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Kurze Mitteilungen. Staatssekretär von Trendelenburg ist gestern bend in Paris eingetroffen. Der deutsche Botschaf- t von Hoesch wird an den kommenden Verhandlungen Yen Anteil nehmen. Nach Rückgabe der Regiebahnen Dat auch die stichsbahndirektion Essen seit dem 20. No- Aber ihren Sitz wieder nach Essen-Ruhr verlegt. Der Direktor der Königsberger Messe, Dr. Wigand, ü sich an die Petersburger Handelskammer mit dem »suchen gerichtet, das Museum der Handelskammer auf Dn Monat nach Berlin zu transportieren, um dort lie Ausstellung der russischen Industrie zu ttanstalten. Das Kriegsgericht in Amiens hat den früheren putschen Offizier Bertina und den Stabsarzt stetes in Abwesenheit zu je 20 Jahren Zwangs arbeit verurteilt. In New-Porker Börsenkreisen behauptet sich hart- Äig das Gerücht, daß München, Augsburg, Nürnberg, stirzburg und Regensburg in New-Pork eine Anleihe i! Gesamtbeträge von zehn Millionen Dollar chunehmen beabsichtigen. Innerhalb der italienischen liberalen Partei haben die Meinungsverschiedenheiten derart verschärft, daß »an in parlamentarischen Kreisen mit dem Austritt er saszistenfreund.ichen Liberalen aus der Regierung rechnet. Die Negierung von Angora hat ms Folge eines Mißtrauens Votums in der Kammer demis - i v n i e r t. Wie aus Helsingfors gemeldet wird, hat die Agrar- Dtei der jetzigen Regierung ihre Unterstützung entzogen, He daraufhin ihren Rücktritt einre'chte. ! Nach den letzten Meldungen haben die Truppen der Dahabiten Konsuda und Rabat besetzt. Eine neue Offensive gegen den König von Hedjas ist Kürze zu erwarten. Die japanische Regierung hat beschlossen, Den Gesandten in Peking anzuweisen, seine Verhand- »ngen mit Rußland fortzusetzen, wenn eine Ver gärung in den grundlegenden Fragen erzielbar erscheint. Deutschland und der Völkerbund. Eine unbefriedigende Erklärung Herriots. Der französische Ministerpräsident Herriot hat in der letzten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Senats eine Erklärung über die Frage fer Zulassung Deutschlands zum Völker sund abgegeben und dabei betont, daß die Einrüu- stung eines deutschen Sitzes im Völkerbundsrat erst mnn in Frage käme, wenn der Völkerbundsrat erwei tert worden ist. Wie wir hören, hat diese Erklärung Serriots in den Berliner außenpolitischen Kreisen einen »u ß e r o r d e n t l i ch ungünstigen Eindruck glicht. Die bereits früher erörterte Erweiterung des Werbundsrates würde nämlich dazu führen, den deut- ^hen Einfluß zu vermindern und ein Stimmenmehr- scitsverhältnis gegenüber dem deutschen Mitglied zu Ochern. Cs ist sehr wahrscheinlich, daß Außenminister D. Stresemann bei passender Gelegenheit in einer ge aus diese Erklärungen Herriots antworten wird, »Ul aufs nachdrücklichste festzustellen, daß der E i n f l u ß 'ines deutschen Völkerbundsratsmit- Uiedes nicht künstlich beschränkt wer den darf, da sonst die Teilnahme Deutschlands am Völkerbund völlig wertlos wäre. Ein englischer Wink an Deutschland. Von englischer Seite wird neuerdings wie der mit ausfallendem Eifer betont, daß ein etwaiges Massungsgesuch Deutschlands zum Völkerbund mit kößtsr Beschleunigung behandelt werden wird. Wie wir hierzu von unterrichteter außenpolitischer Seite er- ^hrcn, ist bis zur Stunde noch keine Fühlungnahme fischen der deutschen und der englischen Regierung er- lvlgt, aber es ist für die nächsten Tage eine Aussprache Wischen dem deutschen Botschafter in London, Dr. Chamer, und dem englischen Premierminister Bald uin vorgesehen. Nach den neuerlichen Aeußerungen Der Erbe. Roman von O. Elster. ^9 Fortsetzung sNachdruck verboten.) „Was ist geschehen, Minna?" fragte Hilde erschrok- kn, die Hände der Freundin ergreifend. Minna lehnte den Kops an die Schulter Hildes Ind weinte eine Zeitlang bitterlich vor sich hin. Sie vermochte nicht zu sprechen, aber Hilde verstand sie auch ohne Worte. „Es ist nichts und doch vieles geschehen," sagte Rinna nach einer Weile. „Ich kann es dir — ich kann es niemand sagen! Fritz — o, er ist doch der Vater Zeiner Kinder, ich muß schweigend mein Schicksal 'ragen!" „Dein Mann war verreist?" „Ja, er war einige Wochen in Berlin und anders wo. Und da ist er denn wieder mit diesen schlechten grauen zusammengekommen — du kennst sie ja. Mit spöttischem Lächeln erzählte er mir, daß sie in diesem Sommer wieder zu uns kommen würden . - . und ich >.. ich muß das alles mit ansehen - . . und muß für sie Arbeiten . . . und er . . . ach, er tut es ja doch nur um schnöden Geldes willen- Ich kann ihn nicht mehr Mten. — Das ist das Schreckliche von allem, Hilde, kleine Liebe zu ihm ist ja längst erstorben — jetzt hat auch meine Achtung verloren. Ach, Hilde, könnte ich ^it dir gehen!" „Du wirst mich im Laufe des Sommers besuchen, Aebste, und dann wollen wir einige Wochen still und friedlich zusammen verleben- Du bringst natürlich stine Kinder mit. Dein Vater wird ja auch auf Schloß Aiedberg wohnen, und wir werden glücklich sein in dem Men Frieden unseres Lebens," maßgebender englischer Blätter, die dem Premier minister Baldwin nahestehen, ist mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß England die deutsche Regierung dazu anregen will, baldmöglichst ein Aufnahmegesuch an den Völkerbund zu richten. Aus aller Welt. Noch ein Opfer des Hochwassers. Aus Bonn wird gemeldet: Seit dem 4. November wird hier der Student Hans Thomas vermißt. Es wird angenommen, daß Thomas ein Opfer des Hochwassers geworden ist, da er am Rhein wohnte. * Verschüttet. Auf dem Braunkohlenschacht der Deutschen Solvay-Werke in Osternienburg wurde der Bergarbeiter Fuchs aus Cöthen durch plötzlich herein brechende Erdmassen verschüttet. Der Unglückliche konnte nur als Leiche geborgen werden. * Vom Zuge zerstückelt. Auf den Gleisanlagen der Strecke Bitterfeld-Berlin wurde die Leiche eines Mannes zerstückelt ausgefunden. Nach den amtlichen Feststellungen handelt es sich um den in Bitterfeld woh nenden 43jührigen Arbeiter Ernst Sperling. Die Ur sache des Unglücks konnte noch nicht festgestellt werden. * Eine Falschmünzerwerkstatt ausgehoben. Polizei und Landjägern gelang es, in Barleben (Bez. Magde burg) eine Falschmünzerwerkstatt stillzulegen. Die Tä ter wurden verhaftet. * Ein freudiges Wiedersehen erlebten in Forchheim zwei Fechtbrüder. Ins Ortsgefängnis wurde dort die ser Tage ein junger Fechtbruder gesteckt. Bald nachher erhielt er Gesellschaft durch einen Zweiten Wanderer von der Landstraße. Erst betrachteten sich die beiden ziem lich eingehend, dann stießen sie laute Rufe freudigster Ueberraschung aus. Zwei Brüder, die sich seit langen Jahren nicht mehr gesehen und ihre gegenseitigen Aufenthaltsorte nicht gekannt hatten, haben im Orts arrest des kleines Städtchens ein gewiß nicht alltäg liches Wiedersehen gefeiert. " Einbrecher auf einem pommerschen Gute. Auf dem Gute Neuhaus im Kreise Greifenhagen sind Ein brecher in das Eutshaus eingedrungen und haben dem Besitzer Zelter aus dem Büfett sämtliches Silberzeug gestohlen. Außerdem erbeuteten sie eine Ledertasche mit 500 Mark Bargeld. * Mordversuch auf einen Polizeikommissar. Aus Oldenburg wird gemeldet: In Delmenhorst hat ein Landwirtssohn einen Mordversuch auf einen Polizei kommissar unternommen und dann Selbstmord verübt. * Zusammenstoß zweier Dampfer. Aus Paris wird gemeldet: Der französische Dampfer „Chateau-Lafitte" und der deutsche Dampfer „Axenfeld" sind infolge dich ten Nebels aus der Höhe von Boel zusammengestoßen. Beide Dampfer wurden schwer beschädigt, konnten aber den Hafen von Antwerpen erreichen. * Tödlicher Flugzeugabsturz. Ein Militärflugzeug, das die Stadt Varzelona (Spanien) überflog, ist auf ein Haus abgestürzt. Beide Insassen waren auf der Stelle tot. Das Haus selbst ist schwer beschädigt. Sich selbst in den Ofen gestürzt. In der Vorstadt von Columbus (Ohio), Bexley, fand man im Ofen der Wohnstube des Pfarrhauses die verkohlte Leiche der Frau des Pastors. Frau Sheatsley war 50 Jahre alt und lebte mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in gutem Einvernehmen. Auf Grund der Untersuchung kam die Totenschaukommission zu dem Schlüsse, daß die Frau des Pastors sich selbst in den Ofen gestürzt hat und dann verkohlt ist. " Kältewelle in Amerika. Eine Kältewelle, die in folge eines Sturmes von 60 Meilen pro Stunde Ge schwindigkeit ganz plötzlich einsetzte, hat in der Stadt New-Pork vier Todesopfer gefordert. Die Temperatur ist um 30 Grad gefallen und steht augenblicklich auf 18 Grad dV — Von den Küstenradiostationen werden zahl reiche Schiffbrüche gemeldet. Besonders stark in Mit leidenschaft gezogen worden sind die Fischerflottillen. Nach den bisherigen Meldungen sind neun Mann von den Fischerkuttern ertrunken. Aus der Wahlbewegung. Die deutschnationale Reichsliste. Die deutschnationale Reichsliste sieht in ihren fünf Stellen folgendermaßen aus: 1. Hergt, 2. Fürst Bis marck, 3. Frau Behm, 4. Kambach, 5. Wer ner-Gießen. An der Spitze der preußischen Landes liste steht der vorläufige Parteiführer Winckler. Verbundene Listen. Die Deutsche Volkspartei in Sachsen hat in allen drei sächsischen Wahlkreisen Listen Verbindung für ihre Listen beantragt. Die Deutschnationalen, die bereits eine einheitliche L'ste für die Wahlkreise Dres den und Chemnitz haben, beschlossen Listenverbindunq mit ihrer Liste im Wahlkreis Leipzig, so daß auch hier die drei sächsischen Kreise untereinander verbunden sind. Marx als Zentrumskandidat. Reichskanzler Marr hat sich bereit erklärt, die Spitzen kandidatur der drei Wahllreisvorschläge der Deutschen Zentrumspartei im Wahlkreisverband 15 (Sachsen) zu übernehmen. Der Kreiswahlvorschlag der Zentrums- partei im Wahlkreise 28 (Dresden—Bautzen) lautet: 1. Reichskanzler Dr. Wilhelm Marr, Berlin, 2. Vor- werkspächter Michael Robel, Kamenz, 3. Fräulein Barbara Ponath, Dresden, 4. Eewerkschaftssekretär Paul Nowack, Leipzig. Die Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes hat für den Wahlkreis Chemnitz—Zwickau einen Wahl vorschlag eingebracht, an dessen Spitze folgende Namen stehen: Oberpostsekretär Lucke, Chemnitz, Geschäftsführer Goldammer, Glauchau, Schneidermeister Schrei ter, Plauen, usw. Der Reichsbund für Aufwertung stellt im ganzen Reiche eigene Wahllisten auf. In den drei sächsischen Kreisen ist Spitzenkandidat Köster- Heuckendorff, der Vorsitzende des ^pacerschutzverbandes und der Notschreigeineinschaft. Die Listen des Reichs bundes für Aufwertung sind in ganz Deutschland ver bunden mit den Listen der D eu t s ch s o z i a I en Partei. Aus dem Gerichtssaal. Vetrugsprozeß von Posern. Das Dresdener Schöf fengericht verhandelte gegen den im Jahre 1900 zu Dresden geborenen angeblichen Kaufmann Hans- Karl von Posern wegen Unterschlagung und Betrugs. Von Posern hatte Mitte Juni vom Hofjuwelier Eli- meyer ein Perlenkollier und einen Goldbarren im Ge samtwerte von rund 6000 Mk. mit der Zusicherung ent nommen, daß binnen Wochenfrist Zahlung erfolgen sollte. Der zweite Punkt der Anklage betraf die Verun treuung von 18 Stück Mansfelder Bergbauaktien, die er vom Rittergutsbesitzer Hans von Zschammer-Osten auf Kleindehsa, Kreishptmsch. Bautzen, gelegentlich der Beschaffung einer Goldhypothek in Höhe von 30 000 M. erhalten hatte. Diese in Goldwert umgerechneten Ak tien, die eine verhältnismäßig geringe Summe dar stellen, sollten bei dem Zustandekommen der Hypothek mit als Sicherung verwendet werden. Nach umfang reicher Beweisaufnahme kam das Gericht zur vollen Ueberzeugung der Schuld und verurteilte von Posern dem Anträge des Staatsanwaltes entsprechend zu neun Monaten Gefängnis und 3 Jahren Ehrenrechtsverlust. Vermischtes. — Erschöpfende Auskunft. Schauplatz: Straßenbahnhaltestelle am Dresdener Hauptbahnhof. Eine fremde Dame tritt aus einen freundlichen Mann zu: „Bitte, können Sie mir sagen, mit welcher Linie ich zur Hähnelstraße komme?" Der freundliche Mann: „Wardnse mal. Da fahrnse am besten mitr 6. — Nee wardnse mal, noch besser mitr 8 oder doch mitr 16." Der Dame scheint die Auskunft etwas unsicher; sie wendet sich an einen zweiten freundlichen Mann. Dieser starrt an gestrengt in die Luft. „De Hähnelstraße? Nu heernse, ch'bin doch ä gebirdiger Dräsener, aber von dr Hähnel straße habch noch nie was geheert!" „Ni wah?" fällt der erste freundliche Mann ein. „Das habch mr ooch schon gedacht, ch gloobe, ne Hähnelstraße — die gibbt- hier garni in Dräsen!" Minna schüttelte traurig das Haupt. „Er läßt mich nicht fort," entgegnete sie. „Er haßt ' euch — er spottet über euch! O, er ist schlecht genug, » dir zuzutrauen, du würdest noch einmal den Onkel Rolfs heiraten . . ." Hilde errötete vor Unmut. Doch sie unterdrückte ihre Erregung und sagte ruhig: „Das ist allerdings ein schlechter Scherz- Aber wir ! wollen nicht mehr daran denken. Doch wenn es dir hier unerträglich wird, meine liebe Minna, dann komme zu mir, du findest stets eine Heimat bei mir." „Ich kann nicht, Hilde. Ich muß auf meinem Platz ausharren, solange meine Kräfte ausreichen- Ich bin es doch meinen Kindern schuldig. Was sollte ohne Mutter aus ihnen werden? Fritz hat keine Liebe für sie. Sie sind ihm ebenso gleichgültig, wie ich ihm gleich gültig geworden bin. Ach, laß uns nicht mehr von mei nem Unglück sprechen, es ist ja doch nicht zu ändern. Ich bin nur gekommen, um dir ein letztes Lebewohl zu sagen, und dir alles Glück, das du verdienst, zu wün- < schen." „Mein Glück ruht hier unter dem kalten Marmor, Minna . . ." „Ja, ich weiß — aber er ist von dir geschieden, ohne daß ein Flecken auf seinem Andenken, auf eurer Liebe geblieben ist- Du darst ihn noch im Tode lieben und ehren. Ach, Hilde, nicht der Tod schlägt die schmerz haftesten Wunden, sondern das Leben, das grausame Leben, das die Liebe vernichtet und das uns das, was uns die Liebe war, beschmutzt und uns hohnlachend vor die Füße wirft. Und dann hast du deinen und seinen Sohn! In ihm ersteht dir der Verstorbene aufs neue — auf ihn kannst du alle Liebe, alle Treue übertragen, die du dem Verstorbenen geweiht hast. D"in Sohn wird zum Mann heranwachsen, der Erbe seines Namens, der Erbe eurer Liebe, eurer Treue! Welch ein Glück mußt du empfinden, in deinem Sohn den verstorbenen Ge liebten wieder erstehen zu sehen!" „Auch du hast einen Sohn. Minna " „Ja, aber wenn er mich an seinen Vater erinnert dann füllen sich meine Augen mit brennenden Tränen, und eine geheime Angst erfaßt mich, daß er dereinst sei nem Vater gleichen könnte." „Das ist schrecklich, Minna." „Es ist das Unglück, das ich schweigend tragen muß." „Komm mit mir, Minna — wäre es auch nur für einige Wochen. Es wird alles wieder ins Gleiche kom men." „Bei uns nichr," entgegnete Minna resigniert. „Ich kann dich nicht begleiten — lebe wohl, Hilde — über laß mich meinem Schicksal . . " Sie küßte Hilde, die der Freundin keinen Trost zu spenden wußte. Ein auf diese Weise zerstörtes Glück läßt sich nicht wieder auchauen von fremder Hand. Da mußte eine innere Wandlung vor sich gehen. Mit müden, langsamen Schritten verließ die un glückliche Frau den Friedhof- Hinter den Bergen verglomm der letzte Schimmer des Abendrots, und graue Dämmerung hüllte die Welt ein. Aber als Hilde das Auge zu dem dunklen Himmel erhob, da leuchtete ihr mildtröstend der Abendstern ent gegen, als wolle er ihr zeigen, daß das Auge Gottes selbst in der dunkelsten Trübsal über uns armen Men schenkindern wacht.