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Vas öcbacklprel im Orient. Von einem unserer politischen Mitarbeiter wird uns geschrieben: Der englische Außenminister Lord Curzon, der italienische Gras Sforza und der französische Ministerpräsi dent trafen in Paris zusammen und wurden sich dahin einig, daß angesichts der Vorgänge in Kleinasien eine Konferenz einzuberufen sei, auf der England, Italien, Frankreich, Japan, Griechenland, Rumänien, Jugoslawien und die Türkei vertreten sein sollen. Die Kette der Frießensverträge, die den besiegten Mittelmächten auferlegt wurden, hatte zum Ziel eins gründliche Umstülpung des alten Gleichgewichts der Mächte in Europa und eine Schmälerung oder Vermehrung ihrer Weltgeltung. Die künstliche Schaffung von Staaten wie Polen, Südslawien, Tschechien, die Vermehrung des fran zösischen und im Nahen Osten des griechischen Einflusses ist aber der Herd dauernder Unruhen und wirtschaftlichen Zerfalls gewesen. Zwar schied Deutschland zunächst als Mitbestimmer aus, aber politische Hatztriebe konnten die größte Werkstätte Europas nicht vernichten, und da das nicht gelang, wird Deutschland allmählich auch wieder ein politischer Faktor werden, nachdem seine wirtschaftliche Lage und jede seiner Krisen heute schon ganz Europa unv die Weltwirtschaft lähmt. Der Versailler Vertrag ist durch löchert worden durch die wirtschaftspolitischen Notwendig keiten. Der Vertrag, der nach Englands Wünschen die türkische Gefahr oder vielmehr das Wiedererwachen des Islams verhindern sollte, also der Vertrag von Sövres, hat aufgehört zu bestehen. Ein Pariser Blatt hat ganz naiv aber folgerichtig ge schrieben, da die Türken heute militärisch kräftig seien, müsse man mit ihnen verhandeln und den Friedensvertrag den Wirklichkeiten anpassen. Für Frankreich, den großen Gegenspieler gegen England, ist die orientalische Frage deshalb wichtig, weil ihre Lösung im englischen Sinne England größere Kraft in europäischen Angelegenheiten verschaffen würde. Andererseits sieht England sein gan zes Kolonialsystem bedroht, wenn der Weg nach seinem Kronjuwel Indien beherrscht wird von Türken und be droht wird von den Russen, die, wie das Beispringen Ka- rachans, des Lenkers der auswärtigen Politik der Sow jets, beweist, mit den Türken von Angora unter einer Decke stecken. Als am 16. September Lloyd George kriegerische Töne gegen die siegreichen Türken ausstieß und sich der militärische Apparat Britanniens langsam auf einen be waffneten Zusammenstoß einstellte, stieß er auf einen sehr unerwarteten aber unüberwindbaren Widerstand. InPa - r i s erklärte man, Konstantinopel sei nicht unverletzlich. Man bätte an einem Gibraltar genug. Freiheit der Meerengen unter Englands Herrschaft wäre unerträglich. Die Los lösung der französischen Truppen aus der sogenannten neutralen Zone, die lediglich auf Grund des überlebten Sevresvertrages besteht, kennzeichnete den Ernst der Lage. Italien sprang Frankreich bei und will jetzt sogar seine Truppen aus Konstantinopel zurückziehen. England war also tatsächlich isoliert und galt als Feind des Islam. Zwar hat es den „heiligen Krieg" nicht zu fürchten, da die Moslems Ägyptens und Indiens nur stark in Worten sind, aber immerhin war England in seiner ganzen Orient politik gelähmt und unfruchtbar geblieben. Das Verbeißen auf die neutrale Zone, die kriegerischen Drohungen, sind in nichts zerfallen. Lord Curzon, der Außenpolitiker des Llovd George-Kabinetts, der ehemalige Vizekönig von Indien, weiß, um was es geht. Er hat erleben müssen, wie seit dem glänzenden Durbar von Delhi, wo im Jahre 1903 der britische Vizekönig als Statthalter Eduards ganz Indien zu Füßen sah, der Mohammedanismus und die pan- asiatische Bewegung Indien zu einem neuen Irland ge macht haben und die Orientalen im türkischen Kalifat zu Konstantinopel ihr Rom sehen. Er hat erleben müssen, daß das Konkurrenzunternehmen, das arabische Kali fat aus Geheiß Englands, unwirksam blieb. Und er Weitz, welche Gefahr für die langsam errichtete Brücke von Gi braltar über Ägypten und das englisch-zionistische Palä stina und Persien nach Indien besteht, falls es zu einer Katastrophe auf dem Balkan und zu einem Zusammen prall der Waffen kommt. Ganz plötzlich also riegelte England seine Politik ab und Lord Curzon erschien plötzlich in Paris, Lloyd George ließ sich selbst widerlegen und England schien fried lich. Eine Orientkonferenz steht bevor. Auf ihr ist Eng land vereinsamt und auf ihr muß und wird England sich löblich unterwerfen müssen. Kemal aber, der Überwinder der britischen Politik, ist ein zu gerissener Politiker, als ZTennN ckrs «Las ^anÄ... Roman von H e d d a v. S ch m i d. M (Nachdruck verboten.) Oda winkte ihr lebhaft zu: „Thomasine, denke, wen ich hier getroffen habe . . . Herr von Holten ist hier — und sieh nur, das kleine Mädchen ist Daisy, seine Tochter." Diese Begegnung kam Thomasine außerordentlich über raschend, doch ebenso wie damals im Tiergarten, als er seine junge Frau am Arm geführt hatte und an ihrem Wagen vorübergegangen war, empfand sie auch heute bei seinem Anblick keine seelische Erregung. Sie begrüßte Mqlte mit unbefangener Freundlichkeit, wie man einem guten alten Bekannten „Guten Tag" sagt, und gefiel seiner Dtutter durch die ruhige und verbindliche Sicherheit, mit der sie sich zu unterhalten verstand. „Also Sie besitzen hier auf der Insel eine Villa, Fräu lein Mönk, wie nett und angenehm für Sie, in der Som merfrische ebenfalls bei sich zu Hause fein zu können," sägte die alte Dame, „ich möchte mir gern erlauben, Ihrer Frau Mutier meinen Besuch abzustatten, ihr noch nach träglich persönlich für die freundliche Fürsorge zu danken, die sie sür meinen Sohn während seines Berliner Aufent halts gehabt hat." Thomasine versicherte, daß ihre Mutter sich über das Kommen der Frau Regierungsrätin selbstverständlich sehr freuen würde. Dann mahnte sie Oda zum Aufbruch nach Hause. „Wir haben doch heute nachmittag unsere längst geplante Tour zum Lenchtturm vor, da müssen wir pünkt lich speisen . . ." Malte fragte, ob er die Schwestern zum Leuchtturm begleiten dürfe, und man einigte sich darauf hin, datz er sich am Nachmittag in der Villa Mönk einfinden sollte. Seine Mutier schüttelte ein bißchen mit dem Kopfe... Wenn das nur nicht eine Gefahr für ihren Sohn geben würde . . . Die beiden bildhübschen Schwestern konnten einem Manne den Kopf warm machen. Thomasine aber hafte Frau von Holten auf den ersten Blick gefallen, während sie an Oda allerlei auszusetzen daß er die Hand der Versöhnung ausschlagcn würde. Er wird ein gutes Kompromiß einheimfen, weil sich durch den Sieg der türkischen Waffen die Machtverhältnisse in Vorder asien gründlich geändert haben. Heute spricht man bereits offiziell von der Rückgabe Konstantinopels uns Adrianopels an die Türken, da der Franzosengeneral Foch und der englische Kriegsmann Beatty ein militärisches Eingreifen für schwierig halten. Die Entwicklung kehrt also in einem Brennpunkte der Weltpolitik dahin zurück, daß das alte Gleichgewicht wieder hergestellt wird, und zwar nach einen: blutigen, zerrüttenden und nutzlosen Umwege über die Friedensverträge des Unfriedens. * Leärokrmg 6er Dardanellen. Der in Konstantinopel weilende englische General Townshend hat erklärt, eine Verlängerung der Besetzung Konstantinopels würde den Heiligen Krieg bedeuten. Es wäre unmöglich, aus der Stadt ein neues Suez und Gi braltar zu machen. Großbritannien könne den Frieden in Indien, Mesopotamien und Palästina nur aufrechterhalten, falls Konstantinopel geräumt und Thrazien bis zur Ma- ritzagrenze den Türken zurückgegeben würde. Generalmajor Frederic Maurice drahtete nach London aus Konstantinopel, die türkische Kavallerie an der Grenze der neutralen Zone auf der asiatischen Seite der Darda nellen nehme an Stärke zu. Die türkischen Streitkräfte sammelten sich nach und nach und würden zu einer Be drohung der Besatzung der asiatischen Küste. Der Berichterstatter der „Daily Mail" in Konstan tinopel meldete, der Vertreter der Angora-Negierung habe ihm erklärt, daß er den General Harrington benachrichtigt habe, die Türken hätten die Absicht, über die Dardanellen zu gehen, um den Massakres, die die Griechen in Thrazien anrichteten, ein Ende zu machen. Die türkischen Truppen würden nicht auf die Alliierten schießen, vorausgesetzt, daß sie von den letzteren nicht angegriffen werden. Kemals Entschlossenheit. Auf die Warnung des englischen Oberkommandieren den von Konstantinopel vor einem Angriff auf die neutrale Zone, hat Kemal Pascha erwidert: Wenn die Alliierten den Griechen gestatteten, durch die Dardanellen zu fahren und von ihren Schiffen aus türkische Orte zu bombardieren, so müsse er unbedingt darauf bestehen, daß man auch den Türken erlaube, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um diesen Angriffen zu begegnen. Wenn man ihm weiter hin verweigere, die Dardanellen zu benutzen, so werde er das als einen feindseligen Akt Englands betrachten. — Die Stadt Panderma im Operationsgebiet steht, mit Aus nahme von vielleicht 100 Häusern, vollkommen in Flammen. Der Westbahnhof ist zerstört, ebenso die Ottomanische Bant. Man meldet viele Verletzte aus der Zivilbevölkerung. Die Erregung in England nimmt stündlich zu. Die Proteste der Arbeiterschaft gegen einen Krieg mehren sich. Ramsay Macdonald und Smillie haben anläßlich einer Arbeiterkundgebung Lloyd George als eine öffentliche Gefahr für den Frieden der Welt be zeichnet und fofortige Neuwahlen zur Beseitigung der gegenwärtigen Negierung gefordert. Mlfe Mr Gsmemäerr. 14 Milliarden zur Verfügung. Das Anwachsen des Notstandes der Gemeinden hat den Reichsminister der Finanzen zu einer Hilfsaktion ver anlaßt. Das Veranlagungssoll der Einkommensteuer für 1921 beträgt rund 28 Milliarden. Da dieser Betrag aber erst zum Teil eingegangen und an die Länder und Ge meinden ausgeschüttet ist, so sind die Oberfinanzkassen der Landesfinanzämter telegraphisch angewiesen worden, die Hälfte des gesamten Veranlagungssolls für 1921, ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Einzahlungen, den einzelnen Landesregierungen nach Maßgabe ihrer Beteiligung als Vorschuß für die Gemeinden zu überweisen. Die Überweisung hat inzwischen bereits überall statt gefunden. Zur Unterstützung der Gemeinden steht damit ein einmaliger Vorschuß von insgesamt 14 Milliarden zur Verfügung. Die Verteilung erfolgt durch die Landesregie rungen, die um besonders Beschleunigung ersucht worden sind. Die laufenden Überweisungen aus den weiterhin aufkommenden Neichssteuern gehen daneben unverändert weiter. fand. „Künstlerart", dachte sie — aber gerade das wird so vielen Männern gefährlich. Besonders nachdem Malte die schweren Jahre mit der armen Ella hatte durchmachen müssen, würde er sicherlich viel leichter für den Zauber einer andern Frau empfänglich sein. Schön war die arme Ella auch in ihren besten Tagen nicht gewesen, aber sanft und gut und geduldig. Ihr Gatte war ihr die Ver körperung alles irdischen Glückes gewesen — Malte hatte seiner Mutter wiederholt versichert, daß er nicht die Ab sicht habe, eine zweite Ehe zu schließen, aber man sagt ja so manches, und handelt nachher doch ganz anders. Oda küßte die kleine Daisy zum Abschied. „Komm mal mit deinem Fräulein in unseren Garten, du kleiner Schmetterling. Ich zeige dir eine wunderschöne schwarze Katze, und vielleicht können wir auch bald Pflaumen von den Bäumen schütteln." „Ich komme lieber mit meinem Papa," erwiderte Daisy. „Fräulein verbietet mir immer so viel." „Da wird Fräulein Emma Wohl im Recht sein," meinte Malte mit lächelnder Zurechtweisung, während Fräulein Emma eine süßsaure Miene machte. Am hohen Nachmittag schritten die Schwestern Mönk und Malte, vom Leuchtturm kommend, den Klippenwcg, der nach Sandvig führte, entlang. Ihnen zur Rechten breitete sich das unwirtliche Plateau, das zwischen dem kleinen und dem großen Leuchtturm liegt, aus. Oda, dis zum Schutze gegen den Wind ein schwarzes Cape trug, dessen Kapuze sie über ihren Kopf gezogen hafte, ließ die Enden des Mantels wie Fledermausflügcl flattern. Sie war von solch einer ausgelassenen frohen Kindlichkeit, voller drolliger Einfälle, datz Malte, in dessen flüchtiger Erinnerung sie als ein stiller, scheuer Backfisch geschwebt hatte, kopfschüttelnd meinte: „Ich kann Sie mir wirklich gar nicht als Jungfrau von Orleans oder in sonst einer Nolle vorstellen, Fräulein Oda." „Dann werden Sie sich davon überzeugen müssen, daß mir gerade diese Rolle durchaus nicht ungünstig liegt," erwiderte sie ernsthaft und eilte dann rasch querfeldein. Sie hatte ein graugelbes Strandhaferviereck entdeckt, das inmitten der noch in Knospen stehenden Erika lag. Sammelmappe für bemerkenswerte Tages- und Zeitereignisse. * Reichskanzler Dr. Wirth erklärte in einer Unterredung, bei der schlechten Ernährungslage Deutschlands drohe eine soziale Revolution, falls keine Entlastung eintrete. * Die Reichsbank hat ihren Wechseldiskont von 7 aus 8 Pro zent, den Lombardzinsfutz von 8 auf 9 Prozent erhöht. * Der größte Teil der wegen Teilnahme an der Ermordung Rathenaus verhaftteiell Personen ist aus der Hast entlassen worden. * Für die Zeit vom 27. September bis einschließlich 3. Ok tober beträgt das Goldzollausgcld 34000 Prozent. * In Paris beschlossen die Regierungsvertreter Englands, Frankreichs und Italiens die Einberufung einer Orientkonfe renz angesichts des Vormarsches des Türkenheeres. * Die Truppen Kemal Paschas dringen gegen die Darda nellen vor. In England herrscht ungeheure Erregung. potttilcks AunälckÄLs. DcutÜÄilrnct. Reichsarbeitsgemeinschaft der Deutschen Presse. Der Vorstand der Reichsarbeitsgemeinschaft der Deut schen Presse trat in Berlin zum erstenmal zusammen. Gegenstände der Tagesordnung waren „Die Notlage der Presse" sowie „Mißstände bei der Handhabung des Ge setzes zum Schutze der Republik". In beiden Fragen wurde das Präsidium beauftragt, die ihm erforderlich er scheinenden Schritte zu unternehmen. Weiter wurden Kommissionen eingesetzt zur Ausarbeitung von Vorschlägen für einen Normaldienstvertrag, für eine Stellenvermittlung und für die Alters- und Krankenversicherung der Redak teure sowie ihrer Hinterbliebenen. Böswillige französische Erfindung. Von zuständiger Stelle wird mitgeteilt, daß eine fran zösische Agentur meldete, der Kapitän des deutschen Dampfers „General San Martin" habe Passagiere im Ozean ausgesetzt. In Wirklichkeit handelte es sich um blinde Passagiere, die in Rio de Janeiro von der Polizei am Aussteigen verhindert wurden und über Bord sprangen, um an Land zu gelangen. Nunmehr hat die portugiesische Regierung öffentlich erklärt, daß nach den Ergebnissen der amtlichen Untersuchung den Kapitän des „General San Martin" keine Schuld an den Vorgängen treffe. Um so bedauerlicher ist die böswillig erfundene von französischer Seite verbreitete Darstellung des Sachverhalts. Wucherbekämpfung in Thüringen. Die Leiter der Preisprüfungsstellen in Thüringen sind, um bei der strafrechtlichen Bekämpfung der Preistreiberei und des Wuchers nachdrücklicher Mitwirken zu können, vom thüringischen Justizministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern zu Hilfsorganen der Staatsan waltschaft bestellt wordsn. Als solche haben sie nunmehr die Befugnis, bei Gefahr im Verzüge selbst Beschlagnahmen und Durchsuchungen anzuordnen. Der Feiertagserlaß in Sachsen. Der sächsische Kultusminister hat verfügt, daß an staatlich nicht anerkannten Feiertagen der einzelnen Kon fessionen die Schüler ohne Unterschied am Unterricht teil nehmen müssen, und daß sie auch nicht zum Zweck der Teil nahme an religiösen Feiertagshandlungen befreit werden dürfen. Dagegen hat die sächsische Zentrumspartei Einspruch bei der Reichsrcgierung erhoben, weil die Ver ordnung einen Verfassungsbruch darstelle. Deutlet Ö^ert-eick. Kredit für Österreich? Aus Genf wurde eine Reihe von Bestimmungen gemeldet, die der Völkerbund für die Gewährung des 520-Millionen-Kredits an Österreich auf gestellt haben soll. Darunter befinden sich die Abschaffung des Achtstundentages, das Projekt einer internationalen Gendarmerie, die Entstaatlichung der Bundesbetriebe u. a. m. Die Negierung erklärt, daß alle Veröffentlichun gen über etwaige Kreditbedingungen entweder von inter essierten Kreisen lanciert sind oder freie Kombinationen darstellen. Der Beschluß des Völkerbundes bestimmt aus drücklich, daß das Programm innerer finanzieller Re formen für Österreich erst ausgearbeitet werden soll. Aus dieser Tatsache gehe schon allein die Haltlosigkeit der er wähnten Kombinationen hervor. Emsig begann sie die langen, schwanken Halme zu pflücken, während die beiden andern langsam zur Ruine der Salomonskapelle hinunterstiegen, die als einzige Er innerung an jenen frommen Einsiedler, der in alters grauer Zeit hier gehaust haben sollte,, sich in Gestalt ein«s dürftigen Mauerüberrestes unten am Strande erhebt. Neben der Ruine rieselte eine Quelle, die das Volk früher die „heilige Quelle" nannte. Thomasine setzte sich auf einen grasten Mauerstein und blickte nach einer von der leichten Brandung umschäumten Klippe hinüber, wo eine große Möwenschar sich niederge lassen hatte und lärmte. „Wir bekommen Sturm, die Möwen schreien," sagte Thomasine, „Sie werden sehen, Herr von Holten, wie großartig die Brandung dann ist. Bornholm bei Sturm ist schöner als in dieser lächelnden Sommerruhe." Aber Malte zeigte kein sonderliches Interesse für Born holm, sondern begann von alten Zeiten zu reden, von den Monaten, die seinem Scheiden aus Berlin gefolgt waren. Thomasine hielt ihren Kopf gesenkt und hörte still zu. Sie wußte nicht recht, ob sie seine Worte als eine nachträg liche Beichte auffassen sollte, die er ihr schuldig zu sein glaubte. Es hatte beinahe den Anschein, datz es sich so verhielt. Wenn er doch wützte, wie fern ihr jener Tag lag, an dem sie ihren ersten Ball besucht hatte, und wo seine unverhohlene Bewunderung ihrer Person die vor übergehende Neigung für ihn in ihr entfacht hatte. Sie war ja so jung gewesen damals . . . Diese Erfahrung mit ihrem zum Glück nur kurzen Leid hatte doch ihr Gutes für sie gehabt! Sie hatte gelernt, ihre Empfindungen schärfer zu beobachten, eine größere Selbstzucht zu üben, sich nicht sogleich von jedem neuen Eindruck gefangen nehmen zu lassen. Thomasine Mönk liebte ihre Freiheit jetzt mehr denn je — sie dankte Gott, daß es nicht so ge kommen war, wie sie es sich in ihrer Verliebtheit in Malte so Heitz ersehnt hatte. Sie hörte nun heute von ihm, daß er damals gleich nach Weihnachten telegraphisch an das Krankenbett seiner Kusine Ella gerufen worden war. (Fortsetzung folgt.)