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Aeparalionsklagen überall. Von unserem politischen O-Mitarbeiter wird uns geschrieben: Fast sieht es so aus, als sollte Deutschland in seiner Kriegsschuldenbedrängnis Hilse von einer Seite her er halten, von der sie zu allerletzt zu erwarten gewesen wäre. Für die Nachfolgestaaten der Donaumonarchie, die sich im Laufe det Zeit als sogenannte „Kleine Entente" aus dem Völkergemisch der Nachkriegszeit zu irgend einem festeren Bund herauszukristallisieren suchten, ist die Flitterwochen zeit der ersten staatlichen Daseinsfreude längst verflogen. Wohl haben die Großmächte bei ihrer Anerkennung und Ausstattung alles für sie getan, was nach dem Zusammen bruch der alten Mittelmächte nur möglich war. Aber schließlich sollten sie ihre Existenzberechtigung und Existenz fähigkeit doch selbst nachweisen. Die Herrschaften in der Tschechoslowakei, in Jugoslawien wie in Rumänien mach ten sich über die Sicherung ihrer staatlichen Existenz zu nächst wohl nicht allzu viel Kopfzerbrechen, denn wenn England und Frankreich von der Hörigkeit Deutschlands dauernd zu profitieren gedachten, so mußte, wenn es mit rechten Dingen zuging, auch die Kleine Entente aus dem Versailler Frieden für sich dauernd Nutzen ziehen können. Es ist, wie man weiß, anders gekommen, schon für Evgland, geschweige denn für die kleinen Nachfolge staaten des ehemaligen Habsburger Reiches. Ihre natio nale Selbständigkeit steht im Grunde genommen aus dem Papier, politisch haben sie sich bisher aus dem britisch französischen Fahrwasser vergebens sreizumachen versucht. Wirtschaftlich sind und bleiben sie zu noch engerer Zusam mengehörigkeit mit der gesamten europäischen Ökonomie verurteilt. Eine Erkenntnis, der sich die maßgebenden Herren dieser neugebackenen Staaten je länger desto weni ger verschließen können. Auch sie werden von Sorgen um die Aufrechterhaltung einer geordneten Staatswirtschaft erdrückt und suchen unausgesetzt nach Mitteln und Wegen, die auf ihnen ruhenden Lasten herabzumildern, und so haben sie, als sie wieder einmal in Prag zu gemein samer Beratschlagung versammelt waren, entdeckt, daß das immer noch nicht gelöste Neparationsproblem auch sür die Kleine Entente eine Frage auf Leben und Tod bedeute. Ihren Gliedern sind bekanntlich von den Westmächten be stimmte Befrciungs- und Ablösungslasten auferlegt wor den, die ihnen als früheren Bestandteilen der österreichi schen Monarchie selbstverständlich auch von Rechts wegen zukommen. In Prag ist man nun plötzlich dahinterge kommen, diese Summen als Neparationslasten zu bezeich nen, und man findet, daß sie infolge ihrer Schwere die neuen Staaten ebenso wirtschaftlich zugrunde richten müßten wie Deutschland. Ob Deutschland nun wirk lich zugrunde geht oder nicht, bekümmert die Herren ge wiß nur wenig, Wohl aber wünschen sie, von den Alliierten noch im Laufe dieses Jahres von den von ihnen angenom menen Leistungen befreit zu werden, zu welchem Zweck sie den europäischen Großmächten Vorschlägen, daß sie gegen seitig ihre Kriegsforderungen untereinander streichen mögen. Dadurch werde, nach ihrer Meinung, die deutsche Neparationslast um einige Milliarden ermäßigt werden, so daß das ganze Problem seine Schärfe verliere. Kein Staat könne heute die ihm auserlegten Revarationslasten noch tragen, und so sei eine allgemeine Revision nicht länger zu umgehen. Da Amerika sich zu einem wirksamen Eingreifen in die europäische Wirtschaftskatastrophe nicht entschließen kann, müßten die Alliierten sich endlich zu eigenen Entschließungen aufraffen, so wie bisher könne es nicht weitergchen. Uns Deutschen muß es zu bitterer Genugtuung ge reichen, daß nun plötzlich auch aus einer ganz anderen europäischen Ecke her so bewegliche Reparationsklagen er tönen. Die deutsche Negierung hat man in Paris und London, in Cannes und in Genua jammern und stöhnen lassen, daß es Steine hätte erweichen können, und doch eben erst ein kurzfristiges Moratorium zugestanden, ohne dem eigentlichen Grunde des Übels, der Neparationsfrage als solcher auch nur im mindesten zu Leibe zu gehen. Wenn jetzt von Prag und von Belgrad, von Bukarest und von Warschau her um eine grundlegende Neuregelung des Reparationsproblems gebeten wird, so werden diese Vor stellungen vielleicht weniger taube Ohren finden. Schon hat man sich dazu erweichen lassen, eine generelle Erörte rung der Kriegsschuldenfragen vor dem Völkerbund grund sätzlich zuzugestehen; der erste Schritt dieser Art wird Wohl doch über kurz oder lang weitere Schritte nach sich ziehen — selbst auf die Gefahr hin, daß damit auch für Deutsch land endlich eine bessere Zeit anbrechen sollte. Nachdem Reniitt ärr Äas . Roman von Hedda v. Schmid. 43 s (Nachdruck verboten.) Auf Odas Grabhügel lag ein Berg von frischen Kränzen. Ein Strauß weißer Rosen war von unbekannter Hand aus M. eingetroffen, Thomasine legte sie Oda mit in den Sarg — Thomasine wußte genau, wem der Gruß gegolten, den Oda ihr sterbend aufgetragen hatte: „Grüße ihn von mir und sage ihm, er solle . . ." Der Tod hatte ihr die Bitte um Malte Haltens Verzeihung von den Lippen geküßt; aber Thomasine erriet, obwohl Oda ihr von dem, was zwischen ihr und Malte vorgefallen war, nie ein Wort anvcrtraut hatte, das Ungesagte. Sie stand nun vor der schweren Aufgabe, ihrer Mutter über den ersten furchtbaren Schmerz hinüberzuhelfen, bis er sich in sanfte Wehmut, in ein ergebungsvolles Trauern aufgelöst haben würde. Als die beiden Frauen wieder in M., das sie nicht zu verlassen gedachten, weilten, erschien abends Malte, mur melte ein paar Worte, die wie Beileid klangen, nahm Thomasine gegenüber Platz und blickte sie fragend an. Es lag solch eine stille Trauer in seinen Augen, daß Thoma sine erschüttert zur Seite blickte. Dann, als ihre Mutter das Zimmer verlassen hatte, sagte sie ihm Odas letzte Worte. Er saß eine kleine Weile da in der gebeugten Haltung eines alten Mannes und erwiderte nichts. Dann erhob er sich, küßte Thomasine stumm die Hand und ging. * * * Im Frühling des nächsten Jahres starb Frau Mönk. Sie hatte von jeher die Veranlagung zu einem Herzleiden gehabt, nach Odas Tod hatte es sich rasch verschlimmert. Eines Tages geschah etwas Thomasine vollkommen Unerwartetes. Malte Holten bat sie um ihre Hand. In dieser Stunde sagte er ihr, daß er ihre Schwester geliebt habe, sie noch über das Grab hinaus liebe und niemals werde vergessen können; aber wenn sie an seine treue die Interessen der „Großen" Entente jetzt fast gänzlich durch die Krisis im Orient in Anspruch genommen werden, ist es schließlich nicht unmöglich, daß Mitteleuropa, beson ders wenn auch die „Kleine" Entente von der allgemeinen Not betroffen wird, ein wenig mehr Ruhe bekommt als vorher. — Vielleicht! Vorschläge für äie Keamtendesoläung. Neues Grundgehalt. In der Besprechung zwischen Regierung und Gewerk schaften machte die Regierung Vorschläge, zu denen die Ge werkschaften Stellung nehmen sollen. Die Ansicht der Ne gierung ging dahin, daß als künftiges Grundgehalt dis jetzigen Gehaltssaktoren der Beamten zuzüglich dem gelten den Teuerungszuschlag angenommen werden. Die Ein künfte des Beamten gliedern sich augenblicklich an das ehe malige Grundgehalt, in dem Ortszuschlag und dem Kin derzuschlag Auf jeden dieser drei Faktoren ruht ein Teuerungszuschlag von 677 Prozent, gemäß den letzten Abmachungen anfangs September d. I. Bei der Neufest- fetzung der Grundgehälter in jeder Ortsklasse dürfte also die Summe der drei Gehaltsfaktoren zuzüglich 677 Pro zent Teuerungszuschlag als neues Grundgehalt in An rechnung kommen. Auch der Kopfzuschlag in Höhe von 10 060 Mark, den jetzt jeder Beamte erhält, soll in das neue Grundgehalt hineingerechnet werden. Das System der Teuerungszuschläge soll beibehalten werden. werblicher Nachwuchs -er Landwirtschaft. Dreijährige Ausbildung. Die Zentrale der Deutschen Landfrauen beriet im Landwirtschaftsministerium über das landwirtschaftliche Lehrlingswesen sür Frauen. Nach den gemachten Aus führungen denkt man an folgende Gestaltung der Be strebungen. In drei Lehrjahren wird der Lehrling im Kochen, Backen, Wäschebehandlung, Geflügelzucht und einem Wahlfach ausgebildet; während dieser Zeit wird ein Taschengeld gewährt; neben der praktischen Lehre in der Lehrwirtschaft soll der Besuch einer ländlichen Fort bildungsschule und, wo diese noch nicht vorhanden, ein zu schaffender Ersatz obligatorisch sein. Eine Gehilfenprüsung schließt die Ausbildung ab. polmlcke Aunölckau. VeutsLklanL. Die deutschen Schatzwechsel diskontiert. Nach einer Brüsseler Meldung hat die belgische Regie rung auf die Diskontierung der sechsmonatigen deutschen Schatzwechsel bezüglichen Maßnahmen zu einem befrie digenden Abschluß geführt. Die am 15. August und 15. September fällig gewordenen 100 Millionen Gold mark, die in zehn Wechsel eingeteilt sind, können an ver schiedenen englischen, amerikanischen und Schweizer Ban ken diskontiert werden. Fertigstellung des Arbeitszeitgesctzes. Der sozialistische Ausschuß des Reichswirtschaftsrats beendete die erste Lesung des Gesetzentwurfs über die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeiter. Der Schutz der Jugendlichen bis zu achtzehn Jahren wurde dahin er weitert, daß die Arbeitszeit nicht vor sechs Uhr beginnen darf und daß die Pausen unbedingt von jeder Beschädi gung frei bleiben müßten. Auch die Nachtarbeit der Jugendlichen wurde ganz aus dem Entwurf entfernt. Die Frist, innerhalb deren Arbeiterinnen vor und nach der Niederkunft nicht beschäftigt werden dürfen, wurde auf zehn Wochen im ganzen und wenigstens acht Wochen nach der Niederkunft verlängert. In der Gesamtabstimmnng wurde der Entwurf mit den Änderungen einstimmig ge billigt. Das Rückvergütungsgesetz sür die Presse wurde im wirtschaftspolitischen Ausschuß des Reichswirt schaftsrats einstimmig gebilligt. Nach dem Entwurf, wie er jetzt ist, werden Rückvergütungen auf den Druckpapier- Preis an die Verleger der deutschen Zeitungen und Zeitschriften, die politischer: und wissenschaftlichen Charak ter tragen, wie der deutschen religiösen Sonnt rgs- blätter gewahrt. Unterstützungsberechtigt sind ferner die offiziellen Organe der allgemeinen und fachlichen Be rufsvertretungen, soweit sie nicht dur^' Anzeigen Sammelmappe für bemerkenswerte Tages- und Zeitereignisse. * Der Reichskanzler hat ausländischen Pressevertretern eine Unterredung über die Schuldsrage am Kriege gewährt. * Reichspostminister Giesberts kündigte in einer Versamm lung in Essen an, daß vom 1. November ab wahrscheinlich mir einer Verdreifachung des Brotpreises und mit einer neuen Zwangswirtschaft für Brot, Fett und Milch gerechnet werden müsse. * Die Völkerbundsversammlung in Genf hat ihre diesjährige Tagung geschlossen. * In London fanden in den letzten Tagen eine ganze An zahl eilig zusammenberufener Kabinettssitzungen statt, sogar mitten in der Nacht ließ Lloyd George die Minister hcrbei- holeu. * Die Truppen Kemal Paschas werden an der Küste des Schwarzen Meeres zusammengezogen und sollen auf russischen Schiffen nach Thrazien gebracht werden. * Eine kline Abteilung türkischer Kavallerie hat den Bos porus bei Beikos überschritten. oder aus anderen Quellen ihre Selbstkosten decken. Mit allen gegen 5 Stimmen wurde folgende Entschließung ar^ genommen: „Auf Rückvergütungen haben nur solche Ver leger Anspruch, die die Verpflichtungen aus den Lohn tarifen der Arbeiter, Angestellten und Redakteure er füllen." Erhöhte ZuckerverteklunA Der wirtschaftspolitische Ausschuß des Neichswirt- schaftsrats hat das Gutachten des Unterausschusses für Landwirtschaft und Ernährung über den Entwurf einer Verordnung über den Verkehr mit Zucker im Betriebsjahr 1922/23 mit der Änderung bestätigt, daß die Köpfquote von einem Kilo Verbrauchszucker für den Menat zunächst auf 1)4 Kilogramm erhöht werden soll. Forderungen der Bodenresormer. Auf der Hauptversammlung des Bundes deutscher Bodenreformer führte der Führer der Bewegung Dr. Damaschke aus, in Deutschland müßte man er reichen, daß die Abgeordneten im Reiche und in den Län dern trotz der Zurückhaltung der Parteien für die Boden reform einstehen. Am 14. September hätten 21 Reichs und Landtagsabgeordnete aller Parteien sich verpflichtet, für das Bodenreformgesetz einzustehen. Der Entwurf für das Bodenreformgesetz verlangt, daß jede Gemeinde Bodenvorratswirtschaft treiben muß. Nm es zu können, müssen die Gemeinden ein wirksames Ankauf- und Wieder verkaufsrecht haben. Der Entwurf für das Bodenreform gesetz sei notwendig. Zwei Entschließungen der Gewerkschaften. Der Ausschuß des Allgemeinen Deutschen Gewerk schaftsbundes faßte dieser Tage zwei Entschließungen, von denen die erste sich mit der Wirtschaftsnot befaßt und eine Änderung der Wirtschaftspolitik in der Richtung zur Ge meinwirtschaft fordert. Der Ausschuß verkennt jedoch nicht, daß die Hauptursache der wirtschaftlichen Not lage des deutschen Volkes in dem außenpolitischen Druck liegt. Die zweite Entschließung richtet sich „gegen, die kommunistischen Gewerkschaftszerstörer". Darin wird ge sagt, daß die Veröffentlichungen der Kommunistischen Par tei in den letzten Wochen in Verdächtigungen und Be schimpfungen der Gewerkschaftsleitungen alles frühere Maß überschreiten. Ferner stellt der ADGB. fest, daß der von der Kommunistischen Partei geforderte Neichsbe- triebsrätekongreß lediglich k o m m u n i st i s ch e n Parteizwecken dienen soll. Die Gewerkschaften müssen es ablehnen, einer Parole der Kommunistischen Partei zu folgen. * Berlin. Der ruffische Volkskommissar Litwinow ist in Berlin eingetroffen. Berlin. Der Reichsfinanzministcr hat als Stichtag sür die Pcrsonenstandsausnahme zur Veranlagung der Neichsein- kommensteuer für 1922 den 10. Oktober bestimmt. Brüssel. Tie Regierung beschloß, an der Bildung eines Hilfsfonds für Österreich tcilzunehmen. Kowno. Am 1. Oktober wurde die neue Währung cingesührt. Werteinheit ist der Litas. — Die Stadt Wilna beging die Feier ihres 600jährigen Bestehens. Freundschaft glauben wolle und ihm eine solche schenken könne, so würde er ihr sein Lebelang dafür danken . . . Sein Kind brauche eine Mutter — bei seinen alten kränk lichen Eltern wäre es nicht gut aufgehoben. Thomasine Mönk besann sich keinen Augenblick lang, bevor sie nein sagte. Sie hatte viele gute und herzliche Worte für Malte, mit denen sie ihm klar machte, daß sie überhaupt nicht gesonnen sei, sich zu verheiraten, und mit einem Manne, für den sie bloß Freundschaft empfinde, erst recht nicht. Sie wollte sich nun allen Ernstes einen gemeinnützigen Wirkungskreis suchen, allein bevor sie sich für etwas ent schied, erhielt sie einen Brief von Jetty mit der Bitte, ihr die kleine Klaudine, die mit ihrer Großmutter noch in Schleswig weilte, nun endlich, wo das zarte Kind die weite Reise machen durfte, zu seinen Eltern nach Japan zu bringen. Frau Heininger hatte erklärt, sie wolle in der deutschen Heimat sterben und begraben werden, und wenn ihre Kinder im Lande der Sonne die alte Mutier vor deren Ende noch einmal sehen wollten, so mußten sie schon hierher reisen, denn sie wäre zu alt dazu, um noch in einen fremden Erdteil auszuwandern. Thomasine ergriff mit Freuden die Gelegenheit, jemand zu nützen. Sie Holts Jettys Töchterlein aus Schleswig ab und begab sich mit dem Kinde auf die lange Fahrt. Sie hoffte, daß die neuen Eindrücke unterwegs und in Japan ihr helfen würden, ihren Schmerz und den Verlust von Mutter und Schwester zu lindern. * »- * Zwei Jahre später betrat Thomasine, aus Japan kommend, an einem Hellen Herbsttage endlich wieder deutschen Boden. Sie war ein paar Wochen lang im Süden von Europa umhergereist, deutschen Boden hatte sie erst jetzt unter ihren Füßen, als sie sich an Bord des Dampfers „Argos" einschiffte, der aus einer fpanischsn Hafenstadt nach Bremen dampfte. Der Führer dieses Schiffes war Olaf Petersen. Thomasine erkannte ihn auf den ersten Blick wieder. Er war ein bißchen breitschultriger und sein Gesicht ein wenig härter geworden, aber sonst hatte sich sein Äußeres nicht verändert. Sie erfuhr, daß seine Mutter vor nicht langer Zeit in Bodnholm ge storben war. „Nach ihrem Tode fand ich in ihrem Nachlaß ei« Päckchen mit alten Briefen, das Ihre Adresse trug, gnädiges Fräulein. Ich sandte es Ihnen unter der Adresse, die ich in Sandvig erfahren konnte. Nach einiger Zeit erhielt ich meine Sendung mit dem Vermerk zurüch, daß die Adressatin unauffindbar sei. Wo sollte ich Sie suchen, mein Fräulein? Das Päckchen führe ich an Bord mit mir, es war mir immer so, als müßten sich unsere Wege noch einmal im Leben begegnen. Es ist dies meine letzte Fahrt auf diesem Dampfer," fügte er hinzu, „mein Vertrag mit dieser Schiffahrtsgesellschaft ist abgelaufen, ich will vorerst eine Zeit hindurch an Land verbringen und dann mich an einer neugegründeten Dampferkompagnie beteiligen. Das Leben auf einem Schiff kann ich Wohl niemals aufgeben, das wird unsereinem so nötig wie das tägliche Brot — aber ich will mich einrichten, daß ich mehr mein eigener Herr bin." „Wozu sagt er mir das alles," dachte Thomasine ver wundert. Sie unterhielt sich während der Fahrt noch wiederholt mit ihm, aber lieber war es ihr, wenn sie es vermeiden konnte, in seiner Gesellschaft zu sein. Als sie in Bremen von Bord ging, sagte Olaf Petersen beim Abschied: „Auf Wiedersehen, gnädiges Fräulein — die Welt erscheint einem Seemann so klein. Ein Tag sührt uns beide wieder zusammen, ich hoffe es." Thomasine achtele nicht auf die Betonung, die in seinen letzten Worten lag und sagte ein wenig zerstreut leichthin: „Ja, vielleicht." Sie hatte ihr Heim in M. behalten, nun aber gedachte sie es aufzulösen. Sie wußte zwar selbst noch nicht, wohin sie sich wenden, was sie beginnen sollte. Wenn sie an Jettys Heim in Tokio dachte, dann beschlich sie fast ein Heimweh. „Das Land ihrer Träume, das sie endlich ge funden habe, sei der Pflichtenkreis, in dem sie sich bewege und den sie nicht missen könne," hatte Jetty der Freundin oftmals versichert. (Fortsetzung folgte