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Ottendorfer Zeitung : 06.12.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-192212069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19221206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19221206
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-12
- Tag 1922-12-06
-
Monat
1922-12
-
Jahr
1922
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.12.1922
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Vie oberscklesif^en f!ücktttnge. Eine deutsche Protestnote. Die deutsche Regierung hat dem Völkerbund e^ne Note übergeben, in der sie die Beschuldigungen widerlegt, die in einer früheren Note der polnischen Regierung gegen die deutsche Regierung erhoben worden sind und die dahin gehen, daß Deutschland die polnische Minderheit in West- Oberschlesten vernichten wolle. Insbesondere seien nach der Übernahme des deutsch gebliebenen Teiles von Ober schlesien die deutschen Behörden in terroristischer Weise gegen die polnischen Minderheiten vorgegangen, so daß diese in Massen nach Ost-Oberschlesien geflüchtet seien. Demgegenüber stellt die deutsche Regierung fest, daß die Mißhandlungen nationaler Minderheiten, deren Schauplatz Oberschlesien im Frühjahr 1922 gewesen ist, in Ost-Oberschlesien ihren Anfang genommen haben. Die deutsche Darstellung wird durch ausgiebiges Beweis- material erhärtet. Die Zahl der Flüchtlinge beweist um besten, daß der größere Terror auf polnischer Seite ge herrscht hat. Die polnische Darstellung, daß etwa 20 000 polnische Flüchtlinge West-Oberschlesien verlassen hätten, wird auf das richtige Maß zurückgeführt, während andererseits auf Grund genauer Unterlagen die Zahl der deutschen Flüchtlinge aus Ost-OLerschlesien auf ungefähr 40 000 Köpfe beziffert wird, d. h. es sind aus Ost-Oberschlesien mehr als zweimal so viel Men schen vertrieben worden als aus West-Oberschlesicn. Die deutsche Note weist dann ferner die in der polnischen Note erhobenen Beschwerden über mangelnde Einrichtung von Min derheits schulen in Deutschland zurück und führt weiter aus, daß sie entschlossen ist, das Genfer Abkommen auch weiterhin loyal durchzuführen. Sie muß aber mit allem Nachdruck darauf bestehen, daß Polen nunmehr seinen Verpflichtungen aus dem Genfer Ab kommen endlich gerecht wird und davon absteht, die Nicht erfüllung seiner Verpflichtungen durch unberechtigte An flügen gegen Deutschland zu verschleiern. Menn bcbauspieler streiken. Vor und hinter den Kulissen. / Berlin, im November. Nicht alles ist „Theater", was mit dem Theater zu sammenhängt! Als dieser Tage die Berliner Schauspieler drohend ankündigten, daß sie in den Ausstand treten wür den, wenn die Herren Direktoren nicht geneigt wären, ihnen gewisse Mindestgagen zu bewilligen, meinren Zweifler, daß zur Abwechslung auch einmal die Tragödien Komödie spielten, die Komiker aber dafür sich in tragischer Gebärde übten, kurz, daß alles nur schöne Pose und — na, wagen und sagen wir's schon — Kulissenreißerei wäre. Aber die Schauspieler, die tragischen sowohl wie die komischen, meinten es wirklich ernst, und der Streik ist im vollen Gange. Aber Aber es gab, wie immer und überall, auch in diesem Beruf Streikbrecher, und so geschah es, daß am ersten Streikabend — die Streiktage der Schauspieler müssen ja aus naheliegenden Gründen nach Abenden gezählt werden — eine beträchtliche Anzahl von Berliner Bühnen „den Betrieb aufrechterhalten konnte". Daß der Streikenden sich darob große Entrüstung bemächtigte, ist erklärlich, und der Druck, der auf die „Abwegigen" ausgeübt wurde, war so stark, daß am zweiten Abend sich schön ein ganz anderes Streikbild darbot: die Zahl der „arbeitenden Genossen" (die Bühnenangehörigen bezeichnen sich ja als Genossen schaft) war sehr zufammengeschrumpft, und der Ausstand erhielt eine besondere Note dadurch, daß auch die soge nannten „Prominenten" oder, wie man das in der deut schen Bühnenfprache früher nannte, die „Stars", das heißt die ersten Kräfte, sich für ihn entschieden. Daß es dabei nicht ganz ohne Schauspielerei abging, kann man sich denken, und wenn eine der bekanntesten Berliner Künst lerinnen pathetisch erklärt: „Nur wenn mein Obmann ruft, trete ich wieder auf!", so wird man unwillkürlich an das „große Drama" mit dem „Nur über meine Leiche geht der Weg!" erinnert. Zur Sache selbst sei erwähnt, daß die Schauspieler für November eine Mindeftgage von 60 000 Mark fordern, während die Direktoren nur 55 000 Mark bewilligen wollen. Verschärft wird der Streik dadurch, daß die Direk toren sich gegenseitig verpflichteten, wegen des Streiks ent lassene Schauspieler fünf Jahre lang von allen Theatern des Dühnenvereins fernzuhalten. Der Streikkasse der Schauspieler stehen angeblich 35 Millionen Mark zur Vrr- RLiiergui Wroynowo. Ostmärkischer Roman von Guido Kreutzer. 16s (Nachdruck verboten.) .Aber erlaube mal, Kind — die Bank rennt mir nicht weg. Und ich fange doch hier nicht eine große Debatte an, um sie so einfach unbeendet zu lassen. Wir müssen doch zu einem abschließenden Ergebnis kommen." „Sind wir doch schon gekommen." Der alte Herr machte ein riesig erfreutes Gesicht. „Also demnach bist du damit einverstanden, Irene, wenn ich demnächst bei möglichst unpassender Gelegenheit die er forderlichen Schritte unternehme?" .Vollkommen einverstanden, Papa. Liegt dir soviel daran, dem Assessor zu helfen, dann steh dich nur recht sorg sam nach einer passenden Gattin für ihn um. Ich verstehe durchaus, wenn du ihm ein gewisses menschliches Interesse entgegenbringst; da doch sein und unsere Wege durch die Fügung des Schicksals sich nun einmal gekreuzt haben und da du doch — ob mit oder ohne deinen Willen — derjenige bist, der jetzt einen großen Teil des Schilksche» Familien- und Grundbesitzes in Händen hältst." .Fügung des Schicksals — hast du gesagt, mein Kind; alles was recht ist. Aber meine Sorge um eine passende Gattin für den jungen Herrn dürste doch überflüssig sein. Denn sieh mal, das ist ja gerade das Großartige — keinen Schritt brauche ich zu tun. kein Work brauche ich zu fremden Menschen darüber zu reden, alles hab ich schon vorher mit dir abgemacht. Und ist es endlich soweit, denn ersparen wir uns eine Unmenge Rederei und Lauferei. Denn meinen wertvollen väterlichen Segen, daß du eine Freifrau von Schilk wirst, gebe ich dir der Einfachheit halber schon heute." Da erhob sich seine Tochter aus dem Klubsessel und strich mit einer lässigen Bewegung ihr Kleid glatt. Jetzt aber war doch eine unverkennbare kühle Schärfe im Klang ihrer Stimme. „Bemühe dich nicht. Papa — denn ich werde den Assessor von Schilk nie heiraten." Und als der Vater entrüstet Leu Ligarreustullurust üt fligung, und die „Prominenten" sorgen durch großzügige Spenden für die weitere Auffüllung der Kasse. Von unä fern. Wieder neue Tausendmarkscheine. Von den Reichs banknoten zu 1000 Mark mit dem Datum vom 15. Septem ber 1922 wird demnächst eine sünfte Serie ausgegeben. Das Papier ist weiß und trägt ein über die ganze Fläche sich wiederholendes, natürliches Wasserzeichen. Die Nummer in der linken oberen Ecke der Vorderseite ist in violetter Farbe gedruckt. Ein neuer Amerikadampfer. Auf der Vulkanwerft in Stettin lief ein für den Norddeutschen Lloyd in Bremen erbauter, 14 400 Tonnen großer Passagier- und Fracht dampfer, der für die Amerikafahrt bestimmt ist, vom Stapel. Das Schiff erhielt von dem Ersten Bürgermeister Schmid-München den Namen „München". Todessturz mit einem Fallschirm. Auf der Rennbahn in Daglfing bei München ist der Flugzeugführer W. Büsten, der Konstrukteur eines neuen Fallschirms, tödlich abgestürzt. Der Fallschirm blieb, nachdem der Führer in etwa 600 Metern Höhe aus dem Flugzeug gesprungen war, ge schlossen, und Büsten, der anderwärts schon oft sicher zur Erd^ abgesprungen war, lag zerschmettert am Boden. Der ganze Vorfall spielte sich vor den Augen der Frau Büsten ab. Schweres Schiffsunglück. In der Nähe von Barce lona wurde ein Küftendampfer bei einem Zusammenstoß mit einem Zollschiff in zwei Teile gerissen. 80 Personen wurde über Bord gespült. Unmittelbar nach der Kata strophe wurden 10 Tote und 17 Verwundete gemeldet; die Zahl der Opfer ist jedoch offenbar noch größer. * Hamburg. Wie aus Norddorf auf Amrum gemeldet wird, ist der deutsche Dampfer „Albis" gestrandet. 18 Mann der Besatzung sind gerettet. Görlitz. Bei der Einfahrt in den Bahnhof Nikrisch ent gleisten zehn Wagen eines Güterzuges; sie wurden vollständig zerstört. Personen wurden nickt verletzt. Santafs. Bei einer Explosion in einem Anthrazitbergwerk wurden sieben Personen getötet und über dreißig verletzt. ßpiel unc! 8port. Schwimmeisterkämpfe in Berlin. In Anwesenheit von Vertretern der Reichsbehörden und des Oberbürger meisters der Stadt Berlin ging in Berlin das Wett schwimmen des Schwimmsportklubs 89 vor sich. In den beiden Hauptsntscheidungen gelang es dem deutschen Brustmeister Rademacher, den deutschen Freistilmeister Heinrich über 96 und 192 Meter einwandfrei zu Magen. Schachwettkamps Dr. Lasker—Marshall. Um die Schachmeisterschaft der Vereinigten Staaten wurde zwischen dem früheren Weltmeister Dr. Eduard Lasker und dem aus internationalen Turnieren vielfach bekannten amerikanischen Meister Marshall ein Wettkampf von 18 Partien vereinbart, der im März beginnen soll. Das Schachturnier. In der zehnten Runde des Wiener Schachturniers gewann Rubinstein gegen Aljechiu, Wolf gegen König, Bogoljubow gegen Kmoch, Spielmann gegen Vukovics, Tarrasch gegen Neti. Unbeendet blieb die Partie Grünfeld—Sämisch. Es wurden dann die früher abgebrochenen Partien zu Ende gespielt. Tie Partien Aljechin—Tartakower, Kmoch—Dr. Tarrasch, Spielmann- König, Takacs—Grünfeld und Sämisch—Bogoljubow blieben unentschieden. Rubinstein siegte gegen Wolf, Rett gegen Vukovics. Der Stand des Turniers ist: Wolf 8, Tartakower 7)H, Rubinstein 7, Maroczy 6^, Grünfeld und Aljechin 6, Bogoljubow 5, Rett 4Z4, Sämisch 4, Tarrasch und Spielmann 3)4, Vukovics 3, König 1, Takacs und Kmoch 14. Gericktskatte. Die Sachverständigengutachten im Prozeß Franz. Im Sittlichlcitsprozeß Franz bezeichnete der als Sachverständiger vernommene Gefängnisarzt Dr. Hirsch den Ehemann Franz als starken Hysteriker, verneinte aber die Möglichkeit der An wendung des ß 51. Der Sachverständige erklärte weiter, daß er an eine Betäubung der beteiligten Mädchen nicht glauben könne. Betäubungsmittel seien in der Wohnung des Franz nicht gesunden worden. Darauf wurde der Hausarzt des Ehe paares Franz als Sachverständiger vernommen. Er schilderte Frau Franz als vollständig willenlos« Person, bei der die Vor aussetzungen des § 51 ebenso wie bei ihrem Ehemann vorlägen. Franz habe an pathologischem Größenwahn gelitten. Sanitäts rat Dr. MagnuS Hirschfeld erklärte als Sachverständiger, daß bei Frau Franz die Voraussetzungen deS § 51 vorlägen. Ob der Ehemann Franz voll zurechnungsfähig sei, sei mindestens zweifelhaft. Bei den Vorgängen in der Franzschen Wohnung könnten die Mädchen möglicherweise auch infolge eines Nerven- choks das Bewußtsein verloren haben. Prozeß Rahardt. Vor einer Berliner Strafkammer begann der Prozeß gegen den früheren Präsidenten der Berliner Hand werkskammer Karl Rahardt, der beschuldigt wird, in zahl reichen Fällen betrügerische Handlungen zum Schaden ' des Deutschen Reiches und zum Nachteil der Heeresverwaltung be gangen und dadurch sich Millionenbeträge verschafft zu haben. Neben Rahardt sind wegen strafbarer Mitwirkung acht Personen angettagt, unter ihnen Erich Rahardt, der Sohn des Haupt angeklagten. Ein Regierungsrat Ermer, der in die Anklage ver wickelt war, weil er Bestechungsgelder angenommen haben soll, ist durch Selbstmord aus dem Leben geschieden. Zu der Ver handlung, die mehrere Wochen in Anspruch nehmen wird, .sind medizinische und kaufmännische Sachverständige geladen. Außer dem sind etwa 70 Zeugen zu vernehmen. Karl Rahardt erklärt sich für nichtschuldig. Er ist, wie er angibt, 1887 nach Berlin gekommen und hat sich mit einigen hundert Mark Ersparnissen als Tischlermeister niedergelassen Im Laufe der Jahre ist er zu vielen Ehrenämtern aufgerückt. Vor dem Kriege war er eine Zeitlang Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Die übrigen Angeklagten bestreiten ebenfalls, sich strafbar gemacht zu haben. Rahardt äußerte sich dann über seine Tätig keit bei den während des Krieges von der Handwerkskammer gegründeten Lieferungsgcnossenichasten. Er habe nicht alles selbst bearbeiten können und es fei ihm von seinen Mitarbeitern nicht alles Erforderliche mitgeteilt worden. Sein ganzes Ver mögen bestehe aus 100 000 Papiermark. Er habe für seine Tätigkeit etwa 30 000 Mark erhalten und habe dieses Geld zum größten Teil gespart. Es schweben gegen ihn noch mehrere Ver fahren, die in Verbindung mit zwei Meineidsklagen vor das Schwurgericht kommen werden. Bei den Meincldsanklagen handelt eS sich darum, daß Rahardt geschworen hat, keine Be stechungen verübt zu haben, und daß er in einem Disziplinar verfahren abgeleugnet hat, mit der Frau eines Angestellten in Beziehungen gestanden zu haben. Auch ein Polizeipräsident! Einer der Münchener Polizei präsidenten aus der Rätezeit, der Drogist Dosch, der wegen Fahrraddiebstahls in Untersuchungshaft sitzt, ist wegen Silber und Goldschiebung vom Münchener Schöffengericht zu einem Monat Gefängnis verurteilt worden. Verurteilung eines bekannten Schauspielers. Der Schau spieler Viktor Schwanneke wurde in München wegen eines Ver gehens der Untreue und eines Verbrechens der Privaturkunden- fälschung zu 5 Monaten Gefängnis und 100 000 Mark Geld strafe verurteilt: außerdem wurden ihm die Kosten des Ver fahrens und der Strafvollstreckung auferlegt. Schwanneke war früher Hofschauspieler in München. Während der Revolution wurde er Intendant des Münchener Nationaltheaters. Als Mitglied des Direktoriums, Geschäftsführer und Kassierer der Klara Ziegler-Stiftung hat er Straftaten verübt, die jetzt zu seiner Verurteilung geführt haben. Seit mehreren Monaten ist Schwanneke in Berlin als Schauspieler und Filmdarsteller so wie als Inhaber eines von der Bühnenwclt viel besuchten Weinrestaurants tätig. f^an^el und Verkehr. Ausgabe neuer Steuermarken. In letzter Zeit sind Klagen über die ungenügende Belieferung der Post- anstalten mit Einkommensteuermarken laut geworden. Der vorhandene Mangel erklärt sich daraus, daß infolge der ge stiegenen Löhne und Gehälter eine verstärkte Nachfrage ein gesetzt hat, und daß die Reichsdruckerei nicht in der Lage war, den Bedarf in vollem Umfange zu decken. Doch wird der Mangel in kurzer Zeit behoben sein, und auch die Ausgabe neuer Marken zu 500, 1000 und 2000 Mark ist bereits vorbereitet. Vermischtes. Särge aus Gips. Ingenieur Graebner, der Leiter der Fränkischen Gipsgußwerke in Augsburg, sprach in einem Vortrage über die Einführung von verhältnismäßig billigen Gipssärgen. Bei Einführung dieser Särge würden große Summen gespart werden können. Es soll bereits die Bildung einer Aktiengesellschaft in Aussicht ge nommen sein. Tragödie in einer Opiumhöhle. In Cardiff (Eng land) fand man in einem berüchtigten Hause einen Chi nesen tot vor; neben ihm lagen drei völlig bewußtlose Engländerinnen. . Der Raum, in dem die Frauen und der tote Chinese gesunden wurden, war sehr klein rmd ärm lich ausgestattet. Die elegant gekleideten Frauen, die der vornehmen Gesellschaft Cardiffs entstammen, atmeten noch schwach. Durch übermäßigen Opiumgenntz waren, ihre Gesichter völlig gelb gefärbt. Sie wurden durch belebende Strychnineinspritzungen nach etwa einer Stunde wieder zum Bewußtsein gebracht, waren aber zu schwach, um über den Tod l»s Chinesen oder über sich selbst Auskunft zu geben. den Aschenbecher stopfte und abermals zu längerer Rede an- fetzen wollte — hob sie leicht die Hand gegen ihn: „Niemals! Du weißt — ich bin dir von ganzem Herzen dankbar für all die Liebe und Fürsorge, die Lu mir stets bewiesen hast und die dir auch immer einen großen Teil deiner Gedanken in Anspruch nimmt. Und wenn du hier heute morgen dies Heiratsprojekt zur Sprache gebracht hast, dann weiß ich ganz genau, daß auch diese Idee einzig und allein deiner Sorge um mich entspringt. Dies« Erkenntnis war aber auch für mich der einzige Grund, daß ich dich so lange angehört habe. Widerspruchslos angehört. Denn sonst, überlege mal, Papa — steckt in diesem ganzen Plan nicht ein klein bissel Unwürdigkeit? Eine Unwürdigkeit, die ich begehen würde, wollte ich dir meine Einwilligung dazu erklären. Aber ich bin ja überzeugt — du hast nur Scherz ge macht. Denn du mußt ja deine Tochter kennen: und mußt wissen, ich bin nicht das Mädel, mich einem Manne anzu bieten oder an den Hals zu werfen oder zumindest glücklich zu sein, wenn er sich gnädig herbeiläßt, um meine Hand an zuhalten. Du hast mich ja auch vielzusehr zur Selbständig keit erzogen. In allen Lebensdingen und in allen Lebens lagen. Und gerade in dieser wichtigsten Frage, die es für mich gibt, sollte ich meine Selbständigkeit so absolut aufgeben?" „Aufgebcn? Wer spricht davon, Irene, daß du dich nun einfach — wie ich es einmal in einem Roman so schön gelesen habe — zu einem willenlosen Objekt väterlicher Tyrannei machen lassen sollst? Ich wäre doch wahrhaftig der Letzte, so was von dir zu fordern. Ich habe mir nur gehorsamst erlaubt, dir alle Vorteile einer solchen Ver bindung klarzumachen, und habe nebenbei auch ganz be scheiden meiner Freude Ausdruck gegeben, wie fumos alles zusammen klappt. Die äußeren Verhältnisse, meine ich. Und jetzt kommst du stolz wie ein Pfau daher und schiebst mir Motive unter, an die ich nicht im hitzigsten Fieber ge dacht hätte. Latz doch die Kirche im Dorf, Irene. Stolz ist für ein Mädchen eine schöne Sache. Vielleicht die aller beste. Und darum bin ich weit davon entfernt, dir diesen Stolz zu nehmen. Also, was willst du eigentlich von mir unü worüber erregst du Lutz?" Während er sprach, war sie dicht zu ihm herangetretev und machte sich an einem der Nockknöpfe zu schaffen; drehte ihn spielerisch hin und her. Schon als Kind hatte sie das an sich gehabt und wußte: der Vater liebte das, und es dauerte nicht lange — mochte er noch so erregt und noch so zornig sein — bis er ihr mit der Hand liebevoll über das Haar strich. Und sie erwiderte mhig und gelassen und mit emem kleinen versöhnlichen Lächeln: „Sieh mal, Papa, das mußt du verstehen: — Hötte ich den Assessor von Schilk irgendwo in einer Gesellschaft kennen gelernt und wär« seine Vermögenslage derart gewesen, daß. er lediglich der Stimme seines Herzens folgen dürfte, und wäre dann seine Wahl auf mich gefallen und ich liebte ihn — weshalb hätte ich nicht seine Frau werden sollen? Aber die Zwangslage, in der er sich augenblicklich befindet, aus nutzen und durch sie mir den adligen Namen eines un geliebten und gleichgültigen Mannes erringen, — welch'eine sonderbare Idee? Aber sicherlich — du hast nur deinen, Scherz mit mir getrieben. Davon lasse ich mich nicht ab bringen. Daran glaub' ich nun einmal. Denn nicht wahr, Papa, — wir sind doch beide Menschen, die etwas von sich halten und die Selbstachtung besitzen . . . und dann gibt man sich doch nicht zu solchen Dingen hin! Aber um aus dieser Unterredung wenigstens ein Resultat zu ziehen: — gestaltet sich die wirtschaftliche Lage dieses Herrn von Schilk durch den Tod seines Vaters wirklich so ungünstig, wie du es mir darstelltest, und wird er zukünftig den Verlust der drei Vorwerke wirklich so schwer empfinden, wie es nach seiner Charakterschilderung, die du mir vorhin gabst, wahrscheinlich ist — dann hilf ihm doch so! Ohne irgend welche selbstsüchtigen oder zumindest persönlichen Nebenabsichten!" Dieser Ausgang war so unvermittelt, daß der Kommerzien rat doch ein paar Atemzüge Zeit brauchte, um wieder im Bilde zu sein. Ohne daß er es wollte, und Loch üriter der direkten Einwirkung seines Rockknopfes, an dem Lie Tochter: immer noch hin und her drehte, strich er über das Haar und schüttelte den Kopf. (Fortsetzung folgte
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