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Die französisch-belgische Ministerkonferenz. In Paris begannen die belgisch-französi schen Ruhr- und Reparanonsberntungen, an denen von Belgien die Minister Theunis und Iaspar teil nehmen. Zu dieser Konferenz schreibt der „Matin": Obwohl zwischen den Ansichten der französischen Sachverständigen und den Vorschlägen, denen Lau ch eur seinen Stempel aufdrückte, bedeutende Diffe renzen beständen, könne man die augenblickliche StellungnahmeFrankreichs folgendermaßen zusammenfassen: Es sei wünschenswert, die Grundlage des Londoner Zahlungsplanes nicht abzuändern. Die Neparations kommission setzte die deutsche Schuld auf 132 Mil liarden Goldmark fest. Es bestehe gar kein Grund, daran etwas zu ändern, jedoch könnten Modali täten eingeführt werden, die die Höhe der deutschen Schuld tatsächlich herabsetzten, gleichzeitig aber auch die Zahlungen in den nächsten Jahren be schleunigten. Wenn Frankreich in einem Zeitraum von ungefähr zehn Jahren dank der internationalen Kredit operationen 26 Milliarden Goldmark erhalten könnte, die seine Ausgaben für die verwüsteten Gebiete bildeten, dann sei es für den Restbetrag zu Konzessio nen bereit. Der Teil der deutschen Schuld, dessen Mobilisierung dringend gewährt werden müsse, setzte sich aus diesen 26 Milliarden, den Reparationen für Ita lien, Südslawien und Rumänien, den belgischen Priori täten einschließlich der belgischen Reparationen und end lich aus den alliierten und amerikanischen Vesatzungs- kosten zusammen, sowie den für die deutschen Bergarbei ter gezahlten Prämien. Der Nest der ersten fünfzig Milliarden Goldmark könne annulliert oder auf später übertragen werden, wenn es sich um Pensionen handelte. Aber England, das bei dieser Kombina tion bedeutende Opfer bringen müßte, müsse die Sicher heit erhalten, daß ihm die Jahreszahlungen anAmerikazur gegebenen Zeit durchdie deut schen Zahlungen garantiert würden Es könne sich hierbei einschließlich der Zinsen um 300 bis 600 Millionen Goldmark jährlich handeln. Das wesent lichste bei dem neuen Plane sei, das; man aus den Schatzbonsund L zweiTeile machen wolle, einen von 40 Milliarden Goldmark, der in den nächsten Jahren durch Anleihen flüssig gemacht werden müsse, und einen anderen, der je nach den Bedürfnissen des englischen Schatzamtes flüssig zu machen wäre. Was die 82 Milliarden der Serie 0 anbetreffe, so müßten sie Frankreich die Mittel geben, seine aus wärtigen Gläubiger, namentlich England und die Vereinigten Staaten, zu entschädigen. Auch Italien müsse in den gleichen Stand gesetzt werden. Die Schatzbons der Serie 0 würden übrigens kein einfaches Blatt Papier sein, denn sie würden durch gewisse Ein nahmen des Deutschen Reiches garantiert und es hänge nur noch von England und den Vereinigten Staaten ab, sie zu annullieren. Territoriale Garantien seien die Besetzung des Nuhrqebietes und des Nheinlandes, die während der ersten zehn Jahre gradweise ver ringert würden und nach dieser Frist ein Ende fin den würden unter der Bedingung, daß die nötigen 40 Milliarden Goldmark für sofortige Reparationen durch Anleihen gedeckt würden, und ein neues Regime mit einer gemischten Kommission gefunden werde, das den französischen Sicherheitsbedürfnissen Befriedigung gebe. Der Völkerbund könnte sodann mit der inter nationalen Polizei und der internationalen Eisenbahn regie eingreifen. Jedoch würden einige st rate gi sche Punkte in den Händen der Alliierten unter noch zu bestimmenden Bedingungen bleiben müssen. Der „Matin" glaubt behaupten zu können, daß der Plan, abgesehen von einigen Punkten, die besonders Großbritannien interessieren, bei Bonar Law und seinen Mitarbeitern nach dem ersten Anschein keinen Anstoß erregt. Man sehe daher nicht ein, warum er nicht die Billigung der belgischen Minister finden würde- Soweit nach diesem Auszug zu urteilen ist, stim men die Angaben des „Matin" fast genau mit dem sei nerzeit im „Daily Telegraph" entwickelten Programm überein, dessen Autorschaft bekanntlich Loucheur zu- gsschrieben worden ist. Obwohl obige Pariser Meldung die allgemeine Ungewißheit, die die augenblickliche poli tische Lage kennzeichnet, keineswegs aus der Welt schafft, zeugt sie doch von dem Bestreben Frankreichs, „d a s Ruhrabenteuer möglich st rasch zu einem annehmbaren Ende gebracht zu sehen", wie der Pariser Berichterstatter der „Times" in einem Artikel über die Stimmung in Frankreich schreibt. Die Beschlüsse der Ministerkonferenz. Ueber die Schlußsitzung der französisch-belgi schen Verhandlungen in Paris wurde folgende amtliche Mitteilung ausgegeben: „Die französischen und beloischen Minister sind heute (Sonnabend) vormittag aufs neue zusammen getreten. Sie haben die g e m e i n s a m e n W e i s u n - gen vorbereitet, die an ihre Oberkommissare in den Nheinlanden und an General Degoutte ergehen sollen und die die in den neu besetzten Gebieten eingefllhrte zentrale Verrechnung und deren Kon trolle, die Verwendung des Ertrags der Geldbußen und Beschlagnahmungen usw. betreffen. Es ist beschlossen worden, daß die verschie denen Waren und Produkte, die in den besetzten Ge bieten beschlagnahmt worden sind, um die von den bei den Negierungen oder ihren Staatsangehörigen gemach ten Bestellungen von Sachlieferungen zu decken, diesen direkt zur Verfügung gestellt werden sollen. Der lleber- schuß der beschlagnahmten Waren und Produkte wird von den französischen und belgischen Behörden verkauft werden. Der Ertrag dieser Verkäufe wird der Verrech nungskasse der Pfänder überwiesen und der nach Be gleichung der verschiedenen Besatzungs- und Betriebs kosten überschießende Betrag (!) wird der Nepara tionskasse übermittelt werden. Die beiden Negierungen haben ihre Entschließungen von Brüssel dahin bekräftigt, daß sie die Räumung des Nuhrgebietes und der auf dem rechten Rheinnfer neu besetzten Gebiete nicht von einfachen Versprechungen ab hängig machen, sondern daß sie sie nach Maßgabe der Erfüllung der deutschen Neparatisnsverpflich- tungen durchführen werden." Vor derKohlensteuereintreibung Verlangen nach doppelter Zahlung. Die Franzosen haben bekanntlich Ende Februar eine Verordnung über die Z a h l u n g d e r K o h len st e u e r n an die französischen Kassen er lassen. Diese Verordnung stellt den Gipfel aller bis herigen Willkür und Verachtung des Rechts dar. Sie bestimmt, daß die nach dem 1. Oktober 1922 fällig ge wordenen Kohlensteuern von den einzelnen Kohlen zechen an die französischen Kassen bezahlt werden müssen, obwohl den Franzosen genau bekannt war, daß diese Kohlensteuern restlos längst bezahlt sind und daß im Ruhrgebiet nicht die Kohlenzechen, sondern das Kohlensyndikat Steuerschuldner ist. Es wird also bewußt eine doppelte Bezahlung der Kohlsnsteuer, sogar für die lange vor dem Einmarsch der Franzosen liegende Zeit verlangt, und zwar von den Zechen, die die Steuern gar nicht schulden. Nicht genug damit. Wenn die Zechen sich weigern, die bereits bezahlien Steuern nochmals zu entrichten, so wird den Anf- sichtsräten und den Leitern der Gesellschaften je der Eingriff in ihr Privatvermögen und persönliche Schuldhaft, eine im modernen Recht verpönte und den mittelalterlichen Rechtsbegriffen entnommene Zwangsmaßnahme. a n g e d r o h t. Den deutschen Kohlenindustriellen droh e n daher setzt wieder neue Gewalttaten. Weiterverkauf der geraubten Automobile. In Remscheid haben die Franzosen ein „be schlagnahmtes" Automobil an ein englisch-holländisches Unterhändlerkonsortium verkauft. Beim Abtransport des Kraftwagens wurde dieser von Arbeitern angehal ten, und als die das Auto begleitenden Soldaten Schüsse abgaben, in einen Abgrund ge stürzt. Es wurde ein Mann verletzt. Sieben Verhaftungen wurden vorgenommen. Chronik -er Gewalt. Auf Befehl des kommandierenden Generals wurde gestern das Fernsprechamt Recklinghausen strafweise stillgelegt, da angeblich Sabotageakte an der militarisierten Leitung Hochlahn vorgenommen seien. Nach einer Meldung aus Wiesbaden verlang ten in einer Wirtschaft am Römerberg drei be trunkene Marokkaner Alkohol, der ihnen ver weigert wurde. Darauf bedrohten sie den Wirt und die anwesenden Gäste mit ihren Seitengewehren. Als sie von einem Schutzmann und zwei Offizieren verhaftet werden sollten, stachen sie mit ihren Bajonetten um sich, wobei der 18jährige Vuchdruckerlehrling Fritz durch einen Stich getötet wurde. In Offenburg wurden drei Gefängnis aufseher verhaftet, weil sie die Aufnahme eines von den Franzosen eingelieferten Deutschen abgelehnt hatten. Auf der Zinkhütte eines rein belgischen Un ternehmens in Essen sind 150 Arbeiter wegen Teil nahme an der Beerdigung der am Ostersonnabend Gr töteten entlassen worden. Weitere 500Millionen für die Feinde. (Ausführung des Versailler Vertrages, seiner Vorver träge und Zusatzabkommen vom 11. November 1919 bis 31. Dezember 1922.) Die Leistungen des Deutschen Reiches auf Grund des Versailler Venrnges und der damit zusammen bangenden Abkommen sind in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1922 um weitere 500 Millionen Mark gesteigert worden. Die Zahlen, die nachstehend aufge führt worden sind, können aber n o ch nicht einmal als endgültig angesehen werden. Eine Reihe von Leistungen haben bisher zahlenmäßig überhaupt nicht oder nur teilweise erfaßt werden können. Die Gesamt leistungen des Deutschen Reiches gehen noch be trächtlich über die folgenden Zahlen h i n aus. Im Emzelnen setzen sich die Leistungen wie folg! zu sammen . 1. aus vorhandenen Beständen 29 394 WO 000 Mk„ 2. aus volkswirtschaftlichem Vermögen und ans laufender Produktion 11 306 607 000 Mr., 3. Barzahlungen 2 346 866 000 Ml.. 4. Sonstiges 3 431 MO 000 Mt., insgesamt: 16 478 473 000 Ml Dazu: 5. Innere Ausgaben u. Verluste 10 521 327 900 Ml., Summa: 57 000 MO 000 Ml. Berücksichtigt man weiter den Wert Elsaß-Lvtk- ringens und der deutschen Kolonien, sowie den rein militärischen. Rücksaß in sämtlichen Näumungsgebirten, ss gelangt man zu einer Gesamt leistung von weit m ehr als einhundert Milliarden G o l d m art ! Polnische Schmutzfinken gegen Deutsche. Unsere Oberschlesier erleiden neue Ausschreitungen. Die „Morgenpost" meldet ausRalibor: Am Mittwoch abend wurde hier der Leiter der deutschen Minderheitsschulbewegung in Hohenbirken, Bauer, als er von seiner Arbeitsstätte zurückkehrte, von der polnischen Sicherheitspolizei verhaftet. Die er forderlichen Maßnahmen zur Befreiung Bauers sind im Gange. Nach einer weiteren Meldung desselben Blattes aus Kattowitz wurden in der Nacht zum Donners- Schicksalswende. Roman van A. Seifert. 2. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „So sind wir immer einig in unseren Anschauungen und Neigungen, Kind. Das ist ein angenehmes Be wußtsein für mich. Du weißt, Franz fühlt uns da nicht nach. Er verlacht meine philanthropischen Bestrebun gen nicht nur, er entrüstet sich über dieselben und tut, als ginge ihm persönlich etwas dadurch verloren." „Laß doch den griesgrämigen Menschen aus dem Spiel, Väterchen! Der hat an allem auszusetzen. Am liebsten möchte er die ganze Weltordnung auf den Kopf stellen. Vetter Franz kommt mir wie ein rechter Duck mäuser vor." Harnisch streichelte das dunkle, glänzende Haar seines Töchterchens. Ablenkend sagte er: „Du solltest heiraten, Almi! Nur dein Gatte hat das Recht, dich vor den Angriffen und der Arglist der Welt zu schützen!" „Willst Du mich denn durchaus los sein, Väterchen? „Nein. Aber Du könntest mich verlieren!" „Verdirb uns doch den schönen Tag nicht mit sol chen Grillen, Väterchen! Hubert ist auch verschwunden und scheint das Wiederkommen zu vergessen. Was habt ihr Männer nur?" Einige kleine Mädchen hatten sich von den anderen fortgestohlen und standen nun in einiger Entfernung, eifrig winkend, Almida möge doch zum Spielen kommen. Sie nickte, gab dem Vater ein paar schallende Küsse und lief davon. „Sei gut, Altchen, wenn die Gäste fort sind, kommt das Beste. Dann gibt es noch einen ge mütlichen Abend." „Ja, mein geliebtes Kind, ja!" Herr Harnisch schritt wieder auf und ab. Seine Züge trugen jetzt einen freundlichen, zufriedenen Aus druck. Die Freude der Kinder tat ihm wohl. Noch im Alter würden sie sich gern der fröhlichen Stunden er innern, die sie hier durchlebt. Sein Dasein ließ eine Spur zurück, es war nicht umsonst, nicht wertlos dahingeflossen. Das zu er reichen, war neben dem zähen Fleiß, mit welchem er seinen Besitz beständig vermehrte und vergrößerte, sein höchstes Streben gewesen. 2. Kapitel. Die Sonne vergoldete nur noch die Wipfel der Bäume, in deren Schatten jetzt erquickende Kühle wehte. Die kleinen Gäste waren fort. Mit strahlenden Blicken hatten sie sich verabschiedet. Die Erinnerung an restlos glücklich durchlebte Stunden, an gute Men schen geleitet sie. Nun war es still in den weiten Parkwegen. Nur der - Ra:sn des Wiesenplanes erinnerte noch an das sröhliche Treiben, das am Nachmittag hier ge herrscht hatte. Almida und Hubert standen auf einer Anhöhe, an scheinend in das prächtige Schauspiel eines herrlichen Sonnenunterganges vertieft, in Wirklichkeit jedoch mit klopfenden Herzen, die gleich schwer waren von Glück und Weh. Sie schwiegen. Almida hatte an Huberts ernstem Gesicht erkannt, daß er eine unangenehme Nachricht er halten haben müsse. Sie wagte nicht, zu fragen. Eine unerklärliche Bangigkeit beengte ihre Brust. Aber ge waltsam suchte sie sich davon zu befreien. Was auch geschehen mochte, sie und Hubert waren eins in ihrer Liebe. Sie würden glücklich sein. Almida wollte befreit aufatmen, aber der seltsame Druck blieb trotz alledem. Was befürchtete sie denn eigentlich? Kein Schatten verdunkelte ihr Dasein. Sie war reich, jung und gesund, von allen geliebt. Dem Mann, für welchen ihr Herz schlug würde sie angehören fürs Leben, das wie ein köstlicher, rosenduftender Sommertag vor ihr lag. Das Schicksal hatte sie vor Tausenden bevorzugt, sie kannte weder Sorge noch Zwang, kein Wunsch wurde ihr versagt. Sie liebte und wurde wiedergeliebt. War es die Ueberflllle des Glücks, was sie so zag haft machte, sie Schatten sehen ließ, wo keine waren? Da stahl sich leise Huberts Hand in die ihrige. Almida erschauerte in seligem Glück. Und Hand in Hand gingen sie zu einer Bank und ließen sich dort nieder. Eie wagten es nicht, sich anzu- jehen, lange blieben sie stumm. Es war so wundersam schön, das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit. Ihretwegen hätten diese köstlichen Minuten sich zu Ewigkeiten dehnen können. Hubert dachte daran, wie ungern er sein Eltern haus damals verlassen, zum ersten Male auf längere Zeit verlassen hatte. Aber sein Vater bestand darauf, daß er die Ee- schüftspraxis eines anderen Kaufhauses von Grund aus kennen lerne. Herr Harnisch hatte sich gern bereit erklärt, den jungen Wendorf als Eleven in seine Bureaus aufzu nehmen, und ihn bei seiner Ankunft gebeten, sich in seinem Hause ganz daheim zu fühlen. Das ließ Hubert sich nicht zweimal sagen, beson ders, da Almida auf den ersten Blick sein Herz gefan gengenommen hatte. (Fortsetzung folgt.)