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Landwirte, helft dem Vaterlande! Ein Aufruf des Reichsausschusses der deutschen^Landwirtschast. Im Anschluß an die gestrigen Besprechungen beim Reichskanzler erläßt der Reichsausschuß der deutschen Landwirtschaft folgenden Aufruf: An die deutschen Landwirte! Wir haben heute mit der Neichsregierung über die Not der städtischen Bevöl kerung und die schwere Zeit beraten, die in der Versor gung mit Lebensmitteln ihr erwachsen. DieNotindenStädtenistgroß. Es fehlt insbesondere an Kartoffeln, aber auch an anderen Lebensmitteln. Die deutsche Landwirtschaft trifft keine Schuld an dieser Not. Infolge der Ruhrbesehung ist die Einfuhr von Nahrungsmitteln aus Mangel an Devisen so gut wie unmöglich geworden, so daß die Erzeugung der deut schen Landwirtschaft mehralsjedie Grundlage un serer Volksernährung bildet. Aber die Ernte hat sich um vier Wochen verspätet, und die schon reife Ernte konnte infolge Streiks im Transportgewerbe nicht be fördert werden, so daß sich die Zustellung wesentlich ver zögert hat. Mit der Neichsregierung sind wir einig in der Ueberzeugung, daß alles daraus ankommt, der städtischen Bevölkerung über die Schwie rigkeiten der nächsten Wochen hinwegzuhelfen, obgleich Vorräte in der Landwirtschaft im allgemeinen nur in einem Umfange vorhanden sind, die den dringendsten Bedarf bis zur neuen Ernte decken dürften. Die Städte dürfen von Nahrungs mitteln nicht entblößt bleiben. Auch Eine Reihe Steuergesetze zur Hebung der Finanzen des Reiches. An erster Stelle: Das Nhein-Ruhr-Opfer. Das Reichskabinett hat eine Reihe von Steuer gesetzen angenommen, die dazu bestimmt sind, dem Reiche, dessen Ausgaben durch die fortschreitende Geld entwertung immer bedrohlicher anwachsen, in kürze ster Frist neue erhebliche Einnahmen zu verschaffen. An erster Stelle steht das Rhein-Ruhr- Opfer, das in zwei Teile zerfällt. Der erste Teil sieht für die leistungsfähigen Einkommensträger, d. h. für diejenigen Einkommensteuerpflichtigen, die den er höhten Vorauszahlungen unterliegen (Handel, Indu strie, Landwirtschaft und Gewerbe) eine Abgabe vor, die aufgebaut ist auf den erhöhten Vorauszahlungen zur Einkommensteuer für das dritte und vierte Kalender vierteljahr 1923 und für das erste Kalendervierteljahr 1924. Die Abgabe soll in drei Raten bezahlt und mit den gesamten Vorauszahlungen verbunden werden. Die erste Rate soll also noch im August fällig sein. Zwecks beschleunigter Einzahlung der zweiten und dritten Rate soll der Vorauszahlungstermin für das vierte Kalendervierteljahr 1923 vom 15. November 1923 auf den 5. Oktober 1923 und für das erste Kalender vierteljahr 1924 vom 15. Februar 1924 auf den 5. Ja nuar 1924 vorverlegt werden. Jede der drei Raten soll das Doppelte der eigentlichen Vorauszahlungen be tragen. Die erste Rate, die im August fällig wird, wird also das Fünfzigfache der nach dem Einkommen von 1922 berechneten Vorauszahlungen ausmachen. Die weiteren beiden Raten im Oktober 1923 und Januar 1924 werden erheblich höher sein, weil infolge der inzwischen fortgeschrittenen Geldent wertung mit einer starken Erhöhung der Multiplika toren für die Vorauszahlungen zu rechnen ist. Die Erwerbsgesellschaften sollen ein Vielfaches ihrer Körperschafts st euer für das ver gangene Geschäftsjahr entrichten. Die Zahlungs termine sollen die gleichen wie bei den physischen Per sonen fein. Bei den Gesellschaften, deren Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, soll die erste Rate, die im August zu zahlen ist, die Hälfte der Körperschafts steuer für das Geschäftsjahr multipliziert mit 35 be tragen. Darüber hinaus sollen die Einkommensträger, die unseren Brüdern an Rhein und Ruhr müssen wir helfen und ihnen im Abwehr kampfe beistehen. Auf den Feldern harrt eine gute Körnerernte. Das, was schon gedroschen ist, muß sofort zum Ber kau f kommen. Wenn es die Reife der Kartoffeln ge stattet, müssen sie den Verbrauchern unumgänglich und möglichst reichlich geliefert werden. Was in den Kräften der Landwirtschaft steht, muß jetzt geschehen. Wer daran nicht mit- wtrkt, schadet dgr Gesamtheit des Volkes und da mit am schwersten dem eigenen Be rn f s st a n d. Sache der Regierung wird es sein, für Ruhe und Ord nung zu sorgen, damit die Erntearbeiten ungestört vonstatten gehen können und Angstkäufe ver mieden werden. An alle deutschen Landwirte geht unser Ruf und unsere Mahnung, helft, daß alles, was an Erträgnissen des Landes zum Verkauf steht, unver züglich geliefert wird und in die Hände der Verbraucher kommt. Die in allernächster Zeit zu erwartende Her ausgabe einer wertbeständigen Anleihe soll euch in die Lage versetzen, den Erlös so anzulegen, daß er euch zur freien Verfügung eurer Wirt schaft erhalten bleibt. Helft dem Vaterlande, ihr helft damit am besten auch der deutschen Landwirt schaft. nicht den erhöhten Vorauszahlungen unterliegen, aber im Jahre 1922 ein Einkommen von mehr als einer Million Mark haben, mithin auch als leistungsfähig angesehen werden können, im August das Fünfundzwanzigfache und im Oktober und im Januar das Fünfzigfache ihrer Voraus zahlung auf die Einkommensteuer für das jeweils maßgebende Kalendervierteljahr zahlen. Weiter sollen zum Rhein-Ruhr-Opfer auch die Per sonenkreise beitragen, die sich den besonderen Aufwand eines Kraftwägens, sei es für ihre persönlichen Zwecke, sei es für die Förderung ihres gewerblichen Be triebes, gestatten können. Das Opfer beträgt das Fünfziafache der Kraftsahrzeugsteuer nach dem Stande vom 1. September 1923. Bei Kraftfahrzeugen, die der Lastenbeförderung dienen und daher wesentlich in gewerbliche Zwecke eingeordnet sind, soll ein Opfer in Höhe vom Fünffachen der Steuer gefordert werden. Das Rhcin-Ruhr-Opser soll von den Steuerpflich tigen, die in den besetzt enEebieten wohnen oder dort ihren Ort der Leitung haben, sowie von den Steuerpflichtigen, die aus Anlaß der Besetzung ihren Wohnsitz oder Ort der Leitung unfreiwillig verloren haben, nicht erhoben werden. Zu dieser Belastung des Besitzes treten Abände rungen einzelner Verbrauchssteuer. Die Bier steuer soll, wie es bereits durch das Biersteuergesetz von 1918 vorgesehen war, auf etwa 20 Prozent der Brauereipreise oder 8 bis 10 Prozent der Kleinver kaufspreise gebracht werden, nachdem die vom Reichstag im Jul' beschlossene Erhöhung der Biersteuer als aus reichend- nicht angesehen werden kann. Die Mine- ralwassersteuer soll aber aufgehoben wer den, nachdem der Reichstag die Erhöhung der Steuer abgelehnt hat. Die bierähnlichen Getränke, die bisher der Mineralwassersteuer unterlagen, werden in die Biersteuer eingegliedert. Ferner ioll bei der Vier-, Zucker-, Salz-, Zünd- waren-, Leuchtmittel-, Spielkarten- und Kohlensteuer durch Verkürzung der Fälligkeitsfristen ein mög lichst rascher Eingang dieser Steuern bewirkt werden. Des weiteren soll der Zahlungsauf schub bei Branntweinaufschlag und Essigsäuresteuer be seitigt werden. Endlich handelt es sich um ein Steuerzins- qesetz, durch das der Finanzminister die Ermächtigung Schicksalswende. Roman von A. Seifert. S2. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Nur die Blässe seiner Züge verriet etwas von dem, was in ihm vorging. Doch es achtete keiner darauf. Auch das Interesse für die Älütenpracht der Aza leen war nicht mehr vorhanden. Stumm verließen alle drei das Treibhaus und gingen, jeder mit seinen Ge danken beschäftigt, langsam durch den Garten. Es erledigte sich nun alles in der einfachsten und natürlichsten Weise. Almida bat den Rat, einen Imbiß zu nehmen. Herr Wengdorf müsse jeden Moment kommen, und gern sagte er zu. Im Hause vermutete keiner, daß Mahnert der Gast sei, welcher auf Frau Wengdorfs Befehl abgewie sen werden sollte. Der Rechtsanwalt gehörte gewissermaßen zur Fa milie, es kam häufiger vor, daß er Besuch mitbrachte. Almida beauftragte den Diener, den Teetisch zu bereiten und auch Sekt kalt zu stellen. Dann, der Worte Herrn Wengdorfs eingedenk, daß ihm alles daran gelegen sei, den Kommerzienrat zu ge winnen, war sie bestrebt, mit all ihr zu Gebote stehen den Anmut die Wirtin zu machen. Sie war einfach bestrickend, und gern gab Mahnert sich dem Zauber dieser Stunde hin. Dunkel kam es ihm zur Erkenntnis, daß ein vollwertiger, verehrungswür diger Mensch denn doch höher zu bewerten ist, als Berge von Gold. Dann kam Wengdorf nach Hause. Und er fand alles, wie er es gewünscht, im besten Einvernehmen. Mit strahlender Miene setzte er.sich zu. den anderen. Er war zwar verwundert über die Abwesenheit seiner Frau, aber er fand jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Man plauderte noch eine Weile, dann begaben dis Kaufherren sich in Wengdorfs Zimmer. Aus den sil bernen Weinkühlern lugten ihnen zwei schlanke Fla schenhälse entgegen, auch für einen kräftigen, delikaten Imbiß, wie die Herren ihn lieben, war gesorgt. Durch das kleine Abenteuer mit Almida angeregt, schwelgte der Rat in gehobenster Stimmung, und leich ter, als Wengdorf es erwartet, ging er auf dessen In teressen ein. Sie wurden sHr bald handelseinig und schieden als gute Freunde. Mahnert besaß Zwei heiratsfähige Töchter, und trotz aller für Almida gehegten Freundlichkeit regte sich der Wunsch in ihm, Hubert Wengdorf näher kennen zu lernen. Willkommener als diese Verbindung konnte ihm keine sein. Es käme Geld zu Geld und die Interessen gingen konform. Almida aber saß in ihrem hübschen Stübchen, in dem sie sich vollkommen eingelebt hatte, und schrieb an Hu bert. Sie war so glücklich heute, und ihre Zeilen flos sen über von Zuversicht und süßer Sehnsucht. Erstens freute es sie, daß er ihre Liebe so warm und eindringlich verteidigt hatte, und dann, daß es ihr ge lungen war, Frau Wengdorfs Absicht so vollständig zu durchkreuzen. Davon erwähnte sie jedoch kein Wort. Aber daß Mahnert dagewesen, sie erkannt habe und nun um ihr Geheimnis wisse, teilte sie ihm mit. Auch in diesem Schreiben betätigte sich ihr mütterlicher, fürsorgender Sinn. Weder beunruhigte sie Hubert, noch regte sie ihn auf. Schon jetzt sollte er lelia sein, nichts Unerreich« erhalten soll, für Verzugszinsen und Zinsen, die bei Steuerstundungen gewährt werden, einen wesentlich höheren Zins als bisher festzusetzen. Alle diese Entwürfe liegen bereits dem Reichs rat vor. Aus dieser amtlichen Meldung ergibt sich, daß die erste Rate des Rhein-Ruhr-Opfers bereits im August fällig sein soll. Es ist also damit zu rechnen, daß in kürzester Zeit größere Steuerbeträge hereingebracht werden. Durch die Einführung des Multiplikators sollen allmählich auch die direkten Steuern wertbeständig gemacht werden, was für die indirekten Steuern ihrer Natur nach bereits jetzt im gewissen Sinne erreicht ist. Die Erhebung einer Exportabgabe in Höhe von zwei Prozent, die angeregt war, ist nach dem „B. T." vom Reichskabinett abgelehnt worden. Ter Hunger soll Me mW In mehreren Städten des Ruhrbezirks haben die Franzosen in den letzten Tagen auf den Märkten und bei den Lehensmittelhändlern die Kartoffeln und andere Lebensmittel systematisch aufgekauft, und zwar in solchem Maße, daß f ü r die Bevölkerung nichts übrig blieb. Nur wenige Händler haben den Verkauf von Kartoffeln an die Franzosen verweigert, während sie sich meistens dem Aufkauf ihres gesamten Vorrats nicht widersetzten. Deshalb richtet sich die Erbitterung der Bevölkerung nicht nur gegen das durchsichtige Verhalten der Fran zosen, sondern auch gegen diese Händler. Man verlangt von den zuständigen Stellen, daß gegen diese Händler eingeschritten werden soll. Entschuldigend für die Händler kommt in Betracht, daß die Franzosen sich in einigen Weigerungsfällen, an sie Waren abzugeben, ohne weiteres der gesamten Warenvorräte ohne jegliche Bezahlung bemächtigten. Dieses neue Aushungerungsverfahren der Fran zosen ist nicht ganz ohne Wirkung geblieben, denn wie aus Gelsenkirchen gemeldet wird, ist gestern eine einige tausend Mann umfassende Abteilung der Be legschaft einer großen Zeche des Industriezentrums nicht zur Arbeit erschienen. Der Betriebsrat ließ die Zechenleitung wissen, die Abteilung könne nicht arbeiten, da die Frauen der Arbeiter seit Sonnabend ohne Kartoffeln und die Bergleute infolgedessen nicht genügend ernährt seien, um die Arbeit zu verrichten. Unruhen in Oberhausen. 2 Tote und 7 Verletzte. Am 1. August wurde in Oberhausen früh bekannt, daß ein Teil der Arbeiter der „Gutehoffnungshütte" sich auf der Essener Straße versammelt habe, um eine De monstration nach dem Stadtinnern zu unter nehmen, um die Leute für die Forderungen der Arbei- rerfchaft zu interessieren. Die ganze Bewegung geht offenbar von linksradikalen Elementen aus, die der Firma ein Ultimatum zur Erfüllung ihrer Forde rungen bis 10 Uhr vormittags gestellt hatten. Etwa 5000 bis 6000 Arbeiter versammelten sich auf der Esse ner Straße, um zu demonstrieren. Man bemerkte außer ordentlich viel Jugendliche, von denen ein großer Teil mit Knüppel und Spaten bewaffnet waren. Da anzunehmen war, daß durch diesen Umzug die öffent liche Sicherheit gestört wurde, wurde ein Polizeiaufgebot nach der Mülheimer Straße entsandt, das den Zug auf hielt, und die Teilnehmer zum Auseinandergehen auf forderte. Da dieser Aufforderung keine Folge geleistet wurde, und auch verschiedentlich Schreckschüsse die Menge nicht veranlaßten, sich aufzulösen, wurden scharfe Schüs.se seitens der Beamten abgegeben. Daraufhin zog sich die Menge zurück, um 500 Meter weiter zurück abermals Stellung gegen das Polizeiaufgebot zu nehmen. Wie bisher be kannt ist, ist ein Toter und fünf Verwundete zu ver zeichnen. Eine Deputation der Menge sprach nach dem Zusammenstoß bei dem Polizeipräsidenten vor, und bat um die Freigabe der Demonstration. Die Mitglieder der Deputation wurden dringend ersucht, beruhigend auf die Menge einzuwirken, und sie zum Äuseinander- bares wünschen, so wollte sie ihn haben, nicht belastet mit Zweifeln und Trostlosigkeit. Sie gab sich den beglückendsten Vorstellungen hin. Ihre Liebe war stark, ihren Mut konnte keiner brechen. Es gab nichts Schöneres, als sich geliebt zu wißen von einem, der über allen stand, den die reichsten und vornehmsten Mädchen begehrten, der aber nur eine wollte — sie selbst. 14. Kapitel. Kurze Zeit darauf erhielt Mertens von seiner Base ein Schreiben, das. folgendermaßen lautete: „Lieber Vetter, in meiner großen Bedrängnis und Not wende ich mich an Dich, der mir schon manchmal treue Freundschaft bewiesen hat. Früher handelte es sich um dumme Mädelstreiche, zu denen ich in der Back fischzeit neigte. Jetzt betrifft es meine Zukunft. Die Eltern wollen mich durchaus verheiraten, und der Mann, welchen sie mir zugedacht Halen, ist mir in der Seele zuwider. Du mußt mir beistehen Paul: über lege. wie es geschehen kann! Bin ich dreißig Jahre ledig geblieben, um mich an einen Meistbietenden ver schachern zu lassen? Ich bin ein Charakter. Der eine, welchem mein Herz gehört, weiß nichts davon, oder will es nicht wißen, und einen anderen mag ich nicht, und wenn er in Gold gefaßt wäre. Doch ich will ausführlich sein. Mein Bewerber — er heißt Franz Harnisch — hat vor einigen Monaten ein reiches Erbe angetreten und spielt hier seitdem eine große Rolle. (Fortsetzung folgt.)