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1104 Börsenblatt f. d. Dtjchn. Buchhandel. Mchtamtlicher Teü. 21, 28, Januar 1912 Muschel zur Kenntnis nehmen, als hätten sie es mit einer Geheim wissenschaft und mit einem Geheimbunde zu tun. Und so geht denn der Autor vielfach mit einem Gemisch von Fatalismus, sach lichem Zweifel und persönlichem Vertrauen in einen Vertrag hinein, das sich bei der leichtesten Erschütterung selbst entzündet und das andererseits nicht selten von hartnervigen Verlegern mißbraucht werden mag. Bestünde eine Stelle, die auf Grund einer von Autoren und Verlegern gemeinsam ausgestellten Tabulatur dem Ratsuchenden über gewisse Grundfragen des angewandten Verlags rechtes und des verlegerischen Gewohnheitsrechtes Auskunft erteilte, des öfteren könnte ein Autor vor Schaden, der Verlag vor den Mißgriffen einzelner Berufsgenossen, in viel höherem Grade aber vor ungerechten Vorwürfen geschützt werden. Eine Auskunftei ähnlicher Art, die freilich meines Wissens in ihren Informationen auch das Persönliche nicht ausschließt, besteht schon heute im Zu sammenhang mit dem Akademischen Schutzverein, Über ihre Wirk samkeit vermag ich in keiner Weise zu urteilen, glaube aber, ihr, ihren Leitern und ihren Gründern nicht zu nahe zu treten, wenn ich mir die Interessen der Verleger und Autoren im Schutze einer gemeinsamen Einrichtung, der die Erfahrungen und das Billigkeitsgefühl beider Parteien zugute kommen, besser geborgen denke. Die Treuhandstelle aber sollte, unter verwandten Voraus setzungen und verwandten Gesichtspunkten wie die Auskunstsstelle, dazu berufen sein und dienen, Autoren in der Überwachung und Abrechnung ihrer Verlagsverträge zu vertreten. Wobei man an solche Verträge, die das Honorar nach dem Absätze oder nach dem Gewinn regeln oder die nach den Umständen abgestufte Zuschüsse verlangen, ohne kritische Nebengedanken darum vornehmlich denken mag, weil ihre rechnerische Abwicklung weniger leicht durchsichtig und übersehbar ist. Von der Wirkung erhoffe ich ein ähnliches wie bei der Auskunftsstelle: den Glauben des Autors und die Treue des Verlegers vor Anfechtungen zu bewahren. Daß mit der Dazwischenkunst einer solchen Stelle, auch wenn ihre Benutzung über den ihrer ersten Zweckbestimmung zugedachten Rahmen hinaus wüchse, eine Minderung des belebenden persönlichen Kontaktes verbunden sein werde, besorge ich nicht. Denn der Verkehr am Schalterbrett des Verlegers — wenn ich darunter im Bilde alles begreifen darf, was mit der rechnerischen Abwicklung eines Verlags vertrages zujammenhängt — spielt sich meist ganz ohne persönliche Begegnung ab, entbehrt aber gleichwohl des öfteren nicht einer gewissen Befangenheit, die bei einem zage» Autor oder gegenüber einem empfindlichen Verleger den Wunsch nach einer Aufklärung oder Erläuterung leicht von der Lippe zurückdrängt und damit mehr löst als bindet. Welche geographische Grenze dem Schiedsgericht und den damit etwa zusammenhängenden Einrichtungen für ihr Wirken ge zogen werden soll, ob die deutsche Reichsgrenze oder die deutsche Sprachengrenze, das mag dahinstchen, muß aber später rechtzeitig Gegenstand der Feststellung sein. Der Schlußteil dieser Denkschrift, der auf die Frage nach der Versassung, Gliederung und Art der Einsetzung der neuen Institution die Antwort geben soll, macht mir am meisten Beschwer. Nicht als ob ich Zweifel an der Lösbarkeit auch dieser Seite unserer Aufgabe hätte, wenn anders der Wille zu ihrer Durch führung genügend weite und kräftige Stützen hat. Aber ich sehe klar, daß der Einzelne, der diesen Beantwortungsversuch unter nimmt, nur eine ganz fehler-und lückenhafte Arbeit liefern kann, und daß dennoch dieser Versuch nicht unterbleiben darf, will man dem ganzen Plane nicht den Zweifel entgegenbringen, daß er wohl Flügel, aber keine Füße habe. So entwerfe ich denn, nach dem Vorbild einer in der kunstgewerblichen Literatur der Gegenwart oft angewandten Beranschaulichungsmethode und in Form einer ganz strichhaften Skizze, mein an allen Ecken und Enden unzu längliches »Gegenbeispiel«, will mich jeden Rotstrichs und jedes positiven Fingerzeigs freue», und bin gewiß, daß das bessere und den Erfordernissen der Wirklichkeit standhaltende und ins einzelne durchgesührte »Beispiel« am gemeinsamen Beratuugstisch unschwer gefunden werden wird. Den Ausgang wieder bei den kontradiktorischen Verhandlungen des Jahres 1904 nehmend und dabei den Deutschen Verleger verein an die Stelle des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler setzend, denke ich mir zunächst die Bildung je eines Schiedsge richts für die wissenschaftliche und für die schöne Literatur, Jedes sich zusammensetzend aus einem in der Praxis stehenden Juristen als unparteiischem Vorsitzenden, der am besten in beiden Kammern derselbe ist und der für seine Tätigkeit eine feste Jahresvergütung bezieht, und je der gleichen Zahl im Ehrenamt wirkender Autoren- und Verlegerbeisitzer, die für jeden Einzelsall aus einem Kreise von Männern zu entnehmen sind, den ihre Berussgenossen aus eine im voraus bestimmte Zeitdauer durch Wahl oder Nennung bereitgestellt haben und deren Zahl und Verteilung nach Berufs- zugehörigkcit und Literaturgattung vom Bedürfnis abhängig ge macht werden mag, ohne daß es auf die Einhaltung einer ziffern mäßigen Parität dabei ankäme. Sechs Verleger der wissenschaft lichen und vier der schönen Literatur, die der Deutsche Verleger verein in berechtigter Alleinvertretung des deutschen Verlages zu wählen hätte, würden durchaus ausreichen, jede nach der Materie wie immer geforderte Rechtsbank von Verlags wegen sachgemäß zu besetzen; während, im natürlichen Einklang mit der hinsichtlich des Stoffgebietes viel größeren individualistischen Beschränkung des Autors, und zwar vornehmlich des wissenschaftlichen Autors, ihre Zahl besser höher gegriffen würde. Welches die Wahl körper für die Alltorenbeisitzer sein werden (man mag dabei an den Akademischen Schutzverein, an den Deutschen Hochschullehrer lag, an den Deutschen Schriftstellerverband, an die Freie Ver einigung deutscher Schriftstellerinnen und andere denken), bleibe dahingestellt. Die Verleger hätten nur insofern ein erhebliches Interesse daran, als die dazu erwählten Persönlichkeiten auch wirk lich als Vertreter und Vertrauensträger der betreffenden Autoren kategorien in ihrer Gesamtheit und ohne Grenzstrich angesprochen werden könnten. Zu den Punkten, die die konstituierende Versammlung der Beisitzer zu erledigen hätte, gehört die Wahl und Berufung des den Vorsitz führenden unparteiischen Juristen, Bei dieser Wahl und allen anderen Beschlüssen müssen sich, wenn Autorenbeisitzcr und Verlegerbeisitzer in ungleicher Stärke vertreten sind, aus der überzähligen Seite nach einer im voraus aufzustellenden Regel so viele der Abstimmung enthalten, wie zur Stimmenparität erforder lich sind. Der Vorsitzende, an den alle für den Schiedsgerichtskörper bestimmten Anträge und Mitteilungen zu richten sind, hat neben anderen ihm etwa zu übertragenden Rechten und Obliegenheiten namentlich diese: er beruft nach seinem freien Ermessen und nach Anhörung der Parteien, denen indessen ein Einspruchsrecht nicht zusteht, für jeden einzelnen Fall das Spruchkollegium, das ich mir, ihn als den Vorsitzenden eingeschlossen, bei einer Schlichtungs angelegenheit aus drei, bei einem Schiedsspruch aus fünf, bei einem Ehrenspruch aus sieben Köpfen zusammengesetzt denke. Wobei natürlich die ziffernmäßige Parität zwischen Autorenbei sitzern und Verlegerbeifitzern streng gewahrt werden muß, während dem Vorsitzenden das Recht zusteht, in ihm geeignet scheinenden Fällen die Grenzen der wissenschaftlichen und schönen Literatur unberücksichtigt zu lassen. Die Vorbereitung und Bearbeitung des Falles, einerlei ob es sich um einen Schlichtungsversuch, einen Schiedsspruch oder eine Ehrensache handelt, liegt zunächst in den Händen des Vor sitzenden, der nach seiner Wahl das Referat selbst übernehmen oder einem der für den Fall von ihm ausgewähltcn Beisitzer über tragen kann und der dann in zweimaligem Umlauf seine oder des Referenten Anträge zur Kenntnis und Abstimmung bringt. Bei dem Schlichtungsversuch wird das als Ansicht des Spruchkörpers zu gelten haben, was mindestens zwei (von drei) übereinstimmend