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Der Vatikan befriedigt. Die Stellungnahme der deutschen Negierung zum Duisburger Explosionsunglück. Nom, 9. Juli. (Eig. Drahtber.) Das deut sche Kommunique über die Konferenz zwischen dem Nuntius Pacelli und dem Reichskanzler Cuno hat im Vatikan Befriedigung ausgelöst. Das Kommunique hat folgenden Wortlaut: „Nun tius Pacelli hat im Auftrag der Kurie die Sabotageakte im besetzten Gebiet zur Sprache gebracht und die Absich ten und Wünsche des Heiligen Stuhles eingehend dar gelegt. In seiner Erwiderung hat der Reichskanzler darauf hingewiesen, daß es sich um Vorfälle handele, die aus der Erregung eines gepeinigten Volkes und als verzweifelte Versuche der Notwehr zu erklären sind. Die Reichsregierung sei jedoch mit dem Heiligen Stuhl darüber einig, jede ver brecherische Gewaltanwendung zu verurteilen." Französisch-belgischer Schritt in Berlin wegen -es Duisburger Zwischenfalles. Amtlich wird unterm 7. Juli mitgeteilt: Nach Abschluß der Unterredung zwischen dem Reichskanzler und dem apostolischen Nuntius Pacelli über die Sabotageakte haben gestern abend der belgische Gesandte und nach ihm der französische Botschafter im Auswärtigen Amt den Vorfall auf der Rheinbrücke bei Duisburg mündlich zur Sprache gebracht. Beide Missionschefs haben als Auffassung ihrer Regierungen dargelegt, daß sich die R e i ch s r e g i e r u n g durch ihre Verordnungen für den passiven Widerstand und durch Beileidstelegramme für die aktivistischen Erscheinungen des Widerstandes verantwortlich gemacht habe. Aus diesem Grunde müßten die belgische und die französische Negierung fordern, daß die Reichsregie rung das Attentat auf der Duisburger Rheinbrücke nicht billige und alles unternehme, um die Täter zu ermitteln und zur Verant wortung zu ziehen. Zum Beweis für die Beteiligung von Deutschen hat der belgische Gesandte mitgeteilt, daß auf der Brücke Bruchteile einer Explosivbombe gefunden worden seien. Der Reichsminister des Auswärtigen hat den beiden Vertretern in folgendem Sinne geant wortet: Der Vorfall bei Duisburg sei der deutschen Regie rung bisher nur aus Zeitungsmeldungen bekannt. Ihre Versuche, sich ein klares Bild davon zu verschaffen, seien gescheitert, was nicht zu verwundern sei, da die deutschen Lokalbehörden keinerlei Möglichkeit hätten, den Sach verhalt an Ort und Stelle nächzuprüfen. Aber selbst, wenn an dem Vorfall Deutsche beteiligt gewesen sein sollten, könne nicht zugegeben werden, daß die deutsche Negierung irgendeine Verantwor tung dafür trage oder in irgendeiner Weise zu der artigen Akten ermutigt habe. Die von der deutschen Regierung nach Beginn der Nuhr- aMon erlassenen Verordnungen seien nichtdieUr - fache, sondern die Folge des spontanen, aus der Seele der Bevölkerung emporgewachsenen Wider- standes. Die Beileidstelegramme im Falle Sch lä ge t e r seien eine durchaus natürliche und selbstverständ liche Kundgebung, nachdem ein deutscher Mann von fremden Kriegsgerichten auf deutschem Boden für eine wahrlich nicht aus ehrlosen Motiven begangene Hand lung widerrechtlich verurteilt und hingerichtet worden sei. Es stehe noch außer Zweifel, daß seine Absicht nicht auf Blutvergießen, sondern darauf gerichtet gewesen sei, den Besatzungstruppen die unrechtmäßige Benutzung deutscher Verkehrsmittel unmöglich zu machen. Eine Umdrehung der Begriffe sei es, wenn sich jetzt Frankreich und Belgien für berechtigt hielten, Deutschland für die Folgen eines rechts widrigen Einmarsches in das Ruhrgebiet und für die Folgen desmaßlosenTerrorsderBe- satzungstruppen verantwortlich zu machen. Man dürfe nicht vergessen, daß, bevor irgendeinem Bel gier oder Franzosen im besetzten Gebiet auch nur ein Haar gekrümmt worden sei, bereits mehr als zwanzig Deutsche schuldlos ihr Leben unter den Kugeln der Be satzungstruppen eingebützt hätten. Ein Gewaltakt, wie er nach der belgischen und französischen Darstellung auf der Duisburger Brücke begangen worden sei, liege nicht in den Absichten und in der Politik der deutschen Negierung, die nichts unter lasse, um die gepeinigte Bevölkerung zum beson nenen Verharren auf der Linie des passiven Widerstandes zu bewegen. Die Angabe, daß man am Ort der Tat Trümmer einer Bombe gefunden habe, könne jedoch keineswegs genügen, um die deutsche Re gierung von einer verbrecherischen Beteiligung Deutscher zu überzeugen. In diesem Zusammenhang müsse zum Beispiel daran erinnert werden, daß sich nach französi schen Meldungen in letzter Zeit wiederholt Fälle ereig net hätten, in der französische Soldaten von ihren eigenen Kameraden erschossen worden seien. Was die d e u t s ch e M i t w i r k u n g bei der wei teren Behandlung des Falles anlange, so werde sich die Reichsregierung dazu äußern, sobald ihr in konkreter und substantiierter Form das Ergebnis der bisherigen Un tersuchung vorgelegt wird. Im übrigen sei zu bemerken, daß die deutsche Negie rung in mehreren Fällen gefordert habe, den deut schen Behörden zu einer Untersuchung an Ort und Stelle (Selegenheit zu geben. Dieser Forderung sei niemals entsprochen worden. Ebensowenig habe die französische Regierung auf den wiederholten Vorschlag, eine internationale Unter suchungskommission zur Feststellung des Tatbestandes einzusetzsn, eine Antwort erteilt. Deutschland wird haftbar gemacht. Die Nheinlandkommission hat beschlossen, der bel gisch-französischen Eisenbahnregie eine vorläufige Ent schädigung für den Eisenbahnunfall auf der Hochfelder Brücke in Höhe von 63VVV Franken zuzusprechen, die aus den Einnahmen des Deutschen Reiches zu entnehmenden Mitteln geleistet werden sollen. Hierzu wird amtlich bemerkt: Der Eisenbahnunfall bei Duisburg ist ein Vorkommnis, das nur unter den durch den rechtswidrigen französisch-belgischen Einbruch geschaffenen Verhältnissen möglich war. Die Eisenbahn- brücke steht unter Bewachung durch französisches und bel gisches Militär. Den deutschen Behörden ist durch syste matische Fernhaltung und Auflösung der Sicherheits organe eine Bewachung unmöglich gemacht worden. Die deutsche Regierung kann daher, selbst wenn, was durch aus noch nicht einwandfrei erwiesen ist, es sich um ein Attentat handeln würde, auf keinen Fall fürdie daraus entstandenen Ko st enhaftbar ge macht werden. Der Rheinlandkommission fehlt da her jeder Rechtstitel für ihr Vorgehen. Sie raubten bereits. Nach einer Havas-Meldung aus Düsseldorf hat die belgische Besatzungsbehörde in der Reichsbankfiliale in Duisburg vier Milliarden Mark „be schlag n a h m t", um die Geldbuße von 30 Milliarden zu decken, die der Stadt nach dem Eisenbahnunglück an der Hochfelder Brücke auferlegt worden war. Mehrere Deutsche erschossen. WTV. meldet aus Duisburg: Hier sind mehrere Deutsche von den Belgiern erschossen worden. Den Zeitungen in Duisburg ist von der Besatzungs behörde verboten worden, hierüber Mitteilungen zu bringen. In Aplerbeck ist der Arbeiter Dienhöfer im Straßengraben von einem französischen Posten er schossen worden. Am Freitag wurde westlich von Schwerte im unbesetzten Gebiet der jugendliche Ar beiter Habig erschossen. Ebenso wurden gestern früh wegen Nichtbeachtung der drakonischen Absperrmaß- nahmen ein Deutscher getötet und drei ver wundet. Schicksalswende. Roman von A. Seifert. 39. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Aber ein zierliches Eischen, welches den Namen Liselotte trug, welchem der Sinn für graziöse Koketterie angeboren war, das in seidenen Röckchen stolzierte, den zierlichsten Knix machte und den Damen die Hand küßte, sich alle Herzen im Fluge eroberte, unbewußt den Neid der anderen Mütter förmlich herausfordcrte, ja, das war Frau Olgas süßester Traum, ihr einziges Gebet gewesen. Und dieser einzige heiße Wunsch war ihr nicht er füllt worden. Eine Hoffnung war im Werden durch ihre eigene Schuld zerstört worden, der Himmel hatte ihr damals ein Töchterchen zugedacht. Mit der Ver nichtung der winzigen Menschcnknospe war dieses Ka pitel für Frau Wengdorf erledigt. Sie bekam keine Kin der mehr. Er war der einzige Schmerz in Olgas gleichmäßig dahingleitendem Leben gewesen. Sie hatte sich lange nicht zu trösten vermocht. Es war eine kritische Zeit für sie; sie war nahe daran gewesen, in Schwermut zu versinken. Die schönsten Kleider bereiteten ihr damals keine Freude. Sie benei dete alle Mütter, welche ihre Mädelchen mit Tand be hängen durften, und geheim, ganz geheim nährte sie die Hoffnung, daß, entgegen dem Ausspruch des Arztes, ihr doch noch Mutterfreuden beschert sein könnten. In jener Zeit hatte sich eines ihrer Dienstmädchen mit einem Arbeiter verheiratet und war in armselige Verhältnisse gekommen. Als die junge Frau dann ein Kindchen erwartete und es an allem fehlte, schenkte Olaa ihr die eigene, aus feinsten, seidenweichen Stoffen an gefertigte Säuglingsausstattung. Lie selbst fertigte sich selbst im geheimen eine neue an. Auch für diese zierlichen, spitzenverzierten Sächel chen fand sich alsbald eine Abnehmerin. Und so kam es, daß Frau Wengdorf als Wohltäterin für Säuglinge in der ganzen Stadt gepriesen wurde. Später wartete sie bis nach der Geburt der Kinder und bevorzugte immer noch die weiblich Geborenen. Die Umstände fügten es dann, daß sie dm Wöchne rinnen auch Stärkungsmittel sandte. So hatte sie sich ungewollt im Laufe der Jahre einen Namen als Wohltäterin junger, bedürftiger Mütter geschaffen. Frau Wengdorf war mit ihren achtundvierzig Jahren noch eine hübsche Frau; ihr blondes Haar wies keinen Silberfaden auf, ihre Gestalt war biegsam trotz einer leichten Fülle. Sie strickte an einem Wickelband, als sie Almida empfing und reichte ihr freundlich die schneeweiße, reich mit Vrillantringen geschmückte Hand. „Ich weiß zwar noch nicht, was ich mit Ihnen, mit einer Gesellschafterin beginnen soll, Fräulein Gröpsr, aber da mein Mann sie ohne mein Wissen angenommen hat, so kann ich sie nicht gut Hinausweisen, und wir müssen sehen, wie wir umeinander fertig werden!" „Verurteilen sie mich nicht dazu, gnädige Frau, daß ich mich so vollkommen überflüssig fühlen muß!" bat Almida, „vielleicht erlauben sie, daß ich ihnen vor lese. Unsere besten und treuesten Freunde sind die Dich ter, mit ihnen Zwiesprache zu halten ist die schönste Sonntagsunterhaltung." „Gut, lesen sie mir vor, Fräulein. Lieber wäre es mir allerdings, wenn sie mir bei der Strickarbeit be Jn der Nacht zu Mittwoch schossen ungefähr achtbiszehnfranzösischeAlpenjäger aus dem niedrigen Waldstrauch heraus in Richtung auf die Walpurgisstraße. Die Gegend in der Nähe der Wal- purgisstraße wurde abgesperrt; es konnte aber beobach tet werden, daß ein Deutscher getötet und e i n anderer schwer verwundet wurde. Beide wurden in Richtung Essen—Recklinghausen abtrans portiert. Wie die „Rhein.-Westf. Ztg." aus Dortmund be richtet, ist gestern der Schlosser Frey, der bei der Schießerei in der Nacht zum 11. Juni verletzt wurde, gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der Todes opfer jener Nacht auf sieben- Wieder ein Franzose durch eine französische Patrouille erschossen. Die Agence Havas berichtet über einen neuen Fall der Erschießung eines französischen Soldaten durch eine französische Patrouille. Der Soldat hatte „dem An ruf nicht Folge geleistet". In den letzten Tagen sind mehrfach Deutsche aus demsel ben Anlaß erschossen worden. Die Darstellung des von der Agence Havas berichteten Falles beweist, wie ungenügend die Praxis des Anrufes bei den Franzosen durchgesührt wird. Furchtbares Iutodequälen eines Kriegsinvaliden. lieber ein bestialiches Verbrechen farbiger Fran zosen an einem Kriegsbeschädigten bei Linz am Rhein werden jetzt nach Abschluß der Untersuchung folgende grauenhafte Einzelheiten bekannt: Der Kriegsinvalide Alfter aus Ockonfels wurde am 7. Mai in unmittel barer Nähe eines marokkanischen Postens totaufge funden. Die ärztliche Untersuchung der Leiche ergab schwere Verletzungen am Unterleib und einen Bluterguß ins Gehirn, der offenbar durch Schläge auf den Kopf verursacht wurde. In der Luftröhre fand sich ein Fingernagel mit Fleischteilen, durch die wahrscheinlich der Erstickungstod des Alfter herbeige führt worden ist Aus den Verletzungen und dem Zu stande der zerrissenen Kleidungsstücke des Ermordeten geht zweifelsfrei hervor, daß Alfter von den Marok kanern, denen er wegen seines künstlichen Beines nicht entfliehen konnte, in ihren Wachtraum geschleppt, dort in viehischer Weise vergewaltigt und, als er sich wehren wollte, ermordet wurde. Offenbar wollte ihm ein Marokkaner den Mund zuhalten, um ihn am Schreien zu verhindern, wobei ihm dann von dem sich verzweifelt wehrenden Opfer die Fingerspitze abgebissen wurde. Die Leiche wurde auf die Straße gewor fen. Der französische Kommandant lehnte jede Be strafung der Täter ab. 1. - - » »' — " —mm.« .1-1,- Die Frage des wertbeständigen Lohnes. Von den Arbeitnehme r-Spitzengewerk- schäften aller Richtungen geht uns eine Mitteilung zu, in der es heißt: Die mit den Vertretern der Arbeit geber unter dem Vorsitz des Reichsarbeitsministers ge führten Verhandlungen über die Anwendung des Lebenshaltungsindex auf die vereinbarten Löhne und Gehälter sind ergebnislos verlaufen, weil die Arbeitgeberverbände erklärten, daß sie diese Frage als noch nicht genügend geklärt ansehen. Die Spitzengewerkschaften konnten dem von Arbeitgeberseite gestellten Vertagungsantrage nicht zustimmen. Unab hängig von weiteren Verhandlungen hielten siees für unbedingt erforderlich, daß den Wün schen der Staatsarbeiter- und Veamtengewerkschaften auf Uebernahme des Anpassungssystems sofort nach gekommen wird. Das Kabinett ist von dieser Stellung nahme unterrichtet worden. Nachdem die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gescheitert sind, hat die sozial demokratische Fraktion im Reichstage zur Frage der Wertbeständigkeit der Löhne den Antrag eingebracht, die Regierung zu ersuchen, sofort auf Grund des Ermächtigungsgesetzes vom 24. Februar d. I. eine hilflich wären, denn ich habe für nicht weniger als drei Säuglinge zu sorgen." Und als Almida sie erstaunt ansah, setzte sie hinzu: „Ich stehe gem bedürftigen jungen Müttern bei, welche ein Kindchen erwarten. Fast immer fehlt es ihnen an der nötigen Säuglingswäsche. Damit die kleinen Würmer wenigstens im ersten Lebensjahre ordentlich ge- halten werden können, sorge ich vor. Die Leute geben, weiß der Himmel, für die überflüssigsten Dinge ihr Geld aus, aber Kleinkinderwüsche ist selten ausreichend vor handen." „Ach, liebe, gnädige Frau, erlauben sie, daß ich ihre gütige, fürsorgliche Hand küsse", begeisterte sich Al mida, „welch ein edles, weiches Herz müssen sie haben, um so beständig der Armen zu gedenken!" „Ach, Fräulein, solche Gesühlsausbrüche liebe ich nicht!" verwies Frau Wengdorf, dem jungen Mädchen trotzdem die von Juwelen blitzende Hand reichend, „aber wenn sie mir beim Stricken behilflich wären, das würde mir besser passen, als das Vorlesen." „Gnädige Frau, ich habe als kleines Mädchen n der Schule einen^ Puppenstrumpf gestrickt und seitdem nie wieder ein Strickzeug in der Hand gehabt. Aber ich werde mich nebenbei einüben, wenn sie es wünschen." Frau Wengdorf nickte und zählte ihre Maschen. „Darf ich mir jetzt ein Buch holen, gnädige Frau?" fragte Almida. Frau Wengdorf drückte auf den elektrischen Knopf, und der Diener erschien. .Hübren sie das Fräulein ins Herrenzimmer, Wilm, sie wünscht ein Werk aus dem Bücherspinde." „Und welchen Dichter bevorzugen gnädige Frau?" „Wählen sie nach eigenem Ermessen, mir ist alles recht!" (Fortsetzung folgt.)