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SmchlauLl - Kra» M^smsetth. Roman von Fred Nelins. 7. Fortsetzung. sNachdruck verboten.) Dor Tau und Sonnenaufgang stand Fietcn auf. In Dresden- Seidnitz, vor den Toren Dresdens, wurde Vollblut galoppiert. Die Reicker Bahn war dann sein Ziel. Zieten wärmte sich das Herz ... die alte Reiterlust durch pulste jeden Nerv, wenn er mit den Trainern durch die Boxen schritt. Den edlen Gäulen strich er wehmütig über Hals und Kruppe. Er dünkte sich unsäglich arm, wenn gesattelt wurde — die Zeit, da auch er in aller Herrgottsfrühe schon im Sattel saß, war so fern. Die Stalljungen saßen wie die Katzen auf. Das Lot schlenderte im Gänsemarsch aus dem Hof. Dann gaben die Jungens den Tieren vor der Morgenarbeit den langen Trab. Zieten schritt mit dem Trainer nach der Bahn. Auf dem grünen Rasen schimmerte der Tau. Die Trainierbahn aber hatte weichen, körnigen Sand. Im Schritt zog das Lot Pferde langsam seinen Kreis. Zu zweien . . . dreien . . . vieren nahm der Trainer sie heraus. Es ging über oder in genau zugemessenem Sprunge, Strecken und Reprisen durch die Bahn. An einem Renntage aus der Reicker Bahn hatte Zieten die Herzogin von Hohenastenberg erkannt. Vor dem zweiten Rennen ging er mit Steinkirch über den Platz vor der Tribüne, um das Abwiegen der Jockeys anzusehen. Plötzlich stutzte er. Vor der Tribünentreppe standen zwei schlanke, elegante Damen. Brünett die jüngere — die ältere blond. Die Herzogin von Hohenasten berg — zart und zauberhaft in ihrer distinguierten Anmut — in einem Sommerkleid aus nilgrünem Crepe Georgette und weißem Schmelz. Ueber dem blonden Haar der Helle Tüllhut mit einem Federkranz aus Marabu. Auch sie sah Zieten. Er schrocken lagen ihre großen, blauen Augen in den seinen. Er zog den Hut. Wieder — wie damals in der Zaubervilla — fing er einen ihrer hilflosen und erstaunten Blicke. Sie neigte leicht den Kopf. »Hast du von der Herzogin von Hohenastenberg schon jemals was gehört?' fragte Zieten, als sie zwanzig Schritte weiter waren. Steinkirch wendete den Kopf. „War sie das?' Zieten hob die Schultern. „Ja. Was weißt du von ihr?' „Gar nichts. Von ihm ein wenig. Rheinischer Magnat und freier Standesherr. Dem Anschein nach immens reich. Im Kriege Gardekavallerist. Lag in Belgien !m Quartier auf dem Schloß de4 Grafen Ionghe. Irgendwelche intime Dinge mit der Gräfin. Renkontre mit dem Mann. Eine mysteriöse Duellaffäre ohne Zeugen, nach welcher Ionghe schwer verwundet wurde und später starb. Der belgische Gerichtshof hat Anklage gegen Hohen astenberg erhoben und ihn, soviel ich weiß, in contumaciam ver urteilt. Alles! Der Herzog soll wegen dieser Dinge seine Be sitzungen am Rhein verlaffen haben und lebt in Dresden.' Als Zieten nach dem Rennen der Wagenabfahrt zusah, fiel ihm eine Loach aus, vor der vier Schimmel gingen. Der Herren fahrer schlank, Lberelegant, in edler Haltung. Hinter ihm ein paar Damen ... ein alter Herr. Zieten erkannte den Marabu hut der Herzogin von Hohenastenberg. Wieder sah auch sie ihn. Wieder zog er ehrfurchtsvoll den Hut. Aber der Wagen stob in schneller Fahrt vorbei. Und ihr Blick blieb geradeaus. Es war am Abend. Unter den Baumwipfeln des Ausstellungs gartens . . . unter seinen Bogenlampen promenierten frohgemute Menschen. Auf der Weinterrasse, an einem der festlich weiß gedeckten Tische mit dem buntbeschirmten Lämpchen, saßen die zwei Freunde. Zwischen sich die grüne Flasche mit der bunten Kapsel, die ost geleerten und gefüllten Gläser ... die blauen Weihrauch wölkchen brennender Zigarren. „Ist das nicht alles wie ein Märchen?' sagte Zieten, als er Steinkirch sein Erlebnis mit der Herzogin von Hohenastenberg gebeichtet hatte. „Es gibt immer Märchen', sagte der. „Feen gibt's. Und Zauberer. Und Wunder aller Art. Man muß sie nur erleben wollen. Als Dichter fühlen ... als Dichter leben. Märchen noch so wunderbar, Dichterkllnste machen's wahr — Goethe sagt so, Zieten, wenn du's noch nicht wissen solltest.' Dann aber tauchte er — nach alter Art — Blick und Worte in das Kaustikum des derben Spottes. „Also diese Märchen herzogin belastet nunmehr deine Seele. Die rote Peitschenstrieme auf dem weißen Nacken ist das Wundmal deines Herzens. Ich seh's dir an, Liebster — bemüh dich, bitte, nicht. Prinzgemahl -- hä, Zieten, wär' das was? -,'-Ich habe dir ja damals beim Ab- schluß unserer Wette schon gesagt: Ungezählte Möglichkeiten liegen in der Luft. Aber ich hoffe, du wirst nicht gleich das Leben Haffen ... in Wüsten fliehen, wenn nicht alle Blütenträume reifen. Uebrigens wieder Goethe, Zieten! Wenn der Blüten traum nicht reift — und er wird es nicht, verlaß dich draus; ich kenne das —, urewig reist der Wein." Er bestellte Sekt. „Die verlorene Wette, Zieten.' Er hob sein Glas. Aus den lustigen Spötteraugen fiel ein treuechter Herzstrahl auf den Freund. „Auf frohes Säen, Bester! ... Auf goldene Frucht!' — Die Wochen liefen. Die Bäume draußen färbten sich schon bunt. Die Eiche rot — die Buche braun — die Birke silbern mit einem Ueberwurf von Dold. Ein erstes gilbes Blättchen mahnte an den Herbst. Es war die Zeit, da auch im deutschen Zeitungsblätterwald das große Sterben anhub. Die Papiernot stieg. Die Preise wurden unerschwinglich. Kleinere Zeitungen stellten ihr Erscheinen ein. Die großen Blätter kamen nur noch einmal tags. Da« Feuille ton hatte kaum noch Raum genug, um die Theater-, Musik- und Kunstberichte aufzunchmen. Plaudereien, Skizzen, Entrefilets und Stimmungsbilder fielen fort. Alles Znterefle . . . jede Zei- mngsspalts fraß die Politik. Steinkirch sprach mit Zieten über diese Dinge. „Alles irgendwie Entbehrliche soll fort. Deinen Artikeln droht der große Blaustift. Ich kämpfe wie ein Löwe für sie. Aber der Chef ist anderer Meinung. Bisher habe ich die meine zwar noch durchgesetzt. Aber du weißt vom Militär her, das höhere Gehalt hat schließlich recht.' Das war nun was! Steinkirchs Worte gingen Zieten durch den Sinn. Wenn er auch die kleine Einnahme aus der Wochenplauderei verlor! Viel war es nicht — gewiß. Die Zeitungen bezahlten schlecht. Die Spesen — wenn man sie gewissenhaft addierte — fielen erheblich ins Gewicht. Aber ein Plus blieb doch. Und das Plus half mit. Dor allem aber gab die Arbeit ihm ein Ziel . . . einen Halt... ein Hoffen — Hoffen aus den endlichen Erfolg. Und nun fehlte ihm der große Zug . . . die Kraft zum zweiten Wurf. Sagte Steinkirch. Es mochte sein. Niemand krempelt sich auf einmal um . . . kann von heut' zu morgen aus der alten Haut. Er dachte nach ... er grübelte... er sorgte ... er faßte Pläne ... er verwarf sie. Alles Skrutinieren seiner Lage nützte Nichts. Er kam zu keinem Resultat. * In diese Zeit, als das Jahr zur Rüste ging und Zieten ge- danken-, pläneschwer das Leben ansah, wie es wohl für ihn zu fassen und zu modeln sei, fiel der Brand des alten Schlosses Aillu Es lag unweit Pirna an der Elbe. Uralt war das Dors und uralt war die Burg. Früher wendisch — Urnen und Reste heid nischer Begräbnisplätze gaben Zeugnis dafür —, standen Dors und Burg auf steiler Höhe. (Fortsetzung folgt.) Sounta-, de« 9. März, abends >/zj8 Mr LichMtder-Wortrag Das Leben und die Nachfolge Jesu nach Bildern des be rühmten Maiers W. Staffen. isku» !l. lÄAciMU zur Konkrmaiiou empfiehlt zu günstigen Preisen. Ernst Jung, Laula, Königsöriitkerkr. I. K. L- KLELS Vst Fernruf Nr. 22. Empfehle zu äußerst günstigen Preisen Loaenstotte in versch. Muslern ru kleiärrn una Kostümen iro cm breil Meter M. 4 — äezgl. prima Lwirncovercoal M Derren- una vamenmäntri iro cm dr. Meier M. 6,so Mantelstoffe iro cm breit Meter M. 4,oo DerMcbe Zporibiusenrianeilr in vrrscblra. färben SaNststte. Loiienne. prima Ldeviot Senwäfcde, Jumper, SMckjakeltZ DemüendarchenSr Meter Pfg. z- ». 90. 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W» die Natur den Urbewohnern Schutz versagte und Raum für kriegerischen Angriff freiließ, warfen Menschenhände Schanzen aus. Noch heute stehen die Wendenwälle unberührt. Ringförmig liegen ihre krummen Rücken. Der Schloßpark schließt sie ein. Park wege ziehen zwischen ihnen hin. Parterres und Blumenbeete schmücken die stummen Zeugen alter Feit. Und Eichenwipfel rauschen über ihnen geheimnisvolle Lieder aus vergangenen Tagen. Aich ... ein Burgberg, wie der Ritter ihn kaum stolzer finden konnte . .. heute einer der schönsten Adelrsitze im weiten Sachsen lande. Als Zieten am Morgen in der Zeitung las, daß der Blitzstrahl eines Herbstgewitters den Turm des Schlaffes Aich getroffen habe, Nahm er den nächsten Dampfer und fuhr die Elbe aufwärts. Von Pirna aus wanderte er zu Fuß in weinklarer Sommerluft zum Schlöffe Aich. Vor ihm lag der stolze Bau — hoch und scheinbar unversehrt. Er stand vor dem romanischen Portal aus Lausitzer Granit. Vom Bogenfelde oben hob sich der Doppeladler und eine Mächtige Kartusche mit dem Wappen der von Aich. Das kunst volle Gitter aus schwerem Schmiedeeisen war geöffnet. Alle Kunstperioden hatten an Schloß Aich gebaut. Die Gotik an den Tonnengewölben mit den spitzen Bogen. Der Barock an den schönen Anbauten der späteren Zeit. Die Romantik an der Kirche aus Ungefügem Stoff mit ihrer reichen Form. Zieten gab einem Diener seine Karte. Man führte ihn in eine Halle, die eine wundervolle, mit schwerem Rankenornament ge schmückte Decke trug. Er wartete. „Exzellenz läßt bitten", hieß t» dann. Er stand vor dem Herzoglichen Oberhofjägermeister a. D. Gras von Aich. Zieten sah sich nicht mehr um, aber rr fühlte, daß er von schwerer Pracht umgeben sei. Gepolsterte und schwer ge schnitzte Möbel . . . dicke Teppiche . . . Gemälde . . . Bronzen . kostbare Dinge aller Art. „Guten Tag." Ein hoher, schlanker Herr streckte ihm die Hand entgegen. Die Kleidung foigniert — in dem zerfurchten, schmalen Antlitz die Raflenmerkmale des alten, vielleicht überzüchteten Geschlechts — die Haltung leicht gebückt — die Sprache müde und doch voll markigem Schwung. Gras Aich. — Zieten meint«, er habe ihn schon irgendwo gesehen. „Bitte, was führt Sie zu uns?' Zieten sagte, was zu sagen war. Aich klappte mit den gepflegten Nägeln auf dar Holz der Stuhls. „Also die Burg. Sie steht. Der Blitz ist in da» Gebälk des Turmes eingeschlagen. Das Feuer wurde bald gelöscht. Großer Schaden ist nicht angerichtet. Es ging diesmal glimpflich ab. Früher war es schlimmer. Feuer haben oft vom Berg geloht. Einst — im 17. Jahrhundert — ging das ganze Dorf mitsamt der Burg in Flammen auf. Der Chronist erzählt: ,Es kam das Feuer in des Obristen Wachtmeister» Quartiere aus, und zwar -urch einen brennenden Wachsstock, welchen der Musterschreiber auf einen Sattel setzte, der im Stall« aufgehangen war. Der große Wind aber, indem er um sein Pferd gegangen, hatte ihn herab geworfen und die dürre Streu alsbald entzündet.' So die alte Chronik etwa wörtlich. Kaum waren Burg und Dorf von neuem aufgebaut, als ein zweiter Brand sie faßte. Am gleichen Tage, an dem in Hochkirch des großen Hohenzollern Schicksalsstunde schlug, wurde ein Teil der Burg abermals ein wüster Trümmer haufen. Sie haben beide neu getrutzt und neu gebaut: der große Friedrich und die Aichs. Die Aichs tun es, wenn es nötig werden sollte, heute ebenso wie einst." Er schwieg. Er prüfte über Zietem „Sie waren sächsischer Offizier?' „Preuße, Euer Exzellenz.' „Kavallerist?' -Husar." „Und nun?' Zieten lächelte. „Ich mache es wie die Aichs. Ich baue wieder auf. Es ist nicht leicht. Die Bausteine sind knapp und fügen sich nicht leicht in meine Hand." Graf Aich nickte. „Jedem, der im Leben steht, geht es heute ähnlich. Wir alle — der Adel, das Offizierkorps, das alte deutsche Bürgertum —, Kreise also, deren Auffassung von Pflicht und Treue, deren Intellekt unser Volk Jahrhunderte hindurch zu Er folgen führte, die in der neueren Geschichte unerreicht sind, haben ihren Platz verloren oder ohne Kampf geräumt. Unsere mili tärischen Führer, die das Heer durch Kampf und Sieg geführt, spie man an, Ideale, die das Heer, die das ganze Volk auf seinem stolzen Weg zur Macht beschwingt, riß man vom Thron. Weil mancher Balken faul — der Mörtel brach, der Dachstuhl barst —, zerstörte man das Fundament. Riß die Pfeiler ein. Und ' Aich brach ab. „Das führt zu weit!' - Er stand auf und reichte Zieten seine Hand. „Wann fährt Ihr Dampfer heimwärts?' „Am Frühnachmittag. Exzellenz." „Dann essen Sie natürlich einen Löffel Suppe mit uns. Ich schicke Sie nachmittags mit dem Wagen nach der Dampferhaltc- stell«. Und nun wollen wir drüben in der Bibliothek mal zu sehen, ob wir in der Chronik Aichs noch etwa» für Sie finden.' Mittags präsentierte Graf Aich Zieten seinen Damen: der Gräfin erst, dann der Komtesse, Aichs braunhaarigem, hübschem Töchterlein. Ein Diener meldete das Essen. In dem alten, hochgewölbten Speisesaal war der oval runde Tisch blitzend von Wäsche, Silber und Kristall gedeckt. Zieten saß links der alten Gräfin Aich . . . ihm gegenüber der Graf und die Komtesse. Man sprach vom Brande. „Journalist sind Sie?' hatte mittendrein di« junge Gräfin Aich gefragt. „Ich war Offizier. Augenblicklich bin ich Journalist. Ich fürchte, nicht mehr lange." „Ein schrecklicher Beruf", lachte die Komtess«. „Sie tun mir leid. So ein Journalist registriert selbst blauen Dunst und Wolken. Unsichtbar steckt stet« der Bleistift hinter ein«m Ohr." Zieten lächelt«. Er verbeugte sich. „Respekt vor ihrer Lebensweisheit, Gräfin! Wie ein Schießhund die Nase rwrgestreckt ... mit langem Schritt auf der Fährt« jeder Sensation ... di« Rockschöße wimpelnö hinten nach ... den scharfgefpitzten Bleistift Hinterm Ohr. Ja, so ist «r — so soll er sein.' Er dacht« Steinkirchs. , tS,«s«tz»l», !»!»«.!