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Vie fleifckteuerung Nn erhörte Preissteigerung in kurzer Zeit. Die nicht immer mit natürlichen Gründen zu erklärende Preissteigerungswelle, die seit den ersten Monaten dieses Bähres verheerend über unser Land geht, wurde an diesem oder jenem Ende mitunter doch etwas ruhiger. Gab einen Augenblick Zeit zum Atemholen, wenn auch nicht zur Rettung. Aber auf einem Gebiete zeigte sich nicht die Spur einer Erholung, einer auch nur entfernten Möglich keit für die betroffene Bevölkerung, sich den Verhältnissen onzupassen. Das ist das Gebiet der Fleischversor- § ung. Was hier geschehen ist und noch geschieht, spottet .jeder Beschreibung. Die Preise gingen derart rasend in die Höhe, daß jeder Volkswirt — ganz zu schweigen von den Leuten, die Fleisch zu ihrer Nahrung gebrauchen und nicht imstande sind, es zu kaufen — geradezu sprach- und verständnislos vor der Erscheinung steht. Anfang Januar 1932 kosteten beispielsweise Ochsen, jse nach Qualität Lebendgewicht, der Zentner etwa zwischen WO bis 1100 Marl aus allen deutschen Märkten, Anfang April etwa 1500 bis 2700 Mark, Anfang Juni etwa 2000 dis 3300 Mark. Das ist im Zeitraum von noch nicht einem Halben Jahre eine Erhöhung um 300 Prozent. Die Klein handelspreise folgten dieser Skala pünktlichst und aus reichend, eine eßbare Wurst kostet heute bereits ungefähr 100 Mark das Pfund. Andere Fleischsorten, wie Schwein, Hammel, Kalb erlitten ebensolche Hochschraubungen wie das Rindfleisch. i Die Weltmarktpreise sind längst überschritten, in der Geldentwertung seit Anfanx 1922 findet sich kein siichbalüger Grund für die gewaltige Erhöhung der Preise des Jnlandsfleisches. Erstklassiges Gefrierfleisch aus Übersee ist um die Hälfte billiger zu haben, wenn auch 'nur in beschränktem Umfange und nicht überall. Gewohn heit und Vorurteil mögen vielfach dem Genuß des aus ländischen Gefrierfleisches Hemmnisse in den Weg legen, an Qualität und Bekömmlichkeit ist es dem inländischen Fleisch gleich. Wie erklärt sich der Preisunterschied? Was aber ebenso wichtig ist, festzustellen: Welche Stelle im Staate fühlt sich endlich veranlaßt, die erstaunliche, in kein Gleichmaß zu bringende Verteuerung des inländischen Fleisches einer näheren Prüfung auf ihre Notwendig keit und Zulässigkeit zu unterziehen? Eine dau ernde Entziehung des Fleischgenusses für dreiviertel oder vierfünftel der deutschen Bevölkerung, wie es bei den jetzigen Preisen tatsächlich der Fall sein muß, kann doch unmöglich im Sinne der Reichsämter für Ernährung, Wohlfahrt, Gesundheit, Aufbau usw. liegen. VeMscber Keickstag. (Aus der 230. Sitzung.) Die auf der Tagesordnung der 230. Sitzung an erster Stelle stehende Interpellation der Deutsch,latioualen, über die planmäßige Sicherung der Lebenshaltung der minderbemittel ten Bevölkerung wird, wie die Regierung erklären ließ, inner- balb der geschäftsordnungsmäßigen Frist beantwortet werden. Hierauf wurde der Entwurf über die Erhöhung der patent- amtlichen Gebühren an den Rechtsausschuß verwiesen und alsdann wurde die Beratung der Eetreideumlags fortgesetzt. Abg. Diez (Zentrum) erklärte, daß nur die freie Wirt schaft die Möglichkeit gewäbre, die Erzeugung der Landwirt schaft zu steigern. Die Frage muß mit größter Ruhe und Unparteilichkeit behandelt werden. Die Frage des Preises sei die Hauptfrage. Wogegen sich die Landwirtschaft mit Ent- schiedenbeit wehre, sei, daß sie allein die Hauptlasten trügen solle. Vielleicht könnte die Arbeiterschaft zu den Kosten bei tragen, indem sie Überstunden leistet, deren Ertrag für die Getreidebeschaffung verwertet werden kann. Weiter bemerkte der Redner, daß das Reich aus die Umsatzsteuer für Getreide, Mehl und Brot verzichtet und daß ein Zuschlag auf das markenfreie Brot eingeführt werden sollte. Das Zentrum be- balte sich seine Stellung zur Umlagefrage bis zur weiteren Klärung vor, lehne es aber schon jetzt ab, oaß die Landwirt schaft allein mit den erhöhten Kosten der Brotcrnährung be lastet werde. Abg. Dusche (Deutsche Volksp.) machte darauf aufmerksam, daß sämtliche landwirtschaftlichen Organisationen, daß ferner der Deutsche Landwirtschastsrat, mithin die Vertreter von mehr als 15 Millionen Landwirten, sich einstimmig gegen eine erneute Umlage ausgesprochen haben.. Weiter erklärte er: Ich trete bewußt ein für die Pflicht der deutschen Landwirtschaft zur Ernährung unseres deutschen Volkes. Man erschwere je- tzock nicht unnötig die Erfüllung dieser Pflicht und mache sie nicht durch derartige Maßnahmen geradezu zur Unmöglichkeit. Unser Standpunkt zur Vorlage ist klar und folgerichtig. Die freie Wirtschaft wird gefordert in unserem Programm. Die Zwangswirtschaft bringt einen Rückgang der Produktion mtt sich. Die Landwirtschaft ist bereit, dem Minister 2 Millionen Tonnen Getreide zur rechten Zeit zur Verfügung zu stellen. Wir haben nichts dagegen, daß den Minderbemittelten das Brot billiger gegeben wird, aber man mutz bei der Auswahl vorsichtig sein. (Zurufe von links: „Der gesamte Arbeiter- stand ist minderbemittelt!-) Darüber läßt sich streiten, aber weite Kreise des früheren Mittelstandes können sich nicht mehr ausreichend ernähren. Eine Verteuerung des Brotes ist frei lich auf keinen Fall aufzuhalten. Abg. Trieschmann (Demokrat) erklärte: Meine Partei hofft, daß die Parteien sich in dieser schwierigen Frage noch zusammensinden. Wir Landwirte haben wohl Verständnis für die Rot weiter Kreise, aber es ist seit dem Kriege zu viel Erfassungspolitik getrieben und zu wenig produktionssördernde Politik. Darum drängt die Landwirtschaft nach freier Wirt schaft. Wir hoffen, daß die Umlage, wenn sie nicht zu ver meiden ist, so gestaltet wird, daß sie sür die Landwirtschaft erträglich wird. Abg. Dr. Heim (Bayer. Volksp.): Die Vorräte der vori gen Ernte reichen bis tief in den November hinein. Über die neue Ernte kann man noch nicht urteilen. Durch Umlage Millionen Tonnen herausholen zu wollen, ist ganz un sinnig. Man hat im vorigen Jahre den Bauern gesagt, diese Umlage ist eine einmalige. Sie ist ein Übergang zur freien Wirtschaft. Jetzt müssen wir damit rechnen, daß die Umlage als Dauermaßnahme in Betracht gezogen wird. Abg. Heidemann (Komm.) begann mit Ausfällen gegen den Reichskanzler, der sich zu der Rede des Abg. Dr. Heim einge funden hatte. Diese Ausfälle veranlaßten den Kanzler, den Saal zu verlassen. Weiter erklärte sich der Redner gegen die Vorlage, weil sie nicht weit genug gehe. Nach Schluß der Debatte wurde die Vorlage einem Ausschuß über wiesen. Von unä fern. r Die Elfhundertjahrfeier der Abtei Corvey wurde am 17. Juni durch feierliches Glockengeläuts von allen Kir chen der Stadt Hoexter a. d. Weser und der Ortschaften des Corvever Landes eingeleitet. Tags darauf hielt der Bischof Abtei Corvey. von Paderborn Dr. Casper ein feierliches Pontifikalamt. Die Festrede hielt der Benediktincrpater Prinz Hohenlohe. Nach Schluß des Pontifikalamts fand eine Prozefston und nachmittags auf der Festwiese an der Weser eine große Feftversammlung statt. Als Vertreter des preußischen Mi nisters für Volksbildung, Kunst und Wissenschaft war Mi nisterialrat Dr. Metzner anwesend. Der Rektor der Uni versität Münster, Prof. Dr. Brettschneider, hielt eine Rede, in der er die Zusammenhänge zwischen Christentum und Deutschtum unter Würdigung der besonderen Verdienste der Benediktinermönche in Corvey darlegte. Die Schluß ansprache hielt der Bischof, indem er auf das Beispiel, welches die Benediktinermönche gegeben haben, hinwies und die Nutzanwendung für die heutige Zeit zog. Die Sommerferien in den Provinzen. Sommer ferien sind in Ostpreußen vom 29. Juni Lis zum 1- August; in der Provinz Brandenburg vom 6. Juli bis zum 8. August; in Pommern vom 5. Juli bis zum 4. August, nur in Greifswald vom 15. Juli bis 15. August; in der Pro vinz Sachsen vom 7. Juli bis zum 8. August; in Schles wig-Holstein vom 1. Juli bis zum 1. August; in Kiel und der Umgebung Hamburgs vom 12. Juli bis zum 15. August; in der Provinz Hannover vom 7. Juli bis zum 8. August, in Celle, Klausthal und Göttingen vom 14. Jnli bis zum 15. August; in Hessen-Nassau vm 7. Juli bis zum 8. August; in Schlesien und Oberschlesien vom 13. Juli bis zum 5. August. Die Verlustliste beim Hamburger Schiffsunglück. Nus Hamburg wird berichtet: Trotz eifrigen Absuchens so wohl des Hafens als auch des Schiffsrumpfes des geken terten brasilianischen Dampfers „Ävare" hat man bisher keine Leichen mehr bergen können. Das Heben des Damp fers dürfte schätzungsweise auf 12 Millionen Mark zu stehen kommen. Der Schaden am Schiff ist unübersehbar. Nach den bisherigen Feststellungen werden vermißt von der brasilianischen Besatzung 27 Personen und außerdem 14 deutsche Arbeiter, zusammen 41 Personen. Eine ganze TemSkdesannnkung verschwunden. Durch Bekanntmachung des Polizeipräsidiums in Frankfurt a. M. wird jetzt erst bekannt, daß am 8. oder 9. November 1918 aus einem Eisenbahnwagen der 2. Garde-Division, der von Brüssel nach Deutschland gesandt worden war, eine Gemäldesammlung gestohlen wurde, die u. a. Bilder von Velasquez, Rubens, van Dyck, Paolo Veronese, Adrian Brouwer und andern alten Meistern enthielt. Auf die Wiedererlangung der gestohlenen Bilder, die einen Wert von vielen Millionen haben, ist eine Belohnung von einer Million Mark ausgesetzt. Kampf mit Straßenraubern. Auf der Straße von Döllingen nach Plessau wurden zwei Angestellte der Döl linger Kohlenwerke von zwei Banditen überfallen. Die Räuber hielten den Angestellten Revolver entgegen, ent rissen ihnen eine Geldkasse mit 120 000 Mark Lohngeldern und bedrohten sie mit Erschießen, wenn sie sich verteidigten. Ein Gendarm, der die Verfolgung sofort aufnahm, konnte dis beiden Verbrecher in einem Felde anfstöbern. Es kam zu einem regelrechten Feuergefecht, in dessen Verlauf sich einer der beiden Täter erschoß. Der andere wurde von dem Gendarm schwer verwundet. Das Geld ist bis auf zwei Lohnbeutel aufgefunden. Der Flug Lissabon—Rio de Janeiro vollendet. Bei der Gesandtschaft der Republik Portugal in Berlin ist von der Lissaboner Regierung ein Telegramm eingegangen, in dem mitgeteilt wird, daß von den portugiesischen Offizie ren Gago Contia und Sacadura Cabral, die, wie wieder holt ausführlich berichtet wurde, in einigen Etappen den Atlantischen Ozean im Flugzeug überquerten, nunmehr auch alle Etappen an der brasilianischen Küste durchflogen worden sind. Die beiden Flieger sind in Rio de Janeiro gelandet. Damit ist der Flug von der Hauptstadt des por tugiesischen Mutterlandes nach der Hauptstadt des früheren portugiesischen Kolonialreiches glücklich zu Ende geführt. Allgemeiner GewerklcbaftskongrelZ. Leipzig, im Juni. Am ersten VerhandlungStage folgte auf die Reden der Minister noch der Vorstandsbericht, den der Bundes- vorsttzende Leipart erstattet«. Er behandelte besonders ein gehend die Haltung der Bundesleitung während des Elsen- bahnerstreiks. Beim Eisenbahnerstreik, so führte er aus, ist die ReichSgewerkschast in den Kampf gegangen, ohne sich mit dem Beämtenbund und mit dem Deutschen Eisenbahner, verband zu verständigen, ohne alle Verhandlungsmöglichkeiten zu erschöpfen. Ein Eisenbahnerstteik darf nicht mit irgend einem andern Streik verquickt werden. Seine Folgen sind für die Bevölkerung und besonders für die Arbeiterschaft so schwer, daß wir uns verpflichtet fühlten, den Eisenbahnerstreik erst nach Erschöpfung aller Verhandlnugsmöglichkütrn und nur als wirklich allerletztes Mittel zu billigen. Die Reichs- gcwerkschaft hat durch die Art ihres Vorgehens das Streik recht der Eisenbahubeamten selbst gefährdet. Trotz aller Lohn erhöhungen verschlechtert sich die Lage der Arbeiterschaft von Tag zu Tag. Als Abhilfe empfiehlt man uns die Verlänge rung der Arbeitszeit. Alle Angriffe gegen den Acht stundentag werden wir auf das entschiedenste znrückweisen. Wir treten sür die Erfüllungspolitik ein, geben aber die so zialen Errungenschaften der Arbeiterschaft nicht auf. Der zweite Verhandlungstag brachte die Debatte über diesen Geschäftsbericht, wobei zunächst ein kommunistischer Delegierter scharfe Kritik übte, auf den rin Vertreter der Un abhängigen, ebenfalls mit mancherlei Vorwürfen gegen die Bundesleitung, und weiterhin ein Mehrhcitssozialdrmokrat folgte. ffanäel unä Verkehr. Die Erhöhung der Fernsprechgebühren, die zum 1. Juli in Kraft tritt, beträgt für alle festen und allgemein gültigen Sätze der Fernsprechordnung 160 Prozent, die an die Stelle des bisher nur 80 Prozent betragenden Zu schlages treten. Ausgenommen von dieser Erhöhung sind alle diejenigen Gebühren, welche nur von Fall zu Fall ein- gezogen werden, also die Gebühren für Verlegungen und die Kosten sür die Ausbesserung der Apparate. Ebenso bleiben auch die Bestimmungen über den einmaligen Fern sprechbeitrag unverändert. Infolge der Erhöhung hat das Nerchspostministerium eine außerordentliche Kündigungs frist festgesetzt. Die Anschlutznehmer können ihre An schlüsse oder auch die Nebeneinrichtungen zu den An schlüssen, doppelte Hörer, Wecker usw., deren Gebühren sich ebenfalls erhöhen, bis zum 25. Juni bereits zum 1. Juli bzw. 30. Juni kündigen, so daß durch die Erhöhung der Gebühren eine verkürzte Kündigungsfrist eintritt. Ge ändert wird die Art der Einziehung der Ortsgebühren, die jetzt nicht mehr vierteljährlich, sondern monatlich er folgen soll. 8^ (Nachdruck verboten.) „Natürlich, sowas passiert nur in Berlin!* „Papa, du mußt so gut fein, mir Geld geben." -- „Ich bin heute der reine Geldautomat, da —" Hubert nahm den Hundertmarkschein. „Dann adieu, Papa." „Laß dir den Schein nicht wieder stehlen." „Gewiß nicht." Er ging schleunigst die entgegengesetzte Richtung, ob gleich er vorläufig keine Ahnung hatte, wo er den Spedi teur Knauer finden konnte. Er wußte, daß der Herr Re gierungsrat in solchen Stimmungen schwer zu genießen war, und machte, daß er sortkam. übrigens war die Adresse bald zu finden, und gewandt und nicht so zurück haltend, wie der Herr Papa, saß er schon nach einer hal ben Stunde auf einem ebensolchen Wagen und fuhr dem Lützowplatz entgegen. Er war jetzt wieder vergnügt und bereit, ein Aden- teuer zu erleben, und siehe da, das Geschick schien ihm gün stig. Am Leipziger Platz bemühte sich ein ganz allerlieb stes Mädchen, das eine schwere Aktenmappe trug, den Roll wagen zu besteigen. Kein Wunder, daß ein abenteuerlusti ger Referendar wie Hubert, ihr galant die Hand entgegen- streckte, die sie ohne Zögern ergriff. Ein rascher Schwung, und das reizende Mädchen landete neben ihm auf dem freien Sitz auf der Bank. „Danke sehr." „Aber bitte, gnädiges Fräulein!" Sie lachte aus vollem Halse, und das machte ihr hübsches, kluges Gesicht noch netter. „Die böse Straßenbahn." Er versuchte ein Gespräch. „Aber im Gegenteil, mir macht das riesigen Spaß, übrigens hat's viel Gutes. Man braucht nicht so pünkt lich im Bureau zu sein." „Gnädiges Fräulein sind im Bureau?" , . „Natürlich, aber jetzt fahre ich heim. Heute schließen wir früher." „Sie wohnen am Lützowplatz?" „I wo, ich wohne gar nicht in Berlin. Ich wohne in Hermlitz." „Hermlitz? Wo liegt denn das?" „Sie kennen Hermlitz nicht? Zwanzig Minuten Stadtbahn." „Ich bin erst seit gestern in Berlin. Wir suchen erst Wohnung." „Ach herrje, das tut mein Chef auch, gelingt ihm aber vorbei." „So schwer ist's?" „Rein unmöglich. Aber wir wohnen im Vorort. Prachtvoll. Dicht am Wald. Großer See. Mir kann Merlin gestohlen bleiben." „Da müßte man auch nach Hermlitz ziehen." t- „Kriegen Sie auch keine Wohnung." Die «»gezwungene Art, wie das Mädchen plauderte, entzückte Huberts leicht erregbares Herz — er suchte nur nach einer Gelegenheit, sich vorzustellen, da sagte sie plötzlich: „Hallo, da ist Vlumeshos, da wohnt der Olle. Auf Wiedersehen und nochmals danke schön!" Ehe er noch etwas sagen konnte, war sie leichtfüßig von dem fahrenden Wagen abgefprungen und stand nun unten, nickte ihm noch einmal lachend zu, denn er hatte ihr auch gefallen, und verschwand in einem Hause. Am liebsten wäre Hubert gleichfalls abgesprungen und hätte einfach vor der Tür gewartet, aber das ging noch nicht. Sie war ja ein anständiges Mädchen, das sah man ihr an, wenn sie sich auch etwas burschikos gab. So fuhr er denn weiter, aber Berlin gefiel ihm heute doch schon wesentlich besser! Indessen war der Herr Regierungsrat die ganze Potsdamer Straße hinuntergegangen. Er wäre bis Danzig zu Fuß gelaufen, ehe er sich herabgelassen hätte, einen Rollwagen zu besteigen. So oft ein solcher vorüber kam, schämte er sich noch seiner Frau und seiner Tochter! Aber auch der längste Weg hat ein Ende, und endlich stand er, trotz des kalten Oktobertages, schweißtriefend vor dem Wohnungsamt. Ein Pförtner empfing ihn. „Wohin?" „Ich fuchs eine Wohnung." „Erster Stock, dritte Tür." Wieder ein Diener und ein langer Korridor, auf dem eine Menge wartender Menschen auf Holzbänken saß. Feine Herrschaft und Arbeiter. „Ich suche eine Wohnung.* „Hier." Der Mann gab ihm eine Pappkarte mit einer Nummer. „Ich habe nicht lange Zeit." „Dann hätten Sie erst gar nicht kommen sollen." „Erlauben Sie, in welchem Lone sprechen Sie mit mir? Ich bin der Regierungsrat Dieterici aus Danzig." „Das geht mich nichts an, ich teile nur die Nummern aus." „Bitte, melden Sie mich." ! „Allens nach de' Reihe. Sie haben Nummer zwölf, jetzt ist viere dran." „Wo ist das Wartezimmer?" „Hier!" „Da soll ich — „Herrjott, Mann, sein Se nich' so langweilig. Wollen Se de Nummer oder nich'? Hier warten noch mehr!" Der Regierungsrat sah, daß ihm schon wieder das Unangenehmste geschah, was es für ihn gab, daß die Men schen aufmerksam wurden. Er nahm seine Marke und stellte sich an das Fenster. „Nummer fünf!" Eine dicke Frau stand auf und verschwand in einer Tür. Das ganze Selbstbewußtsein des Herrn Regie rungsrates empörte sich — er war zu einer einfachen Num mer herabgesunken. Es dauerte eine Viertelstunde, dann kam der neue Ruf: „Nummer sechs!" (Fortsetzung folgt.)