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Dis ZuslanÄsäeMl^en. us Berlin wird uns geschrieben: Lie alles, was auf Gottes Erdboden kreucht und fleucht, sich heutzutage organisiert, um mit vereinten Kräften agitieren und demonstrieren zu können, so haben auch die Ausländsdeutschen, die durch den Aus bruch oder durch den Verlauf des Krieges aus ihren Wohnsitzen verdrängt wurden und in Not geraten waren, zu diesem letzten Mittel der Selbsthilfe gegriffen, als sie einsehen mußten, daß sie bei dem heutigen Staatsbetrieb in Deutschland sonst vollkommen unter die Räder kommen würden. An Verordnungen, an Gesetzen, ja auch an Ein richtung von besonderen Prüfungs- und Entscheidungs instanzen hat man es zwar auch in diesem Falle nicht fehlen lassen, aber das, was auf diesem Wege erreicht wurde, blieb hinter dem, was die geschädigten Ausländs deutschen verlangten, je länger, desto mehr soweit zurück, daß das Elend in ihren Kreisen unerträglich zu werden anfing. Kleinere Schutzverbände, die sich bildeten, um jedem einzelnen nach Maßgabe der Verluste, die er er litten hatte, zu seinem Rechte zu verhelfen, mühten sich Monate-, ja oft jahrelang ab, in Einzelfällen zu helfen, stießen aber im allgemeinen hier auf nahezu unbezwing liche Hartnäckigkeit, da am Unverständnis oder auf Un vermögen zu wirksamer Hilfe, und je unheimlicher die Geldentwertung fortschritt, desto abwehrender wurde die Haltung der Behörden, da die Entschädigungssummen, um dis es sich handelte, natürlich immer gewaltigeren Umfang annahmen. So schlossen sich denn die Einzelverbände end lich zu einem „Bund der Ausländsdeutschen" zusammen, der nun, da es so wie bisher nicht weitergehen könne, mit Kundgebungen die Aufmerksamkeit des Volkes aus sich lenken will. Man mag solchen Notrufen Geschmack abgewinnen oder nicht, in diesem Falle muß man sagen, daß sie einer gerade zu elementaren Stimmung entspringen, mit der man un bedingt rechnen muß. Dreitausend Delegierte aus dem ganzen Reiche waren in Berlin versammelt, und was hier der Öffentlichkeit an Beispielen von nicht eingshaltenen Versprechungen mitgeteilt wurde, mußte wirklich geradezu erschütternd wirken. Es handelt sich, wohlgemerkt, nicht etwa um Versprechungen, die vor unserer Niederlage im Weltkriege oder vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrages gegeben worden sind. Daß sie nach unserem Zusammenbruch nicht zu erfüllen waren, ist traurige, leider Gottes aber unabänderliche Selbstverständlichkeit. Aber die Wortführer der Verdrängten berufen sich auf Zusiche rungen, die zumeist noch von den heute in Amt und Wür den Befindlichen ihnen gemacht wurden, und die eigent lich nur das Minimum dessen enthielten, was deutsche Brüder und Schwestern, die um ihres Deutschtums willen ihre Existenz aufgaben, aus feindlichen oder verlorenen Gebieten verdrängt wurden, verlangen dürfen. Sieht doch sogar der Friedensvertrag von Versailles ihre Ent schädigung für beschlagnahmtes Eigentum wie für Gewalt schäden vor. Aber mit der Gesetzgebung, die dazu erforder lich ist, weiß man immer noch nicht zu Rande zu kommen, und alle provisorischen Maßnahmen, die getroffen wurden, unterliegen in ihrer Ausführung einer Verschleppung, die — immer nach den Berichten, die man in Berlin zu hören bekam — förmlich zum Himmel schreien. Ob es sich um Elsaß-Lothringer oder um Ostmärker, um Oberschlesier oder um überseeische Deutsche handelt, alle stimmten darin überein, daß ihre Geduld am Ende sei und daß sie sich so wie bisher nicht mehr behandeln lassen würden, überall suche man sie loszuwerden wie lästige Bettler, die ein Almosen forderten, während sie Rechtsansprüche hätten, die ganz gewiß nicht an letzter Stelle erfüllt zu werden verdienten. Die elsässische Schwerindustrie z. B. habe schon vor Jahren Entschädigungen in voller Höhe erhalten, während die elsässischen Verdrängten tropfen weise mit Beträgen abgespeist würden, die nicht zum Leben und nicht zum Sterben reichten. Argwohn und Mißtrauen trete ihnen überall entgegen, und daß man an die Spitze des Neichswirtschaftsgerichts einen Staatsanwalt gestellt habe, sei kennzeichnend für den Geist, der in dieser Frage sein Wesen treibe. Gegen einen Verdrängten, der vier Papiermark zuviel erhalten habe, sei ein Prozeß ange strengt worden, der 45 000 Mark Kosten erforderte. Krän kungen aller Art seien an der Tagesordnung, ohne Rück sicht darauf, ob die Verdrängten, um die es sich handelte, ihr Gut und Blut für das Vaterland drangegeben hätten. Gegen den Reichstag wie gegen die Regierung gleichmäßig wurden schwere Vorwürfe erhoben, und ein Versuch des ReichstagSabgeordncten Laverrenz, in seiner Eigen ¬ schaft als Vorsitzender des ReichStagsausschnsscs, der die Entschädigungsfragen zu bearbeiten hat, dieser verbitterten Stimmung mit Hinweisen auf die Grenzen des Möglichen entgegenzuwirken, mußte unter solchen Umständen völlig fehlschlagen. Noch im letzten Augenblick hatte die Negierung der Kongreßleitung mitgeteilt, daß sie sich entschlossen habe, den Wünschen der Verdrängten, was die Höhe der Vor schußleistungen betreffe, entgegenzukommen; ein Entschluß, der sicherlich bessere Wirkung getan hätte, wenn er früher gefaßt worden wäre. Jetzt aber ging diese Nachricht in dem Sturm der Leidenschaften, der sich erhob, so oft die gemeinsamen Leiden und das gemeinsame Unglück der Versammelten in beredten Worten geschildert wurde, unter. Der Reichspräsident hat zugesagt, die Beauftragten des Kongreßes zu persönlicher Entgegennahme ihrer Forderun gen zu empfangen. Man darf erwarten, daß er entschlossen ist, zu tun, was seines Amtes ist. Lo^ialistiscde in kicksen. Das Ergebnis der Landtagswahlcn. Die am 5. Nov. im Freistaate Sachsen veranstalteten Landtagswahlen haben das von den bürgerlichen Parteien erwartete Ergebnis nicht gebracht. Bisher bestand in Sachsen der Zustand, daß zwischen den Sozialisten und den Bürgerlichen nur ein Unterschied von zwei Mandaten vor handen war, sodaß Beschlüsse immer nur mit Unterstützung der Kommunisten möglich waren und oftmals bei den wich tigsten Abstimmungen Zufallsmehrheiten erzielt wurden, die jeden einheitlichen Rcgierungskurs unmöglich machten. Die Deutschnationalen beantragten daher vor längerer Zeit einen Volksentscheid über die Äuflösung des Landtags, der jedoch, ohne es dazu kommen zu lassen, auseinanderging. Die Neuwahl hat nun den bisherigen Zustand im Prinzip erneuert, nur mit neuen Ziffern, die die Linlsmehrheit noch stärker als bisher hervortreten lassen. Die Wahlen fanden unter ungewöhnlich starker Beteiligung und ohne Zwischenfälle statt. Sie hatten nach vorläufigen Mitteilungen der sächsi- fchen Staatskanzlei folgendes Ergebnis: Im neuen Land tage werden die Parteien voraussichtlich folgende Stärke haben: Sozialdemokraten 4l Kommunisten 10 Deutschnationale 19 Deutfche Volkspartei 18 Demokraten 8 Es stehen also 51 Abgeordnete der Linken 45 Abgeordneten der bürgerlichen Parteien gegenüber. Von den bürgerlichen Wählern hat ein Teil für die Kandidaten der Deutsch- Sozialisten, der Wirtschaftspartei und des Zentrums ge stimmt, die nur zur Zersplitterung der Wählerschaft ohne eigene Aussichten beigetragen haben. In dem letzten 1920 gewählten Landtage hatten die Deutschnationalen 20, die Deutsche Volkspartei 18, Lie Demokraten 8 Sitze, das Zentrum 1 Sitz, die Bürgerlichen zusammen also 47 Stimmen; die Mehrheitssozialisten 27, die Unabhängigen 13 und die Kommunisten 9, die Linke zusammen also 49 Stimmen. poliMcke KrmclscdLv. DeutfcklLnet. Erweiterung des RapaNoabkommens. Die deutsch-russischen Verhandlungen über die Aus dehnung des Rapallovertrages auf die mit der Russischen Sowjet-Republik verbünde ten Staaten haben zu einem Vertrage geführt, der in Berlin unterzeichnet worden ist. Der Vertrag be stimmt die Ausdehnung des Rapallovertrages auf die mit der Russischen Sowjet-Republik verbündeten Staaten: Weißrußland, die Ukraine, die drei kaukasischen Föderativ- Republiken und die Fernöstliche Republik. Die Frage des sogenannten Ukraine-Guthabens ist im Vertrage offen- gelassen worden. Schweizer Hilfswerr für das deutsche Schrifttum. Die schweizerisch-deutsche Hilfskommission, die sich durch ihre Hilfeleistung für die notleidenden deutschen Kinder besondere Verdienste erworben hat, hat dem Reichspräsi denten die Summe von 25 Millionen Mark zur Linderung des Notstandes unter den Angehörigen des deutschen Sammelmappe für bemerkenswerte Tages» und Zeitereignisse. * Die Reparationskommissiou hat in einer der Reichs regierung übermittelten schrütlichen Antwort auf die deutschen Vorschläge neue positive Vorschläge gefordert und die deutschen Denkschriften als nicht genügend bezeichnet. * Die Brüsseler Finanzkonferenz soll am 5. Dezember unter Teilnahme Bonar Laws und Poincaros stattsinden. * Die Landtagswahlcn in Sachsen ergaben 5! Mandate für die Sozialisten und Kommunisten gegenüber 45 bürgerlichen Mandaten. * Die türkische Negierung ist zurückgetreten, man glaubt, daß der sultan nach Indien gehen wird. Schrifttums zur Verfügung gestellt. Der Reichspräsident hat diese Spende mit herzlichem Dank für die durch sie be zeigten Humanitären und freundnachbarlichcn Beziehun gen angenommen und wird über ihre Verwendung im Be nehmen mit den Zentralorgauisationen des dculsch.m Schrifttums Lie Entscheidung treffen. Gegen die Münchener Putschgerüchtc. Zu den in der Presse verbreiteten Meldungen über Putschpläns in Bayern stellt die Münchener Korresvon- deUz Hofsmann fest: Nach absolut sicheren amtlichen Fest stellungen ist es n ichtwahr. daß Kapitän Ehrhardt sich dauernd in München aufhält und dort sein Hauptquar tier hat. Es ist auch nicht wahr, daß Kapiiän Ehrhardt sich vorübergehend in München aushält. Es ist serner nicht wahr, Laß in München ein Pntsch unmittelbar bevorstehi. Vorbereitungen dazu könnten weder der Polizei noch der Regierung verborgen bleiben. Von keiner seite sind ein wandfreie Zeugen oder Tatsachen für eine solche Behaup tung erbracht worden. * Essen. Die gesamte Wirtschaftslage im rheinisch-wesimlischen Tudustriegebiet ist sehr gespannt. Die ungeheure Steigerung der LcbeuSmittelprcise hat dort besonders große Unruhe unter der Bevölkerung hervorgerusen. Diese Erregung zeigt sich bei allen wirtschaftlichen Verhandlungen. Vom l^oknkampfplatL. Berlin. (Schiedsspruch für das B a n k g e w e r b e.s Der Schiedsspruch für das Bankgcwerbe vom 12. Oktober d. F., der in letzter Zeit Ursache für die Gegensätze im Bankgewerbe war, ist, wie der Reichsverband der Bankangestellten mitteilt, durch Verfügung des Reichsarbeitsmintsteriums für den All gemeinen Verband der deutschen Bankangestellten und den Reichsverband derVankleitungcn für verbindlich erklärt worden. Berlin. (Tarisfragen im Buchdruckgewerbe) Nachdem die Verhandlungen im TarifauSschuß der deutschen Buchdrucker ergebnislos verlausen waren, trat ein vom NeichS- arbs'ltsmüMce eingesetzter Schlichtungsattsschub zusammen. Nach dem Schiedsspruch sollen die Löhne im Buchdrnckgcwerbe für die Zett vom 5. bis 18. November um 55 Prozent, sür die Zeit vom 19. November bis zum 1. Dezember um 70 Prozent gegenüber den Oktoberlöhnen erhöbt werden. Dieser Schieds spruch, der im Spitzenlohn eine Erhöhung um L648.25 Mark bezw. um 337V.5V Mark bedeutet, wurde von den Arbeitgeber- Vertretern nach eingehender BeraMng einstimmig abgeleoni, weil sämtliche aus dem ganzen Reich anwesenden Vertreter bei der gegenwärtigen katastrophalen wirtschaftlichen Lage des deutschen Buchdruck- und Zeitnngsgcwerbes eine derartige Mehrbelastung des Gewerbes nicht verantworte : konnten. Essen. (Lohnkämpfe im Vergb auf Der Gewerk verein christlicher Bergarbeiter lehnte das am 2 l. Oktober abge schlossene Lohnabkommen als unzureichend ab und erklärte Vie Voraussetzung sür das Verfahren von UberschiäNen von dem Augenblick ab als nicht mehr bestehend, da das Quantum der Neparationskohle erhöht wird. Tie Reichslohnkonserenz des Bergarbeiterverbandcs und des Metallarbeiterverbandes hat eine Entschließung angenommen, in der sie die Schiedssprüche für den Kohlen- und Erzbergbau und die aus dieser Grundlage getätigten vorläufigen Abschlüsse in der Lohnsrage ablehnt. Für. November Wird eine weitere Lohnerhöhung neben dem vollen Ausgleich sür den Monat Oktober gefordert. Die Ein führung einer Kollektivprämie sür eiwaige Mehrförderung in den Kohlengebieten wird abgelehnt. Volkswirtschaft. Valutaangst in Belgien. Der Fall des belgischen Frank, der durch den Sturz der deutschen Mark bedingt ist, hat vielen belgischen Geschäftsleuten eine unheilvolle Furcht eingejagt. In den letzten Tagen wurden große Angsteinkänfe von Dollars getätigt. Rittergut Wroynowo. Ostmärkischer Roman von Guido Kreutzer. sil (Nachdruck verboten.) „Und wenn nun, gnädiges Fräulein, durch den Tod meines Vaters eine Lage geschaffen worden wäre, gegen die alle meine Beziehungen, mein Name und meine vielleicht auch vorhandenen Fähigkeiten nicht aufkommen könnten?" Eine leise feine Falte hatte sich zwischen ihre Augen brauen eingenistet. „Das verstehe ich nicht, Herr Assessor. Darf ich Sie, ohne unzart zu sein, um nähere Aufklärung bitten?" „Wenn ich schon imstande wäre, sie Ihnen zu geben — ich würde nicht zögern, gnädiges Fräulein. So aber weiß ich selbst noch nicht, was mir die nächsten Tage bringen werden." Mit einer Ungeduld, die sich auch durch den ein klein wenig zu scharf gewordenen Ton ihrer Stimme drängte, warf sie hastig ein: „Aber Herr Assessor — Sie wären doch am aller wenigsten der Mensco, auch nur vierundzwanzig Stunden ins Gelag hinein zu üb n. Ich kenne Sie doch seit Jahren. Sie wissen doch immer, was Sie wollen und was Sie sollen." „Fragen Sie mich so. gnädiges Fräulein, dann glaube ich Ihnen doch schon heute eine bindende Antwort geben zu können: ich fürchte zu wissen, was ich tun soll und nicht tun darf. Und um ganz ehrlich zu fein: Zukunft, Karriere — das alles sind wundervolle Plane, die aver in derselben Stunde zu Phantasmagorien werden, wo die bittere Notwendigkeit sich ihnen in den Weg stellt. Und, gnädiges Fräulein — seit einer Stunde versperrt sie mir den Weg, auf dem ich bisher gewandert bin. Ich fürchte — ich werde umkehren oder zumindest ausbiegcn müssen." „Und wohin führt Ihr neuer Weg, Herr Assessor von Schilk?" .In die Heimat zurück, gnädiges Fräulein. Nach Wroy» nowo zurück, das — übersehe ich die Verhältnisse richtig — der starken Faust des Herrn bitter nötig bedarf." Es war eine Stille. Und dann fragte Annemarie Rink halblaut: „Und wann werden Sie die Zügel wieder in andere Hände legen und sich Ihrer Karriere wieder zuwenden können? Denn was Sie mir vorhin von Ihrem beab sichtigten Abschiedsgesuch sagten, das glaube ich nimmermehr. Einen Menschen wie Ihnen glaube ich es einfach nicht, daß er kampflos entsagen könnte." Um Armeslänge standen sie voneinander getrennt. Und Hansjürgen von Schilt wußte nicht, was ihm zu Sinn kani, plötzlich einen Schritt zurückzutreten. Wieder kroch ihm das scharfe bittere Lächeln in feinen Linien um die Lippen. „Kampflos? Gnädiges Fräulein — vielleicht habe ich bisher überhaupt noch keine Ahnung gehabt, was Kampf heißt. Vielleicht werde ich das alles jetzt erst kennen lernen. Aber sei es drum — seit der dritten polnischen Teilung, seit damals dieser Landstrich unter den preußischen Adler kam, gehört uns Wroynowo. Festgehalten haben wir es in glücklichen und weniger glücklichen Tagen. Glauben Sie, daß ich solch schlapphsrziger Geselle wäre, eine mehr denn zweihundertjährige Tradition auf den Kehricht zu werfen? Mein Vater, den Sie ja nicht kannten, mag eine unglückliche Hand gehabt haben, in Spekulationen und sonstigen wirt schaftlichen Plänen. Ich kann das bedauern, aber ich lasse mich davon nicht willenlos niederdrücken. Ich werde wieder einholen, was er verloren hat. Und wenn ich die Arbeit meines ganzen Lebens daran setze und erreiche es schließlich doch — dann war solch Erfolg der Arbeit meines Lebens eben wert." Ganz ruhig, fast gelassen hatte er gesprochen. Aber diese äußere Beherrschung, diese Selbstdisziplin, die jedes Wort und jeden Ton der Stimme kaltblütig überwachte ... etwas Mächtiges, etwas Packendes und Ergreifendes lag darin. Jeder hätte das empfinden müssen. Nur gerade die junge Annemarie Rink nicht, die darauf nur diese Antwort wußte: „Also gehen Sie einer schweren Zeit entgegen, Herr Assessor. Ich wünsche Ihnen besten Erfolg und ich wünsche uns beiden — da wir doch von jeher so gute Kameraden waren — daß recht bald für Sie die Zeit kommen möge, wo Sie sich wieder an Berlin erinnern. Und an Menschen hier, die Ihnen Wohlwollen und die einflußreich genug sind, Ihren Fähigkeiten auch den rechten Wirkungskreis zu geben. Und wenn Sie dann wieder vor mich hintreten, so werde ich mich dieses Wiedersehens herzlich freuen." Da wußte Hansjürgen von Schilk, daß er getrost die Hacken zufammennehmen und sich verabschieden durfte. Denn wer diese Worte eben, wer dies kühle Mädchengesicht zu deuten verstand, für den gab es keinen Zweisel: von dieser Stunde an liefen Lie Wege, die Hansjürgen von Lchilk und Annemarie Nink znsammengegangsn, auseinander. Getrost hätte er sich jetzt verabschieden können. Und doch brannte ihm im Herzen ein ganz schwaches Fünkchen Hoffnung, daß er noch einmal fragte: „Fähigkeiten, gnädiges Fräulein? Wenn Sie es ernst überdenken — meinen Sie nicht auch, daß es für einen Mann, der Erbe und Träger einer so alten Familie und eines so schönen alten Namens ist, keinen dankbareren Wirkungskreis geben könnte, als das zu halten oder wieder zugewinnen, was zweihundert Jahre seinen Vätern und Vor vätern Heimat gewesen ist?" Sie aber schüttelte gelassen den Kopfl „Vielleicht, Herr Assessor. Aber auch nur dann, wenn solch ein Mann und Erbe nicht sich selbst als Opfer hingibt. Und ich hoffe, wie bisher, so werden auch in Zukumt un klare Sentimentalitäten keinen Boden in Ihnen finden. Denn gerade Ihr Zielbewußtsein, Ihre kühle DenkungLwcise. Ihre unbeirrbare Selbstdisziplin . . . gerade diese Eigen schaften waren es ja, die mir von jeher an Ihnen gefallen hatten." Und nun wußte Hansjürgen von Schilk genug. Das war ein offenkundiger Abschied in aller Form. Unverhüllter sogar, als es die gesellschaftliche Form zugelassen hätte. Aber diese Erkenntnis gab ihm auch seine alte Selbstsicherheit zurück — daß er Annemarie Rinks Hand an die Lippen zog und ein paar belanglose Abschiedsworte sprechen und ruhig das Haus verlassen konnte. Das war hier zu Ende. (Fortsetzung folgt.)