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Amerika rWrt sick). Von besonderer Seite wird uns geschrieben: „Ich bin nach London gefahren, um mir ein Beinkleid anmesscn zu lassen," erklärte der Berliner amerikanische Gesandte auf die Frage eines englischen Journalisten, warum er gerade zwei Tage vor der Londoner Konferenz sich nach England begeben habe. Ganz „zufällig" traf mit dem Berliner auch der Pariser amerikanische Gesandte in London ein, und beide konferierten mit ihrem Londoner Kollegen. Ebenso „zufällig" sprachen kurz vor der Konfe renz Hughes, der jetzige, und Tumolty, der frühere amerikanische Staatssekretär des Äußern, sehr, sehr ein dringliche Warnungen gegen die überspannten französischen Forderungen aus — war doch gerade der Bericht Dariacs über die französischen Annexionspläne am Rhein und an der Saar bekanntgeworden —, hat vor allem der amerika nische Botschafter in London, Harvey, auf die Not wendigkeit einer friedlichen, einer wirtschaftlichen Lösung des Reparationsproblems hingewiesen. — „Amerika werde vielleicht nicht in der Lage sein, die Beschlüsse zu beein flussen, aber es werde sie vielleicht nicht dulden." Man kann es verstehen, wenn nun, nachdem Poincarö diese, wie Harvey sagte, „wichtigste Ministerkonferenz seit Versailles" zum Scheitern gebracht hat, die Franzosen an- sangen, nervös zu werden bei der Frage: Was wird Amerika jetzt tun? Wird es aktiv eingreifen? Das mag ihnen Grund zur Nervosität genug geben. Clemenceau ist bekanntlich nach Amerika gegangen, um den Klingel beutel für eine französische Anleihe herumzureichen. Er ist vielfach nicht sehr liebevoll ausgenommen worden und einzelne, nicht gerade einflußlose Leute wie der Senator und erste Vorsitzende der republikanischen Partei, Borah, hat ziemlich massiv voll dem Blut gesprochen, das noch jetzt aus dem Rachen des „Tigers" triefe. Und Senator Hitchcok, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, hat die indiskrete Frage an Clemenceau gerichtet, warum denn Frankreich, das siegreiche Frankreich, 80 000 Farbige am Rhein zu stehen habe? Peinlich, sehr peinlich. Aber noch peinlicher ist, daß derselbe Hitchcok im Senat einem Antrag zur Annahme verhalfen hat, wonach das Staats departement einen Bericht erstatten soll über die Fort schritte, die mit der Ratifizierung der Washingtoner Ver träge durch die ausländischen Mächte erzielt worden seien. Peinlich, weil Frankreich die Washingtoner Abrüstungs konferenz von 1921 sabotiert, geradewegs praktisch wertlos gemacht hat. Also wie Paulus über die Kreter kann man über das Renommee der französischen Politik in Amerika nur saaen: ihr Ruf ist nicht fein. Es ist vielleicht zuviel gesagt, wenn man behaupten wollte, Amerika stünde unmittelbar vor einem aktiven Ein greifen in die europäischen Irrungen und Wirrungen; aber es geht etwas vor. Vor elf Monaten noch fand man in einer amerikanischen Zeitschrift eine Illustration: Im Vordergrund sitzt „Onkel Sam", gemütlich die Shagpfeife rauchend, und zeigt mit dem Daumen über die Schulter auf ein Haus im Hintergrund, wo gerade eine recht solide Rauferei im Gange ist, die Konferenz von Genua. Unter schrift: „Und da soll ich mich hineinmischen?" Jetzt drängen sich die Meldungen über ein demnächstiges aktives Vorgehen Amerikas in,die europäische Rauferei hinein, und wenn es mit dem großen finanziellen Knüppel, ge nannt interalliierte Schulden an die Vereinigten Staaten, den Hauptkrakeeler zur Ruhe winkt, so mag man daran denken, daß heutzutage Kriege nicht unbedingt mit scharfen Waffen, mit Stahl und Gas, ausgefochten zu werden brauchen. Es genügen auch wirtschaftliche Waffen. „Es geht etwas vor." Am 27. Dezember reist eine englische Kommission nach Washington, um die Regelung der englisch-amerikanischen.Schulden zu besprechen. England ist der größte Kriegsgewinnler, und man hat in der Union — vorläufig! — noch keine große Lust, dem Konkurrenten, der auch durch den Transport zur See während des Krieges enorm verdient hat, übermäßig entgegenzukom men. Aber alle diese Meldungen zeigen, daß man in Amerika sich längst nicht mehr so schroff ablehnend verhält wie noch vor fünf Monaten zur Zeit der Balfournote. Jedenfalls bis zum 15. Januar ist man längst einig, viel leicht — gegen Poincarö. „Es geht etwas vor" und man versteht die französische Nervosität. In Paris spricht man sogar schon von Ab machungen zwischen England « Amerika einerseits und Deutschland andererseits. Mac Cormik, der frühere amerikanische Schatzsekretär, habe mit dem deutschen Reichs kanzler Dr. Cuno über einen Finanzplan verhandelt, wo nach Deutschland „nur" 40 Milliarden Goldmark Repara ¬ tionsschulden zu zahlen haben, wogegen Amerika die kon tinental-europäischen Schulden erlassen, dis englischen redu zieren würde. Aber Frankreich muß dasür gleichzeitig das Rheinland räumen. Nun ist erwähnenswert, daß Mac Cormik jetzt eine große Rolle im Harriman-Konzem spielt, der bekanntlich mit der Hamburg-Ämerika-Linie eng verknüpft ist! Wenns nicht währ ist, ist's wenigstens gut erfunden, dieses Gerücht. Dr. Cuno hat bei seiner, Antrittsrede als Reichskanzler gesagt: „Ich freue mich, daß ich meine amerikanischen Be ziehungen in den Dienst des Deutschen Reiches stellen kann." Vielleicht wird dieser fast unbeachtet gebliebene Satz für Deutschland noch von großer Wichtigkeit werden. q- Mpsomatischs Schritte bis zum 2. Januar. „Times" melden aus Washington: Das Weiße Haus ließ mitteilen, daß die amerikanische Negierung alles mög liche tue, um eine befriedigende Lösung der Schwierigkeiten in Europa zustandezubringen. Präsident Harding wünsche darauf hinzuweisen, daß seine Regierung sich nicht untätig verhalte. Er habe weiter mitgeteilt, daß vor dem 2. Ja nuar nächsten Jahres die nötigen diplomatischen Schritte getan sein würden, um die englische, französische und die anderen beteiligten Regierungen über die Haltung Ame rikas zu verständigen. * Liebesgaben für Deutschland. Der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin, der bereits mehrfach durch Besuch von deut schen Wohlfahrtseinrichtungen, insbesondere auch der Kinder speisungen, ein lebhaftes persönliches Interesse für das ameri kanisch^ Hilfswcrk für Deutschland bekundet hat, richtete an den Deutschen Zentralausschuß für die Auslandshilfe in Berlin an läßlich der Eröffnung einer neuen Sammlung ein Schreiben, in dem er dem Liebeswerk alle Förderung zusägt und hinzufügt, daß die Rot in Deutschland sehr groß rst und daß sie mit dem Fortschreüen des Winters immer mehr anwachsen wird. Diese Tatsache sei ganz augenscheinlich. — Dem Reichspräsidenten Ebert sind wiederum zwölstausend Dollar zur Linderung der deutschen Not aus der Weihnachtssammlung der „Newyorker Staatszeitung" und der von ihr herausgegebencn Blätter über wiesen worden. Die Newyorler Sammlung hat bisher vier undzwanzigtausend Dollar für Deutschland ergeben. ' Rem Mangel an 2U befürchten. Erklärungen des Reichsernährungsministers. Im HaushaltsauZschuß des Reichstages begrüßte Neichsernährungsminister Dr. Luther den Antrag, die Beihilse für die Kinderspeisung um 750 Millionen Mark zu erhöhen. Auf Anfrage eines Abgeordneten stellte der Minister fest, daß bei Anspannung aller Kräfte eins Brot not im laufenden Winter nicht zu erwarten sei. Ein Drittel der Umlage sei abgeliefert. Abge ordneter Schmidt-Köpenick (Soz.) verlangte Auskunft über angebliche Viehverschiebungen nach dem Ausland. > Von feiten der Regierung wurde erwidert, daß irgendeine tat sächliche Feststellung einer Viehverschiebung nach dem Aus lands sich nicht ergeben habe. Ein Antrag, einen höheren Beitrag, und zwar 1750 000 Mark über den jetzigen Etat von 250 000 Mark hinaus, zur Unterstützung der Zentral stelle zur Erforschung der landwirtschaftlichen Betriebs verhältnisse einzusetzen, wurde vomAusschuß angenommen. politische K.unclsckau. 0eutkklrn<t. Zuschläge auf Hypothekenzinsen. Wie von parlamentarischer Seite verlautet, ist es nicht ausgeschlossen, daß in der nächsten Zeit eine Vorlage aus gearbeitet wird, die eine Erhöhung der Hypothekenzinsen vorsieht. Man ist der Meinung, daß es nicht angeht, die Zinsenhöhe nach dem Papicrmarküetrag zu gestalten. Ähn lich wie das Reichsmietengesetz Zuschläge auf die Miete Vor sicht, fallen auch die Hypothekenzinsen gewisse Zuschläge erhalten. Der Gedanke ist vor einiger Zeit im preußischen Staatsministerium entstanden; es verlautet, daß eine in Preußen entstandene Vorlage bereits im Reichswirtschafts- ministerium liege. Schwerbeschädigten-Fürsorge. Im Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstages wurden die Unterstützungen für Juvalidenrentner beträcht lich erhöht. Ein Gesetzentwurf über die Beschäftigung Schwerbeschädigter will den Begriff der Schwer beschädigten auch auf solche ausdehnen, deren Erwerbs fähigkeit wenigstens um 50 herabgesetzt ist. Die Vor Sammelmappe für bemerkenswerte Tages, und Zeitereignisse. * Aus dem Wortlaut des Briefes, den Bonar Law an Dr. Cuno richtete, geht hervor, daß die alliierten Minister „mit aufrichtigem Bedauern" den deutschen Plan „bei der gegen wärtigen Lage" nicht als befriedigend ansehen können. * Die Beamtenbezüge für Dezember wurden um rund 44 gegenüber den Novemberbezügen erhöht. * Poincarö plant neuerdings die Errichtung einer Zollgrenze um das Industriegebiet an der Ruhr. * Lord Grey sprach sich im Oberhause scharf gegen eine Be- setzung der Ruhr ans. Auch — Clemenceau äußerte die gleiche Meinung. * Die Regierung der Vereinigten Staaten ließ Mitteilen, daß sie alles mögliche tue, um eine befriedigende Lösung der Schwierigkeiten in Europa zustandezubringen. läge wurde im übrigen ohne große Änderungen ange nommen. Bei jeder Hauptfürsorgestelle und bei der Reichs- arbeitsverwaltung.werden danach Schwerbeschädig- ten-Ausschüsse gebildet, in denen außer schwerbe schädigten Arbeitnehmern auch Arbeitgeber und Vertreter der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschast sich be finden. Veränderungen in der Reichswehr. Der General der Artillerie, v. Berendt, Ober befehlshaber der Gruppe II in Kassel, ist zum Oberbefehls haber der Gruppe linBerlin ernannt worden, an seine Stelle tritt General der Infanterie Ritter v. Möhl, der bisherige Kommandenr der 7. bayerischen Division und gleichzeitig Landeskommandant in Bayern. Ritter von Möhl wird ersetzt durch den General v. Lossow, bis herigen Kommandeur der Jnfanterieschule in München, der gleichzeitig zum Landeskommandanten in Bayern er nannt worden ist. Smeets wühlt weiter. Der rheinische Separatist Smeets hat ein neues Flu fl- bla t t. verfaßt, das in kurzem in vielen tausend Exem plaren unter die rheinische Bevölkerung verteilt werden soll. In dem Flugblatt werden Kongresse der rheinischen Ureinwohnerschaft in den sämtlichen rheinischen Bezirken angekündigt, in denen folgende Forderungen aufgestellt werden sollen: Eigene rhrjnische Vertretung bei der,Inter alliierten Nheinlandkommission, Abschuh der preußischen Beamten, der preußischen Partei- und Gewerkschaftsführer, Öffnung des Lochs im Westen, Einführung der Frank währung und Errichtung einer freien -neutralen Republik Rheinland. Das ganze Flugblatt ist ein plumpes agitatorisches Machwerk. Abbruch der Abrüstungskonferenz. Die bereits sehr kritisch gewordenen Verhandlungen der Abrüstungskonfe renz sind jetzt völlig a bgebrochen worden. Die Rand staaten haben gefordert, daß nur politische Abmachungen unterzeichnet würden und daß die Beratungen über den militärischen Teil erst drei Monate nach der Ratifi kation der politischen Abmachungen beginnen sollten. Die Russen sind der Meinung, daß dies Versagen der Raud staaten auf ihre Abhängigkeit von den Alliierten zurückzu führen sei. Den Beweis dafür habe die finnische Forde rung geliefert, daß die russische Flotte nur der Finnlands gleich sein dürfe. * Stuttgart. Die Württembergssche Regierung hat sämtliche Versammlungen der Nationalsozialisten bis auf Wei- tercs verboten. Hannover. Die hannoverschen Demokraten sprachen sich auf ihrem Landesparteitag gegen die Loslösung und die Bildung eines neuen Landes Hannover aus. Belgrad. Pasitsch hat die Neubildung des Kabinetts abgelehnt. Man vermutet, daß der König ein Koalitions- Ministerium bilden will. Cancle! unci Verkehr. Neue Höchstbeträge für Postanweisungen. Vom 15. Dezember an wird im inneren deutschen Verkehr der Meist betrag für gewöhnliche Postanweisungen von 10 000 Mark auf 20 000 Mark und der Meistbetrag für telegraphische Postanweisungen von 10 000 Mark auf 100 000 Mark erhöht. Rittergut Wroynowo. Ostmärkischer Roman von Guido Kreutzer. L5s (Nachdruck verboten.) Bengelchen, Hansjürgen — mehr wie ein Dutzend Jahre haben wir uns nicht gesehen! Ganz verändert siehst du aus — kolossal feudal; und hast ein Gesicht bekommen, als ob du der Großmeister des Johanniter-Ordens wärst. Wahrer Segen, daß du noch kein Monokel trägst! Menschenskind — ich geb' dir Brief und Siegel, wir hätten einen ganzen Tag lang nebeneinander sitzen können und nicht im hitzigsten Fieder mär' mir eingefallen, daß du der Hansjürgen bist." „Aber du siehst noch genau so aus wie früher, Onkel." Der Forstmeister umfaßte beide Oberarme seines Gastes mit den Händen und drückte ihn in einen am Fenster stehen den altmodischen Rohrsessel. Holte sich seine Pfeife wieder, rauchte sie schnell an und stellte sich dann breitbeinig vor den jungen Mann. Sein Gesicht strahlte. „Onkel" — sagt er immer noch zu mir. Hat er nicht vergessen, der Bengel. „Onkel" — ganz wie in alten Zeiten. Also du, Hansjürgen — das finde ich großartig von dir, das rechne ich dir hoch an! Da sieht man doch wirklich, daß du trotz der inzwischen hochherrschaftlich ge ¬ wordenen Physiognomie noch immer der alle gute Jungs bist. Und vor allen Dingen natürlich mein herzlichstes Bei leid zum Tode deines Vaters. Eigentlich hätte ich mir bei vernünftiger Überlegung ja selbst sagen können, daß du an einem der nächsten Tage hier auftauchen würdest. Aber weißt du — wenn einer so zwölf oder fünfzehn Jahre lang von sich nichts sehen und hören läßt, dann wird man doch ein bissel irre oder zumindest unsicher und macht sich so langsam mit dem Gedanken vertraut, daß der Betreffende wohl doch in eine andere Weltanschauung rübergerutscht sei. So wie in deinem Fall. Denn weißt du — hin und wieder komme ich ja doch mal nach Berlin. Und jedesmal hab' ich mir auS alter Anhänglichkeit öon Leuten, die dich kannten, so'n bißchen erzählen lassen. Gott, da Hal sich ja was getan — was du für rm Str«b«r, Gefellschaftsminsch geworden und wie glänzend deine Karriere sich angelassen hätte: und was für Aussichten und Beziehungen und Pro tektionen! Also hol's det Deukoel, Hansjürgen — da hab' ich mich einfach als alter unmoderner Waldläufer nicht getraut, dich aufzusuchen. Denn sonst natürlich — kannst dir denken, wie mir das gefummelt hat, so mal ohne An meldung und mitten aus heiler Haut heraus dich in deiner Berliner Wohnung zu besuchen." „Hättest du es doch nur getan, Onkel Dronkau!" . . . versetzte der Jüngere; und saß ganz still in dem alten ge flochtenen Korbsessel und mitten in den breiten/ Sonnen strahlen, die jetzt das Zimmer mit goldenem Glanz über schütteten. Der Alte rückte ihm noch einen Schritt näher. Seine sonst so grimmigen Augen waren ganz groß und dunkel vor lauter Zärtlichkeit. „Tatsächlich, Hansjürgen? Aber ja — ich geb' zu, ich hab' mir von dir ein ganz falsches Bild gemacht. Du bist ja gar nicht so flach und äußerlich geworden; hast Gott sei Dank noch zu viel gesunde Urwüchsigkeit und zu viel schöne Kindheitserinnerungen dir bewahrt, daß aus dir nicht solch öder Asphaltfloh geworden ist! Menschenskind — aber jetzt bist du ja glücklich wieder im Lande: und bleibst auch im Lande, nicht wahr?" Hansjürgen von Schilk starrte versonnen in die breit flutenden Lichtbänder. Er nickte. „Ja — jetzt bleib' ich im Lande. Ich muß ja wohl." Doch da geschah es plötzlich, daß der Forstmeister Dronkau jählings einen Schritt zurückwich ... in sein Gesicht kam ein harter Ausdruck — hart auch klang die Stimme. „Halt, mein Junge — da hast du eben ein Wort ge sprochen. das hier nicht hineingehörk. . . nicht in unsere Wiedersehsnsfreude und nicht ist dies Zimmer hier, das mein Arbeitszimmer ist. Aber es ist trotzdem gut, daß du dies Wort ausgesprochen hast. Denn es gibt mir Veran lassung, mich mit dir jetzt mal ganz ehrlich Äug' in Auge auszusprechen. Was ich im übrigen auch sonst getan hätte und weswegen du ja wohl auch in erster Linie mich aus gesucht hast." „Deswegen, und um dich endlich mal wiederzusehen, Onkel." ' Darauf jedoch antwortete der Forstmeister nicht mehr. Er zog seinen Schreibsesscl heran und setzte sich zu dem Jüngeren dicht gegenüber; und rauchte stark und grübelte lange vor sich hin. Unversehens Hub er an zu sprechen; mit einer Stimme, der man es anmerkte, wie sorgsam und vorsichtig er jedes Wort wog. „Mein Beileid zum Tode deines Vaters habe ich dir ja schon ausgesprochen, Hansjürgen. Du wirst denken, das sei nur eine gesellschaftliche Lebensart, um die ich nicht gut drumrumkäme. Dem aber ist nicht so. Ich weih natürlich, wie kühl ihr euch beide schon immer und insonderheit nach dem Tode deiner Mutter gestanden habt. Schön; oder viel mehr alles andere wie schön. Aber das war^n nun einmal Tatsachen, an denen sich nichts mehr ändern ließ. Dessen ungeachtet bin ich überzeugt und war es immer, daß du deinem Vater in Worten und Taten und Gedanken stets den Respekt des Sohnes entgegengebracht hast. Verstand sich ja auch von selbst bei einer Natur wie der deinigen. Aber durch die zwischen euch bestehende Entfremdung hattest du mit der Zeit natürlich jeden Überblick verloren, was dein Vater nach außen hin tat und trieb und wie er sich inner lich mit sich selbst herumschlagen mußte. Sieh mal, ich könnte dir ja hier nun endlose psychologische Auseinandersetzungen darüber liefern; denn schließlich bin ich mit ihm durch ein ganzes Menschenleben eng befreundet gewesen und habe durch Jahrzehnte Seite an Seite mit ihm gelebt. Drei- bis viermal in der Woche haben wir uns gesehen. Da gibt es dann keine Geheimnisse mehr, die der eine vor dem andern haben könnte; auch keine inner lichen mehr. find dein Vater, Jungchen — war ein stolzer Mensch. War ein Mensch, der bei andern nie Anlehnung und Rückendeckung suchte. Ist auch nie mit dem Herzen auf der Zunge um Nat und Hilfe zu mir gekommen; und ' mich selbst mußt du doch gut genug kennen, um zu wissen, datz ich michnie ungebeten aufdränge. (Lorttetzuns folglJ