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Österreich „baut ab". Von unserem politischen O-Mitarbeiter wird uns geschrieben: Die Aufwärtsbewegung aller Preise, Gehälter und Lohne geht in Deutschland immer noch mit der Nnwioer- stehlichkeit einer Naturgewalt weiter, und wir nähern uns so, wie man zu sagen pflegt, unaufhaltsam den österreichi schen Verhältnissen, wo mit Billionen gerechnet wird, während wir immer noch — vorläufig — mit Tausenden auskommen. Aber nun hören wir plötzlich aus Österreich, daß dort ein Stillstand, ja ein Rückgang der Preise einge setzt habe. Die Metallindustriellen zum Beispiel hoben ein sechswöchiges Provisorium mit dem Metallarbeiteroer band abgeschlossen, nach dem die Löhne und die Akkorde um ungefähr 11 bis 13 A bei den gelernten Facharbeitern, um 14 A bei den hochverdienenden und um 10 bis 12 A bei den ungelernten Arbeitern herabgesetzt werden. Gleich zeitig wird gemeldet, daß zwischen der österreichischen Re gierung und den Delegierten des Völkerbundes ganz for mell die Stillegung der Notenpresse vereinbart worden sei. Der österreichische Staat darf danach vom Be ginn dieser Woche an seinen Bedarf nicht mehr durch Druck von neuen Kronenscheinen befriedigen. Die Ausgabe von Banknoten für Österreich ist eingestellt. Es muß und es soll endlich versucht werden, einen Pflock einzufchlagen in den Streusand der Staatswirtschaft von heute, «in festzu- balten, was noch zu halten ist. Die Absicht ist löblich — aber kann sie gelingen? Wer nach einer Erklärung für diese unerwarteten Er scheinungen sucht, dem wird leichthin geantwortet, die österreichische Krone habe eben nicht mehr sinken können, und so sei der Absturz eben von selber zum Stehen gekom men. Das ist natürlich eine allzu billige Weisheit. Allen falls kann sie sich auf die Tatsache stützen, daß das Heer der ausländischen Schmarotzer, Spekulanten und Schieber die österreichische Republik in den letzten Wochen sozusagen fluchtartig verlassen hat, in der Erkenntnis, daß dort ein fach gar nichts mehr zu holen sei, während sich weiter oben im Norden und auch weiter im Westen noch handfeste Nah rung in Hülle und Fülle biete. Die Wiener wußten in der ersten Überraschung nicht recht, ob sie sich der leergeworde nen Hotels, der geräumten Kaffeehäuser und Ver gnügungsstätten freuen oder ob sie sich über ihre Verlassen den entsetzen sollten. Die Wirkung war jedenfalls die, daß plötzlich eine Abnahme der Kauflust zu bemerken war, daß Leere eintrat, wo eben noch Fülle und Lebenslust geherrscht hatte. Damit war ein Zwang zur Neuoriennerung auf dem Preismarkt gegeben; man hatte nur die Wahl, auf sei ner Ware sitzen zu bleiben oder durch Herabschraubung der Preise die eingesessenen Käuferschichten, die in den letzten Wochen und Monaten nicht mehr mitkonnten, wieder kauf lustig zu stimmen. Verständiger- und Wohl auch not wendigerweise entschied man sich für den zweiten Weg, und so ist nun auch ein langsamer Abbau der Löhne und Ge hälter möglich geworden, der selbstverständlich den Rück gang der allgemeinen Lebensmittel- und Warenpreise zur Voraussetzung hat. Fraglich immerhin, ob diese Bewegung so verhältnis mäßig schnell und glatt zum Ausbruch gekommen wäre, wenn nicht zu gleicher Zeit der Zwang der Finanzkontrolle, den Österreich um der ausländischen Anleihe willen auf sich nehmen mußte, einen unwiderstehlichen Druck ausge übt hätte. Unmittelbar so weit bis zur Anwendung dieses Druckes sind die Dinge zwar noch nicht gediehen, aber die Österreicher wissen, daß jeden Tag mit ihm zu rechnen ist, und scheinen vernünftig genug zu sein, um ihm nach Mög lichkeit zuvorzukommen. Wie unhaltbar die finanziellen Zustände mittlerweile in Wien geworden sind, lehrt auch ein Blick auf den Bundesvoranschlag für das Jahr 1923; der rechnet schon nur noch nach Billionen; die Milliarden sind für ihn bereits ein überwundener Standpunkt. Wir sehen eine Summe von fast 10 Billionen (also eine vier zehnstellige Zahl) auf der Ausgaben-, dagegen nur rund 4'4 Billionen Kronen auf der Einnahmenscite, also einen Fehlbetrag von mehr als 5 Billionen Kronen. Selbst die Monopole pnd die Betriebsverwaltungen weifen fast ge nau doppelt so hohe Beträge an Ausgaben wie an Ein nahmen aus; auch sie also arbeiten mit fürchterlichen Defi ziten. Man begreift die Bestimmung, daß Ausgaben, auch wenn sie im Bundesvoranschlag vorgesehen sind, nur dann gemacht werden dürfen, wenn sie dringend notwendig sind und nicht im Widerspruch zu dem sogenannten Wiederauf- bangesetz stehen. Dieses Wiederaufbaugesetz soll die zur Aufrichtung der Staats- und Volkswirtschaft in Österreich nötigen Maßnahmen umfassen» wie sie von der aus wärtigen Finanzkontrolle für notwendig gehalten werden. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gehen allen anderen Gesetzen vor. Schon wird jetzt darauf vorbereitet, daß das Wiederaufbaugesetz sehr einschneidende Änderungen des Voranschlages zur Folge haben müsse, weshalb sich vorläufig ein überblick über den weiteren Gang der Staatswirtschaft überhaupt nicht gewinnen läßt. Der Hauptkampf wird sich wohl darum drehen, welche Aus gaben fernerhin noch „dringend notwendig" sind oder nicht. Die Ansichten darüber gehen bekanntlich, namentlich inner halb der Beamtenschaft, fehr weit auseinander. Wer weiß, ob nicht insofern der Rückgang der Preise der Regierung noch zur Unzeit kommt, als dadurch der Widerstand gegen weitere Einschränkungen der Staatsverwaltung wieder ge stärkt werden könnte. Wenn die Besserung in den Verhält nissen anhalten soll, wird es auch noch auf lange hinaus einer starken Hand bedürfen. Sollen wir auch in diesem letzten Stadium der Zu stände in Österreich unsere eigene Zukunft vorauserkennen? Soll auch bei uns erst ein Weg zur Besserung möglich sein, wenn wir von außen her gewaltsam zur Umkehr gezwun gen werden? Wir stehen im Augenblick an einem neuen Wendepunkt unserer Geschichte. Noch sind wir in der Lege, selber die Hand ans Werk zu legen, ehe uns die letzte Mög lichkeit dazu von unsern Gläubigern verschlossen wird. Kabinett Ouno odne Zo^laMten. Der Generaldirektor der Hamburg-Amerika-Linie, Dr. Cuno, hat, nachdem die sozialdemokratische Reichstagsfraktion mit großer Mehrheit be schlossen h atte, die Haltung ihrer Unterhändler bei den Verhandlungen über die Neubildung der Regierung zu billigen, sich entschlossen, ein „Geschäftsmini st e- rium" ohne die Sozialisten zu bilden. Dis neue Reichsregierung ist n i ch 1 als reines über- gangskabinett gedacht, sondern als ein parla mentarisches Kabinett, das den Parteien der bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft entnommen ist und einen Fachminister-Einschlag enthält. Es sind alle Parteien der Arbeitsgemeinschaft in dem neuen Kabinett, und diese Tat sache ist wichtig für die Ausnahme, die die neue Regierung bei der Opposition finden wird, über eine feste Mehrheit im Reichstage dürfte das Kabinett Cuno nicht verfügen, es wird also Wohl mit wechselnden Mehrheiten regieren müssen. Seit der Revolution wiederholt sich jetzt im Reiche eine Regierung, in der die Sozialdemokratie nicht ver treten ist. politische Auncssebau. QcursrktLNÄ. Zentralarbeitsgemeinschast und Regierungsprogramm. Eine wichtige moralische und sachliche Unterstützung hat die in der letzten deutschen Note an die Neparations- kommisfion festgelegte Reichspolitik durch einen Beschluß erhalten, welchen der Zentralvorstand der Zentralarbeits- geweinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands zu den schwebenden wirt- schaftspolttischen Fragen gefaßt bat. Das Ergebnis per Verhandlungen kann dahin zusammengcfaßt werden, daß dem Zentralvorstand die Lösung der schwebenden Fragen in dem Sinne der letzten Note der Rerchsregis- rung an die Reparationskommission als möglich er scheint. Die Zentralarbeitsgemeinschast stellt sich daher auf den Boden des in der Note enthaltenen Programms. Sie erklärt sich bereit, die Regierung bei der Durchführung der geplanten Maßnahmen zu unterstützen. Wünsche der Deutschen Wirtschastspartei. In Berlin tagte die Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes, um über eine wirtschaftliche Einheitsfront zu beraten. Landtagsabgeordneter Drewitz forderte eine Pflichtorganisation des Mittelstandes, die zu einem Selbsthilfekörper auszubauen wäre gegen Syndikate und Trusts. Reichsernährungsminister Dr. Fehr erklärte, wenn er im Kabinett verbleiben sollte, würde er sich weiter jeder Zwangswirtschaft widersetzen und für Steigerung der Produktion eintreten. Von anderer Seite wurden Ent politisierung der Wirtschaft, Abschaffung des Streikrechts in lebenswichtigen Betrieben verlangt und darauf eine Entschließung angenommen, die eine Pslichtorganisation für den gesamten deutschen Mittelstand verlangt. Sammelmappe — für bemerkenswerte LageS- und Zeitereignisse. * In Oberschlesien fanden die Wahlen zrmr Reichstage und zum Preußischen Landtag bei schwacher Beteitignua chne Zwischenfälle statt. * Die Angriffe Poincares gegen die deutsche Wirtschafts politik sind von amtlicher deutscher Stelle eingehend widerlegt worden. * Die Konferenz von Lausanne ist eröffnet worden. Pom- cara nahm daran nur als Zuschauer teil. * Poincarö, Lord Curzon und Mussolini hatten in Territet für die Konferenz in Lausanne eine Vorbesprechung, die auch allgemeine europäische Fragen betraf. * Die Alliierten haben die Friedensbedinguugen ertigge- stellt, die den Türken in Lausanne vorgclegt werden sollen. * Die Nationalversammlung von Angora hat den Thron folger Abdul Mcdschid Effendi zum Kalifen gewählt. t Gemeindewahlcn. Die Gemeindewahlen in Mannheim ergaben eine Verschiebung nachrechts. Die sozialistische Mehr heit ist gebrochen. Es entfielen auf die liberale Volks- Partei 8697, auf das Zentrum 11 753, auf die Deniokraten 6000, auf die Deutschnatioualen 3252, auf die wirtschaft liche Vereinigung 3204 und auf die Mittelstandsgruppe 2000 Stimmen. Auf die Sozialdemokraten 21 890 und auf die Kommunisten 4492. Die bürgerliche Mehrheit dürfte zwei Sitze ausmachen. Die Wahlbeteiligung betrug 43 Prozent. Eine ähnliche Richtung hat der Ausfall der Wahlen in Karlsruhe (Baden), Pforzheim, Mainz, Worms und Offenbach genommen. Kelgren. Maßregeln gegen die Spekulation. Die allgemeine Unsicherheit auf dem Geldmarkt hat auch den belgischen Franken nicht verschont. Der belgische Ministerpräsident Theunis hat aus diesem Grunde einige ausländische, aber in Belgien ansässige Bankiers zu sich entboren, von denen man annimmt, daß sie an den Schwankungen des belgischen Franken nicht ganz schuldlos sind. Theunis hat ihnen er- klärt, daß er, wenn sie ihre Spekulationen weiter derart betreiben würden, daß der belgische Franken darunter leidet, besondere Maßnahmen ergreifen werde, die diesen Spekulationen ein schnelles Ende bereiten würden. Peking. In der Provinz Fukicn ist die Lage sehr kritisch geworden. Die Anstrengungen des Generals Hsu-Chung-Chi, die in der Bank von Amov und Foochow liegeirden Einkünfte aus dem Salzmonopol in seinen Besitz zu bringen, scheiterten bislang an dem heftigen bewaffneten Widerstand der Militär partei unter Lio-Han-Chi. Das englische Kriegsschiff „Ho m Hock" hat Mannschaften gelandet, die die Hongkong- und Schanghai-Bank in Foochow bewachen. Tokio. Die japanische Regierung ist zurückgetreten. Volkswirtschaft. 65 Milliarden neue NcichSLnnlnotcn bat die Reichsbank nach dem vorliegenden Ausweis in der zweiten Novembcrwoche in den Verkehr bringen müssen. Die Notwendigkeit dieser bis her unerreichten neuen Notenausgabe ergab sich aus der sich fortwährend steigernden Inanspruchnahme der Bank zur Her gabe flüssiger Zahlungsmittel. Der Gesamt-Banknotenumlans stieg damit auf 582,1 Milliarden Mark. Die Besitzer von Kriesnoten, denen für ihre angemcldeten Kricsnotenbeträge eine Entschädigung ans dem Kriesnoten fonds vom Reichskommissar ganz oder teilweise abgelebnt wurde, können nach einer soeben ergangenen Entscheidung hre abgelehnten Kriesnoten gegen neue polnische Roten Umtauschen. Der Umtausch ist beim Deutschen Ostbund, Berlin, Potsdamer Straße 114, zu beantragen. Schmalz nicht mehr verkäuflich. Nach den Berichten der Fachleute haben viele Kleinhändler den Verkauf von Schmalz ganz eingestellt, da das Publikum die gegenwärtigen Preise nicht anlegcn kann. Da das Schmalz zur Hauptsache aus dem Ausland kommt, trieb das Aufsteigen der sremden Devisenkurse die Preiszisseru in Mark riesig in die Höhe. Außerdem sird die amerikanischen Fettpreise in letzter Zeit gestiegen. Erhöhung der Zuckerprcise. Der Beirat für die Zucker- bewirtschastung hat den Grundpreis für den zwangsbewirt- schafteteu Zucker ab 1. Dezember für das Kilo auf 240 Mark festgesetzt. Durch die hinzutommenden Unkosten- und Verdienst- bercchnungen wird sich der Kleinvcrkaufspreis voraussichtlich aus etwa 340 Mark stellen. IMerMi Wrsynowo. Ostmärkischer Roman von Guido Kreutzer. 13) (Nachdruck verboten.) Heute früh aber gab es am Kaffeetisch eine behagliche Plauderstunde. Zuerst hatte Irene von ihren Posener Erlebnissen er zählen müssen, dann berichtete der Vater, was sich in der Zwischenzeit in Berlin zugeiragcn. Es war nicht allzuviel; der übliche Gesellschaftsklatfch, der jetzt — da die Saison aufgegangen war — wieder blühte und wucherte. Irene hörte nur mit halbem Ohr zu; sie schien das alles nicht zu interessieren. Dem Kommerzienrat war es recht so. Er hatte auch noch wichtigere Dinge auf dem Herzen, die er unbedingt mit seinem Mädel besprechen mutzte. Das war schon seit Jahren so; seit sie erwachsen, war sie seine Kameradin und Vertraute geworden. Und Eduard Kamp hatte die angenehme Erfahrung gemacht, daß auch ein ernster Geschäftsmann mit einem jungen Mädel von nicht ungewöhnlichem Verstände und lebhaftem Begriffsvermögen sehr wohl geschäftliche Dinge besprechen könne. Nach Beendigung des gemeinsamen Frühstücks waren sie in des Kommerzienrats Arbeitszimmer hinübergegangen. Der Vater setzte sich nach alter Gewohnheit mit der ersten Morgenzigarre in den hochbeinigen Armstuhl hinter den Schreibtisch, während seine Tochter halb vergraben in einem Liesen Klubsessel lag. Mit der Hand schlug er den aufsteigenden Zigarrenaualm beiseite, musterte das junge Mädchen mit einem eigentüm lichen kurzen scharfen Blick. .Scheußlich blaß siehst du aus, Irene! Sowas kenne ich eigentlich gar nicht an dir. Sag mal — diese roman tische Geschichte in dem Bahnwärterhäuschen mit der kranken Frau sitzt dir wohl noch immer ein bißchen in den Gliedern? Oder", er lochte behaglich — .sollte daran der interessante fremde Jüngling schuld haben, der so nobel für die Herr schaften einen Bläuling stiftete?" Aber wenn er gehofft hatte, sein Mädel mit dieser Bemerkung in Verlegenheit zu bringen, dann irrte er sich gewaltig. Die schöne Irene Kamp schüttelte den Kopf; und in ihrem Lächeln lag eine glatte Ablehnung aller väterlicher Phantasie. „An meiner interessanten Blässe dürfte weniger der fremde Jüngling als vielmehr die Tatsache schuld haben, daß ich nur wenige Stunden in der Nacht geschlafen habe. Aber dafür lege ich mich heute abend schon um acht Uhr hin; und ich versichere dir — morgen früh wirst du an mir nichts mehr auszusetzen haben." Der Kommerzienrat verwahrte sich mit großartiger Handbewegung. .Hoho — diese junge Dame fischt nach Komplimenten! Wer ich will dir sogar entgegenkommen und dir unum wunden sagen, daß ich dich tatsächlich vermißt habe. Was jagst du nun?" .Du bist ein verblüffender Kavalier, Papa." Der Alte aber schüttelte energisch den Kops. „Nee, im Ernst. Irene. Wmlich jetzt werde ich dir eine Geschichte erzählen, wo du sicher ganz große Augen machst: — unser Gutsnachbar Freiherr von Schilt ist gestorben.". Irene Kamps Augen öffneten sich in der Lat weit in stummer Frage. Der Vater beantwortete diese Frage mehr als gern. Er hatte sich ja schon danach gebangt, mit seinem Mädel endlich die ganze Geschichte einmal durchzusprechen. Viel leicht , daß sie noch irgendwie ihn auf eine kluge Idee brachte.. So fuhr er eifrig fort: „Tatsächlich, Mädel — ganz plötzlich an Herzschlag gestorben. Vor etwa acht Tagen. Hier in Berlin, wo er mit seinem Rechtsvertreter eine ganze Menge zu besprechen hatte. Jedenfalls erzählte er es mir noch am Tage vorher, als ich ihn kurz nach seiner Ankunft in seiner Wohnung besuchte." .Aber du hast mir davon kein Wort geschrieben, Papa." „Wollte ich absichtlich nicht, Mädel. Wollte dir doch nicht die paar Erholungstage in Posen mit solchen unan genehmen Geschichten verleiden. Es genügt ja auch, wenn ich dir nach deiner Rückkehr davon erzählte. Denn jetzt ist ja doch schon alles vorbei." »Wieso — vorbei?" „Nun ich meine — vor drei Tagen haben wir im schon begraben. Hier in Berlin auf dem Johannis-Friedhof. Von dem Justizrat Schumann, seinem dtnwo.lt. fand ich es riesig vernünftig und auch zarifühlcnd, daß er sich nicht für eine Überführung der Leiche nach Wroguown aussprach, Vernünftig, weil auf diese Weise unnötige Kosten vermieden wurden; und / zartfühlend besonders dem jungen Schilk gegenüber. Was ich von dem gehört habe — er mutz ein scheußlich hochmütiger und von sich eingenommener Mensch fein. Und was meinst du — wie bitter es ihm aufgcstoßen wäre — wenn er nachher in Wroynowo saß und müßte jedesmal gewissermaßen be; uns zu Gast sein, wollte er das Erbbegräbnis seiner Familie und das Grab seines Vaters besuchen. Diesem Zwiespalt hat ihn nun der Justizrat da durch enthoben, daß er den alten Frecheren eben in Bertin beerdigen ließ. Und wenn der Junge sich vielleicht auch im ersten Moment dagegen empören mag — schließlich wird er doch einsehen, wieviel Klugheit und Rücksichtnahme in dem Vorgehen des Anwaltes seines verstorbenen Vaters steckte." Die junge Irene Kamp hatte wortlos zugehört. Erst nach einer ganzen Weile versetzte sie: .Findest du nicht, Papa — in diesem plötzlichen Tode und dem jähen Umschwung der Verhältnisse, die sich da durch sür den Assessor von Schilk ergeben, liegt eine gewisse Tragik." Überrascht musterte der Kommerzienrat sein Mädel. Die war doch sonst nicht sentimental. „Na hör mal, Kindchen — Tragik ist wohl ein etwas hochtrabender Ausdruck. Schließlich . . . wenn er auch Freiherr und Assessor und aus solch alter Familie stammt . . . derart ungewöhnlich ist sem Schicksal nun doch nicht, wie du es hier hinzustcllen beliebst. Schließlich — so genaue Einblicke besitze ich ja nicht und habe sie mir auch nie zu verschaffen gesucht . . . aber hat der alte Schilk wirk lich nach dem Tode seiner Frau den inneren Hali verloren und etwas wüst daraus losgc'ebt und das Erbgut zur Hälfte aus der Hand gegeben und obendrein vielleichl noch erheb liche Hypothekenschulden dem Rest seiner Besitzung aufgepackt... < Fortsetzung folgt.)