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Kurze Mitteilungen. Der Präsident des Reichstages hat für Mittwoch, den 26. September, dpn Reichstag einberusen. Ter Reichsfinanzminister beabsichtigt starte Zotler höhungen zur Eindämmung der Einfuhr entbehrlicher und LurMgegenstünde. Es handelt sich um Erhöhungen von 33i/», 60 und bei zwei Warengattungen sogar über 100 Prozent. Zn den Berliner Tafes, in denen der wilde De- viscnhondel betrieben wird, wurde gestern abend eine Razzia veranstaltet, bei denen ausländische Bantnoten im Werte von 796 Milliarden Papicrmart zugunsten des Reiches beschlagnahmt wurden. Im Zusammenhang mit vertraulichen, sehr bedeut samen Erörterungen über die Frage des passiven Wider standes wird Reichsarbeitsminister Dr. Brauns auf Wunsch des Kabinetts seinen Urlaub abbrechen und nach Berlin zurückkehren. Der Vorsitzende des Ausschusses für das deutsche Voltsopfer betonte, daß das deutsche Voltsopfer mit aller Kraft fortgesetzt werden müsse! Die Rheinlandkommission erteilt den Franzosen Ee- waltvollmacht zur Ausbeutung der der Kommission un terstehenden Gebiete. Da in Hamburg ein großer Teil der Besitzer von Kraftwagen die Rhein-Ruhr-Abgabe an die Steuerstel len nicht entrichtet hatte, wurden die Kraftwagen von einem großen Polizeiaufgebot zwecks Untersuchung an gehalten. 89 Steuerhinterzieher wurden festgestellt. Zn der gesamten Schweiz wurde die Briesbestellung am Sonntag aufgehoben. Zn Bulgarien soll eine Gegenrevolution ausgebrochen sein. Die vereinigten Kommunisten und Bauern hätten in vielen Städten die Macht in ihre Hände genommen. Für den Wlkerbundsrat wurde der Korfukonflikt nun endgültig beigelegt. Die National-Litybank in Neuyork hat beschlossen, in Zukunft kein deutsches Papiergeld mehr anzu nehmen. Streikunruhen in Oberbuden. Die Streikenden fordern eine Wirtschaftsbeihilfe von 5V Schweizer Franken. Am Montag wurde wegen Lohnstreitigkeiten in zahlreichen Zndustrieorten des Wiese tales sowie in Lörrach die Arbeit niedergelegt. Dort wurden die Leiter verschiedener industrieller Un ternehmen von demonstrierenden Arbeitern gezwungen, in dem Dcmonstrationszug mitzumarschieren. Am Nach mittag kam es in Lörrach zu einem Zusammenstoß zwischen Schupo und demonstrierenden Arbeitern vor dem Bezirksamt. Die Schupo machte von der Waffe Ge brauch, wobei ein Demonstrant getötet und acht andere verletzt wurden. Der Zusammenstoß ereignete sich, als die Demonstranten versuchten, Verhaftete zu befreien und dabei das Drahtverhau, das die Schupo vor dem Vezirksamtsgebäude angelegt hatte, durchbrachen. Ausnahmezustand. — 200 Verhaftungen. Die Streiklage im oberbadischen Jndustriebezirk, vor alleminLörrach, hat sich in der Nacht und am Dienstag vormittag derart verstärkt, daß die badische Regierung sich genötigt sah, über dem Amts bezirk Lörmch-Schöpsheim-Schönau und Säkkingen den A u s n a h m e z u st a n d zu verhängen. In der Nacht zum Dienstag wurde die Sicherheitspolizei von den De monstranten fortgesetzt angegriffen. Die Demonstran ten gingen gegen die Sipo mit Handgranaten vor und schossen aus Karabinern und Revolvern. Die Polizei nahm etwa 200 Verhaftungen vor. Weiter haben die Demonstranten verschiedene Persönlichkeiten alsGeiseln weggeschasft. Als am Dienstag vormit tag die Angriffe auf die Polizei in verstärktem Maße Zunahmen, säuberte diese mit blanker Waffe die Stra ßen, während die Demonstranten aus Fenstern auf die Polizei schossen. Am Dienstag nachmittag kam es zu einem weiteren Zusammenstoß. Im ganzen wurden zwei Demonstranten verwundet, von denen einer bereits gestorben ist. Die Fabrikanten haben ihren Arbeitern bereits eine Abschlagszahlung auf die verlangte Wirtschaftsbeihilfe von 5 0 Schwei- zer Franken geleistet. Verschiedene Fabrikan ten haben jedem ihrer Arbeiter 15 Schweizer Franken ausgezahlt. Die Schokoladenfabriken haben noch zehn Pfund Zucker jedem Arbeiter gegeben. Andere Firmen haben ihren weiblichen Angestellten 110 und den männ lichen 150 Millionen als Abschlagszahlung auf die Wirtschaftsbeihilfe ausgezahlt. Eisenbahn- und Poftftillegung in Lörrach. Die Telunion meldet aus Lörrach: Der Eisenbahn verkehr ist stillgelegt worden. Von der Schweizer Grenze werden keine Güterzüge mehr auf badischem Gebiete angenommen, da sich ein Teil der Eise n- bahnarbeiterschaft mit den Streikenden soli darisch erklärt hat. Auch der Postverkehr ist in Lör rach eingestellt worden. Lediglich der Telegraphen- und Fernsprechverkehr funktioniert noch. Die als Geiseln festgenommenen Personen sind im Laufe des Dienstag nachmittag von den Demonstranten wieder freige lass e n worden. Sie haben aber so schwere Miß handlungen erlitten, daß sie das Krankenhaus aus suchen mußten. Die Schulen geschloffen, kein Wasser und elektrischen Strom. In einem Hause in Lörrach wurde einWaffen - lager entdeckt und beschlagnahmt und meh rere Verhaftungen vor genommen. Die sozialdemokratische Partei und die kommunistische Par tei haben einen gemeinsamen Aufruf ange schlagen, in dem die geschlossene Einheitsfront bekannt gegeben, Geschäfte und Banken aufgefordert werden, wieder zu öffnen, die Arbeiterschaft vor Roheitsakten gewarnt und gegen die Anwesenheit der Sicherheitspoli zei protestiert wird. Ferner teilen die beiden Parteien mit, daß sie einen gemeinsamen Ordnungsdienst ein richten wollen. In einem amtlichen Bericht über die Streiklage wird mitgeteilt, daß sich unter den Demon stranten verschiedene schlecht beleumun dete Elemente befinden, von denen einige ver haftet wurden. Die Schulen sind in Lörrach noch ge schlossen, ebenso ist die Wasser- und Elektrizitätsversor gung eingestellt. Nach weiteren Meldungen versuchen aus Lörrach kommende junge Burschen, die Bewegung auch nach anderen Städten Oberbadens zu tragen. Generalstreik in Freiburg. Dienstag mittag wurde in Freiburg der General streik erklärt. Die Streikenden stellen die gleichen For derungen wie diejenigen in Lörrach. Die Ruhe ist bisher nirgends gestört worden. Die Schutz polizei und Gendarmerie wurde verstärkt. Politische Tagesschau. Zm Relchsrat wurde die Vermehrung der Neichs- bantbeamten um rund 1300 Personen beschloßen mit Rücksicht auf die Währungsverhältnisse. Weiter stimmte der Reichsrat einer Verordnung des Reichssinanzmi- nisters zu, die es den Ländern und Gemeinden zur Pflicht macht, für den 1. Oktober lediglich die Verausgabung eines Monatsgehaltes für die Beamten vorzubereiten. Sozialdemo Irakische Forderungen. Der „Vorwärts" berichtet: Der Vorstand der sozialdemokra- tischen Reichstagsfrattion beschäftigte sich mit der außen- und innenpolitischen Lage Deutschlands. Es bestand Ein mütigkeit darüber, daß von der Reichsregierung alles getan werden müsse, um von deutscher Seite schleunigst zu Verhandlungen mit Frankreich zu kommen mit dem Ziele: Befreiung des Ruhrgebietes und der Wiederher stellung vertragsmäßiger Zustände. Zn Bezug aus die innenpolitische Lage wurde von aßen Seiten der unge heure Ernst, Ler durch den Währungssturz, durch dre Preissteigerungen, durch die Erwerbslosigkeit und durch Mangel an Nahrungsmitteln geschaffen wurde, betont. Außer den von der Regierung bereits angekündigten Schritten wurden gefordert: Einschränkung aller nicht un bedingt notwendigen Einfuhren auch an Kohle. Ferner wurde verlangt, daß bei Betriebsstillegungen die Mit glieder des Betriebsrates schärfstens zu prüfen Huben, ob sich die Stillegung unbedingt notwendig macht. Bei unrichtiger Betriebsstillegung sollen alle den Unternehmen gehörigen Rohstoffe und Devisen enteignet werden. Außer dem wurde Sicherstellung der Ernährung gefordert. Die Danziger Währung. Ms Vorläufer der neuen Danziger Währung kommen vom Freitag ab In dustrie-Schecks zur Ausgabe. Es sollen Scheine von 10, 20 und 50 Eoldpfennigen und 1 Mark, 2 Mark, 2,10 Mark (gleich einem halben Dollar) und 4,20 Mark (gleich einem Dollar) ausgegeben werden. Griechenland. Die Erfüllung der Sühneforderungen. Die griechische Regierung brachte vorgestern die von der Botschafterkonferenz vorgeschriebenen Entschuldigungen wegen Ermordung der italienischen Mission vor. Bei der Einschiffung der Leichname der ermordeten Offiziere erwiesen zwei Znfanteriekompagnien und ein Torpedoboot die Ehrenbezeugung. Gestern fand im Hafen von Phale- ron das vorgeschriebene Salutschüßen vor den Alli ierten statt. Spanien. General Derivera deutschfeindlich. In ganz Spanien herrscht jetzt Ruhe. General Derivera bewies in einer längeren Aeußerung seine Deutsch feindlichkeit. Aus aller WeLt. ** Schwere Verbrecher. In der Nacht zum 14. die ses Monats wurden bei einem Gutsbesitzer in Jeßnitz bei Guben von Einbrechern Silbersachen im Werte von etwa 200 Milliarden Mark gestohlen. Zwei Land jäger besetzten den Bahnhof Jeßnitz und nahmen hier fünf Täter fest. Einer von diesen zog plötzlich eine Pistole, tötete einen der Beamten durch Kopfschutz und verletzte den zweiten so schwer, Latz er zusammenbrach. Der Beamte streckte im letzten Augenblick einen der Ver brecher ebenfalls durch einen Schutz tödlich nieder. Eini gen nunmehr herbeigeeilten Beamten gelang es, einen der Täter festzunehmen, während Lie drei anderen in einem in der Nähe stehenden Kraftwagen die Flucht er griffen. Die weiteren Ermittlungen führten in Berlin zur Festnahme des wohnungslosen Arbeiters Kolzak, der noch eine Milliarde Bargeld besaß. Der in Jeßnitz festgenommene Verbrecher ist ebenfalls ein Berliner Ar beiter. -- Folgenschwere Zugentgleisung. Am Montag abend entgleiste, wie aus Karlsruhe gemeldet wird, bei der Einfahrt in den Bahnhof Jöhlingen vom Personen zug 318 der viertletzte Personenwagen. Ein Reisender wurde getötet; seine Person ist noch nicht festgestellt. Zwei weibliche Personen wurden schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt. * Die Eltern mit Arsenik vergiftet. Der 30jährige Bauer Plendel in Hundschweiß bei Wörth a. D. ver giftete seine Eltern mit Arsenik, weil sie seiner Heirat im Wege standen und das Anwesen seinen beiden Brüdern übergeben wollten. Die Brüder enrgingen dem Vergiftungsanschlage, weil sie das Arsenik erbrechen mutzten. Der ruchlose Mörder wurde verhaftet. ** Festgenommene Großschmuggler. In Hamburg wurden durch Kriminalbeamte drei aus Wien zugereiste Speditionsbeamte festgenommen, als sie sich gerade auf der „Holfatia" nach Mexiko einschiffen wollten. Die Festnahme der drei erfolgte auf Veranlassung des Wie ner Landesgerichts wegen gemeinschaftlichen Schmug gels zollpflichtiger Waren im Werte von ungezählten Milliarden. Zwei der Verhafteten sind geständig, wäh rend der dritte jede Schuld bestreitet. ** Feuersbrunst. In Wolterdingen bei Donau eschingen brach im Sägewerk des Strobelwerkes Feuer aus, das sich bei dem herrschenden Sturm mit großer Schnelligkeit ausbreitete. Viele Wohnhäuser und Wirt schaftsgebäude wurden eingeäschert. Zwei Kinder sind verbrannt. * Erdbeben auf Malta. Am Dienstag früh 7.35 Uhr wurde die Insel Malta von einem Erdbeben heim gesucht, das zehn bis zwölf Sekunden dauerte. Einige Häuser wurden mehr oder weniger beschädigt. Opfer an Menschenleben sind nicht zu beklagen. Unter den Kir chenbesuchern, die der Morgenmesse beiwohnten, kam es zu panikartigen Szenen. Die Erdstöße sollen stärker ge wesen sein, als sie jemals auf Malta verspürt wurden. Verschlungene Wege. Roman von Walter Burkhardt. 6. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Mar Grün eilte ihr entgegen. „Hermione, mein rlleb, ich Lanke dir, daß du ge kommen bist! Und nun erzähle mir alles. Wie hat der alte Herr dich empfangen? War er freundlich, wirst du glücklich sein?" „Er war freundlich, sehr freundlich — aber glück lich sein! Ach Mar, ich habe deinen Nat befolgt, ich habe ihm gleich gestern gesagt, daß wir verlobt sind —" „Und — „Gestern abend nannte er es nur eine Torheit, über Lie er nicht weiter sprechen wollte. Heute aber, gleich nach Lem Frühstück ließ er mich rufen; er fragte mich genau nach allem — und -- ich glaube — daß du arm bist. — darüber würde er hiuwegsehen — aber —" „Den Schauspieler kann er mir nicht vergeben, nicht wahr?" „Er verlangt, daß ich dich aafgeben soll, Mar." „Uno du?" Er sah ihr fest in die Augen; sie hielt den Blick ruhig aus und antwortete einfach: „Ich werde dich niemals ausgeben, Mar." Da nahm er die seine, zarte Mädchenhand und hielt sie fest mit innigem Druck. „Nimm mich fort von hier", bat Hermione, „nimm mich mit. Wir wollen zusammen zum alten Leben zu rückkehren. Was kümmert uns Armut, wenn wir ein ander haben! Ich soll dich hingeben, um in einem gol denen Käfig ein bequemes Leben zu führen, in Reich tum und Ueberfluß. Das kann, das will ich nicht, Mal" Aufschluchzend lehnte sie an seiner Schulter. Da legte er den Arm um die junge, zitternde Gestalt und hielt sie fest an seinem Herzen. Hatte Hermione nicht recht? Gehörten sie nicht zu einander? Wer wollte ihn hindern, diese holde Blume an sich zu reißen, damit sie seinen einsamen, schweren Lebensweg schmückte? Aber seine Liebe, die übermächtig, tief und rein war, hinderte ihn. Er dachte an alles, was zwischen ihm, dem Manne, der nicht einmal seinen wahren Namen nennen durfte, und der Enkelin des Barons von Rühling lag. Ein weiter, tiefer Abgrund trennte sie. „Hermione, mein Lieb, ich kann, ich darf ein Opfer nicht annehmen, Lessen Größe du selber nicht ahnst. Ich hatte kein Recht, deins Liebe zu erwerben, ich habe lein Recht, sie zu behalten. Ich darf dich nicht hinabziehen in das Leben voll Elend und Entbehrung, vor dem deine Mutter dich schützen wollte. Deshalb solltest du dich unter den Schutz deines Großvaters begeben. Ich habe der Sterbenden versprochen, dich nach Schloß Röcknitz zu führen, du halt ihr versprochen, dort zu bleiben, wenn dein Großvater dich aufnehmen will — so muß es nun geschehen. Menn ich dich liebe, Hermione, so ist cs, weil es nicht in meiner Macht steht, der Liebe zu wehren; niemals aber (oll meine Liebe dein Verhängnis, dein Fluch werden. Du mußt tun, was man von dir verlangt, Hermione, du mugt mich vergessen." „Niemals, Mar!" „Du bist sehr jung, Hermione, — man überwindet so etwas wohl. Wenn du einen Freund brauchst, wirst du mich bereit finden. Du wirst immer wissen, wo ich zu finden bin, für jetzt aber müssen wir Abschied nehmen. es ist der Wunsch deiner Mutter, Hermione, der uns trennt!" Eine Wolke war vor die Sonne getreten, der goldene Morgen war trüb und dunkel geworden. Von Len Dünen her wehte der Wind und wirbelte welkes Laub durch den Wald. Das war die Stunde, in der Mar Grün mit eiser ner Willenskraft der schwersten Versuchung seiner Le- bens widerstand und seine ganze Ueberredungskunst auf bot, um Hermione zu überzeugen, daß die Trennung not wendig und geboten, daß es ihre Pflicht sei, den Wunsch der sterbenden Mutter zu erfüllen und in Schloß Röck nitz zu bleiben, so lange der Großvater ihr dort ein Heim bot. Ein langer, stummer Händedruck noch; dann war alles vorüber. Das Leben hatte diese beiden Menschen getrennt. Getrennt für immer? „Wenn mein Vater mir verzeiht, wenn ich meinen Namen wieder tragen, die Lebensstellung wieder ein nehmen darf, die mir gebührt, dann will ich zu dir lam men, Hermione, dann, nur dann, will ich um die Tochter Walter von Rübling«! werben." Das gelobte sich Mar Grün, während er der schlanken Mädchengestalt nachblickte, wie sie langsam und müde ihrer neuen Heimat, dem Schloß Röcknitz, zu schritt. IV. In der düstern Bibliothek saß Hermione und war tete auf ihren Großvater. (Fortsetzung folgt.)