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DasMeiiMMemupwzeß kein Todesurteil. Unter großem Andrang des Publikums wurde in Leipzig das Urteil im Rathenauprozeß verkündigt; es lautet wie folgt: Ernst Werner Techow wegen Beihilfe zum Mord 15 Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust. Hans Gerd Techow wegen Beihilfe und Be günstigung 4 Jahre 1 Monat Gefängnis. Günther wegen Beihilfe in Tateinheit mit Be günstigung 8 Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust. Niedrig und von Salomon wegen Beihilfe je 5 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust. Ilsemann wegen unbefugten Waffentragens zwei Monate Gefängnis (durch Untersuchungshaft verbüßt). Tillessen wegen Vergehens gegen die öffentliche Ordnung (Nichtanzeige) 3 Jahre Gefängnis. Plaas wegen desselben Vergehens 2 Jahre Ge fängnis. Schütt und Diestel wegen Begünstigung je zwei Monate Gefängnis (durch Untersuchungshaft verbüßt). Boß, Warnecke und Steinbeck wurden frei gesprochen. * Cm ^ackwort. Von besonderer Seite wird uns zu dem Ausgang des Prozesses geschrieben: Das große Gerichtsdrama in Leipzig ist zu Ende, und das deutsche Volk kann nun langsam die erschütternden Eindrücke in sich verarbeiten, die ihm die Verhandlung gegen die 13 Rathenau-Angeklagten vor dem Staats gerichtshofe vermittelten. Es ist ein Stück der deutschen Jugend, Fleisch von ihrem Fleisch, Bein von ihrem Bein, das dort auf der Anklagebank saß; und so gewiß die Techow und Günther, die Warnecke und Jlsemann, die Salomon und Voß in ihren Gedanken- und Gefühlsrichtungen untereinander zum Teil abgrundtief verschieden sind, so gewiß werden sie auch von der Jugend, die lediglich als Zuschauer den Leipziger Verhandlungen folgte, mit mehr oder weniger großer Ent schiedenheit als ein Spiegelbild ihrer selbst abgelehnt werden. Trotzalledem aber kann die deutsche Volksgesamt heit die Angeklagten von Leipzig nicht ganz von sich ab stoßen, denn auch in ihrer Verirrung und Entgleisung sind sie an den Fäden entlanggeglitten, die in diesem Deutsch land des Hasses und des Unfriedens, der Parteiungen und der Selbstzerfleischung gesponnen worden sind. Diesmal überwiegend Jugend aus Kreisen, aus Familien, die durch den Umsturz aller Dinge vielleicht weniger noch in ihrer wirtschaftlichen als in ihrer gesellschaftlichen, in ihrer seelischen Existenz auf das tiefste getroffen sind. Familien, die es durch die Jahrzehnte, die Jahrhunderte gewöhnt waren, sich dem Staate zur Verfügung zu stellen und in der Arbeit für ihn ihre eigentliche Lebensaufgabe sahen. Junge Leute, die trotz dieses Wandels der Verhältnisse unter fester Führung auch jetzt noch zu nützlichen Gliedern der nationalen Gemeinschaft zu erziehen gewesen wären. Aber der Sturm und Drang der Kriegs- und Nachkriegs zeit ließen keine feste Zügelführung aufkommen, weder im Staat noch in der Familie, weder in der Schule noch in der Gesellschaft. In dieser Zeit mußte Wohl der Jugend, wie man so sagt, der Kamm schwellen, hier zum Guten, dort zum Bösen. Wir wissen alle aus leidigen Erfahrungen des täg lichen Lebens, wie verheerend diese Zeit in der deutschen Jugend gewütet hat. Wenn in Leipzig ein unreifer Pri manerjüngling sich hingestellt und an dem Rapallo-Vertrag eines Walter Rathenau selbstsichere Kritik geübt hat — unter Berufung auf das Testament Friedrichs des Großen — so wissen wir nicht einmal, ob die ungeheure Lächerlich keit dieses Unterfangens der Öffentlichkeit von heute in allen ihren Teilen gebührend zum Bewußtsein gekommen ist. Denn alle Tage kann man gleichwertige Vorgänge so ziemlich in allen Parteilagern, links wie rechts, beobach ten, ohne daß sie immer lediglich auf eine theoretische Be deutung beschränkt blieben. Mit auf diese beschämende Beobachtung ist ja ohne Zweifel die beklagenswerte Tat sache zurückzuführen, daß das Alter sich mehr und mehr aus der öffentlichen politischen Wirksamkeit zurückzieht. -Krebs'WHMr-L S) (Nachdruck verboten.) Da mußte also nun seine Mutter eingrciftn, indem sie Sanna noch mehr als sonst an ihren befleckten Namen erinnerte. Sie ließ es nicht an diplomatischen Kniffen fehlen, um Sanna fügsam zu machen, und sparte nicht mit Andeutungen, wie sehr Gregor Sanna lieble und wie glücklich diese sein müsse, wenn ein so hübscher, ansehnlicher und ehrenwerter Mann sich um sie bemühe. Sie malte ihr verlockend aus, daß Gregor sie aus der engen Haft im Hause des Onkels entführen und ihr ein heiteres, sonniges Leben schaffen würde. In Sanna glitt das aber ganz wirkungslos ab. Sie hegte einen tiesinnerlichcn Absbeu vor Mutter und Sohn, die sie instinktiv als schlechte, falsche Menschen erkannte. Lieber wäre sie gestorben, als Gregors F'-au -u werden. Sie wußte auc»r ganz genau, warum sich Gregor so eifrig um sie bewarb. So sehr sich Sanna aus dem einsamen, bedrückenden Leben hinaussebnte, an Gregors Seite wäre ihr auch der Weg in die Freiheit unerwünscht gewesen. Und doch verlangte sie mehr denn je, sich von den drückenden Fesseln zu befreien, wenn sie sich auch zugleich vor der Welt da draußen fürchtete. Tame Anna batte dafür gesorgt, daß sie sich wie mit einem Brandmal ge zeichnet vorkam. Sie glaubte dieser ohne weiteres, daß kein Ehrenmann die Hand nach ihr ausstrccken würde. So hatte sie sich sest vorgenommen, unvermählt zu bleiben. Nie würde sie ihre Hand in die Gregors legen, niemals, Sanna besaß durchaus keinen le'htfertig Charakt-r, wie Tante Anna Onkel Michael einredete, sie war im Gegenteil sehr ernst und schwermütig geworden durch ihr freudloses, bedrücktes Leben. Und so sehr sie sich nach Frohsinn und Sonnenschein sehnte, so vermochte sie doch nur traurig zu sein, weil auf ihrer jungen Seele ein schwerer Kummer lastete. Es fühlt sich, sehr begreiflicherweise, nicht Wohl im un lauteren Wettbewerb mit einer Jugend, die sich, kaum der Schule entwachsen, schon zu Lehrmeistern des Volkes be rufen glaubt. Und leider muß man auch im privaten Ge schäfts- und Erwerbsleben immer wieder feststellen, daß es nicht gerade die vernünftigen, die ruhigen und die ver antwortlichkeitsbewußten Schichten der Bevölkerung sind, denen in den wechselvollen Kämpfen des Alltags das große Wort überlassen wird. So steigen Verwirrung und Unsegen, Verführung und Verfehlung immer höher in der Mitte unseres Volkes empor, bis sogar Verbrechen möglich werden, wie sie früher auf deutschem Boden von deutscher Hand niemals möglich gewesen wären. Man soll sich, da diesmal überwiegend nach einer bestimmten Richtung geartete Elemente vor dem Richter standen, nicht allzu sehr in die Brust werfen. Wenn unsere Straf justiz heute genügend Köpfe und Arme frei hätte, uin jedes Verbrechen mit politischem Beigeschmack so ener gisch zu verfolgen, wie es hier geschehen ist, nach allen Seiten wäre Arbeit genug. Aber Splitterrichterei zu treiben, ist jetzt so ziemlich die schlechteste Zeit. Schlage jeder Volksgenosse, schlage auch jede Partei sich an die eigene Brust und sehe zu, statt die Kraft in Anklage- und Verfolgungssucht zu verschwenden, wie es wieder besser werden soll in unserem armen Vater lands. Es muß vollends zugrunde gehen, wenn nicht alle feine guten Elemente, ob links oder rechts, ob arm oder reich, sich zusammentun zu gemeinsamer Arbeit, insbeson dere an der verwaisten und leider nur zu sehr auch ver wahrlosten Jugend. Erträgnisse äer Einkommensteuer Weit über den Voranschlag hinaus. Die Schätzung des Ertrages der Reichseinkommen steuer für das Geschäftsjahr 1922/23 im Voranschlag belief sich auf 25 Milliarden Mark. Eingekommen sind vom 1. April bis 31. August, also in fünf Monaten, 33,5 Mil liarden Mark, im Vorjahre in der gleichen Zeit 6 Mil liarden Mark. Es ist zurzeit noch unmöglich, die Ein gänge für das ganze Jahr genau zu Überschlagen, wahr scheinlich wird der Gesamtbetrag sich auf 100 Milliarden hin bewegen. Als Ursachen zu den weit über den Voranschlag hin ausreichenden Summenvermehrungen sind die Geldent wertung und der mit den höheren Löhnen und Gehältern sich vermehrende 10prozentige Abzug des Arbeitnehmers anzusehen, dann aber auch das bessere Funktionieren des Steuereinziehungsapparates, der nunmehr auch die nicht dem Steuerabzug unterliegenden Steuerpflichtigen gründ licher und schneller erfaßt als bisher. Vas Gelets über äen Meterscbuts Wann darf der Vermieter kündigen? Der Wohnungsbauausschuß des Reichstages beschäf tigte sich mit dem Mieterschutz-Gesetz. Die Regierungs vorlage will dem Hausbesitzer das Recht zur Kündigung nicht einräumen, sondern ihn auf den Klageweg unter Beibringung ganz schwerwiegender Gründe beschränken. Demgegenüber beantragten die beiden Rechtsparteien, dem Wirt die Kündigung zu gestatten, aber dem Mieter eine Notfrist von einer Woche zu geben, innerhalb welcher er beim Amtsgericht eine Aufhebung der Kündigung bean tragen kann. Der Antrag wurde abgelehnt. Nach der Vorlage muß also der Vermieter auf Lösung des Verhält nisses klagen; als Grund kann er nur anführen, daß der Mieter oder eine Person, die zu seinem Hausstand oder zu seinem Geschäftsbetriebe gehört, sich einer nichterträglichen Belästigung des Vermieters oder eines Hausbewohners schuldig macht. Die Kündigung kann auch erfolgen, wenn der Mietraum über das gewöhnliche Maß hinaus abge nutzt wird, in unangemessener Weise benutzt wird oder wenn der Mieter einem Dritten den Gebrauch des Miet raumes überläßt, obwohl er zur Überlassung nicht befugt ist. Die Aufhebung ist nur zulässig, wenn der Mieter un geachtet einer Warnung des Vermieters das Verhalten fortsetzt oder.es unterläßt, eine ihm mögliche Abhilfe zu schaffen, oder wenn das Verhalten des,Mieters ein solches war, daß dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhält-. nisses nicht zugemutet werden kann. '> Sammelmappe für bemerkenswerte Tages» und Zeitereignisse. * Das Reichskabinett hat weitere Maßnahmen für eine Sta bilisierung der Mark beraten, u. a. den Plan einer Goldanleihe. * In Berlin kam es bei einer kommunistischen Kundgebung gegen eine Versammlung des Bundes für Freiheit und Ord nung zu blutigen Zusammenstößen. Ein Arbeiter wurde ge tötet, mehr als 30 Personen wurden mehr oder weniger verletzt. * Chamberlain betonte in einer Rede nachdrücklichst die Not wendigkeit der Aufrechterhaltung der Koalition bei den bevor stehenden Wahlen. * Im Heeresausschuß der französischen Kammer teilte der Kriegsminister mit, die Effektivstärke des französischen Heeres belaufe sich auf 660 000 Mann. politiscke Kunäsckau. Deutfcklsnä. Versicherung für Angestellte. Der Neichstagsausschuß für soziale Angelegenheiten verabschiedete nach längerer Debatte in zweiter Lesung den Gesetzentwurf zur Änderung des Versicherungsgesetzes für Angestellte. In diesem Gesetz wurde die Selbstverwaltung erweitert, die Spruchbehörden sind für die allgemeine wie für die Angestelltenvcrsicherung nunmehr einheitlich und die Renten au Wanderversicherte sind entsprechend ihren Beitragsleistungen zu dem anderen Versicherungsträger geregelt worden. Die allgemeine Invalidenversicherung wurde entsprechend geändert; die Rentenerhöhung ist auch hier auf 9000 Mark festgesetzt; die Beitragsklassen stimmen nunmehr mit denen der Angestelltenversicherung, für die neue Beitragssätze, aufgestellt sind, überein. Ministerbesuch im Nheinlande. Unter dem Vorsitz des preußischen Ministerpräsidenten Braun und in Anwesenheit des Ministers des Innern Severing fand eine etwa zweistündige Besprechung vor einem geladenen Kreise von Vertretern der Behörden, der Erwerbsstände und des geistigen Lebens des Regierungs bezirks Köln über die brennendsten Fragen statt, die die Bevölkerung bewegen. Ministerpräsident Braun führte aus, er beabsichtige in keiner Weise, durch seine Reise ins Rheinland für das Deutschtum und für Preußen zu wer ben; denn dazu sei das Deutschtum und das Gefühl der Schicksalsgemeinschaft mit Preußen zu fest in den Herzen der rheinischen Bevölkerung verankert. Ministerpräsident Braun hob mit Genugtuung hervor, daß die Bestrebungen der Separatisten von der einheimischen Bevölkerung nicht als eine ernste Gefahr angesehen werden sollen. Veulkek-Öfterpe!«^. Die innere Krise. Die innerpolitischs Lage hat sich erneut zugespitzt. Bei der Konstituierung des Sonderaus schusses für die Genfer Konvention beanspruchten die Sozialdemokraten, den Obmann zu stellen. Als dieser An trag von der bürgerlichen Mehrheit abgelehnt wurde, ver zichtete Präsident Seitz auf die ihm angetragene Stelle des zweiten Vorsitzenden. Der sozialdemokratische Redner Seitz kündigte den schärfsten Widerstand seiner Partei bei allen Verhandlungen in den Ausschüssen und im Plenum au. Sckneäen. Die Parlamentswahlen. Nach den letzten Ermitt lungen erzielten bei den Landsthingswahlen die Rechte 363 (bisher 264), die Liberalen 192 (bisher 291), die Sozial demokraten 346 (322), die Linkssozialisten, die sich wahr scheinlich mit den Sozialdemokraten vereinigen werden, 24 (bisher 29), die Kommunisten 31 (bisher 21), der Bauern bund 141 (bisher 146) Mandate. * Düsseldorf. Wegen des Vorfalles in Oberkassel, wo ein junger Oberkasseler Turner von betrunkenen belgischen Marinesoldaten erschossen worden ist, erschien der belgische De legierte der Rhcinlandskommission bei dem Vertreter des Düsseldorfer Oberbürgermeisters in Oberkassel und sprach im Namen der Rheinlandskommission sein Beileid aus. Ncwyork. Das Bundesgericht hat mit vorläufiger Wirk samkeit den Beamten des Zolldienstes Anweisung erteilt, die Bundesverordnung betreffend Beschlagnahme alkoholi scher Getränke auf den Dampfern der amerikanischen Ge sellschaften nicht anzuwenden. j Mehr und mehr lernte sie, mit ihren kluaen Augen Tante Annas falsches, berechnendes Wesen zu durchschauei, aber sie war zu stolz, ihr zu zeigen, wie sehr sie darunter litt Nur selten ging der Unmut einmal mit ihr durch wie heute. Meist war sie still und in sich gekehrt und setzte nur den Bemühungen von Mutter und Sobn einen Widerstand entgegen. Niemand wußte, wie es in ihrer Seele aussah und wie oft unruhige Fluchtgedanken hinter ibrer Stirn kreuzten. Das Elend ihres Lebens über mannte sie oft in der Sülle ihres Zimmers. Dann warf sie sich weinend nieder und betete um Befreiung. Aber das graue Haus und die hohe Gartenmauer hielten sie fest. Wann endlich würde ihr Befreiung werden aus dieser nicderdrückenden Gefangenschaft? „Laß uns nun hineingehen, Tante Anna, damit Onkel Michael nicht warten muß," sagte sie hastig, denn sie konnte es kaum mehr ertragen, neben der alten Dame herzugehen. Diese hielt sie aber noch eine Weile fest. Leise strich sie mit ihren fleischigen Händen über das kastanienbraune Haar der jungen Dame. Diese hatte dabei ein Gefühl, als sträubte sich ihr Haar vor Abneigung und Widerwillen. „Mein armes Kind," flötete Anna von Rehling, „wie du mir leid tust und wie gern ich dir Helsen möchte. Aber es liegt ja nicht in meiner Macht. Nur einen Ausweg wüßte ich für dich. Da ist ein Mensch, der dich so sehr, sehr lieb hat, der alles andere vergessen und dich erlösen würde aus aller Pein, wenn du ihm nur ein Recht dazu geben würdest. Du weißt, wen ich meine. Gregor hat keinen heißeren Wunsch, als dir das Leben licht und schön zu gestalten. Er würde alles tun, um dich glücklich zu machen. Du ahnst ja nicht, wie groß seine Liebe ist. Mir hat er sich anvertraut. Verschließe dein Herz nicht länger seiner Liebe, reiche ihm die Hand zum Bunde für das Leben. Er wird dich hinausführen in die Freiheit und wird dich vor allem Rauhen und Schlimmen schützen. Keinen innigeren Wunsch hat er, als dir zu dienen und dir zu schaffen, wonach du dich sehnst." Sanna trat hastig einen Schritt zurück, so daß Tante Annas Hand von ihrem Scheitel glitt. Sie sah mit großen Augen in ihr Gesicht. „Bitte, laß dies Thema fallen, Tante Anna. Gregor hat mich über seine Wünsche nicht im un klaren gelassen, und ich habe ihm deutlich genug zu ver stehen gegeben, daß ich unverheiratet bleiben werde. Meinst du denn, ich hätte den Mut, die Bewerbung eines Mannes anzunehmen, wer er auch sei, nach allem, was du mir über meine Eltern gesagt hast und über den Makel, der meinem Namen anhastet? Deiner Ansicht nach bin ich doch ein Geschöpf, dem jeder Mann weit aus dem Wege gehen muß. Wie kommt es nun, daß du den Wunsch hast, daß ich Gregors Bewerbung annehrne? Fürchtest du nicht, daß dieser Makel dann auch ihn trifft, und daß ich ihn mit meinen schlimmen ererbten Anlagen unglücklich machen könnte?" Anna von Rehling ließ sich nicht verblüffen durch diese Frage. , „Aber mein liebes Kind, ich habe dir doch da nur ge sagt, wie alle Welt urteilen würde, und was' Onkel Michael fürchtet. Ich denke doch viel milder über das alles, weil ich dich liebe und weil ich weiß, daß du trotz deiner etwas ungebärdigen Art ein gutes Kind bist, ich weiß doch, daß dich mein Sohn mit allen Fasern seines Herzens liebt, und daß er ohne dich kein wahres Glück finden wirtu Wie könnte ich mich da kleinlich und engherzig gegen eine Ver bindung zwischen euch auslehnen." Es zuckte in Sannes Gesicht wie Verachtung. Sie wußte sehr gut, daß Tante Anna es gewesen war, die Onkel Michael so lange von ihren schlimmen Anlagen er zählte, bis er daran glaubte. Und ebenso gut wußte sie, daß Gregor sie gar nicht liebte, daß er nur nach ihrem Reichtum trachtete. Ach — sie kannte Mutter und Sohn bedauerlich gut und durchschaute sie mit ihren geschärften Augen. Sie wußte sogar ganz genau, daß Gregor darauf spekulierte, Onkel Michael zu beerben und ihm nur Zu neigung heuchelte. Das war alles so häßlich, so gemein. Ihr ekelte vor so viel Niedrigkeit und Heuchelei. „Ich bitte dich, laß uns nicht mehr davon reden — ich bleibe unvermählt, es ist mein fester Entschluß," sagte sie ruhig, und ehe Frau von Rehling etwas erwidern konnte, eilte sie dem Hause zu. (Fortsetzung folgt.)