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Ottendorfer Zeitung : 13.10.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-192210138
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19221013
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19221013
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-10
- Tag 1922-10-13
-
Monat
1922-10
-
Jahr
1922
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 13.10.1922
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(Inler täglicb Srol. Von unserem politischen O-Mitarbeiter wird uns geschrieben: Je weiter der Herbst und die Teuerung fortschreiten, desto vernehmlicher kündigen sich die Kämpfe des Winters an. Allgemein herrscht das Gefühl, daß wir nur bei mög lichster Geschlossenheit der inneren Front über die größten Schwierigkeiten für die Volksernährung hinwegkommen werden. Eben so allgemein aber ist die geringe Zuversicht in die Möglichkeit einer Zurückstellung alles Trennenden um dieses lieben Friedens willen. Das sehen wir schon bei dem Vorpostengefecht um den Preis für das erste Drittel der Getreideumlage, der, vor Monaten festgesetzt, als noch ganz andere Mark- Verhältnisse bestanden, jetzt zur Auszahlung gelangen soll. Bliebe er unverändert, so bedeutete das unbestritten eine Beeinträchtigung der Landwirtschaft über das Maß dessen hinaus, was ihr in den aufgeregten Tagen des Rathenau- mordes zugedacht und damals von ihr, wenn auch mit Protest, schließlich doch angenommen worden war. Daß es jedoch bei der damaligen Entscheidung nicht verbleiben könne, ist mittlerweile ziemlich von allen bürgerlichen Par teien anerkannt worden, nicht bloß von den Parteien der Rechten, denen die Wahrnehmung landwirtschaftlicher Interessen besonders nahe zu liegen Pflegt. Da-bei leitet sie weniger die Abneigung gegen eine übermäßige Be tastung der Landwirtschaft als vielmehr die Sorge um die Aufrechterhaltung ihrer Produktionsfähigkeit, die Sorge um die Gefahr einer sonst nicht ausbleibenden Ein schränkung des Getreideanbaues und endlich auch die Rück sicht auf die Geldknappheit, über die bei dem schon wahn sinnig zu nennenden Anschwellen aller Preise die Land wirtschaft nicht weniger als Handel und Industrie zu klagen haben. Diese Frage wurde nun nicht nach den vor liegenden sachlichen Gesichtspunkten rasch entschieden, son dern sie blieb in der Schwebe, bis ihrer sich die Partei- gegensätze bemächtigten. Eine Vorentscheidung im volks wirtschaftlichen Ausschuß des Reichstages fiel zugunsten der Preiserhöhung für das erste Drittel der Getreide umlage um das Drei- bis Vierfache aus. Sie entfesselte starken Widerspruch auf der Linken. Man weiß, wie die Parteitage von Augsburg und Gera ihrerseits zu der Frage Stellung nahmen. Daß der Reichsernährungs minister Professor Dr. Fehr seinen Standpunkt in der Frage gelegentlich eines Aufenthaltes in Bayern im Sinne der Preiserhöhung mit vielbemerkter Rückhaltslosigkeit sest- legte, trug auch nicht dazu bei, die Gegner fügsamer zu machen. So ist es denn auch bis jetzt dabei verblieben, daß die nunmehr vereinigte sozialdemokratische Partei des Reichstages in ihrer überwiegenden Mehrheit an ihrem Widerspruch gegen diese Preiserhöhung festhielt. Die Tonne Roggen wäre danach auch jetzt noch mit 6900 Mark zu bezahlen gewesen. Der Marktpreis im freien Handel ist inzwischen längst in die fünfstelligen Zahlenreihen auf- gerückt. Das Reichskabinett trat nun vor einigen Tagen den Gründen des volkswirtschaftlichen Aus schusses zur Erhöhung der Preise für das erste Drittel des Umlagegetreides bei. Der vom Reichsminister für Er nährung und Landwirtschaft vorgelegte Gesetzentwurf, in dem für die Tonne einPreis von 20 700 Mark, also genau das Dreifache, vorgesehen ist, wurde angenom men. Der Gesetzentwurf ging sofort dem Reichsrat und dem Neichswirtschaftsrat zu. Der Reichstag wird nach seinem am 17. Oktober erfolgenden Zusammentreten sofort die Frage behandeln. Möglich, daß der Beschluß gegen die Stimmen der sozialistischen Mitglieder des Reichskabinetts geschehen ist, obwohl auch bei ihnen in den Verhandlungen ihrer Partei und Fraktion doch die Meinung zum Ausdruck kam, daß sie das Verharren auf dem ursprünglichen Getreidepreis als nichttunlich betrachte ten. Und offen bleibt die Frage, wie sich nun die Parteien und die Gewerkschaften der Linken als solche zu der Ent scheidung stellen werden. Reichspostminister G i e s b e r 1 s, der in diesen Tagen vor den katholischen Arbeitervereinen in Essen über die gegenwärtige Teuerung sprach, äußerte sich recht zweifel haft über die Möglichkeit, der gegenwärtigen Teuerung durch Wiederaufnahme von Rationierung und Zwangs wirtschaft zu Leibe zu gehen. Die Moral unseres Volkes, sagte er in Übereinstimmung mit einem bekannten Wort des Reichskanzlers Dr. Wirth, ist leider sehr tief gesunken, und wenn man hätte voraussehen können, wie sich die Dinge in diesen Jahren entwickelt haben, hätte man gewiß von vornherein manches anders gemacht. Im übrigen aber müßten wir uns damit abfinden, daß die Folgen des Kennst ein Äas L^anä ... Roman von Hedda v. Schmid. 481 (Nachdruck verboten.) „Er habe sie von jenem Augenblick an geliebt, wo er sie auf seinen Armen an Bord des „Triumphator" vom Zwischendeck in die Kajüte getragen hatte. Er habe lange mit sich gekämpft, ob er es wagen dürfe, ihr seine Liebe zu gestehen und sie zu bitten, seine Frau zu werden. Er hätte ihr dieses Geständnis Wohl auch nie gemacht, wenn diese letzte gemeinsame Fahrt sie nicht wieder zusammengeführt hätte. Sie habe ihn doch auf dieser Reise etwas mehr ken nen gelernt als bei ihren früheren, flüchtigen Begegnungen auf dem „Triumphator". Thomafine war empört. Sie betrachtete diesen Hei ratsantrag in ihrer ersten Erregung fast als eine Beleidi gung. Seine Frau — bei dieser Vorstellung stieg ihr das Blut heiß in die Schläfen. Sie lieble diesen Mann doch nicht, und sie war überhaupt nicht zu einer Seemanns gatlin geschaffen. Er würde der Herr im Hause sein, denn sein Wille war durch den steten Kampf mit der See gestählt. Sie sollte sich ihm unterordnen — nein, niemals würde das geschehen . . . Warum störte er ihre Ruhe . . . Als Malte Holten ihr vor zwei Jahren seinen Antrag gemacht hatte, war sie voll Kummer darüber gewesen, daß sie ihm eine Enttäuschung hätte bereiten müssen — heute aber war ihre Seele voller Zorn gegen Olas Petersen. Und beide hatten doch ein und dasselbe von ihr gewollt.... Ohne zu zaudern, schrieb sie dem Kapitän Petersen nach Bremen ihre Absage. Dann traf sie in Hast ihre Vorbereitungen zur Reise nach Bornholm. Sie hinterließ in M. nicht ihre Adresse — niemand sollte wissen, wohin sie sich gewandt hatte. Auf der fernen Insel sollte nichts ihren Frieden stören — dort wollte sie darüber nachdenken, wie sie am besten ihr Leben einrichtete. Auch die alte Liebesge schichte von Onkel Thomas und Thomafine Brügge sollte ihr nicht mehr in den Sinn kommen . ., Die Briefe Krieges und der Revolution so schnell eben nicht über wunden weiden können. Zwei Fünftel aller Lebensmittel müssen wir jetzt wie in früheren Friedenszeiten einführen. Was das bei den gegenwärtigen Dollarpreisen auf dem freien Markt zu bedeuten hat, könne man sich denken, eben so, welche Brotpreise daraus sich ergeben müssen. Also: Entweder Verbilligung der Brotversorgung aus Staats mitteln, oder weitere Erhöhung des Brotpreifes. Auch der Minister bat schließlich um möglichst leidenschaftslose Erörterung dieser Fragen, eine Bitte, die allerdings leich ter auszusprechen, als zu erfüllen ist. Etwas günstiger scheint die Aussicht für die Zucksr- versorgung zu liegen, wobei uns allerdings die reiche Rübcnernte dieses Jahres zugute kommen wird. Der Reichsrat hat sich dahin schlüssig gemacht, daß aus der Jn- landserzeugung für die gesamte Bevölkerung je Kopf und Monat 2^ Pfund und außerdem einmal 6 Pfund Ein machzucker zur Verfügung gestellt werden müssen. Aus landszucker soll nur mit Genehmigung des Reichsernäh rungsministers eingeführt werden dürfen und dann nicht mehr in den freien Verkehr kommen, sondern der ver arbeitenden Industrie zugcführt werden. Wenn dieser Versorgungsplan wenigstens gelingt, wird mit ihm viel leicht mancher Mangel auf anderen Gebieten sich aus gleichen lassen. Doppelter Vrotprers — höhere Löhne. Durch die Erhöhung der Preise für das cingeführte Auslandsgetreide—(ausländischer Weizen kostete zur Zeit der Verhandlungen über das Reichsgetreidegesetz und die jetzt geltenden Abgabepreise 18 000 bis 20 000 Mark die Tonne, heute fast 84 000 Mark, nachdem der Preis bereits auf 93 000 Mark und höher gestiegen war) — war nach einem Anträge des Reichsernährungsministers eins erhebliche Steigerung der Abgabepreise der Reichsgetreidestelle un vermeidlich. Entsprechend muß auch der Preis für Markenbrot erhöht werden. Die Erhöhung wird je doch nicht vor Ablauf dieses Monats eintreten und vor aussichtlich über eine Verdoppelung nicht wesentlich hin ausgehen. Da die Erhöhung des Brotpreises eine schwere Belastung der minderbemittelten Bevölkerungskreise mit sich bringt, beabsichtigt die Regierung, schon in den nächsten Tagen mit den Vertretern der Arbeitsgemeinschaften in Besprechungen einzutreten, um gleichzeitig mit der Er höhung des Brotpreises auch eins entsprechende Erhöhung der Löhne und Gehälter zu erwirken. * Berlin. Mit der Ablehnung jeder Erhöhung des Ge- treideprcises, wie er im Gesetz über das Amlageverfahren für das Jahr 1922-23 für das erste Drittel vorgesehen ist, hat sich die Bereinigte Sozialdemokratische Partei in einen scharfen Gegensatz zu der Neichsregieruug gesetzt. Die politische Situ ation hat dadurch ohne Zweifel eine Verschärfung erfahren, da die Sozialdemokraten unter keinen Umständen gewillt sind, in dieser Frage nachzugebcn. Sollte die Negierung auf einer Er höhung der Gctrcidepreise bestehen, so wäre die Sozialdemo kratie eventuell genötigt, die Konsequenzen aus dieser Haltung zu ziehen und die sozialdemokratischen Minister von ihren Posten abzuberusen. In politischen Kreisen hofft man jedoch, noch einen andern Ausweg zu finden, doch vertäutet vorläufig noch nichts darüber, wie man sich diesen Ausweg denkt. Politische Aunclsckau. DeutfektrnL. Die Erhöhung der Kolonialentschädigungen. Unter der zunehmenden Geldentwertung leiden auch diejenigen Deutschen, die infolge des Krieges ihr Aus- landsbesitztum verloren und vom Reiche zu entschädigen sind. Daher wurden im Reichstagsausschuß für Ver- drängungsfchäden bei der Beratung des Verordnungs entwurfs über Zahlungen auf Grund des Verdrängungs-, des Kolonial- und des Auslandsschädengesetzes ver schiedene Abänderungen verlangt. Es wurde beschlossen, daß die Grenze von 140 000 Mark für die Schatzanweifun gen mit sechsmonatiger Laufzeit auf 1 Million er höht werde, und daß der Rest der Entschädigung in Schatzanweisungen gezahlt werde, die mit je V» innerhalb der nächsten acht Jahre eingelöst werden sollen. Besonders die kleinen Geschädigten erhalten damit die Barmittel zum Ersatz der verloren gegangenen Habe. Gegen die Überflutung mit Ausländern. Die deutschen Auslandsvertretungen sind vom Reichs- ministerium des Innern nachdrücklich darauf verwiesen Sammelmappe für bemerkenswerte Tages- und Zeitereignisse. * Das Reichskabinett bat beschlossen, den Preis für das erste Drittel des Umlagegetreides, vorbehaltlich der Zustimmung des Reichstages, zu verdreifachen. * Die Regierung beabsichtigt, gleichzeitig mit der bevor stehenden Brotpreiserhöhung auf eine Heraussetzung der Ge hälter und Löhne Hinzuwirten. * Wegen der Überflutung Deutschlands durch Ausländer sind besondere Maßnahmen zur Abwehr ergriffen woroen. * Zwischen Griechen und Türken ist ein Waffenstillstand ab geschlossen worden. * Der allrussische kommunistische Vollzugsausschuß in Moskau hat beschlossen, für alle Männer zwischen 20 und 40 Jahren die allgemeine Wehrpflicht einzuführen. worden, daß die Sichtvermerke der Ausländer für die Einreise nach Deutschland in Zukunft mit einer gewissen Zurückhaltung erteilt werden sollen. Insbesondere soll der Sichtvermerk in den Fällen verweigert werden, in denen die Vermutung naheliegt, daß die beabsichtigte Reise zu Zwecken des billigen Ankaufs deutscher Ware erfolgt. Auch die Anträge auf Verlängerung der Aufenthalts erlaubnis sollen strenger geprüft, die Erleichterungen für den kleinen Grenzverkehr eingeschränkt werden. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das Reichsarbeitsministerium ist mit dem Neichs- finanzministerium und dem Neichsrat in eine Fühlung nahme eingetreten, um die rechtzeitige Bereitstellung von erhöhten Mitteln zur Bekämpfung der drohenden Zunahme der Arbeitslosigkeit sicherzustellen. Es liegen bestimmte Anzeichen vor, daß im Laufe des Winters mit einem An wachsen der Ziffern der Arbeitslosen gerechnet werden nruß. Für deren Unterstützung sollen rechtzeitig die er forderlichen Mittel bereitgestellt werden. Verschärfte Grenzkontrolle an der deutsch-polnischen Grenze. Die Grenzkontrolle an der deutsch-polnischen Grenze ist wesentlich verschärft worden. Bisher wurden den im deutschen Teile Oberschlesiens wohnhaften, aber im pol nischen Teile beschäftigten Arbeitern bedeutende Erleichte rungen gewährt, u. a. war ihnen die Mitnahme von Lebensmitteln für eine ganze Woche erlaubt. Diese Ge legenheiten wurden oft zum Warenschmuggel benutzt. In folgedessen ist jetzt die Bestimmung des Genfer Abkom mens von den Polen strikt durchgeführt worden, wonach nur den an der Grenzzone wohnhaften Arbeitern die Mit nahme von Lebensmitteln für eine ganze Woche gestattet ist. Eine solche Maßnahme macht den über 5. Kilometer jenseits der Grenzzone wohnhaften Arbeitern das Arbei ten im polnischen Teil von Oberschlesien vollkommen un möglich. Polen. Aufstandsbewegung in Ostgalizien. Die Zustände in den ostgalizischen Gebieten des neugebackenen polnische» Staates nehmen allmählich den Charakter einer Revo lution an. Allein in der Zeit vom 13. bis 21. September wurden in den Bezirkshcmptwannschaften Stanislav, Tar- nopol und Przemysl weit über 50 polnische Gutshöfe, die zum größten Teil Adligen gehörten, in Brand gesteckt und bedeutende Getreidevorräte eingeäschert. Der Schaden be trägt viele Hunderte von Millionen. Eine Reihe Tele graphen- und Telephonleitungen wurde zerstört. In Peczenizyn wurde das Gebäude der Bezirkshauptmann schaft eingeäschert, in Uhorniki eine Bombe in die Woh nung des Gemeindevorstehers geworfen. Mehrere pol nische Schulen wurden eingeäschert, viele Menschen erschlagen. Berlin. Der preußische Minister des Innern hat den „Bis- marck-Bund" in Halle und den „Bund der Niederdeutschen" in Hamburg für aus gelöst erklärt. Warschau. Der Reichstag beschloß die Aushebung der Wertzuwachs st euer, die bisher im ehemals preußischen Teilgebiet der Woiwodschaft Schlesien und in einem Teil Posens erhoben wurde. Die Aufhebung wird mit dem Steigen der polnischen Valuta begründet. London. Hier ist eine neue Note der Sowjetregierung ein- getrofsen, die sich mit den Orientsragen beschäftigt und energisch gegen die Blockade der Meerengen protestiert. Es ist die dritte an England gerichtete russische Note innerhalb der letzten drei Wochen. wollte sie verbrennen — aber dann besann sie sich und packte sie doch sein säuberlich in ihren Handkoffer. Sie nahm ihren Weg über Kopenhagen, weil sie von dort aus täglich Dampserverbindung nach Bornholm hatte. Nach einer stürmischen überfahrt landete Thomafine endlich in Bornholm. Jakob Stellings empfing sie im Hafen, schüttelte ihr treuherzig die Hand und meldete, seine kleine Frau habe alles aufs beste zu Fräulein Mönks Emp fang hergerichtet — und Flink und Menko wären auch noch am Leben. Alles hier war wie ein belebender Trank für sie. Allerhand Zukunftspläne entstanden in ihr: sie ge dachte, armen mutterlosen Kindern hier ein Erholungs heim zu gründen, dann wieder kam ihr der Gedanke, Malte Holten zu schreiben und ihn bitten, ihr seine Tochter zur Erziehung anzuvertrauen. Und dazwischen sagte sie sich dann doch, im Widerspruch mit sich selber, daß es vielleicht am besten für sie gewesen wäre, wenn sie Jettys Bitten nachgegeben und ihren Aufenthalt in Japan verlängert hätte. Eine Unrast kam plötzlich über sie und sic hafte hier doch den Frieden suchen und finden wollen. Seit sie Olaf Petersens Brief erhalten hafte, war eine Ver änderung in ihr vorgegangen, die sie sich nicht erklären konnte. Die Sache war doch abgetan, warum nur hafte sie ein etwas böses Gewissen, wenn sie daran dachte . . . Und das mußte sie gegen ihren Willen oft tun. ... In der Stille des Gemachs, die nur durch das Ticken der Uhr unterbrochen wurde, war cs Thomafine, als stünde eine alte Frau auf der Schwelle und spräche eindringlich: „Stelle vor deinen falschen Stolz allzeit die Liebe!" Sie liebte Olaf Petersen nicht — nein, es war nur wieder die Einsamkeit, die sie bedrückte. Sie, die niemals vorher Nerven gehabt hafte, sich auch in den schwersten Stunden hafte beherrschen können, wurde hier in diesem ersten Abend ihrer Ankunft nervös. Sie mochte wollen oder nicht, sie mußte an einen den ken, der eben vielleicht noch einfamer war als sie selber. Ja — wenn sie gerecht sein wollte, so mußte sie sich sagen, daß die Worte, mit denen sie seine Werbung zucück- gewiesen hafte, zu scharf gewesen waren. In der ersten Aufwallung hatte sie geschrieben, ohne viel zu wägen . . . Das war's . . . Und das konnte sie doch nicht als ein Ver brechen ansehen, daß er sie lieb hatte! Wo mochte er jetzt weilen? Vielleicht fuhr er bereits wieder auf einem fernen Wasser, vom Herbststurm umtost. In dieser ihrer ersten Nacht auf Bornholm lernte Thomafine den Herbsisturm, Wie er auf schrankenloser See und über einen ungeschützten Strand dahertobt, in seiner ganzen Furchtbarkeit kennen. Zuerst war es nur wie ein zorniges Winseln eines wilden Tieres, das im Begriff ist, die Bands, mit denen man es zu fesseln geglaubt hat, zu sprengen. Dann aber erhoben sich die Stimmen der Bran dung und des pfeifenden Nordsturmes zu einem schauer lichen Duett. Thomafine erbebte . . . Wer in diesem Sturm etwas Liebes auf der See hat . . . Wer zittert, betet, verzweifelt und doch in seiner Machtlosigkeit nichts anderes tun kann, als zagend und dabei doch hoffend, auf das Morgenrot nach der Sturmnacht zu warten — wie furchtbar mußte das sein ... Die kleine Frau Stellings, die Thomasius das Früh stück brachte, berichtete, daß auch sie in der Nacht kein Auge Habs schließen können. „Es bläst ja noch immer-tüchtig, aber der Wind ist umgegangen. Herr du mein Gott, waS mag das Unwetter auf See heute nacht für Unheil ange« richte^ haben." Dann kam Jakob Stellings aus dem Hafen und er zählte: „Bei Jons Kapel ist eine große Bark aufgelaufen. Jons Kapel ist eine verflixte Stelle, da habe ich auch mal, als ich noch Matrose war, eine lange Nacht im Wasser ge legen auf dem Wrack." „Ist denn die Manschast des fremden Schiffes gerett-t worden?" fragte Thomasine. „Ja — das ist sie," entgegnete Stellings in seiner brei ten behaglichen Sprechweise. „Wäre Wohl zum Teil um gekommen, wenn Kapitän Petersen nicht mit dem Ret tungsboot selber hinausgefahren wäre. Der hat sein Leben nicht geschont," sagen die Fischer heute von ihm. „Hat aber auch was abbekommen von einem stürzenden Mast." (Schluß folgt.)
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