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84, 11. April 1S16. Redaklioneller Teil. benutzen wollte. Alle begleiteten ihn an die Landungsbrücke, die er leidlich festen Schrittes passierte, und winkten noch lange ihm nach, den die .Prinzessin Marianne' stromabwärts in die Abendsonne trug. Und Rhein und Sonne, Wein und Lieder ließen seine Seele fröhlich sein, wenn ihm auch irgendwo eine Ahnung dunkelte, daß seine liebe Frau mit dem Ergebnis dieser Geschäftsreise nicht ganz zufrieden sein würde.« Natürlich war auch in den nächsten Tagen das Manuskript eben so wenig erwartet wie abgesandt, und der Verleger rettete das Unternehmen, indem er den jungen Dichter Schücking in Münster für die Wetterführung gewann, der das vorhanden« Material mit Hilfe seiner Freundin Annette von Droste-Hülshoff erweiterte und verarbeitete. Was von Schücking, was außer den schönen westfälischen Balladen von der Droste stammt, ist heute nicht mehr nachzuweisen. Der »Fünfzigjährige«, der Verfasser der Erinnerungen, hatte noch den Großvater persönlich kennen gelernt. Er »wohnte in mitten einer der schönsten Rheinlandschaften, einen Steinwurf weit vom Ufer«, wir können hinzufllgen: in Godesberg bei Bonn. Von diesem Landsitz aus leitete er seinen in Leipzig betriebenen Verlag, der hauptsächlich aus älteren wissenschaftlichen Werken der evangelischen Theologie bestand. Dort arbeitete er an seiner »Lehre von der deutschen Dicht kunst«, die mit jeder neuen Auflage »erschreckend« an Umfang zu-! nahm. Es konnte nicht fehlen, so erzählt der Enkel, daß außer durchreisenden ernsthaften Dichtern zuweilen auch sehr sonderbare bei dem unermüdlichen Bearbeiter der »Lehre von der deutschen Dichtkunst« vorsprachen. »So erinnere ich mich eines kleinen Herrn, den wir an einem strahlenden Sommervormittage vom Garten aus beobachteten, wie er im schwarzen Gehrock und Zy linder, die zierliche Reisetasche in der einen, den Regenschirm in der andern Hand durch die Felder zog, zuweilen für kurze Zeit in einem der damals noch seltenen Landhäuser verschwand und schließlich auf das großväterliche zusteuerte. An der Tür fragte er mit geheimnisvoller Dringlichkeit, ob er den Hausherrn sprechen könne. Der Großvater nahm den Besuch an, und bald hörten wir aus dem offenen Fenster eine lebhafte Unterhaltung, die sich nach einzelnen verständlich werdenden Wörtern um Fragen der Poetik zu drehen schien, worauf der Fremde eine längere Vor- lesung oder Vortrag begann. Als zu Tisch gerufen ward, brachte der Großvater den Gast mit; einen bartlosen, sommersprossigen Herrn mit langem, strähnigem gelben Haar, der erzählte, daß er seine eigenen Gedichte.Hekatomben' von Haus zu Haus anbiete und so die Kosten seines ausgedehnten Reiselebens aufbringe. Halb Deutschland habe er schon bereist und die andere Hälfte werde anch noch drankommen. Übrigens verbinde er mit solchem dichterischen Hausiergewerbe noch höhere Zwecke als den, seinen .Hekatomben' im Interesse der deutschen Kultur möglichst viele Häuser und Herzen zu erschließen: denn indem er abends die Eindrücke jedes Tages dichterisch verarbeite, hoffe er in einigen Jahren sein Lebenswerk vollenden und die .deutsche Odyssee' herausgeben zu können«. Außer den Erinnerungen an diesen Großvater gibt der Ver fasser noch manches andere hübsche und charakteristische Bild von Ahnen und Verwandten, so von der Großtante seiner Mutter, auf deren Meierhof er als Knabe oft wonnige Ferienwochen ver lebte. Sie war mit der Dichterin Luise Hensel befreundet, deren von Wilhelm Hensel geschaffenes Bildnis, eine seiner vielen be rühmten Bleistiftskizzen, in dem Zimmer hing, das Luise Hensel oft bewohnte. Entzückend sind die Erzählungen, die der »Fünfzigjährige« aus seiner Ghmnasialzeit gibt, aus der Zeit, da er wieder in seine Heimat zurückgekehrt war, von der er nun schon »ein Dutzend Jahr und länger« getrennt lebt. Leider erzählt er von sich und seiner Entwicklung nichts. Vielleicht gcschieht's in einem späteren Werk. Das vorliegende, auf jeder Seite fesselnde Buch läßt es zweifellos wünschen. In Westfalen, das darin mit großer Liebe geschildert wird, wird es mit besonderem Interesse gelesen werden. Erhöhung des Rechnungsrabatts. In Nr. 329 der »Mitteilungen des Deutschen Verlegervereins« vom 7. April ist nachstehender Briefwechsel abgedruckt: Hamburg, den 18. Februar 1916. An den Varstand des Deutschen Berlegervereins, Leipzig. Lehr geehrte Herren Kollegen! Wir möchten Sie heute um eine Meinungsäußerung in einer Angelegenheit van großer grundsätzlicher Bedeutung bitten, nämlich um die allseitige Erhöhung des Rechnungsrabatts der Verleger an die Sortimenter auf mindestens 39°/,, namentlich und vor allem bei den wissenschaftlichen Büchern. Vorausschicken möchten wir, daß vor etwa 10 Jahren von dem damals in Hamburg befindlichen Ver bandsvorstand ein gleicher Schritt getan wurde, der schon zu großen Teilerfolgen führte. Aber wenn auch damals eine Zahl wissen schaftlicher Verleger dem Ersuchen Folge leistete, darunter einige allerersten Ranges, so verhielt sich doch eine noch größere Zahl ab lehnend. Es braucht nicht mehr nachgewiesen zu werden, denn es ist schon oft bewiesen und ihm nie widersprochen, daß der Vertrieb wissen schaftlicher Bücher bei nur 25"/o Rabatt unlohnend für den Sortimenter ist. Wir halten uns deshalb heute mit Beispielen und Beweisen nicht auf. Nun stehen wir mitten in Kriegszeit, die eine Verteuerung aus allen Gebieten, sowohl der Herstellung wie des Vertriebes usw., ge bracht hat. Auch hier erübrigt es sich, Beweise anzuführen. Es ist ferner ausgeschlossen, daß die Preise wieder ganz auf den alten Stand zurückgehen werden. Manche Verleger sind deshalb schon zu einer- allgemeinen Preiserhöhung geschritten, viele werden ihnen Nachfolgen. Wo bleibt da das Sortiment? Wir meinen, jetzt ist die gebotene und günstige Gelegenheit da, ihm zu geben, was ihm zukommt! Wenn doch die Preise erhöht wer den müssen, können gleich 5°/« mehr mit eingerechnet werden. Das bücherkaufende Publikum hat sicher Verständnis dafür. Das Recht, den Verkaufspreis zu bestimmen, legt u. E. auch die Pflicht auf, einen auskömmlichen, immer noch bescheidenen Nutzen dem Sorti menter zu gewähren. Es wäre nicht wünschenswert, den Ladenpreis durch Zuschläge zu erhöhen. Teuerungszuschläge sind jetzt bereits in vielen Geschäften und Betrieben üblich geworden. Stimmen, die das auch für den Buchhandel fordern, sind im Börsenblatt schon laut geworden. Wir sähen solche Maßregeln aber lieber vermieden. Nun ist uns wohl bekannt, daß die Satzungen des Verlegerver eins diesem nicht gestatten, irgendeinen Zwang auf Preisbildung und Nabattgewährung auszuüben. Aber von Einfluß und Wirkung ist es ohne Zweifel, wie Sie, geehrte Herren, sich zu unseren Wünschen stellen, ob Sie sie als berechtigt anerkennen oder nicht, ob Sie sich des halb freundlich zu ihnen stellen, wie wir hoffen, oder ob Sie meinen, sie mehr oder weniger stark ablehnen zu müssen. Wir möchten dieses Schreiben nicht mit längeren Ausführungen beschweren, sondern bitten Sie, ehe wir uns an weitere Kreise wen den, um Ihre Äußerung darüber, wie Sie, geehrte Herren, sich zu unserer Fragestellung im vorstehenden Absatz verhalten. In kollegialischer Begrüßung Der Vorstand des Buchhändler-Verbandes »Kreis Norden«. Otto Meißner, Justus Pape, I. Vorsitzender. I. Schriftführer. Der Vorstand des H a m b u r g - A l t o n a e r Buchhändler-Vereins. Th. Weitbrecht, I. Vorsitzender. Nr. 2684. Leipzig, den 24. März 1916. An den Vorstand des Buchhändler-Vereins »Kreis Norden«, z. Hdn. des I. Vorsitzenden Herrn Otto Meißner, Hamburg. Sehr geehrte Herren Kollegen! Ihre geehrte, in Verbindung mit dem Hamburg-Altonaer Buch händler-Verein Unterzeichnete Zuschrift vom 18. Februar d. I. hat uns erst im Umlauf und dann in unserer Vorstandssitzung vom 14. und 15. d. M. eingehend beschäftigt, und daher erklärt sich, daß unsere Antwort verhältnismäßig spät erfolgt, was wir freundlichst zu ent schuldigen bitten. Der Wunsch, der Rechnungs-Rabatt der Verleger möchte allseitig auf 30°/, erhöht werden, besteht ja schon seit vielen Jahren, und auf die früheren Anregungen des Sortiments hin, die der Deutsche Ver legerverein nach Kräften unterstützt hat, ist der Rabatt auch tatsäch lich höher angesetzt worden. Es dürfte wohl unbestreitbar sein, daß bei schönwissenschaftlichen Büchern schon ein Rabatt von 30°/, in Rech nung und von 35 °/, gegen bar, ja ein noch höherer Rabatt die Regel 419