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Roman aus der Vorkriegszeit von H. AbL MOK8 -MMHWDLMG, Lonnudeuä, üen 11. Oktoder 16) (Rachdruckverboten.) Es blieb still ein paar Sekunden lang. Augenblicke, in denen das Muttergesühl und ein Rest trotzigen Stolzes, die sie zu einem vollen, wahrhaftigen Bekenntnis hatten zwin gen wollen, in sich zusammensanken und nur eine grimmige Erbitterung in ihr die Herrschaft behielt. Erbitterung, haß erfüllte Anklage gegen die, um derentwillen sie jetzt selber hier stand als Betrogene. Mit hochrotem Gesicht und keuchendem Atem stand sie Lützenkirchen gegenüber. „Meine Tochter hat immerhin damit zu schaffen, da es um ihretwillen geschah, daß ich log. Wenn sie auch nicht von allem unterrichtet war, was über die Mitgiftfrage zwischen uns erörtert wurde, so wußte sie doch, daß Sie in einer Täuschung über unsere wahren Verhältnisse befangen waren, daß Sie durch mich des Glaubens lebten, mein Mann sei Bankier gewesen und nicht nur Buchhalter bei einem solchen, wie das in Wahrheit der Fall war." Sie erschrak, als sie die Wirkung ihrer Worte ge wahrte. Lützenkirchen starrte sie an, sein Gesicht überzog sich mit fahler Blässe, seine Hand griff ins Leere, als suche sie nach einer Stütze. „Lüge! Gemeine Löge!" stieß er wild heraus. Seine Faust Hatte mit eisernem Griff Frau Klaras Hand gepackt. „Um sich selbst vor mir zu reinigen, beschmutzen Sie mein Weib!" Aber mit diesen Worten hatte er vollends die sich regende Mütterlichkeit zu'ückgedrängt. Den Kopf zurück werfend sagte sie: „Ich lüge nicht. Unmittelbar nach der Verlobung verständigte ich mich mit Gertrud über die be treffenden Angaben." Aber im nächsten Augenblick, als Lützenkirchens Hand sich von der ihren löste und der Arm ihm schwer und leb los herabfiel, klang etwas aus ihr heraus, was echte Angst, wahrhaftes Muttergcfühl war: „Seien Sie darum nicht hart mit ihr! Sie ist jung und hat sich nichts Schlimmes dabei gedacht. Aus Liebe schien es ihr erlaubt. Sie liebt Sie wirklich! Seien Sie großmütig. Seien Sie gut zu ihr!" Mit einem langen Blick sah Lützenkirchen sie an. Was all ihre Worte nicht vermocht hätten, dieser eine,^ echt aus dem Herzen hervorbrechende Ton von Mutterangst grub die Überzeugung in ihn hinein: es war Wahrheit! Und als noch einmal die bebende Stimme an sein Ohr klang — „Seien Sie gut zu ihr" —, da irrte ein wehes Lächeln um l seine blassen Lippen. „Beruhigen Sie sich, ich werde ihr f keine Vorwürfe machen." Ohne Gruß ging er davon. Achtes Kapitel. Hin und her auf verschneiten Feldwegen trieb Lützen- s kirchen sein Pferd. Die Dämmerung hing grau vom Him- mel hernieder und drängte zur Heimkehr. Ihm grauste' davor. Heim ... in das Heim, aus dem das Glück geflohen, l aus Lem die Wahrheit geflohen, in dem die Lüge einher- - ging, die Lüge mit blauen Himmelsaugen und UN- ' schuldigem Kinderlächelu. Sollte er sie fragen, ihr alles sagen . . .? Und ihr; auf die Helle Stirn die Röte der Scham, das Schuld- - bcwußtsein drücken, daß sie hinfort die Augen nieder- - schlagen mußte vor ihm, und der Mß in ihrem Leben voll- zogen war, sie beide ihn sahen und nebeneinander her- ! gingen, zusammengehörend, aneinander gefesselt und doch! getrennt? Von neuem riß Lützenkirchen sein Pferd herum, jagte es wilder hinein in den eisig kalten Dezemberabend. Es war dunkle Nacht, als er endlich auf völlig abge- ! hetztem Tier auf den Hof von Lützenburg einritt. Schon im Hausflur kam ihm Gertrud entgegen. „Wie lange bist du fortgeblieben! Ich habe mich so geängstigt um dich, i Und so kalt bist du, o Gott, so eisig kalt!" Er schob sie von sich. „Ich muß erst die Kleider wechseln^ verzeih'." In ; seinem Zimmer, gegen Lie Wand gelehnt, stand er, nach- § dem er den feuchten Anzug mit einem andern vertauscht i hatte. Seine Frau mußte kommen, ihn an das Abend- i essen zu mabnen. Sie hatte selbst den Tisch gerichtet, zum t erstenmal im eigenen Heim. Und sie reichte ihm mit s stolzem Lächeln die Schüssel mit dem Ragout: „Davon mußt du nehmen, das habe ich selbst gekocht." Er würgte ein paar Bissen hinunter und nickte ihr zu, als sie erwartungsvoll ihn ansah. Dann preßte er die Hand gegen die Stirn. „Ich bin grausam müde." Sie trat zu ihm, legte den Arm um seine Schulter. „Was ist dir, Franz? Du bist so anders heute. Ist irgendwas geschehen?" Er schüttelte heftig den Kopf, sein Gesicht verzog sich dabei. Nur jetzt nicht mehr reden, nur jetzt an nichts rühren. „Müde bin ich. Ich habe viel zu schaffen. Wir wollen früh zur Ruhe gehen." Gertrud unterdrückte einen Seufzer. Der Alltag be gann sein Recht zu fordern. Die selige, freie Zeit der Honigwochen war vorüber. Lützenkirchen hatte seiner Frau ein schnelles „Gute Nacht" gesagt, dann hatte er, auf seinem Lager ausge streckt, die Äugen geschlossen. Aber noch war er völlig wach, als endlich Gertruds gleichmäßig sanfte Atemzüge ihm sagten, daß sie entschlummert sei. Sie lag still und friedlich wie ein Kind, das Gesicht im Schein der Nachtlampe ihm zugelehrt. Und solche Maske sollte die Lüge tragen? Er hätte aufspringen mögen, sie emporreißen, wachküssen und ihr zurufen: „Du bist die Wahrheit! Alles andere ist Lüge!" Aber er war so müde, und eine Angstbitte klang noch in seinen Ohren: „Seien Sie gut zu ihr, sie hat nichts Schlimmes dabei gedacht." b - Morgen — morgen wollte er reden. Und wenn nicht alles Lüge war, wenn sie unehrlich gewesen war — aus Liebe — wenn sie's in Ehrlichkeit ihm zugestand, dann sollte alles vergeben sein, konnte vielleicht - »OM AMD« MM? 6 Fd « F* mit u. ohne Firmendruck ^rachtbnefe»,^ Mrceo, Ar eEMMSM' Großes Dctektiv-Filmfpiel kmZ-MMz „(ZpMM" Außerdem die prächtigen Turn- und Sportaufnahmem KOMelMniK Nus-rn — Bus!« Wundes- und Kreissportfest in Dresden. Nachm. 4 Uhr Abends 8 Mr. LasHos pW Memn WZ. Sonntag, den 12. Hktover, nachm. 3 Ahr WWWNg Ser LeLizMgen des Herrn P. Klotsche. 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Gertrud schlief noch fest, als er, alter Gewohnheit ge mäß, früh in die Wirtschaft ging. Als er zum Frühstück in das Haus zurückkam, hantierte sie, fraulich wichtig tuend, im Wohnzimmer umher. In einer Ecke, die sie sich zum Ärbeitsplätzchen ausersehen, hatte sie allerlei Krims krams aufgebaut. Inmitten davon stand in selbstgefällig lächelnder Schönheit ein Bild Frau Klaras. Mit über schlagenen Armen blickte Lützenkirchen darauf nieder, dann wandte er sich an seine Frau: „Hast du nicht auch ein Bild deines Vaters?" Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Mama hat eines, aber sie hält es im Kasten; sie sagt, es sei zu schlecht." Seinem unverwandt an ihr hängenden Blick entging es nicht, wie sie während des Sprechens plötzlich stockte, rot ward und nun von dem Fenster hinweg zum Kaffee tisch drängte. Aber Lützenkirchen trat dichter an das Arbeitstischchen heran. Und Frau Klaras Bild auf nehmend, sagte er: „Dein Vater war gewiß sehr stolz aus seine schöne Frau und hat cs sich angelegen sein lassen, ihrer Schönheit noch den entsprechenden Rahmen zu geben. Ein Bankier darf sich ja dergleichen gestatten." Ein leiser, gequälter Laut kam über Gertruds Lippen. ' „Sagtest du etwas?" fragte Lützenkirchen. Es klang Unendlich gütig. Sein Blick ruhte mild und ernst auf ihr. „Nein, nichts," gab sie abgcwandteu Hauptes auf seine Frage Antwort. Und dann mit dringender Bitte: „Möch test du nicht jetzt Kaffee trinken?" Er hatte sich bereits von ihr abgekehrt und schritt dem gedeckten Tisch zu. Ohne zu warten, bis sie ihn freund lich bediente, begann er hastig sein Frühstück, und als er kaum geendet hatte, erhob er sich wieder. „Du willst schon wieder gehen?" fragte Gertrud. „Ja, ich habe zu tun." Seine Stimme klang ge schäftig. Mit kräftigem Schritt ging er zur Tür und faßte die Klinke. „Aber du Haft mir ja nicht Lebewohl gesagt." Er drückte flüchtig ihre Hand. Das erwartungsvoll ihm zugewendete Gesicht schien er nicht zu sehen. „Ja, so, verzeih. Unsere Festtage sind eben vorüber.' Gertruds Lippen zuckten, als er gegangen war. Warum nur hatte sie ihn belogen vorhin — oder doch wenigstens durch ihr Schweigen einer andern Lüge nicht widersprochen? Das der Mutter gegebene Versprechen hatte sie schweigen lassen . . . Vorwürfe gegen diese woll ten sich in ihr regen. Kleine, erlaubte Ausschmückungen, als was die eitlen Vorspiegelungen der Mutter ihr immer dargestellt worden waren, nein . . . das war es doch nicht allein. Es war Lüge! Und vor ihrem Gatten sollte nichts sein, das nicht lauterste Klarheit und Ehrlichkeit war. Sobald sie die Mutter wiedersah, mußte diese si« Von ihrem Versprechen entbinden. Und inzwischen wollt« sie eine vernünftige Frau fein, die nicht in gefühlvolle Wehleidigkeit versank, wenn sie es verspüren mußte, daß nicht bloß die Liebe, sondern auch das Leben mit seinen Pflichten ein Recht auf ihren Gatten habe. Mit gesenktem Kops schritt Lützenkirchen über den Hof; seine Lippen- waren fest aufeinander gepreßt ... So war es denn wirklich wahr, was ihm unmöglich gedünkt! Si« War mitschuldig an diesem Betrug? Ihr Erröten, ihr scheues Abwenden von ihm hatten es verraten, daß sie selbst sich der Schuld bewußt war. Hinter den festge schlossenen Lippen biß er die Zähne aufeinander. Er glaubte es wieder zu hören, das ihn um Nachsicht bittende, mütterliche Wort: „Sie liebt Sie —" Sie liebte ihn — ja doch, ja doch — mau mochte der gleichen wohl so nennen, und was sie getan, um dieses Zweckes willen... Sie hatte nichts Schlimmes dabei gefunden . . . hatte an einer Lüge, an einem Betrug nichts Schlimmes gefunden! Nur daß er im Leben nur eines wirklich als Gemeinheit anerkannte... die Lüge! Sich abfinden mit seinem grausamen Irrtum, das galt's jetzt vor allem. Und dafür war's ganz förderlich, daß andere Sorge noch auf ibn eindrang und er wohl aller Kraft bedürfen würde, um nicht auch da ein Zu sammenbrechen zu erleiden. Kaum, daß er in den nächstfolgenden Tagen die Mahl zeiten in Gesellschaft feiner Fran einnahm — dann eilte er wieder in die Wirtschaft oder fuhr über Land. Di« Abendstunden verbrachte er rechnend auf seinem Zimmer. „Hast du immer so viel zu tun?" fragte Gertrud, ihre wachsende Beklommenheit um er einem wehen Lächeln ver bergend. „Fürs erste wohl," gab er zurück. ^„Durch die Reise ist allerlei nachzuholeu. An ein wenig Langeweile wirst du dich wohl gewöhnen müssen." . * ch * So waren zwei Wochen vergangen. Den Kops in di« Hand gestützt, faß Lützenkircl-en in seinem Zimmer am Schreibtisch. Es war spät in der Nacht, und in dem auf- geschlagenen Nechnungsbuch vor ihm kannte er sämtlich« Ziffern des «Soll und Haben" auswendig. Dennoch säumte er, vor sich hinbrütend, den Tag zu beschließen, zur Ruh^ zu gehen. Zur Ruhe in dem Zimmer, in dem seine Frau, seiner wartend, wachte . . . wartend, daß er kam, sich zu ihr beugte, mit einem Kuß ihr „Gute Nacht zu wünschen. Sie fragte nicht mehr wie in den ersten Tagen: „Was ist dir? Hast du so viel zu tun?" — Aber ihr ganzes Wesen war eine stumme, bange, bittende Frage. Und morgen war Weihnachtsabend, und acht Tag« später Neujahr, und dann.... Seine Blicke schweiften finster an den Wänden um her, als seien sie Kerkergitter. Was sollte er beginnen? Wo einen Ausweg finden? In acht Tagen war die g«- kündigte Hypothek fällig, sollte er drcißigtausend Mark be zahlen! Dreißigtausenv — die ihm zugesagtc Mitgift, an die er geglaubt, mit der er gerechnet, wie er mit ge gebenem Wort zu rechnen gewohnt war. Wäre er wenig stens mit dem ihm vorgespiegeltcn Betrug nicht hingehalten worden, bis es zu spät war, sich herauszuwinden. Hält« er wenigstens eine längere Frist gehabt. Aber wo sollte er in ein paar Wochen auf sein stark belastetes Gut «M solches Darlehen auftrcibeu? Sollte er gezwungen sein, Wucherhilfe zu suchen . . .? (Fortsetzung folgt.) 'Rechnungen,^,,..