Volltext Seite (XML)
werden dürfe, sie erhöben aber gegen den Wahnsinn des aktiven Widerstandes schärfsten Einspruch. Wie soll ten England und Italien einen Druck aus üben wenn Poincaro ihnen sagen könnte, der Widersla nd an der Ruhr i st gebrochen! Cuno wollte sehr ost gern gehen. Die Regierung zu stürzen, wäre nicht schwer. Würde man die Regierung Cuno fortjaqen und die Fortführung der Geschäfte über nehmen. so bedeute das eine politische Torheit. * Eine neue Verordnung des Neichsfi- nanzministers. Durch Verordnung des Rnchsfi nanzministcrs vom 20. d. Mts. wird der für die per sönliche Mitnahme von Zahlungsmo eln nach den» Aus lande freigcgebenc Betrag m^ B auung vom 26. o. Mts. ab von 600 000 Mark auf den ^ö OOOfachen Betrag der jeweiligen Gebühr für einen Fernbrief bis zu 20 Gramm erhöht. Der Frcisah erhöht sich demnächst künftig auto matisch mit dieser Gebühr. Zurzeit beträgt er unter Zugrundelegung der Gebühr von 100 Mark für einen Fernbrief bis zu 20 Gramm 1500 000 Mark . Vom 1- Juli ab erhöht sich die Freigrenze aus 15 000 mal 300 Mark -- 4 500 000 Mark. ' Keine vierteliährliche Vorauszahlung der B e a m te n g eh ä i Ler. Das Gesamtministerium hat in seiner Sitzuna am Dienstag die vierteljährliche Vorauszahlung der Reamtengehälter für den 1. Juli abgelehnt. Für später wurde die Entschließung Vorbe halten. indessen sind die Aussichten auf Erfüllung dieses Beamtenwunsches sehr gering. Die Postgebühren im August. Noch sind die Juli-Gebühren der Poft nicht in Kraft getreten, da verbreitet das Wolsfbureau nach einer Mitteilung von „zuständiger Stelle" die Meldung, wonach für den 1. August eine weitere Erhöhung der Gebühren bevorsteht. Vom Verkehrsbeirat werden vorgeschlagen u. a. Fernb riefe 1000 Mark, Ortsbriefe 400 Mark, Telegrammgebühren das Vierfache der Juli-Ge bühren, Telephongebühren das 3Vffache des Juli. Belgien. Das belgische I n t e rimskab inett. Aus Brüssel wird gemeldet: Die Mitglieder des zurückgetre- tcnen Kabinettes sind der Ansicht, daß von ihnen die innere Lage verlangt, dis interalliierten Verhandlungen fortzusetzen. Infolgedessen wurden die begonnenen Ver handlungen über die Kabinettsbildung unterbrochen. England. Internationaler Luftfahrtkongreß in London. Der Internationale Lustfahrtkongreß wurde gestern in London durch den Prinzen von Wales er öffnet. In Verbindung mit dem Kongreß wird eine Luftwoche stattfinden. — Nach der „Pall-Mack-Ga- zette" sollen die englischen Luststreitkräfte bis Ende nächsten Jahres verdoppelt werden. Lie werden dann eine Stärke von 100 Geschwadern umfassen. Rußland. Schmückung oer Moskauer Kricgsge - fangencn-Gräber. Der deutsche Botschafter Graf Drockdorf-Nantzau besuchte mit sämtlichen Mitgliedern der Botschaft die Gräber ehemaliger deutscher Kriegsgefan gener in Moskau, die zum großen Teile unbekannt verstorben sind. Nach einer Ansprache legte der Bot schafter am. Grabe eines unbekannten deutschen Soldaten einen Kranz nieder. Auch die übrigen Gräber schmückte er mit Eichengrün. Kurze politische Mitteilungen Der Besoldungsausschuß des Landtages nahm in seiner gestrigen Sitzung die Vorlage über die vierte Aenderung des Vcamtenbesoldungsgesetzes gegen die Stim men der Kommunisten an. Der preußische W rblfahrtsminister hat mit Zustim mung des Neichsarbeitsministeriums die Geltungsdauer sämtlicher auf Grund des Mieterschutzgesetzes bisher ge troffenen Verordnungen insbesondere auch die, die auf einen Endtermin befristet sind, bis zum 30. September 1923 verlängert. Der „Temps" meldet, daß die alliierte Jngcnieur- kommission des Nuhrgebietes dem französischen Minister rate eine Liste von 19 Jndustriewerken eingereicht habe, deren „Beschlagnahinc" für Reparationszwecke vorge- schiagen wird. Die neue Verordnung Degouttes über die Beschlag nahme aller Kohlenvorräte im Ruhrgebiet, gestattet den Direktoren der Fabriken und Bergwerke nicht mehr, den Kohlenvorräten irgeno etwas zu entnehmen. In Recklinghausen wurden 26 Eisenbahner und Mit glieder der Arbeitsgemeinschaft sowie Beamte des Be triebsamtes verhaftet. In italienischen politischen Kreisen heißt es, daß sich jetzt Mussolini in der Frage des Notenaustausches über die Reparationsregelung gänzlich dem englischen Stand punkt angcschlossen Habs. Aus aller Welt. * Bombenattentat im Wiesbadener Hauptbahnhof. Gestern früh explodierte in der Haupthalle des Wiesbadener Hauptbahnhofes eine Bombe. Sämtliche Scheiben des Gebäudes wurden durch den Luftdruck zerstört, die Einrichtungen zum Teil zertrümmert. Ein Mann und eine Frau wurden schwer verletzt. An der Frankfurter Börse wurde gestern eine Artilleriegranate mit Zünder gefunden. Der Börsen platz wurde abgesperrt und durchsucht; es wurde aber nichts gefunden. Die Untersuchung wird ergeben, ob es sich um ein Attentat auf die Börse oder um einen schlech ten Scherz handelt. * Millionenraub durch Laufburschen. Zwei Lauf burschen der Gewerkschaft Michel Vesta in Großkayna bei Halle a. d. Saale stahlen 48 Millionen Mark Lohn gelder aus dem Lohnbureau und flüchteten. Dem Fabrikportier hatten sie erklärt, sie hätten ein Paket Altpapier, das sie fortschaffen müßten. * Dynamitattentat in Münster. In der Nacht zum Sonniag ist aus das Gebäude des sozialdemokratischen Organs in Münster „Der Volkswille" ein Dynamit arlentat verübt worden, wobei das Druckereigebäude mir den Druck- und Setzmaschinen fast vollständig zer stört wurde. Das Attentat wurde gegen 144 Uhr mor gens verübt. Die aufgestapelten großen Papiervorräte sind durch den Brand vollkommen vernichtet worden. Durch den ungeheuren Luftdruck der Explosion sind sämt liche Fensterscheiben der näheren und weiteren Umge bung zertrümmert. Menschenleben sind nicht zu be klagen. Bis zur Stunde sind die Täter noch nicht be kannt. * Ein Schatz aus dem 30jährigen Kriege, Eold- und Silbermünzen von der Wende des 16. zum 17. Jahr hundert, ist in einem Dorfe zwischen Rgensburg und Straubing in mehreren Kupfergefäßen gefunden wor den. Ein Streit zwischen dem Finder und dessen Bruder, dem der Acker gehört, soll vor Gericht kommen. Der Schatz wird auf Milliarden bewertet. * Der „Matterner Hof" in Königswinter ab gebrannt. Das weltbekannte Hotel „Matterner Hof" in Königswinter ist abgebrannt. Das Feuer ist durch Kurzschluß entstanden. Von Troisdorf war eine große Anzahl französischer Automobile zur Löschhilfe heran- gezogen worden. * Großfeuer. Durch Erotzfeuer sind die Gebäude der Reederei- und Fischerei-Industrie, A.-E., Cuxhaven mit dem ganzen Betriebsmaterial und Vorräten fast vollständig vernichtet worden, so daß ein gewaltiger Schaden entstanden ist. Eine kostbare Monstranz verschwunden. Wie die „Köln. Ztg." berichtet, wird seit vorgestern aus dem be kannten Domschranke in Münster die sogenannte Ealen- schi-Monstranz vermißt, die einen Milliardenwert dar- stellt, weil sie aus reinem Golde hergestellt und mit Edelsteinen geschmückt war. Als sie vorgestern wieder gebraucht werden sollte, war die Monstranz verschwun den. Sie war etwa 60 Zentimeter hoch und schon im Frieden mit einer Million Mark versichert. Aus die Wiederbringung ist eine Belohnung von drei Millionen Mark ausgesetzt. * Holzdiebstähle im Werte von 50 Millionen. Bis her unermittelte Diebe haben in den Forsten Ringelah, Dragen und Eisel gefälltes, transportfähiges Langholz, das einer Holzgroßhandlung gehörte, im Werte von 50 Millionen Mark (!) abgefahren. Die Kriminalpolizei ist mit der Aufhellung des Diebstahls beschäftigt. * Aufklärung des Mordes an dem Studenten Bauer. Die Ermordung des Studenten Karl Bauer in München, der am 27. März mit einer schweren Schuß verletzung am Kopfe als Leiche aus der Isar gezogen wurde, scheint sich nun zu klären. Die Nachforschungen der Münchener Polizei führten am vergangenen Frei tag zur Festnahme des Studenten der Volkswirtschaft August Sengauer. Dieser hat nunmehr zugegeben, daß er Bauer in der Nacht vom 18. zum 19. Februar zwischen 12 und 2 Uhr nachts in der Nähe der Prinzregenten brücke erschossen hat. Die Leiche hat Sengauer hierauf über die Ufermauer in die Isar geworfen. Die nähe ren Umstände der Tat und ihrer Ausführung bedürfen noch der Aufklärung. * Sommerwetter im Schwarzwald. Wie berichtet wird, ist im Schwarzwalde Sommerwetter eingetreten. Die Mittagswürme beträgt 20 Grad Celsius. * Amundsen will doch fliegen. Es liegen Nachrich ten aus Alaska vor, wonach Amundsen trotz allem ver suchen will, den Nordpol im Flugzeug zu erreichen, so bald gewisse Reparaturen an seinem Flugzeug fertig gestellt sind. Amundsen soll erklärt haben, er glaube, Spitzbergen in 24 Stunden erreichen zu können. * Der Aetna-Ausbruch beendet. Der Ausbruch des Aetna kann als beendet betrachtet werden. Wo die Lava noch nicht ganz völlig zum Stillstand gekommen ist, rückt sie nur noch ganz allmählich vor. Die Bevöl kerung kehrt in ihre Wohnung zurück und dankt dem Heiligen Aegidius durch Prozessionen, Geschenke und Er kenntnisbezeugungen. * Hochbahnunglück in Neuyork. Reuter meldet aus Neuyork: Montag nachmittag sind im Brooklyner Ge schäftsviertel zwei Wagen der Hochbahn vom Bahn damm auf die Straße gestürzt. Sechs Personen wurden getötet und 40 verwundet. * Schiff in Not. Das Reutersche Bureau meldet aus Hamilton auf Bermuda: Der Dampfer „Caraquet" aus Halifar ist 12 Meilen nördlich Bermuda auf die Klippen gelaufen. Man glaubt, daß das Schiff verloren ist. Hilfe ist unterwegs, um die Fahrgäste zu retten. Lohnbewegungen und Streiks. Der Reichsinder. lieber die Arbeiten im Reichsarbeitsministerium über die neue Reichsinderord- nung. wie über die Angelegenheit der wertbeständigen Löhne sind in der Presse Notizen erschienen, wonach der Reichsarbeitsminister von sich aus auf gesetzlichem Wege Vorgehen werde falls eine Einigung innerhalb der Zen- tralarbeitsgerm insämit über die Durchführung der An passung der Löhne und Gehälter an den veränderten In der nicht erzicit werden sollte. Da dieses irrtümlich da hin ausgefaßt werden könnte, daß das Reichsarbeits ministerium schon jetzt entschlossen sei, die Anpassung an die Reichsinderziffer vorzunehmen, weist das Reichsar- beiisministenum demgegenüber ausdrücklich darauf hin, daß es zu dei Frage, wie die Anpassung durchzuführen sei, noch nicht endgültig Ttellun, genommen hat. Die diesbezüglichen Verhandlungen dienten lediglich zur Klä rung der verschiedenen Meinungen. Endgültige Be schlüsse sind bisher nur hinsichtlich der Veränderung des Inder gefaßt worden. Der Streik der Wächter der Dresdener Wach- und Schließgesellschaft hat sein Ende gefun den. Die Bewachung wird seit gestern im frü heren Umfange wieder durchgeführt. Der vor zwei Wochen in der Metallindustrie Brandenburg ausgebrochene wilde Streik, der auch andere Betriebe in Mitleidenschaft gezogen hatte, ist gestern beendet worden. Vermischtes. --- (Ein zarter Wink). Die englische Schrift stellerin Thyllis Austin hatte einmal einem Bewun derer ihres Talents mitgeteilt, daß ihr die besten Ge danken für ihre Geschichten und Gedichte in der Bade wanne kämen. Ms sie nun volle drei Monate geschwiegen und nichts veröffentlicht hatte, erhielt sie von ihm ein Brieflein, das ganz kurz fragte: Liebe Miß Austin, wäre es nicht Zeit, daß Sie wieder ein Bad nähmen? Schicksalswende. Roman von A. Seifert. 34. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Da müßte dir das Anerbieten der Frau von Herbst doch eigentlich sehr gelegen kommen, mein Herz?" Almida machte eine verneinende Bewegung. „Sie würde mich auch wieder verwöhnen und verzärteln, und ich lernte den Ernst des Lebens nicht kennen, oder viel mehr erst dann, wenn ich noch schwerer darunter leiden würde, als jetzt. Und dann erst müßte ich mein Leben für verpfuscht und verfehlt halten!' „So ganz unrecht hast du nicht, liebes Herz, und eben aus diesem Grunde siehst du mich HLsr . . . Mein Vater hat mir mit dürren Worten erklärt, daß er meine Wahl niemals billigen werde. Der einzige Weg, ihn zu gewinnen, ist der, daß er dich kennen und schätzen lernt, ohne zu wissen, daß du seine künftige Schwieger tochter bist. Meine Mutter sucht eine Gesellschaftsdame, als solche melde dich bei meinem Vater, ich bin über zeugt, daß er dich nicht abweist. Ich habe dir bereits alle Wege geebnet. Ich war bei unserem Polizeipräsi denten, den ich, soweit es die Lebensverhältnisse deiner eigenen Person betrifft, ins Vertrauen gezogen habe. Ich besitze deinen Geburtsschein, und der Polizeipräsident hat das zuständige Revier angewiesen, deine Anmeldung ohne weiteres anzunehmen. Wenn es dir recht ist, fahren wir gemeinsam nach H- Wir treffen dort um fünf Uhr nachmittags ein. Mein Vater liest um diese Zeit im Hause seine Zeitung, und er ist dann am zugäng lichsten. Du stellst dich ihm vor und gibst an, daß du in drei Tagen spätestens die Stelle antreten könntest. Dann kommst du doch noch zum Nachtzuge zur Bahn und kannst morgen früh wieder hier sein. Im Hause meiner Eltern wird dir nichts zugemutet, was du nicht bequem leisten könntest. In alles andere findest du dich hinein, nicht wahr? Denke immer, Liebling, daß es sich nur um einen Uebergang handelt. Bist du ein verstanden?" „Ja, Hubert, ja! Aber—" Er öffnete weit die Arme, und Almida, entwaffnet durch die Fülle seiner Liebe, überwältigt von der eigenen heißen Sehnsucht nach dem Platz an seinem Herzen, schmiegte sich hinein, nicht mehr gebrochen und überwäl tigt von ihrem Leid, sondern in dem süßen Bewußtsein der Geborgenheit. „Und wird es dich niemals gereuen, ein armes, ganz unbemitteltes Mädchen heimgesührt zu haben?" fragte sie zagend. „Ich will dich, nichts weiter! Ich bin glücklich, als Gebender vor dir zu stehen." „Aber ich — ich kann das Bewußtsein der Armut kaum ertragen." „Du bist nicht arm. Was mir gehört, gehört auch dir. Würdest du mich weniger geliebt haben, wenn ich plötzlich alles verloren und als bezahlter Angestellter deines Vaters vor dir gestanden hätte?" „O, Hubert, wie kannst dir so sprechen! Im Ge genteil würde ich dich, wenn dir je Leid widerführe, nur noch tiefer, inniger lieben als jetzt, wenn dies über haupt möglich wäre." Hubert fuhr fort: „So fest ist auch meine Liebe zu dir, Almida. Und so muß Liebe sein. Ohne dich kann ich mir das Leben nicht mehr denken. Du bist ein Teil meines Selbst. Auch meine Eltern werden dich liebgewinnen und dich nie. wieder, missen wollen. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo sie uns dankbar dafür sein werden, daß wir in Treue fest ausharrten." Frau von Herbst erschien und kam zu den not wendigen Erklärungen. Almida zeigte den angefangenen Bries des Dahin geschiedenen. Hubert las denselben und sagte dann: „Dein Vater wollte noch heute das Adoptivgesuch einreichen, Liebling, aber er hatte zu lange gezögert. Dec Tod durchkreuzte seinen letzten Willen. Das Testa ment ist vorhanden. Ich habe die Aufschrift gelesen. Aber wer bürgt dafür daß dein Vater es nicht im letzten Augenblick vernichtete, um ein neues aufzusetzen?" „Franz fühlt sich hier als Herr", sagte Frau von Herbst nachdenklich, „er scheint als selbstverständlich vor- auszusetzen, daß kein Testament vorhanden ist." „Und doch müßte er von Rechts wegen das Gegen teil vermuten", äußerte Hubert, „denn sein Oheim hegte nichts weniger als freundliche Gesinnungen gegen ihn, und er darf nichts anderes als sein Pflichtteil erwarten." Frau von Herbst schwieg. Weder Almida now Hubert batten eine Ahnung davon, daß Franz diese letzte Nacht in der Villa verbracht hatte. War da etwas vorgegangen, wovon nur Franz wußte? Ein unbestimmter Verdacht stieg in der Dame auf. Doch sie mies ihn sogleich wieder von sich. Noch weniger wollte sie denselben aussprechen. Wozu hätte es auch genützt? Wenn Franz das Testament, von welchem Hubert Wengdorf sprach, wirklich entwendet oder vernichtet hatte, wer wollte ihm dann etwas beweisen? (Fortsetzung folgt.)