Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 27.12.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-12-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-192212271
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19221227
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19221227
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-12
- Tag 1922-12-27
-
Monat
1922-12
-
Jahr
1922
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 27.12.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
DerembergekMer cler Keamten. Durchschnittliche Erhöhung um 44 Im Reichsfinanzministerium haben die Verhandlun gen mit den zusiänvigcn Verbänden der Beamten und An gestellten über die Angleichung der Dezemberbezüge an den Stand der Teuerung stattgefunden. Die Verhandlungen hatten folgendes Ergebnis: Der prozentuale Teuerungs- zuschlaq zu Grundgehalt, Ortszulage und Kinderzulage wird vom 1. bis 15. Dezember um 54 vom 16. bis 30. Dezember nm weitere 58 A erhöht. Die Frauenzulage wird von 2000 auf 3500 Mark erhöht. Die durchschnittliche E Erhöhung der Gehälter stellt sich auf 44 Das Reichs kabinett wird den Abmachungen voraussichtlich alsbald zu stimmen, sodaß die Nachzahlungen den Beamten noch vor Weihnachten zugeführt werden können. Deutscher Keickstag. (Aus der 282. Sitzung.) Die an der Spitze der Tagesordnung der Sitzung siebende Interpellation der Deutschnationalen, die sich aus die Verhält nisse in den Flüchtlingsheimkehrlagern bezieht, wird, wie ein Regierungsvertreter erklärte, in der geschäftsordnungs mäßigen Frist beantwortet werden. Bei der hierauf folgenden 3. Beratung des Gesetzes zur Neuregelung der in der Gewerbe ordnung vorgesehenen Gehaltsgrenzen beantragte Abg. Giebel (Soz.) eins Heraussetzung der Gehaltsgrenzen. Reichsjustiz minister Heinze hatte dagegen keine Bedenken. Der Antrag wurde angenommen, ebenso das ganze Gesetz. Nun kam man zur 2. Beratung der Novelle zum Einkommensteuergesetz. Abg. Dr. Herb (Soz.) berichtete über die Verhandlungen und Beschlüsse des Ausschusses. Abg. Dr. Helfferich (Deutschnat.) bezeichnete diese. Bericht erstattung als einseitig und agitatorisch (Beifall bei der Rech ten, Lärm links und Zurufe: „Sie sind der wahre Iakob!"). Der Anteil des Kavitals an dem gesamten Volksvermögen ist erschreckend znrückqegangen. Die Kapitalertragssteuer bringt 2 Milliarden, die Einkommensteuer 100 Milliarden Papiermark. Es ist nicht wahr, daß nur die Einkommen ans Löhnen und Gehältern sofort 10 Prozent Steuern abgebcn müssen. Wer Einkünfte ans Hvpotheken, Aktien usw. bezieht, muß sich den Abzug ebenso gefallen lassen. Ähnlich liegt es bei der Körperschaftssteuer. Zeigen Sie (nach links ge wandt) uns den Weg, um die Schieber zu fassen. Wir wollen ibn mitgehen Die freien Bernie bedürfen einer großen Schonung. Was hier vorlieat, ist nur ein« mangelhafte An passung der Steuer an die Geldentwertung. Abg. Kahmann tSoz.): Löhne und Gebälter sind bestenfalls um das MOfache gestiegen, die Preise im Durchschnitt aber um das 800-fache Die Masse der Lohn- und Gehaltsempfänger zablt immer mit dem gegenwärtigen Stande der Mark und ist daher unverhältnismäßig schwer belastet. Die jetzigen Steuer gesetze sind nicht geeignet, die Verschlechterung der Mark auf- znbalten. Zahlreiche Unternehmer ziehen ihren Angestellten pünktlich die Steucrbeträge ab, liefern sie aber mit großer Ver zögerung an die F'nanzämter ab. Das grenzt an Betrug. Die Stenern der Arbeiter und Angestellten dürfen nicht als Be triebskapital benutzt werden Dee Lohnsteuer bleibt in jedem Sinne ungerecht gegenüber dem Selbsteinschätzer, über kurz oder lang werden die Steuerempfänger sich weigern, den Steuerpackesel iür die Selbsteinschätzcr zu spielen. Wir haben bei dem Stcucrgcsck manches Entgegenkommen gezeigt; aber a^es Entgegenkommen bat seine Grenzen, über unseren Vor schlag hinaus können wir nicht gehen. Die Ansicht greift immer mehr nm sich, daß diejenigen die Dummköpfe sind, die sich be eilen. ihre Stenern zu bezahlen. Auf keinen Fall darf die Ein kommensteuer jetzt für die Wohlhabenderen abgebaut werden. Wir beantragen vor allen Dingen Erhöhung der Werbnngskosten auf 162000 Mark und die Verdoppelung der Abzüge für den Ehemann und die Ehefrau gegenüber den Uusschußbeschlttffen. Abg. Hoencr (Aentr.) befürwortete Abänderungsanträge, die von dem Zentrum, den Demokraten und der Deutschen Volkspartei cingebrackt worden sind. Diese Anträge beziehen sich auf die Steuern für 1922. Sie wollen die Gresize der Be steuerung mit 10 76 bis zu 400 000 Mark hcraufsetzen gegen 300 000 Mark des Ausschußbeschlusses und 250 000 Mark der Vorlage. Rcichsfinanzminister Dr. Hermes erklärte, das Ziel des Gesetzes ist die Berücksichtigung der außer ordentlichen Geldentwertung. Der Ausschuß bat wesentliche Änderungen in der Vorlage vorgcnommen. Diese Änderungen bedeuten zwar keine Herabsetzung der Steuerlasten, sondern tatsächlich noch eine Mehrbelastung. Für uns handelt es sich aber auch nur darum, die Steuer noch gerade tragbar zu machen. Die Einkommensteuer ist zum großen Teil bestimmt für die Länder und Gemeinden. Rei der Not der Länder und Gemeinden muß der Taris möglichst die Einnahmen bringen, die wirtschaftlich gerade noch möglich sind. Ich glaube, daß die Änderungen des Ausschusses nicht nötig waren, und daß es ge ¬ nügen würde, die Geldentwertung durch die Regierungvorlage auszugleichen. Der sozialdemokratische Antrag kommt der Re- gierungsvorlage wieder entgegen. Ich bitte aber grundsätzlich, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Abg. Hocllein (Komm.) führte aus, Steuerkämpfe seien der Austrag von Machtkämpfen. Aba. Hertz (Soz.) verwahrte sich gegen den Vorwurf parteiischer Berichterstattung und wandte sich gegen verschiedene Ausführungen des Abg. Dr. Helsfertch. Ferner wies er darauf hin, daß der Vertreter der Demokraten im Steüerausschutz, Abg. Fischer-Köln, Vertreter von 6 und Mitglied von 20 Äuf- sichtsräten sei. Ein solcher Mann könne die Interessen der Arbeiter nicht recht vertreten. Abg. Fischer-Köln (Demokrat) wies die Angriffe des Vor redners und des Abg. Hoellein zurück. Unter heftigen Zwischenrufen der Linken verteidigte der Redner die Haltung der Demokraten und der Bürgerlichen im allgemeinen im Steuerausschnß. Die sozialdemokratischen und kommunistischen Abände rungsanträge wurden in der Abstimmung abgelehnt. In der Ausschußfassung wurden die Bestimmungen des Artikels 1 an genommen; danach beträgt f ü r 1923 die Einkommen steuer für die erste Million des steuerbaren Einkommens 10 A, für die nächste Million 15, für die nächste 20, für die nächste 25 A usw. Der Artikel 2, der die R e g e l u n g f ü r 1922 gibt, wird ge mäß dem Kompromißantrag der Mittelparteien angenommen, die Grenze für den zchnprozentigen Lohn abzug wirdgcgen die 300 000 MarkderAusschuß- fassung auf 400 000 Mark heraufgesetzt. Der Nest des Gesetzes wird in der Ausschutzfassung angenommen. Die Abänderung des Gesetzes gegen die Kapitalsflucht wurde debattclos genehmigt, ebenso in zweiter Beratung der Entwurf einer Reichshaushaltsordnung und verschiedene klei nere Nachtragsetats. MnckererlM m Preußen. Gegen unberechtigte Preiserhöhungen. Ter Preußische Staatskommissar für Volksernährung hat an die Ober- und Regierungspräsidenten, die Orts polizeibeamten und Landräte einen längeren Erlaß ge richtet, in dem es heißt: Die in letzter Zeit auf allen Gebieten des täglichen Be darfs zunehmende Verteuerung hat zu einer solchen Be unruhigung der Bevölkerung geführt, daß hierdurch ernste Störungen der ösfentlichen Ordnung zu befürchten sind. Von Tag zu Tag mehre r sich die Klagen über unangemessene Preis festsetzungen, so daß es erforderlich erscheint, den beteiligten Dienststellen nochmals ausdrücklich zur Pflicht zU machen, kein Mittel unversucht zu lassen, das geeignet und zweckmäßig er scheint, die Auswüchse bei der Preisbildung zu bekämpsen. Ganz besonderer. Wert ist dabei auf die Mit wirkung der sogenannten mittleren Preisprüfungsstellen zu legen, die für ganze Provinzen oder Regierungsbezirke be stimmt sind. Dies: Stellen werden sich insbesondere in der Weise zu betätigen haben, daß sie die über den Bereich der örtlichen Preisprüjunqsstellen hinausgehenden Aufgaben über nehmen, die örtlichen Stellen zwecks Leitung und Zusammen fassung ihrer Tätigkeit mit sachlichen Richtlinien zu versehen und geeignete Fühlung mit dem Wirtschaftsleben zum Zwecke einer richtigen Preisermittlung zu halten. Diesen Aufgaben kön nen sich die mittleren.Preisprüfungsstellen nur gewachsen zeigen, wenn sie infolge ihrer Zusammensetzung eine ausschlaggebende Einwirkung sowohl auf die Wirtschaftskreise ihres Bezirks, als auch auf die ösfentlichen Preisprüfungsstellen ausznüben in der Lage sind. Den Verbraucherausschüssen ist Gelegen heit zu geben, bei den Beratungen aller Fachausschüsse und den gemeinschaftlichen Beratungen über Preisprüsungen und Preis feststellungen, sowie bei Bekämpfung der Preistreibereien in weitestem Maße mitzuwirkcn. Neben der zweckmäßigen Zu sammensetzung der mittleren Preisprüsungsstellen ist für die Wucherbekämpfung ein enges und ständiges Zesammenarbeiten mit den Polizeibehörden unbedingtes Erfordernis. Der Klante-Pro2elZ. Berlin, im Dezember. Die Zeugenvernehmung schreitet fort, und Max Klante wehrt sich gegen alle Auslagen, die ibn belasten, mit großer Lebhaftigkeit, die sich ost bis zu Wutanfällen steigert. Das war z. B. der Fall, als einer der Zeugen behauptete, daß ein Lor beerkranz, der Klante während einer großen Versammlung in Dresden überreicht worden war, und dessen Schleife die In schrift trug: „Ehre, wem Ehre gebührt! Gewidmet vomG rasen Bl üche r", von dem Angeklagten selbst bestellt worden sei. Klante wurde ob dieser Behauptung so ausgeregt, daß er in ein hysterisches Schluchzen ausbrach. Aufschlüsse über die Buchführung des Wettkonzerns gab der als Zeuge ver nommene Bücherrevisor Günther, den Klante beauftragt hatte, die Bücher für das Unternehmen emznrichtenl Das war insofern schwer, als fast alle Unterlagen für die Einrichtung der Bücher fehlten. Als Günther dann Klante darauf aufmerksam machte, daß er sich strafbar mache, wenn er die Dividenden, die er zahle, aus Neueinzahlungen bestreite statt ans Gewinnen, erhielt er die Kündigung, mit der Begründung, daß Klante Angestellte, die zu ihm und zu fernem Unternehmen kein Vertrauen hätten, nicht brauchen könne. Der Zeuge hat einmal ausgerechnet, daß ein Einleger, der 1000 Mark einzahlte, diesen Betrag vier Jahre lang stehen ließe und immer nur die ungeraden Beträge abhöbe, bei der Klanteschen Art der Dividendenzahlung nach Ablauf der vier Jahre fast 4 Milliarden Mark zu fordern gehabt hätte. Von unä fern. Museumsdiebstahl. In den Räumen des Kaiser- Friedrich-Museums in Berlin sind in den letzten Wochen zahlreiche Diebstähle verübt worden. Obwohl die über wachungsmaßregeln daraufhin verschärft wurden, wurden dieser Tage wieder Kunstgegenstände von unschätzbarem Werte aus den Vitrinen entwendet. Es besteht der Ver dacht, daß als Täter zwei oder drei Ausländer in Frage kommen. Verhaftung ausländischer Juwclcnhändler. Der Kölner Kriminalpolizei gelang es, zwei Ausländer festzu nehmen, die Anfang November der Gattin eines italie nischen Großindustriellen in einem Gasthof in Viareggio sämtliche Schmucksachen im Werte von einer Milliarde ge stohlen hatten. Der geraubte Schmuck ist bis auf einen kleinen Teil wieder zur Stelle geschafft. Amerikanische Millionenstistung für Deutschland. Der Inhaber der Firma Borgfeldt u. Co. in Newyork, Konsul Semler, hat 70 Millionen Mark für Bedürftige aller Stände in Deutschland gestiftet. Das Opfer eines Schneesturmes ist der aus der Tschechoslowakei stammende Haushälter der Elbetalbaude im Nicsengebirge geworden; er ging von der Wolssecker- baude weg und ist seitdem verschwunden. Mehrere Nettungsexpeditionen, die ausgesandt wurden, haben ihn nicht finden können. Es muß daher angenommen werden, daß er sich bei dem furchtbaren Schneesturm, der im Hoch gebirge herrschte, verirrt hat und ums Leben gekommen ist. Massenversammlungen in München. Die Sozial demokratische Partei Münchens hatte am Abend des 13. Dezembers fünf Versammlungen cinberufen, um durch ihre Redner über „Geheimbündelei und Nationalsozialisten — der Ruin Deutschlands" sprechen zu lassen. Die Natio nalsozialisten spielten aber einen noch größeren Trumpf aus, indem sie für den gleichen Abend zehn Versammlungen einberiefen. Sämtliche fünfzehn Versammlungen sind ohne jeden Zwischenfall verlaufen. Böser Flitterwochenanfang. In Marseille wurde einem deutschen Hotelbesitzer am Abenh seiner Hochzeit von seiner jungen Frau die Brieftasche mit 150 000 Frank ge stohlen. Die Täterin hat darauf die Flucht ergriffen und ist bis jetzt noch nicht gefaßt worden. Folgenschwere Kefselexplosion. Infolge einer Kessel explosion sind in einer Zuckerfabrik in Havanna über 100 Arbeiter, meist Spanier, getötet oder schwer verwundet worden. Gericktskallt. Das Urteil im Hardcn-Prozcß. Im Hardcnprozeß sprachen die Geschworenen nach mehr als vierstündiger Beratung die Angeklagten Weichardt und Grenz nur der Beihilfe zur Körper verletzung schuldig, wobei sie Weichardt mildernde Umstände zu billigten. Weichardt wurde zu 2 Jahren 9 Monaten, Grenz zu 4 Jahren 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Beiden wurden 2 Monate Untersuchungshaft angerechnet. Die Voruntersuchung gegen Ehrhardt. Wie verlautet, ist die Voruntersuchung gegen den früheren Korvettenkapitän Ehr hardt wegen Mittäterschaft beim Kapp-Putsck jetzt eröffnet worden. Untersuchungsrichter ist Reichsgerichtsrat Dr. Metz. Die Verteidigung hat Rechtsanwalt Dr. Lütgebrune in Göttin gen übernommen. Die Urkundenfälschung des Justizministers. Vor der Braun schweiger Strafkammer hatte sich der frühere braunschweigische JustiMinister Junk wegen Urkundenfälschung zu verantworten. Tie Anklage war eine Folge der bekannten Angriffe, die der frühere braunschweigische Ministerpräsident Oerter nach feinem unfreiwilligen Rücktritt gegen seine ehemaligen Ministerkollegen gerichtet hatte. Der Gerichtshof gelangte zu der Auffassung, daß Junk sich der Rechtswidrigkeit seines Tuns nicht bewußt gewesen sei, und sprach den Angeklagten daher frei. Zum Tode verurteilt. Vor dem Schwurgericht in Dresden Wurde gegen den Bäckergesellen Schützholz und die Bäcker- mcistcrswitwe Rosa Klunker wegen Ermordung deS Bäcker meisters Klunker verbandelt. Schützholz war geständig, will aber von Frau Klunker zum Morde angestiftet worden sein. DaS Gericht verurteilte Schützholz zum Tode, Frau Klunker zu sechs Jahren Zuchthaus. Niiiergui Wroynowo. Ostmärkischer Roman von Guido Kreutzer. 86s (Nachdruck verboten.) Ja — was nun aber die äußerliche Entwicklung in dem Leben deines Vaters, das er während seiner Witwerschaft führte, anbelangt . . . natürlich, du bist wohl schon durch irgendwen, vermutlich durch euren Anwalt, über die Veränderungen unterrichtet worden, die sich auf Wroynowo und überhaupt sonst wirtschaftlich vollzogen haben. Und hast es ja nun sehr leicht, den größten Stein, den du findest, aufzuheben und auf deinen Bater zu werfen. Kannst dir selbst ins Gesicht hinein kühn behaupten: — er hat meine Mutter nie neben sich aufkommen lassen: durch sein herrisches Wesen, durch seine Selbstüberschätzung mußte sie ein Leben führen, bei dem sie innerlich verkümmerte. Mir hat er nie ein Herz entgegengebracht und war letzten Endes vielleicht heilfroh, daß ich ihm seine Kälte mit gleicher Kälte vergalt und mir meinen eigenen Weg im Leben suchte. So brauchte er wenigstens keine Rücksicht zu nehmen — und es lag ihm ja am besten, sich selbst stets und immer da in den Mittelpunkt zu stellen und seine eigene Eitelkeit; fein eigenes Selbstgefühl zu streicheln. Nun ist er gestorben, und die Bilanz seines Lebens liegt klar vor mir. Fast um die Hälfte Umfang hat er unser Familiengut geschmälert! hat große Reisen unternommen, hat an Spieltischen unser Vermögen weggeworfen: und hat schließiich das, was ihm von Wroynowo noch blieb, mit Hypotheken dis über die Ohren zugedeckt. Siehst du, Jungchen — wenn du dich in die Brust wirfst und so sprichst, dann darf ich dich nicht einmal einen tückischen Pharisäer schimpfen, höchstens einen irrenden Menschen." Der junge Freiherr von Schilk hob langsam den Kops. Scharf und klar ruhten seine Augen auf dem Gesicht des Forstmeisters. Der schien es nicht zu bemerken. Er saß noch immer in feinem Schreibstuht vornübergebeugt, hielt mit der Rechten die Pfeife, streichelte mit der Linken den Stichel haar, der den struppigen Kopf zärtlich seinem Herrn aufs Knie gelegt hatte und halbverschlafen in die Sonne blinzelte. .Der langen Rede kurzer Sinn, Onkel Dronkau?" „Vs mortuis nii nlm bene! oder wenn dir das zu schwächlich sein sollte, denn meinetwegen: keinen angreifen, der sich nicht mehr wehren kann! das ist nicht ritterlich." Hansjürgen von Schilk erhob sich, reckte sich unwillkür lich, rank und schlank, fast übergroß stand er inmitten der Sonne, die mit tausend glitzernden Pfeilen nach ihm schoß. Er war sehr blaß, aber die Stimme klang fest und sicher. „Keinen angreifen, der sich nicht mehr wehren kann! — sagst du, Onkel. Das tu ich auch nicht; eben — weil es nicht ritterlich wäre. Und was sich mir nun aus all dem Grübeln und Sinnieren der letzten vchtundvierzig Stunden als Schlußfolgerung ergeben hat: — nicht trag' ich meinem Vater nach, daß sich die Mutter an seiner Seite langsam verblutete ... er mag es oben vor seinem Herrgott verant worten. Nicht trag' ich meinem Vater nach, daß er unser Vermögen an Spieltischen und problematischer Gesellschaft vertat ... es mag ein Zeichen von Charakterschwäche ge wesen sein: Geld aber läßt sich wieder einholen. Das aber . . und jählings wuchs seine Stimme, wurde kalt und drohend das aber trag' ich meinem Vater nach und werfe es ihm als schwere Gewissensschuld in sein Grab — daß ihm Wroynowo nicht heiliger Grund und Boden war, daß er die drei Vorwerke Rogaczewo, Chelczonka und Palczynn in fremde Hände überlieferte. Soweit hätte es nimmermehr kommen dürfen. Und hätte er sich den Bettelfack umgehängt und wär' als Vaga bund auf die Heerstraße hinausgezogen tausendmal besser, als das, was er tat! Heimat ist Heiligland. Und von dem, was in zweihundert langen Jahren von den Freiherren von Schilk mühsam unter Entbehrungen zusammengeschuftct und zusammengetragen wurde — davon leichtsinnige Spielerhände weg! Wer dazu fähig ist, die makellose Geschichte seines eigenen Hauses, die unverletzlichsten Traditionen der Familie mit einem Fußtritt . . ." Ganz still war es im Zimmer geworden; selbst der Kanarienvogel wagte nicht mehr seine lustigen Triller. Ein mal keckerte draußen der angekettete Jungfuchs giftig einen vorübergehenden Knecht an. Dann wieder dieselbe tiefe Lautlosigkeit. Nur der Stichelhaar hatte den Kopf vom Knie seines Herrn genommen und schaute den Fremden, der da reglos mitten im Sonnenlicht stand, unverwandt aus großen klugen Augen an. Und erst nach einer ganzen Weile versetzte der Forst meister Dronkau mit einer Stimme, die ganz komisch klang: „Du, Hansjürgen, bist Richter darüber, nicht ich. Das aber glaube mir — auch mir ist's bitter geworden, mit ge bundenen Händen zusehen zü müssen, wie dieser Berliner Großbankier Kamp eines der Vorwerke nach dem andern ein steckte. Bitter — als wär's mein eigner Gru,nd und Boden gewesen, der da in die Binsen, ging." „Kamp heißt der Mensch, Onkel Dronkau?" „Kamp — ja. Ich hab' ihn einmal in Bromberg von weitem gesehen. Machte eigentlich einen ganz sympathischen Eindruck; aber du weißt ja, sowas täuscht. Möglich äuch, ich war zu voreingenommen und hab' ihn darum innerlich immer unwillkürlich unter möglichst ungünstige Beleuchtung gestellt. Aber das ist ja schließlich ganz egal. Hauptsache — ich habe sowas munkeln hören, als beabsichtige er, dm An trag zu stellen, daß die drei Vorwerke zu einem selbständigen Gutsareal zusammengefaßt werden, was ja entschieden auch ganz gut ginge, da sie auf einem Klumpen zusammenliegen. Und hat er das erreicht, dann will er sich auf Rogaczewo, glaub' ich, ein Herrenhaus bauen lassen." Grelles, scharf abgerissenes Auflachen fetzte durch daS Zimmer. .Ausgerechnet auf Rogaczewo, wo unser Erbbegräbnis liegt. Aber natürlich, der Mann hat von seinem Standpunkt aus vollkommen recht und handell mit bewunderungs würdiger Konsequenz: — in Zukunft dürften sich die schätzenswerten Mitglieder des Hauses Kamp neben den Freiherren von Schilk zur letzten Ruhe bestatten lussen. Ist ja auch alles da. Sparen sogar die Kosten für den Bau einer neuen Familiengruft — die gewinnsüchtigen Berliner Herrschaften!" (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)