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Die Not der Sozial- md Kleinrentner. Eine öffentliche Sammlung. Um die schwierige Lage, in welche die Sozial- und Kleinrentner infolge der ständig sinkenden Kaufkraft des deutschen Geldes geraten sind, nach Möglichkeit zu mildern, haben Reich, Länder und Gemeinden schon seit vielen Monaten umsassende Maßnahmen ergriffen. Den Sozialrentnern, d. h. den Rentenempfängern der Invaliden- und Angestelltenversicherung, wird durch das sogenannte Notstandsmatznahmengesetz vom 7. Dezember 1921 ein bestimmtes Mindestjahreseinkommen gesichert, dessen Höhe die Gemeinden bestimmen. Soweit das von der Gemeinde festgesetzte Gesamtjahreseinkommen durch die Invalidenrente und die sonstigen Einkünfte des Ren tenempfängers nicht erreicht wird, sind von den Gemeinden Unterstützungen bis zu diesem Betrage zu gewähren. Die Grenzen, bis zu denen die Gemeinden bei der Gewährung ihrer Unterstützung gehen können, sind entsprechend dem Kursrückgang der Mark wiederholt erweitert worden. Eine neue Erhöhung der Unterstützungen wird Reichsrat und Reichstag in der allernächsten Zeit vorgelegt werden. Neben den Mitteln für eine laufende Unterstützung für Sozialrentner hat das Reich den Ländern neuerdings den Betrag von 1 Milliarde Mark zur Verfügung gestellt. Für die Kleinrentner sind für das Rechnungs jahr 1922, also für die Zeit vom 1. April 1922 bis zum 30. März 1923, 500 Millionen Mark an Reichsmitteln be- reitgestsllt worden. Diese Reichsmittel werden auf 1 Mil liarde Mark erhöht, ein größerer Teilbetrag ist ebenfalls den Ländern schon zur Verfügung gestellt. Die Verwen dung der bereitgestellten Mittel ist freier gestaltet, als bei den Sozialrentnern. Die Länder und Gemeinden können sie verwenden zu Einzelunterstützungen der verschiedensten Art, sowie zur Unterstützung von Heimen und Anstalten, die den Kleinrentnern dienen. Auch die freie Wohlfahrts pflege, die sich der Kleinrentner annimmt, kann aus den Mitteln unterstützt werden. Wenn sonach Reich, Länder und Gemeinden nach Maß gabe ihrer Kräfte für die Bedürftigen zu forgen sich be müht haben, so ist die Hilfe der Behörden angesichts der ungeheuren Not weitester Kreise der Bevölkerung doch nicht ausreichend. Eine allgemeine Sammlung, die in der nächsten Zeit eingeleitet werden wird, soll dem Ge danken Ausdruck geben, daß es eine Aufgabe der gesamten deutschen Volksgemeinschaft ist, ihren in Not befind!; ; Brüdern in dieser schweren Zeit zu Helsen. Vergebliche ^obrenwäscbe. Beweise für Frankreichs Schuld am Kriege. Zu den kürzlich veröffentlichten Depeschen vom Juli 1914, durch die Freiherr von Romberg die offene Kriegs treiberei Frankreichs nachgewiesen hatte, versuchte be kanntlich der frühere französische Ministerpräsident Viviani abschwächende Erläuterungen zu geben. Nunmehr äußerte sich Freiherr von Romberg zu den Bemerkungen des Herrn Viviani über diese Veröffentlichung u. a. folgendermaßen: Wie weit man uns gerade in Frankreich in der Kriegsbereitschaft vorauseilte, zeigt unwiderleglich eine Depesche Iswolskis, die sich in meiner Schrift findet. Sie stammt aus der Nacht vom 31. Juli zum 1. August, also aus einer Zeit, bevor Deutschland Rußland den Krieg erklärt hatte, und lautet: „Der französische Kriegsminister eröffnete mir in gehobe nem herzlichen Tone, daß die Regierung zum Kriege fest entschlossen sei, und bat mich, die Hoffnung des franzö sischen Generalstabs zu bestätigen, daß alle unsere Anstrengun gen gegen Deutschland gerichtet sein werden und Öster reich als eine gusntits negUMLdlo (Nebensache) behandelt wer den wird." Danach, so fügt Romberg hinzu, besteht kein Zweifel mehr darüber, wer zu dem Blutvergießen rascher ent schlossen war, Frankreich oder Deutschland. Ein anderes Manöver der Franzosen erklärt er ebenfalls nach seinem wahren Ziel und Zweck. Er weist nach, daß die bekannte Zurückziehung der Truppen um 10 Kilometer nur eine Maßnahme war, um in England die Ansicht zu erwecken, daß Frankreich der überfallene sei. Diese Auffassung geht mit überzeugender Deutlichkeit aus einem neuen Dokument hervor, das gleichfalls in der Nom- bergschen Schrift enthalten ist: Hier meldet der russische Botschafter, er habe dem Präsidenten der Republik am 1. August kurz vor Mitternacht die Kriegs erklärung Deutschlands an Rußland milgeteilt, und dieser habe ihm „in der allerkategorischsten Form" erklärt, „daß sowohl er selbst, als auch das gesamte Kabinett fest entschlossen seien, die Frankreich durch den Bündnisvertrag auferlegten Verpflich tungen völlig und ganz zu erfüllen". Aber wegen des franzö sischen Parlaments und „ausErwägungen.diehaupt- sächlich England betreffen, wäre es besser, wenn die Kriegserklärung nicht von feiten Frankreichs, sondern von seilen Deutschlands erfolgt." Das also ist die Wahrheit über das „pazifistische" Frankreich, trotz allem, was Herr Viviani an Scheingrün den gegen die deutschen Alteuveröfsentlichungen einwen den möchte. Vie neuen Aeparationspläne. Vorschläge von Bradbury und Barthou. Der in seinen Grundzügen bereits bekannte Morato- riumsvorschlag Bradburys enthält nach Pariser Blätter meldungen folgende drei Punkte: 1. Für die Dauer von fünf Jahren soll Deutschland seine Geldzahlungen ein st eilen und sie durch Schuldverschreibungen ersetzen, die den interessierten Gläubigerländern übermittelt werden sollen mit der Aufgabe, die auf Grund derselben verfügbaren Mittel zu diskontieren. 2. Was die Sachlieferungen Deutschlands be treffe, so soll Deutschland ebenfalls Schuldverschreibung gen ausstellen, die durch die Länder gegengezeichnet werden können, die Lieferungen in natura erhalten. Deutschland seiner seits soll diese Wechsel durch ausländische Banken diskontieren, um die deutschen Lieferanten mit ausländischen De visen zu entschädigen und die Inflation nicht zu er höhen. 3. Zur Stabilisierung der Mark soll beschlossen werden, die Verwendung der Papiermark im Austausch wesent lich zu verringern und sie durch die Goldmark zu ersetzen. Es handelt sich einerseits darum, Deutschland von allen direkten oder indirekten Geldzahlungen sür Repara tionen auf die Dauer von fünf Jahren zu befreien, an dererseits darum, die Papiermark bei den meisten Trans aktionen zu ersetzen. Der „Matin" berichtet, daß Bar thou einen eigenen Vorschlag der Öffentlichkeit unter breiten werde. Andererseits habe Barthou angekündigt, daß im Laufe der kommenden Woche die französische Re gierung noch einen vollkommenen Plan über die Kontrolle Deutschlands und die Wiederherstellung seiner Finanzen vorlegen werde. k^anäel unä Verkehr. Notgeld. Infolge der gegenwärtigen Knappheit der Zahlungsmittel hat das Rejchsfinanzministertum in einer Anzahl von Fällen Städten, Kreisen und größeren Jndustrieunternehmungen die Ausgabe von Notgeld ge stattet. Die Ausgabe ist dabei regelmäßig an die Bedin gung geknüpft worden, daß der Gegenwert des jeweils ausgegebenen Notgeldes in voller Höhe in bar auf ein gefperrtes Konto überwiesen wird. Von verschiedenen Seiten ist gegen diese Bedingung Widerspruch erhoben worden, besonders auch unter Hinweis darauf, daß den Ansstellern des Notgeldes zur Überweisung geeignete Gut haben nicht zur Verfügung ständen. Hierbei wird indessen der Sinn des Notgeldes verkannt. Das Notgeld hat nicht dem Zwecke zu dienen, einer etwa vorhandenen Finanznot zu steuern, seine Bedeutung erschöpft sich vielmehr darin, die fehlenden gesetzlichen Zahlungsmittel zu ersetzen; wer im normalen Falle keine gesetzlichen Zahlungsmittel er halten würde, darf sich nicht mit Notgeld behelfen wollen. Das Reichsfinanzministerium kann daher von der auf gestellten Bedingung nicht abgehen. Jedes willkürliche Abweichen davon würde die Notgeldausgabe ungesetzlich und strafbar machen. Von j>l2b unc! fern. Das neue Hartgeld. Die neuen Absichten der Finanz verwaltung gehen dahin, als handliches Wechselgeld ein kleines eisernes Einmarkstück zu schaffen und außerdem Zehnmarkstücke aus Aluminium, die ungefähr die Größe der Fünfzigpsennigstücke haben sollen, in den Verkehr zu geben. Dampfer „Preußen". Am 11. Oktober ist der Flotte der Hamburg-Amerika-Linie der neue Dampfer „Preußen" eingereiht worden. Damit ist das fünfte Schiff der Länder klasse: Bayern, Württemberg, Baden, Sachsen, Preußen, in den überseedienst eingestellt. Das Schiff ist für den Frachtdienst nach Ostasien bestimmt, und dorthin wird es am 28. Oktober seine erste Ausreise antreten. 10) ' Machdruck verboten.) Ein trostloser, schmerzlicher Ausdruck lag auf ihrem Antlitz. Wie bittere Verzweiflung kam es über sie, daß sie gezwungen war, in Gemeinschaft mit diesen Menschen zu leben, und daß sie wie eine Gefangene gehalten wurde. Nichts, gar nichts hatte sie getan, um diese Behandlung zu verdienen. Man konnte ihr keinen anderen Vorwurf machen» als daß sie die Tochter ihrer Eltern war. Ihr stolzer Sinne litt unsagbar unter den Demütigungen, die man ihr täglich zufügte. Ein Wunder war es, daß sie nicht schon ganz dumpf und stumpf geworden war. Drittes Kapitel. Michael von Sachau saß untätig am Fenster seines Arbeitszimmers. Er war wieder einmal, wie so oft in letzter Zeit, ganz unfähig, zu arbeiten. Sein nervöses Herzleiden machte ihn schlaff und elend. Kraftlos und gebückt hielt sich seine hagere Gestalt in dem hochlehnigen Sessel. Das graue Haupt mit der hohen kahlen Stirn war geneigt und die matten, ziemlich farblosen Augen blickten unter den buschigen Brauen her vor in den winterlichen Garten hinaus. Er sah Sanna auf das Haus zukommen und schob die Brille, die er auf der Stirn placiert hatte, vor die Augen, um sie besser sehen zu können. Es fiel ihm aus, wie ost in letzter Zeit, daß sie sehr blaß und traurig ausfah. Wie sie ihrer Mutter gleicht, dacht« er. Nur die Augen hat sie nicht von ihr, die hat sie wohl von ihrem Vater. Bettina hatte große Augen — so gute, klare, Helle Augen — wie war es nur möglich, daß sie sich so vergaß? Er konnte es noch immer nicht fassen und begreifen, daß seine Schwester Bettina leichtfertig geworden war. Und er hatte jetzt so viel Zeit zum Grübeln. Man hatte Bettina zu sehr verwöhnt, da ist sie auf Abwege geraten. Anna hat doch wohl recht gehabt, wenn sie es mir zur Pflicht machte, streng mit Sanna zu verfahren. Aber leicht ist es mir manchmal nicht geworden. Ich habe kein Talent zum Erzieher. Wie sie nun wieder blaß und traurig aussteht — man möchte sie streicheln und trösten. Nein, nein — ich habe gar kein Talent zum Erzieher. Und gerade mir mußte das Schicksal eine solche Verantwortung aufbürden. Hart ist es mich oft genug angekommen, Sannas flehenden Augen gegenüber fest zu bleiben. Aber was half es. Man muß ja die ererbten Anlagen zu unter drücken suchen. Trotzdem er sich das sagte, wußte er doch jetzt manch mal nicht, ob er recht getan hatte, Sanna so klösterlich er zogen zu haben. Auch jetzt kam ihm wieder dieser Zweifel, als er Sanna auf das Haus zukommen sah mit dem trost losen Ausdruck im Gesicht. Ja — der Herr Professor hatte jetzt viel Zeit zum Grübeln. Nun sah er Sanna ins Haus verschwinden, und hinter ihr her glitt mit ihrem lautlos fahrenden Gang Anna von Rehling. Ihr großes fleischiges Gesicht war wie im Un mut gerötet. Sicher hatte sie sich wieder über Sanna ge ärgert. Der alte Herr seufzte auf und schob die Brille wieder auf die Stirn. Gleich darauf trat der Diener ein. „Herr Professor, es ist in einer Minute fünf Uhr. Die Damen warten am Teetisch," meldete er in strammer Haltung. „Es ist gut," antwortete der Professor und erhob sich sofort. Der Diener entfernte sich. Er war gewissermaßen die Hand, Vie das Uhrwerk drehte, nach dem sich Michael von Sachaus Leben abspielte. Friedrich hatte darauf zu achten, daß der Herr Professor nicht über seinen Arbeiten das Essen und Trinken, das Schlafen und Ausgehen vergaß. Mit präziser Pünktlichkeit und Unerschütterlichkeit sorgte er dafür, daß nichts vergessen wurde, und er blieb stets wie das mahnende Gewissen neben seinem Herrn stehen, bis dieser sich erob, um den Pflichten des täglichen Lebens nachzukommen. Herr und Diener nahmen das gleich wichtig. Und so dreht« sich fast alles im Hause nach der Schweres Rutomobkknnglück. Auf der Straße zwischen Bad Soden und Kronberg im Taunus wurde an einer Kurve ein mit neun Personen besetztes Automobil in einen Graben geschleudert. Von den Fahrgästen, die sämtlich aus Frankfurt a. M. stammen, waren drei auf der Stelle tot, ein vierter wurde schwer verletzt. Ein zäher Selbstmordkanvidat. In Hohenmölsen (Pro vinz Sachsen) fand man den 72jährigen Rentner Reichardt in bewußtlosem Zustand auf. Er hatte versucht, sich zu er hängen, aber der Strick war gerissen. Am nächsten Tag stürzte er sich aus einem hochgelegenen Giebelfenster auf die Straße; man brachte ihn ins Krankenhaus, wo sich heraus stellte, daß die Verletzungen nicht erheblich waren. Kurze Zeit darauf machte er den Versuch, sich im Krankenhaus die Pulsader zu durchschneiden, was auch nicht gelang, da das Messer zu stumpf war. Schreckenstat eines Wahnsinnigen. In Lübeck er mordete der ehemalige Handlungsgehilfe Max Renck seine Ehefrau und seine beiden 3 und 4 Jahren alten Mädchen und beging Selbstmord. Er hat die Tat anscheinend in geistiger Umnachtung verübt. Millionendiebstahl in einem Bankhause. In einem Bankhause in Emmerich sind durch Diebstahl abhanden ge kommen: vier Tausendguldenscheine, sechs Hundertgulden scheine, 28 indische Guldenscheine, 12 englische Pfunde, 310 Schweizer Franken und ein irisches Pfund. Für die Auf klärung des Diebstahls und die Zurückschaffung der Bank noten ist eine Belohnung von 1 Million Mark ausgesetzt worden. Eine putzige Republik. Eine in Kempten erscheinende Zeitung will erfahren haben, daß die politisch zu Österreich gehörenden und nur 1500 Einwohner zählenden Ortschaf ten des Walser Tales an der bayerischen Grenze eine eigene Republik errichten wollen. England und Frankreich hätten bereits ihre Zustimmung gegeben und das Projekt solle nun dem Völkerbund vorgelegt werden. — Das fehlte gerade noch, daß jedes Dorf mit dem Segen des Völker bundes eine eigene Republik gründet! Das Land- und Wasserauto. In kurzem soll ein eigenartiges Auto die Fahrt von Lyon nach London an treten. Es handelt sich um einen Wagen, der sich auf dem Lande wie ein richtiges Auto bewegt, aber imstande ist, auch den Seeweg mit eigener Kraft und eigener Schwimm fähigkeit zurückzulegen. Ob das Wagenboot die Fahrt über den Ärmelkanal bestehen wird, wird hauptsächlich von den Wetterverhältnissen abhängen. Die Pest in Konstantinopel. Londoner Blättern wird aus Konstantinopel gemeldet, daß im europäischen Viertel von Pera mehrere Fälle von Pest festgestellt worden seien. Nähere Nachrichten über die Zahl der Erkrankten liegen noch nicht vor. Der Dampfer „Honolulu" verloren. Nach einer Mel dung aus San Franzisko ist der in Brand geratene Passa gierdampfer „Honolulu" völlig verloren. Die 76 Passa giere, die er an Bord hatte, befinden sich an Bord des Dampfers „Westfalen". Auch die Mannschaften—200 Mann — sollen gerettet sein. für beut und morgen. Sehnsucht. Freilich sind die Zeiten schlimm und trübe, aber hat es Zweck, daß wir uns dies immer wieder versichern?. Freilich ist cs täglich schlechter geworden und wahrscheinlich wird es noch schlechter, doch was kann es nützen, darüber zu seufzen, wenn wir nicht die Kraft finden und keine Gelegenheit sehen, uns freizumachen aus unseren Nöten? Ist es klug und gut getan, den Hungrigen am kärglich bestellten Tisch das schlechte Mahl zu verleiden, wenn man ihnen nichts Besseres bieten kann? Wir dürfen unsere Sehnsucht und die unserer Mitmenschen nicht nach rückwärts richten; die Vergangenheit ist tot, und wenn wir uns immer wieder in sie versenken, ist die Folge Erschlaffung, Mutlosigkeit, Zusammenbruch. Wozu Wunden aufreiben? Setzen wir ihr Denkmäler in unseren Her zen, an denen wir uns erbauen in stillen Stunden, aber heraus mit ihr aus dem Alltag. Sie ist ein Maßstab, der zu hohe An sprüche stellt, als daß, an ihr gemessen, das Neue bestehen könnte. Doch wir brauchen das Neue, brauchen einen Boden, in dem wir, wurzellos geworden, neue Wurzeln fassen können. Nach vorwärts sollten wir unsere Sehnsucht richten, da es ohne diese Poesie des Alltags nun mal nicht geht; sie soll uns hin austreiben über die Gegenwart einer besseren, glücklicheren Zu kunft entgegen. Jeder Schimmer von Licht, der durch sie in unsere Finsternis fällt, soll uns recht sein, aber Pflicht und Ver nunft sind zuverlässigere Führer auf den steinigen Pfaden, die wir nun gehen. Uhr des Dieners Friedrich, denn Michael von Sachau ver langte auch von allen Hausgenossen die gleiche Pünktlich keit und es konnte ihn auf Tage in eine nervöse Gereizt heit bringen, wenn nicht alles auf die Sekunde klappte. Der Professor begab sich unverzüglich in das Zimmer hinüber, wo der Tee eingenommen wurde. Es war, wie alle Räume im Hause, mit einer etwas altfränkischen Ge diegenheit ausgestattet. Das graue Haus und die Möbel gehörten zusammen schon seit vielen Jahren. Michael von Sachau hatte es von einem Onkel geerbt, der als Jung geselle gestorben War. Anna von.Rehling und Sanna standen bereits hinter ihren Stühlen an dem runden, hübsch gedeckten Teetisch, als er eintrat...Mit,kurzem Gruß nahm ex am Tische Platz und mit ihm zugleich die beiden Damen. Sanna füllte die feinen Porzellantassen, legte in die des Onkels zwei Stück Zucker und stellte sie vor ihm hin. Tante Anna reichte das Körbchen mit Eakes und eine Platte mit Toasts herum. Es wurde fast gar nicht dabei gesprochen. Meist wur den alle Mahlzeiten schweigend eingenommen, wenn nicht etwas von Wichtigkeit zu erörtern war. Sanna genaß nichts als eine Tasse Tee. Sie hatte ein Cakes genommen, ließ es aber auf dem Teller liegen und sah mit starren Augen vor sich hin, als weilten ihre Gedanken in weiter Ferne. Verstohlen betrachtete Onkel Michael ihr blasses trau riges Gesicht. Es traf ihn heute wie ein stummer und doch beredter Vorwurf. „Bist du nicht wohl, Sanna? Du siehst so bleich aus." Sanna schrak zusammen. Selten genug richtete Onkel Michael das Wort an sie. Und nun fragte er gar nach ihrem Ergehen. Das war ganz außergewöhnlich. „Ich bin ganz wohl," antwortete sie kurz und fremd. Er wollte noch etwas sagen, aber da trafen seine Augen in die Tante Annas, die ihn wie mahnend an blickten. Da schwieg er. Statt seiner nahm Tante Anna nun das Wort. ^Fortsetzung folgt.)