindlichkeiten enthält, welche die beiden Staaten Ungarn und Bayern miteinander eingehen. Auflösungs- und Mitztraueusantrag im Landtage abgelehnt. In der Sitzung des sächsischen Landtage^ vom 8. November wurden der kommunistische Miß trau e n s an t r a g gegen d'e Regierung Fellisch und der Antrag der Deutschen Vol (sparte' auf Aus - lösungdes Landtages verhanoelt. Zu dem M'ß trauensantrag bemerkt Abg. Dr. Seyfert (Dem.): Meine Partei wiederholt die bereits ausgesprochene Er wartung, daß die neue Regierung die Zusage erhalten wird, sie werde sich auf den Boden der Demokratie stellen. Jetzt halten wir es im Interesse---der-Arbeit.E und der Ruhe im Volke für notwendig, daß der Re gierung Gelegenheit geboten wird, zu beweisen, daß sie gewillt ist, ihre Versicherungen in Taten umzusetzen. Des halb werden wir das Mißtrauensvotum ablehnen. - Abg. Böttcher (Komm.) stellt fest, daß leine Partei den Mut habe, einen Vertrauensantrag einzubringen. — Abg. Müller-Leipzig (Soz.) bezeichnet den kommunistischen Antrag als eine widerliche parlamentarische Spielerei. — Abg. Beutler (Dnat.) beantragt namentliche Ab stimmung. — Präsident Winkler stellt fest, daß sämt liche 96' Abgeordnete im Sitzungssaale anwesend sind. Zn namentlicher Abstimmung wird hierauf der kommunistische Antrag mit 18 gegen 48 Stimmen abgelehnt. Für den Antrag stimmen oie Kommunisten, die Deutsch nationalen und die Deutsche Volkspartei, dagegen die Sozialdemokraten und Demokraten. Ministerpräsident Fellisch und die anderen Minister, die zugleich Abgeord nete sind, stimmen für ihre eigen" Regierung. Ohne jede vorherige Aussprache wird hierauf auch der Antrag der Deutschen Volkspartei auf Auflösung des Landtages mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Nächste Sitzung: Dienstag, den 13. November, nach mittags 1 Uhr: Kurze Anfragen, Strafverfolgung von Abgeordneten, Anleihegesetz, Gewährung von Export krediten, Versorgung der Bevölkerung mit Brot uno Kartoffeln. Für Einrichtung einer Golduotenbankabteilung. Die Abgeordneten Meinel-Tannenberg und Dr. Schneider von der Deutschen Vollspartei haben im Landtag den Antrag gestellt, dw Regierung zu ersuchen, mit allem Nachdruck für Einrichtung einer Abteilung einer Eoldnotenbank im Anschluß an die sächsische Staats bank zu wirken. Verschlungene Wege. Roman von Walter Burkhardt. 33. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Hermione trocknete ihre Augen, versuchte krampf haft, das Schluchzen zu unterdrücken, nahm sich aber vor, in Gegenwart ihres Onkels kein Wort weiter zu sagen. So legten die drei denn schweigend den kurzen Weg bis zum Haute zurück, gefolgt von Puck, der tiefgekränkt über die Abkürzung seines schönen Spazierganges mißmutig hinterher trollte. Im Hause angelangt, sagte Hermione: „Darf ich dich einen Augenblick allein sprechen, Großpapa, bitte?" Sie traten in das leere Eßzimmer ein, Varon von Rühling schloß die Tür, und Richard mußte zu seinem nicht geringen Aerger draußen bleiben. Mit seiner schlechten Laune flüchtete er in das Boudoir seiner Frau, warf sich dort in einen Sessel und begann, seinem Herzen Luft zu machen: „Es ist alles ins Wasser gefallen", sagte er wütend, „Ler Kerl war zwar leibhaftig da, aber er verschwand, sobald wir in Sicht kamen. Verdammtes Pech!" „Verdientes wolltest du wohl sagen, lieber Richard?" war alles, was die Baronin mitleidsvoll äußerte. „Danke, Hortense, das sieht dir mal wieder ähnlich", brummte er und fuhr dann gleichsam im Selbstgespräch sort: „O, es war alles so schön im Zuge! Ich hatte ven alten Herrn gestern abend so gut vorbereitet, er versprach mir schon beinah, sie aus dem Haus zu jagm, wenn sich das, was ich erzählte, als Wahrheit heraus stellen sollte. Aber es ist mehr wie zweifelhaft, daß er fein Wort hält, denn sie hat ihn jetzt beiseite genommen, und ich wette, in fünf Minuten wickelt sie ihn wieder um den Finger." „Das würde mich aufrichtig für Hermione freuen! Was sollte denn aus ihr werden, wenn Papa sie nicht in Räcknitz behält?" antwortete die L ironin mit sanfter Stimme und fügte im unschuldigsten Ton die Frage hinzu: „Würdest du sie in diesem Fall bei uns auf nehmen, lieber Richard?" „Das sollte mir einfallen! Meinetwegen könnte sie betteln gehen!" „Deines Bruders Kind? Du bist wirklich sehr komisch, Richard." Das Wort schlug ihn, wie immer, so auch heute. Er sprang auf und verließ das Zimmer, indem er grol lend feststellte, daß seine Frau ihn wieder mal nicht verstand. Währenddessen standen Großvater und Enkelin ein ander gegenüber. „Du hast mich getäuscht, Hermione", begann der Baron traurig. „Nein Großpapa, wenigstens absichtlich nicht. Es war ein Zufall, daß wir uns hier wieder trafen." „So bestätigt sich also meine Ahnung, der Mann ist jener - jener —!" „Es ist Mar Grün", fiel sie ihm leise ins Wort. Es entstand eine kurze Pause. Der alte Herr kämpfte sichtlich mit einem Entschluß. „Mein liebes Kind", begann er endlich, „wir müssen die Sache in aller Ruhe durchsprechen. Du agst, dieser — „Herr" — das Wort „Herr" wollte gar nicht über seine Lippen gehen — „sei Schauspieler?" „Er war es, Großpapa, jetzt hat er den Beruf auj- gegeben. Er ist Mitarbeiter mr einer Zeitung und schreibt nebenher einen Roman." „Also ein Tintenlleckser, so eine Art literarischer Eharlab n! "(rief der Baron entsetzt. „Das ist ja fast noch schlimmer. Und doch, wenn du ihn liebst, muß ja wohl ein guter Kern in diesem Unglücksmenschen stecken. Ich we^de also versuchen, ihm eine Lebensstellung zu schaffen, die deiner würdig ist; denn ich will meine kleine Minn! um jeden Preis glücklich sehen!" Es war schade, aß Richard von Rühling diese Worte nicht mit anhören -konnte, sie hätten ihn jedenfalls wenig entzückt. Hermione schlang ihre Arme um den Hals des alten Herrn: „Ach Großvapa, .wie gut, wie einzig gut du bist! Wie danke ich dir für rs, was du eben gesagt hast aber — es ist alles, alles nutzlos. Mar Grün und ich — wir haben uns für ewig getrennt!" „Nun, nim, er läßt sich vielleicht noch zurückrufen" meinte der V ron lächelnd. „Nein, Großpapa — unmöglich!" „Und warum das?" fragte der alte Herr und sah erstaunt auf Hermione. Ihre Augen blickten starr ins Leere, und ihre Stimme klang seltsam hart, während sie langsam und scharf betont sprach: „Er hat mir mein Wort zurückgegeben, er hat mir meine Liebe vor die Füße geworfen." „Das hat er gewagt, der Unverschämte? Es ist ja undenkbar!" Hermione fuhr aus ihrer Starrheit auf und brach in Tränen aus: „Es ist, wie ich gesagt habe, Großpapa. Er hat mich zurückgewiesen. O, Gott, was soll ich tun, was soll ich tun?" (F-rtsetzung folgt.)