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1100 Börsenblatt s. d. Dkschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 21, 26. Januar 1912. befürchten, daß bei wachsender Macht des Barsortiments schließlich dem Verleger Bedingungen diktiert werden, die eine Schädigung seines Geschäftes und seines Gewinnes bedeuten. 1. Der vielgerühmten Ersparnis an Expeditionskosten, Arbeitskräften und Buchungen steht der Verlust durch die ge währten Freiexemplare gegenüber, der mehr beträgt als die früheren Aufwendungen bei der Versendung. Ganz abge sehen von sogenannten Schlagern, bei denen die dem Bar sortiment gewährten Freiexemplare ganze Auslagen be tragen, werden Bücher, die sonst nur durch Verkauf einzelner Exemplare abgcsctzt werden würden, durch das Barsortiment nur in Parteien bezogen und somit dem Verleger mehr Freiexemplare entzogen, als gewöhnlich kalkuliert wurde. Der Verleger muß also bei allen Werken mit einer größeren Abgabe von Freiexemplaren, also mit höheren Rabattsätzen rechnen. Dieser Übelstand läßt sich freilich nicht ändern, wohl aber muß der belletristische Verleger auf dem Standpunkte beharren, dem Barsortiment außer dem Freiexemplar bei Partien keine weiteren Rabattvergünstigungen einzuräumen und alle derartigen Versuche zurückzuweisen. Der von ein zelnen Verlegern bewilligte Extrarabatt ist durchaus unnötig und wird durch Gegenleistungen nicht gerechtfertigt, denn das Barsortiment kann gar nichts für Einführung und weitere Verbreitung der Werke tun. 2. Außer dem Freiexemplar genießt das Barsortiment meistens auch ein Ziel von ein bis drei Monaten, was an und für sich sehr berechtigt ist, zumal sich das Quartalskonto bei einigermaßen Umsatz auch sonst im Verkehr zwischen Verleger und Sortimenter immer mehr einbürgert. Es werden aber vielfach Versuche gemacht, das Ziel noch zu verlängern, indem Bücher in einem Quartal, aber mit Verrechnung erst für das nächste Quartal verlangt werden. Motiviert wird dieses Verlangen gewöhnlich mit augenblicklich stiller Geschäftszeit, in der mit Muße geordnet und gebunden werden kann, während im nächsten Quartal die Bücher erst verkauft würden, also nur bei Bewilligung späterer Verrechnung be zogen werden könnten. Es hat sich aber nun mehrfach ge zeigt, daß bei Ablehnung solcher Gesuche die betreffenden Bücher trotzdem bezogen wurden, so daß man wohl an nehmen kann, daß die Werke doch zurzeit gebraucht wurden. Es soll damit nicht gesagt werden, daß derartige An sinnen nur Versuche zur Gewinnung längeren Ziels seien, sondern cs muß im Gegenteil anerkannt werden, daß in vielen Fällen der Vorbezng in stillerer Geschäftszeit auch für den Verleger von Vorteil ist. Aber es laufen doch sicher bei diesen Bestellungen auch manche Werke mit, die zurzeit ge braucht werden, und es wird sich wohl kein Barsortimenter scheuen, wenn unerwartete Bestellungen eintrefsen, diese aus den eben bezogenen Büchern zu erledigen und nicht erst neu mit Berechnung für das laufende Quartal zu beziehen. Es dürste sich daher empfehlen, nur in Ausnahinesällen derartigen Ansuchen zu entsprechen. 3. Die vom Barsortiment in immer steigendem Maße geforderte Zurücknahme früher bezogener Bücher oder der Umtausch älterer Auflagen dürfte zwar in vielen Fällen durchaus berechtigt sein, aber sie darf nicht bis zur direkten Schädigung des Verlegers ausgedehnt werden. Das Bar sortiment bestellt ja an und für sich schon mit dem Vor behalt des Umtausches bei dem Erscheinen neuer Auf lagen innerhalb dreier Monate, und der Verleger kann dies bei der Vorbereitung neuer Auslagen leicht in Rech nung ziehen. Ebenso kann der Verleger auch nach Ab lauf der Vorbchaltszeit einige Exemplare älterer Auf lagen wohl zurücknehmen, wenn die neue Auflage wesentlich Verändert ist. Aber gerade in der Belletristik ist letzteres nur selten der Fall und deshalb eine Zurücknahme, nur weil es sich um eine neue Titelauflage handelt, ungerechtfertigt. Im allgemeinen dürften über diese Punkte auch wohl kaum ernstere Differenzen entstehen, anders dagegen bei dem Ver langen auf Zurücknahme fest bestellter und liegengebliebener Exemplare. Immer mehr häufen sich solche früher nur in seltenen Ausnahinesällen gestellten Forderungen, und zwar handelt es sich dabei oft um ganz erhebliche Zahlen. Das Barsortiment genießt dis Vorteile des Barbezugs in erheblichem Maße, es muß dafür auch das Risiko tragen, wie jeder andere Sortimenter, daß ihm etwas liegen bleibt und seine Kalkulation nicht richtig war. Es scheint auch, daß oft zu großes Vertrauen auf Rücknahme seitens der Verleger eine genaue Erwägung bei der Bestellung außer acht läßt, denn man kann sonst bei gangbaren Büchern nicht recht verstehen, weshalb so viele Exemplare beim Barsortiment liegen bleiben, obwohl ja natürlich die Be stellungen möglichst groß gemacht werden, um an den Freiexem plaren zu verdienen. Es kommt vor, daß der Verleger eine neue Auslage herausbringt oder vorbereitet und dann die Bitte des Barsortiments kommt, mehrere hundert Exemplare zurück zunehmen. So erlebt der Verleger nicht nur eine unan genehme Täuschung Uber den wirklichen Absatz des Buches, sondern er kommt direkt in geschäftlichen Verlust, wenn er diese Gefälligkeit dem Barsortiment erweist. In solchem Falle muß der Verleger die Bitte auf Rücknahme abschlagen, und das Barsortiment mutz seine Bestellungen sorgsamer erwägen und vorsichtiger bestellen, auch wenn es dabei vielleicht um den Genuß einiger Freiexemplare käme. 4. Außer dem Verdienst an Freiexemplaren gestaltet sich das Barsortiment den Bezug und Wiederverkauf der Bücher dadurch lukrativer, daß es rohe oder broschierte Exemplare bezieht und diese mit eigenen Einbänden versieht. Da diese in der Masse billig hergestellt werden können, hat es somit noch einen besonderen Verdienst am gebundenen Exemplar. An und für sich läßt sich dagegen nichts sagen, und es mutz ebenso zugestanden werden, daß die meisten Einbände künstlerisch vollendet und gut sind. Vielfach passen aber nicht die an sich schönen Einbände zu dem Inhalt und sind jedenfalls nicht so individuell ausgesucht, wie dies vom Ver leger und Autor geschehen ist. So werden dann oft dem Verleger seitens des Publikums oder des Autors Vorwürfe über Geschmacklosigkeiten gemacht, die er gar nicht begangen hat; oft werden dem Verleger Bücher zugeschickt mit der Bitte um Austausch, die er dann nicht erfüllen kann, oder aber der Sortimenter remittiert in Barsortimenter- einbändsn, was auch wieder Anlaß zu Differenzen gibt. Be sonders unangenehm macht sich dieser Zustand mehrerer ver schiedenen Einbände bei Sammelwerken geltend. Ein Kunde hat die ersten Bände in einem Barsortimentereinband be zogen und erhält bei weiterem Bezug Verlegereinbände, was natürlich wieder allerlei Reklamationen zur Folge hat. So erwachsen dem Verleger mehrerlei Ärgernisse neben dem Gefühl, daß das von ihm in allen Einzelheiten künstlerisch individuell ausgestattete Buch noch in anderen Ausstattungen verbreitet wird, die er^ meist gar nicht einmal kennt und von denen er nicht weiß, ob sie nicht zu einer falschen Beurtei lung seiner Verlagstätigkeit führen können. Eine radikale Abhilfe wäre hier nur möglich, wenn der Verlag nur ge bunden dem Barsortiment lieferte, falls letzteres sich nicht ausdrücklich verpflichtete, entweder dem Verleger Einband proben vorher vorzulegen oder gar nicht mit eigenen Ein bänden zu liefern. 5. Ein letzter großer llbelstand ist der Druck, den die Barsortimcnte auf die Verleger zur Gewinnung von Inse raten für ihre Weihnachts- und sonstigen für das Publikum -bestimmten Kataloge ausüben. Ob dies seitens der Barsor-