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clen I^opf verlieren! Von einem unserer politischen Mitarbeiter wird uns geschrieben: Seitdem der Dollar die 2000-Mark-Grenze erreicht und zeitweise sogar schon überschritten hat, sind wir in einen Dauerzustand gespanntester Erregung eingetreten, der die schwersten Gefahren in sich schließt. Möglich, daß die Stim mung ruhiger geblieben wäre, wenn nicht zu gleicher Zeit die mündlichen Reparationsverhandlungen in Berlin vor sich gegangen wären, von denen man letzte Entscheidungen erwartete. Aber auch ohnedies hätte die Devisen- und Preisbewegung der letzten Tage auf das allgemeine Gefühl alarmierend gewirkt, schon aus dem Grunde, weil sie sich unmittelbar in jedermann fühlbare praktische Wirkungen umsetzt, denen nachgerade kaum noch ein Haushalt ge wachsen ist. Panikartig stürzen sich Käufer aus allen Schich ten der Bevölkerung auf die Geschäfte und suchen sich so rasch und in so großen Mengen, wie nur irgend erreicht werden können, mit jeder Art von Gebrauchsartikeln ein zudecken — für alle Fälle. Mit dem unvermeidlichen Er folg natürlich, daß die Preise daraufhin noch schneller und in noch gewaltigeren Sprüngen in die Höhe klettern, als es bei ruhigerer Haltung des Publikums geschehen würde. Ob diese überhastete Nachfrage auf gegenwärtigem oder zukünftigem Bedarf beruht, oder ob sie lediglich von dem Streben nach Flucht vor der Mark eingegeben ist, macht natürlich für das Ergebnis des traurigen Kreislauss, in dem wir uns bewegen, nicht den geringsten Unterschied. Ein Keil treibt immer den anderen, und schließlich glaubt niemand mehr, sich zurückhalten zu dürfen, weil er begreif licherweise nicht den Wunsch hat, zuletzt als der sogenannte Lumme ausgelacht zu werden. Aber vielleicht noch gefährlicher als diese nieder drückenden Erscheinungen auf dem Wirtschaftsmarkt sino die seelischen und politischen Wirkungen der letzten Ereig nisse. Man spürt es förmlich in der Luft, wie die allge meine Erregung um sich greift, wie sie sich steigert, und wie die Leidenschaften der Massen sich zu unheilvollen Aktionen zusammenzuballen drohen, von denen niemand vorher wissen kann, wo und wann sie einsetzen werden. Schon erscheinen Aufrufe von radikalster Seite gegen die Kapita listen wie gegen die Mehrheitssozialisten, gegen die Regie rung wie gegen die gewerkschaftlichen Spitzenorganisatio nen, gegnerische Parteikörperschaften wie überhaupt gegen alle „Instanzen", die sich einer ungeregelten Aktion und allen wilden Kampfmethoden nach Kräften entgegenstem men. Mit ihnen solle man kurzen Prozeß machen. Die Fahne des Klassenkampfes soll erhoben und von unten her der Bau zum Umsturz gebracht werden, der dazu bestimmt ist, allen Deutschen Raum und Schutz für ihre Arbeit zu gewähren. Es wird eine Sprache geführt, die an Schärfe nichts, aber auch gar nichts mehr zu wünschen übrig läßt. Ihr gegenüber nimmt sich der Aufruf, den gleichzeitig der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands veröffentlicht, überaus gemäßigt aus. Auch er spricht da von, daß die Massen der arbeitenden Bevölkerung durch das katastrophale Sinken des Markkurses zur Verzweiflung getrieben werden. Aber aus dieser trostlosen Lage zieht er die Folgerung, daß jetzt vor allem die Losung lauten müsse, den Kopfoben zubehalten. Man solle sich von keiner Panikstimmung mit fortreißen und von den Leuten, die in diesem Augenblick zur Selbsthilfe und zu Aktionen aufrufen, nicht ins Verderben ziehen lasten. Wenn wir jetzt auch noch in den Zustand des Bürger krieges und der Rassebekämpfung Hinabstürzen, dann sei alles verloren. Wer das nicht wolle, müsse die Parteien in ihrem Abwehrkampf gegen das drohende Verderben unterstützen. Und zum Schluß wird um die Zuwendung besonderer Geldmittel gebeten, da die ungeheuren finan ziellen Verpflichtungen der Partei ans den laufenden Ein nahmen nicht mehr gedeckt werden könnten. Das mag mancher unter den Parteigenossen der Sozialdemokratie in diesem Augenblick nicht erwartet haben. Der Warnung vor Unbesonnenheit und Verzweif lung aber wird sich nur jeder anschließen können, der es gut meint mit dem deutschen Volke und besonders mit den Armen und Elenden unter uns, deren trostlose Lage kaum noch einer Steigerung fähig ist. Schlimm genug, daß es erst so weit kommen mußte, ehe sich so etwas wie ein ge meinsames Volksgefühl wieder bei uns bemerkbar macht. * Die Abwehrmaßnahmen der Regierung. Die steigende wirtschaftliche Not ist selbstverständlich für die Reichsregieruug ein Gegenstand der ernsten Sorge. In den letzten Tagen fanden Kabinetts- Kenntt M äas LsM... Roman von Hedda v. Schmid. 13j (Nachdruck verboten.) Jetty dachte unwillkürlich daran, wie Tante Lehnke sie früher häufig wegen ihrer Unlust, im Haushalt mitzu helfen, gescholten hatte. Sie meinte nur im stillen, daß sie vor Klas Heiningers Mutter sicherlich nicht würde bestehen können. Es mußte doch auch sein Gutes haben, so wie Thomasine in die Geheimnisse der Kochkunst und sonstige Haushaltungsfragen zeitig eingeweiht zu sein. Frau Hei- ninger würde von Thomasine entzückt sein. „Ist es denn wirklich so schlimm, wenn man nicht kochen kann," meinte Jetty, „wenn man es auch nicht gern kernen mag?" Jetty sah in ihrer Betrübnis über ihren Mangel an hausfraulicher Begabung so entzückendd aus, daß es Hei- ninger warm ums Herz wurde. „Fräulein Jetty, zerbrechen Sie sich doch nicht den Kopf über unnütze Dinge," sagte er. „Kommen Sie, die Reihe zu tanzen, ist an uns." Am nächsten Tage wunderte sich Frau Mönk nicht wenig, als Jetty. noch etwas abgespannt aussehend, ihr beim Frühstück eröffnete, sie würde gern, so ganz nebenbei, gleichsam zur Erholung und Abwechslung nach den Mal stunden — Kochen lernen. . . „Das ist recht, liebes Kind," lobte Frau Mönk sie sür diesen Vorsatz. „Ja — und meine Strümpfe, Tante Hanna, die möchte ich nun auch selber stopfen lernen." Thomasine setzte ihre Kaffeetasse hin vor Erstaunen. „Du, Malkindchen, was in aller Welt ist in dich ge fahren?" wunderte sie sich. „Dieser Entschluß nach einem Ball — und so ganz von deinen sonstigen Grundsätzen ab weichend." Jetty wurde rot. „Es darf aber kein Fremder wissen. Bitte, bitte, sage »S niemandem," bettelte sie. sitzungen unter Teilnahme der preußischen Minister und des Reichspräsidenten statt. Auch die Ministerpräsi denten derLänder wurden zu einer Beratung nach Ber lin geladen. Man ist sich in Regierungskreisen darüber klar, daß angesichts der ständig wachsenden Notlage die Maßnahmen mit möglichster Schnelligkeit ergriffen und durchgeführt werden müssen. Dem Kabinett liegen zahl reiche Einzelvorschläge vor, wie die durch das Steigen des Dollarkurses hervorgerufene Teuerungsnot bekämpft wer den könnte. Die Gewerkschaften haben der Reichs regierung ein so umfassendes Programm vorgelegt, daß sich fast alle von der Regierung ausgehenden Vor schläge, die jetzt im Kabinett überprüft werden, irgendwie mit diesem Programm berühren. So ist man in der Re gierung der Ansicht, daß ein großer Teil dieser Forderun gen ohne Zweifel verwirklicht werden kann, während an dere Maßnahmen undurchführbar erscheinen. An eine Kontrolle des Devisenhandels denkt die Regierung nicht, da bisher ihr noch kein Weg gewiesen ist, der eine aussichtsreiche Bekämpfung der Devisenspekulation bietet. Dagegen beabsichtigt die Regierung, mit den Banken sich in Verbindung zu setzen, um mit diesen Maßnahmen zu beraten. Die Erhöhung der Ausfuhrabgaben, die für den 1. September bereits vorgesehen war, wird wahrscheinlich um ein weiteres gesteigert werden. Man ist auch bereit, Einschränkungen der Einfuhr von Luxusartikeln durch Ein fuhrverbote vorzunehmen. Besondere Sorgfalt wird die Sjegierung der Beschaffung von Lebensmitteln zu wenden. Es ist geplant, eine Beschränkung des für Bier brauerei-, Likör-, Schnaps-, Konfitüren- und Fruchtwein fabrikation freigegebenen Zuckers vorzunehmen. Maknakmen gegen äie Neuerung. Wichtige Beschlüsse des Kabinetts. In einer sehr bedeutungsvollen gemeinsamen Sitzung des Reichskabinetts und der preußischen Regierung unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten Ebert wurde beraten, was gegen die wachsende Erschwerung der wirtschaftlichen Lage zu tun sei. So sind zwecks Verringerung des Be darfs an Einfuhrdevisen bereits Beschränkungenin der Einfuhr von Luxusgegenständen be schlossen; ferner werden Erhöhungen der Aussuhrabgabe in den nächsten Tagen bekanntgegeben. Die reine Devisen spekulation soll unterbunden werden, ohne daß der not wendige Devisenhandel für die Bedürfnisse des Geschäfts verkehrs behindert werden soll. Der Sicherstellung der Volksernährung sollen folgende Maßnahmen dienen. Die Verwertung von Kartoffeln in den Brennereien wird auf das mit Rücksicht auf die Viehhaltung gebetene Mindestmaß beschränkt. Die Verwendung von inländischem Zucker zur Herstellung von Trinkbranntwein wird verboten, zur Herstellung von Süßigkeiten weitgehend eingeschränkt. In Aussicht genommen ist ferner ein Verbot der Herstellung starker Biere. Zur Versorgung der Bevölkerung mit Seefischen soll auf eine genügende Versorgung der Hoch seefischerei mit deutscher Kohle hingewirkt werden. Dem ärgernisgebenden und widerlichen Treiben in den Schlem- mergastsiätten und in manchen Vergnügungslokalen muß Einhalt geboten werden. Auf dem Gebiete der Fürsorge sür die notleidende Bevölkerung sind vor allem verstärkte Hilfsmaßnahmen für Kriegsbe schädigte, Kriegshinterbliebene, Sozial- und Kleinrentner eingeleitet. Die Teuerungszuschüsse für bedürf tige Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene sind mit Wirkung vom 1. August 1922 erhöht worden und erhöhen sich mit Wirkung vom 1. September 1922 um durchschnitt lich weitere 66^ Prozent. Die Hauptfürsorgestellen sind ferner ermächtigt, für Kriegsbeschädigte und Kriegshinter bliebene Wintervorräte vorschußweise zu be schaffen. Auch die Mittel der sozialen Fürsorge für Kriegs beschädigte und Kriegshinterbliebene sind verdoppelt. Die Verdoppelung der Mittel für Kleinrentner steht bevor. Der Ausbau und die Erweiterung der Volks-, Kinder- und Studentenspeiseanstalten soll soweit wie irgend möglich an- gestreht werden. Von der Reichsbahnverwaltung sind alle Vorbereitungen getroffen, um für den Winter einen mög lichst geregelten Abtransport der Kohlen, der Kartoffeln und des Getreides zu sichern. Die Übertretung der Ver bote soll unter scharfen Strafen, insbesondere unter Gefängnisstrafen gestellt werden. Das Reichskabinett ist entschlossen, mit schnellen und umfassenden vorbeugenden Maßnahmen einzugreifen. Als an einem der folgenden Tage ein mißratener Pudding bei Mönks aufgetragen wurde, meinte Heininger, der immer noch täglich zu Mittag in der Pension speiste, daß Pauline, die Mönksche langjährige Köchin, wohl nicht bei Laune gewesen sein müsse. Jetty, die sehr selbstbewußt darauf bestanden hatte, ohne Hilfe in der Küche zu walten, schaute wie mit Blut übergossen auf ihren Teller, Frau Mönk aber ließ einen Refervegang auftragen, und Thomasine versicherte Heinin ger, daß er sich an mißratene Puddings beizeiten gewöhnen müsse, denn seine zukünftige Frau würde vielleicht auch nicht ganz einwandfrei kochen, worauf er seelenruhig er widerte: „Meine Braut lasse ich auf alle Fälle einen Kochkursus bei meiner Mutter durchmachen." Jetty hätte beinahe geweint vor Beschämung über ihre Niederlage. „Tante Hanna," sagte sie nachher, „ich glaube, ich lasse das Kochen doch lieber bleiben — es nimmt mir zuviel Zeit fort, und Professor Seiler verlangt eben sehr genaue Lei stungen im Zeichnen." „Und vielleicht," warf Thomasine anscheinend ganz harmlos hin, „beschert dir das Schicksal einmal eine Schwiegermutter wie Frau Heininger, und dein künftiger Verlobter wird hoffentlich auch den Wunsch haben, daß du bei seiner Mutter kochen lernst." „Das brauche ich nicht," erklärte Jetty feierlich. „Ich heirate niemals — das weißt du doch, Thomasine." Kurz vor Weihnachten schrieb Thomas Mönk seiner Schwägerin und bat sie, Thomasine und Jetty für die Fest zeit als seine Gäste nach München zu schiecken. Er habe seit Jahrzehnten einsam Weihnachten gefeiert — und viel leicht wären es diesmal seine letzten überhaupt. Jetty jubelte über diese Reise. Die Kunstschätze in München, dii Stadt selber, schweb ten ihr lockend vor. Thomasine aber dacht« bei aller Freude, die auch sie über die Einladung ihres Ohms empfang, daran, daß nun die Mutter und Oda die Feiertage allein würden verbringen müssen. Doch die Pension war gegenwärtig sowieso leer; Frau Sammelmappe — - für bemerkenswerte Tages- und Zei ereigniss«. * Der Abgeordnete Dr. Helfferich hat den Vorsitzenden deS auswärtigen Ausschusses des Reichstages, den Abgeordneten Stresemann aufgefordert, den Ausschuß sofort zu einer Be sprechung der politischen Lage einzuberufen. * Die französische Regierung teilte amtlich mit, daß weitere Massenausweisungen aus Elsaß-Lothringen nicht mehr erfolgen werden. * Auf der Konferenz in Verona erklärte Minister Schanzer, daß Italien sich jeder Änderung der staatlichen Verhältnisse in Österreich, also besonders einem Anschluß an Deutschland, widersetzen werde. * In Amerika ist eine neue Bewegung im Gange, die für eine stärkere Beteiligung Amerikas am europäischen Wiederaufbau eintritt. Politische Kunälckau. Veurlckl-nL Ein französischer Verständigungsvorschlag. Die Zeitungsmeldungen über die teilweise Aufhe bung der französischen Retorsionsmaßnahmen werden durch eine amtliche Mitteilung der französischen Botschaft in Berlin nunmehr bestätigt. Danach werden einstweilen neue Massenausweisungen von deutschen Ein wohnern Elfaß-Lothringens nicht mehr erfolgen. Die Sequestration der Güter der Vertriebenen ist aufgehoben. Auch die deutschen Guthaben sind wieder freigege ben. Die Aufhebung der weiteren Retorsionsmaßnahmen wird für den Fall der. Zahlung der restlichen Ausgleichs rate in Aussicht gestellt. Gleichzeitig schlägt die franzö sische Regierung vor, in Verhandlungen über den Abschluß eines der Reparationskommission zu unterbreiten den deutsch-französischen Abkommens über eine end gültige Regelung der Ausgleichszahlungen ein zutreten. Die Bereitwilligkeit hierzu ist der französischen Botschaft erklärt worden. Für das Verbleiben Oberschlesiens bei Preußen. Das oberschlesische Zentrum, die Sozialdemokratische, die Demokratische, die Deutfchnationale und die Deutsche Volkspartei haben gemeinsam einen Aufruf erlassen, in dem sie ihre Anhänger auffordern, bei der Abstimmung am 3. September für das Verbleiben Oberschlesiens bei Preußen zu stimmen. Badische Maßnahmen gegen Valutanutznießer. Da das Land von fremden Valuta-Auskäufern über schwemmt wird, wurden die Bezirksämter, die Gen darmerie- und Bürgermeisterämter angewiesen, gegen Rei sende, bei denen der Verdacht unerlaubter Einreise, ins besondere auch über das besetzte Gebiet vorliegt, sofort polizeilich vorzugehen und die gerichtliche Bestrafung der Ausländer herbeizuführen. Außerdem werden die Bezirks ämter derartige Ausländer aus Baden ausweisen. Schwindelhafte Arbeiterwerbungen für das Ausland. In letzter Zeit mehren sich in auffälliger Weise die An zeigen in Zeitungen, nach denen Arbeitskräfte für das Ausland gegen freie überfahrt gesucht oder Stellungen zu vorteilhaften Bedingungen angeboten werden. Es unter liegt keinem Zweifel, daß es sich bei derartigen Inseraten um groben Schwindel handelt und daß es nur auf die Einsendung der ausbedungenen internationalen Antwort scheine, die einen Wert von 250 Mark darstellen, abgesehen ist. Es kann daher nur davor gewarnt werden, auf der artige Angebots einzugehen, jedenfalls ist es ratsam, zu vor an zuständiger Stelle Erkundigungen einzuziehen. Dies kann zweckmäßig bei dem Reichswanderungsamt und sri- nen Zweigstellen geschehen. Ockecko-Slovgakei. Das Bündnis mit Südslawien. In Marienbad hat ten die jugoslawischen Ministerpräsidenten Paschitsch und Dr. Benesch eine Besprechung über alle Fragen der inter nationalen Politik. Die Regierungschefs beider Länder stellten die Übereinstimmung ihrer Ansichten fest und ver längerten und ergänzten den früheren Allianz vertrag. Neben den politischen Vereinbarungen kamen die Ministerpräsidenten dahin überein, daß neue Maßnah men in wirtschaftlichen, finanziellen und Handelsange legenheiten zur Befestigung der Lage beider Länder ge troffen werden. Mönk konnte Thomasines Hilfe jetzt am ehesten entbehren: die anspruchsvolle Miß war nach England heimgekehrt, Heininger verreiste ebenfalls — er beabsichtigte, diese Weihnachten daheim in Schleswig zu verleben. Onkel Thomas gegenüber konnte üherhaupt von einer Ablehnung nicht die Rede sein. Etwas aber, das Thoma- sine sich kaum einzugestehen wagte, beschwerte ihr beson ders den Sinn und war der Wermutstropfen in dem Freu denbecher, als der ihr die erste größere Reise in ihrem Leben erschien: Malte Holten würde am Morgen vor dem heiligen Abend durch Berlin kommen, er hatte sich schon zu einer bestimmten Stunde in der Pension Mönk ange meldet. Im Laufe des Herbstes und des beginnenden Winters waren wiederholt Kartengrüße zwischen Thoma sine und Malte Holten hin- und hergeflogen. Nun schrieb Thomasine ihm — und ein leises Bedauern stand, obwohl sie es hatte vermeiden wollen, unverkennbar zwischen ihren Zeilen —, daß sie zu Onkel Thomas nach München müsse. Am Christabend dort empfing sie dann Maltes Weih nachtsgrüße. Diesmal war es ein richtiger Brief. Malte schrieb, daß er sich auf seiner Fahrt zu seinen alten Eltern entgegen seiner früheren Absicht in Berlin überhaupt nicht' aufgehalten habe. Er ließ den Grund zu seiner Sinnes änderung deutlich durchblicken: ihn habe es nicht mehr da nach verlangt, in Berlin Station zu machen ja, wenn Berlin München gewesen wäre! Thomasine las nun ihrer seits zwischen den Zeilen, und, was sie dort fand, beglückte sie so sehr, daß sie sich doppelt an allem, was es bei Onkel Thomas an Schönem, Neuem und Ungewohntem gab, zu freuen begann. Die beiden jungen Mädchen wohnten in einer Pension, die sich in der Nähe von Thomas Mönks Junggesellen heim befand. In den Weihnachtstagen herrschte prachtvolles Wetter, so daß der alte Herr mit seinen Gästen genußreiche Gänge in die Museen und durch die Stadt machen konnte. (Fortsetzung folgt.)