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Auszahlung -er neuen Gehaltserhöhungen. Berlin, im Mat. Der Hauptausschuß deS Reichstages hat das Haus haltsgesetz uns die Larin enthaltenen neuen Gehalts erhöhungen angenommen. Danach beträgt der Teue rung s z u s ch l a g zu den Bezügen der planmäßigen und außerplanmäßigen Neichsbeamten L) vom 1. bis 30. April 1922 zu dem Grundgehalt, den Diäten und den Ortszuschlägen, so weit diese Bezüge den Betrag von insgesamt 10 000 Mark nicht übersteigen, 60 Prozent, im übrigen 30 Prozent; b) vom 1. Mai 1922 ab zu dem Grundgehalt, den Diäten und Ortszuschlägen, so weit diese Bezüge den Be trag von insgesamt 10 000 Mark nicht übersteigen, 120 Pro zent, im übrigen 65 Prozent. Außerdem zu den Kinder zuschlägen 65 Prozent. Ein Regierungsvertreter erklärte nach Annahme der Regierungsvorlage, daß nunmehr die Kassen sofort angewiesen werden, den Beamten die Erhöhungen auszuzahlen. Ein fälsckergeme. Die Laufbahn eines politischen Hochstaplers. Berlin, im Mak. Die Berliner Kriminalpolizei hat, wie gemeldet, in der Person eines gewissen Erich Anspach einen unge wöhnlichen Verbrecher, der im Grunde aber ein ganz ge wöhnlicher gewerbsmäßiger Fälscher war, dingfest gemacht. Vor etwa sechs Wochen wurde eine Massensälschnng von Reifezeugnissen entdeckt. Der Hauptschanplatz des Schwindels war Breslau, und einer der Hauptbeteiligten war ein zunächst unbekannter angeblicher Doktor, dessen Spur nach Berlin führte. Hier wurde er denn auch er mittelt als der 24 Jahre alte Erich Anspach, der der Polizei als Pfandscheinfälscher schon bekannt war. Bald daraus wurde er gefaßt, und nun wurde das ganze gefährliche Treiben des Fälschers, das auch auf das politische Gebiet hinüberspielte, aufgedeckt. Erich Anspach stammt aus .Hamme bei Bochum und ist der Sohn eines ehemaligen Pfarrers; seine Mutter ist eine Engländerin. Als er 16 Jahre alt war, ging er mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder als Schiffsjunge aus See und wurde eines Tages in gänzlich verwahrlostem Zustande von einem Deutschen in Vancouver angetroffen und nach Deutschland zurückgeschickt. 1914 wurde die Ehe der Eltern durch Verschulden des Mannes geschieden. Erich zog in den Krieg, wurde schwer verwundet und schrieb während eines fast zweijährigen Aufenthaltes in hanno verschen Lazaretten mehrere Aufsätze, die auf Umwegen zur Kenntnis des Kultusministeriums gelangten und dem Verfasser die Erlaubnis verschafften, ohne Abiturienten zeugnis in Göttingen an den Universitätskursen für Kriegsbeschädigte teilzunehmen. Hier kam er mit Kom munisten in Verbindung, geriet wegen Landesverrates in die Hände der Strafbehörden, war dann eine Zeitlang in einer Irrenanstalt und wirkte nach der Revolution kurze Zeit als Mitarbeiter der „Freiheit". Seinen Doktortitel, den Dr. jur., will er durch Vermittlung Wigdor Kopps von der bolschewistischen Universität in Kasan erlangt haben. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß Anspachs Schwester mit einem Mitglied der finnischen Ge sandtschaft in Berlin verheiratet ist. Anspach soll sich verschiedenen Leuten gegenüber mit seiner Fertigkeit im Fälschen gebrüstet und voll Stolz er klärt haben, daß er der geschickteste Fälscher deS Jahrhunderts und durch seine Fälschungen der eigentliche Leiter der Außenpolitik des Deutschen Reiches sei. Er lieferte der Entente alles, was sie brauchte, um an das Deutsche Reich fortgesetzt neue Noten und Forderungen zu richten. Die „amtlichen Geheimberichte", die vielen Roten der Franzosen als Unterlage dienten, waren nichts anderes als ungemein geschickte Fälschungen des „Dr. Anspach". Wer ihm die unzähligen Stempel und Vor drucke, die er für seine Fälschungen brauchte, angcfertigt hat, ist noch nicht bekannt. Es finden sich unter den Stem peln solche von der Reichskanzlei, vom Auswärtigen Amt, vom Reichsarbeitsministerium, vom Reichswehrmimste- rium, von preußischen, bayerischen und hessischen Mini sterien, von den Kommandos der Schutzpolizei mehrerer Staaten u. a. m. Der Schutzpolizei wandte der Hochstapler seine besondere Aufmerksamkeit zu. Er berichtete der Entente über die Organisation dieser Polizei und über die Reichs wehr die unglaublichsten Dinge, aber man glaubte tdm jenseits des Rheins alles und noch einiges, und General Rollet samt dem ehemaligen französischen Kriegsminister Lefövre ließen in der Kammer und in Noten einen ganzen Stapel von Angriffen gegen Deutschland los, weil es die Bestimmungen des Versailler Vertrages über die Schutzpolizei gebrochen haben sollte. Auch daß die Stu dentenschaft auf dem Tempelhofer Felde unter Billigung der Regierung und des Berliner Magistrats militärische Übungen abhalte, wußte der Meisterfälscher zu berichten. In ihrem ganzen Umfange sind seine Fälschungen noch nicht aufgedeckt, und wer weiß, was noch ans Licht kommt. freispruck im fecbenbacb-pro2eü Eisners Dokumentenfälschungen. München, im Mai. In dem Prozeß, den der Unabhängige Sozialist Fechenbach gegen mehrere Münchener Redakteure an gestrengt hatte, weil diese in ihren Blättern behauptet hatten, daß der (später ermordete) bayerische Minister präsident Eisner, dessen Sekretär Fechenbach gewesen war, diplomatische Dokumente gefälscht habe, um Deutsch lands Schuld am Kriege zu erweisen, wurde das Urteil gefällt: Die Angeklagten Prof. Coßmann (Süddeutsche Monatshefte), Redakteur Müller (Münchener Neueste Nachrichten) und Chefredakteur Osterhuber (Baye rischer Kurier) werden freigesprochen. Der Ange klagte Dr. Abelmeyer (Bayerisches Vaterland) wurde wegen übler Nachrede zu 500 Mark Geldstrafe verur teilt. Der Kläger Fechenbach hat die Kosten des Verfahrens gegen die drei erstgenannten Angeklagten zu tragen. In der Degründung des Urteils wurde dargelegi, daß Eisner mit Überlegung Dokumente gefälscht hat, um die Schuld Deutschlands zu beweisen. Tatsächlich erweise der Schönsche Bericht das Gegenteil: er sage vor allem, daß Deutschland ehrlich bemüht gewesen sei, den Konflikt auf Österreich und Serbien zu lokalisieren. Weiter gehe aus den Gutachten und Aussagen der Sachverständigen und Zeugen hervor, daß Deutschland keinerlei doppelte diplo matische Buchführung hatte und am Ausbruch des Krieges vollkommen unschuldig war, daß es aber durch Eisners Fälschungen in Versailles wesentlich als kriegsschuldig be lastet worden ist. Von uncZ fern» MMonenbeute in Berliner Pensionaten. In einer Pension im Berliner Westen wurden Kleidungsstücke und bares Geld im Gesamtwerte von etwa 114 Millionen Mark gestohlen. In einer anderen Pension fielen Ein brechern Pelze für mehr als eine halbe Million Mark in die Hände. Für die Herbeischaffung der gestohlenen Ge genstände wurde von den Geschädigten eine Gesamtbeloh nung von mehr als 250 000 Mark ausgesetzt Kriegsgräbcrfürsorge. Der Tagung des „Volks bundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, e. V.", die in Leipzig stattsand, wohnten Vertreter aus fast allen Teilen des Reiches bei. Der Vertretertag richtete an die Konfe renz in Genua die dringende Bitte, zu einem entsprechen den Zeitpunkt der Millionen Toten des Weltkrieges zu ge denken und in Durchführung der Artikel 225 und 226 des Versailler Vertrages für die dauernde Erhaltung der Ruhestätten aller Gefallenen eine feierliche Proklamation zu erlassen. Die Vorbereitungen für den beantragten Volkstrauertag sollen an allen Orten rechtzeitig getroffen werden, damit geschlossenes Vorgehen die Gewähr für würdige Feiern gebe. Die Zahl der Verbände und Orts gruppen des Volksbundes hat 500 überschritten. Einschienrnwagen im bayerischen Eisenbahnbetrieb. Im Bezirk der EifenbahndireMon München wurden ver suchsweise Einschienrnwagen in Gebrauch genommen. Die Wagen finden nicht im eigentlichen Eisenbahnverkehr Ver wendung, sondern nur als Beförderungsmittel bei Bahn bauten, GleisSauarbeiten usw. Da nur eine Schiene zu ihrer Vorwärtsbewegung nötig ist, können sie ohne weitere Vorarbeiten in jedem beliebigen Gelände verwendet werden. Amerikanische Deutschlandfahrer. Der Dampfer „Hansa" der Hamburg-Amerika-Linie, der von Mitgliedern des Plattdeutschen Volksfestvereins Amerikas zur Fahrt nach Hamburg benutzt wird, ist am 8. Mai vom Newyorker Hasen mit nahezu 1000 Reisenden abgegangen. Bei der Abfahrt kam es, wie aus Newyork gemeldet wird, zu be geisterten Kundgebungen. 5000 Personen gaben den Deutschlandfahrern das Geleit. Unter großem Jubel und Hurrarufen verließ die „Hansa" den Hafen . * Halle. Der Sparkassenrendant und Siadtrat Haase der Sparkasse Güntersberge im Harz erschoß sich, nachdem die Kon trollkommission Unterschlagungen in Höhe von 175 000 Mark entdeckt hatte. London. Nach Nachrichten aus Kopenhagen ist in den Pe troleumfeldern von Baku ein Riesrnbrand ausgebrochen. Es sind übermenschliche Anstrengungen erforderlich, um eine Katastrophe in dem gesamten Distrikt von Snrckhanski zu ver meiden. Mehrere Brunnen sind bereits vollständig zerstört. Volkswirtschaft. Eine Abänderung des WeingesctzeS wird dem Reichstag demnächst zugehen. Ms „Kognak" dürfen danach nur die Er zeugnisse der Charente bezeichnet werden, während anderen Trinkbranntweinen, die bisher als Kognak bezeichnet werden dursten, die Bezeichnung „Weinbrand" beigelegt wird. Frachtermässigungen für Kali. DuS dem Rcichsverkehrs- ministerium verlautete, daß alsbald ein Sommerlarif für Kalisalze für das Gebiet der Reichsbahn eingeführt werden soll. Die neue Tarisregelung besteht darin, daß an Stelle der bisher gleichmäßigen Ermäßigung von 20 Prozent in Zukunst gewährt werden: in den Monaten Mai, Juni und Juli 38 Prozent, August SO Prozent, September, Oktober, November 1S Prozent, Dezember 20 Prozent, Januar, Februar 1ö Pro zent, März, April 20 Prozent. Die stärkere Tarifermäßigung in den Sommermonaten wird also durch Verringerung der Ermäßigungen in den Wintermonaten ausgeglichen. Schweizer Industrien verlegen ihre Tätigkeit nach Ame» rlka. Zahlreiche Schweizer Jndusttiemtterncbmungen sind neuerdings nach Amerika verpflanzt worden. So haben einige der bekanntesten Stickereifabrilen in der Nähe von Rewvork bereits die Arbeit ausgenommen. Die bekannten Schokoladen fabriken Nestlö, Peter, Cailler und Kohler eröffnen demnächst neue Schokoladenfabriken in den Vereinigten Staaten, und auch die Firma Suchard schickt sich an, dort eine Fabrik crnzu- richten. 6encl)tska!le. Ein sensationeller Mordprvzcß. Der vor zwei Jahren an dem Teppichhändler Neißer in Berlin, einem Bruder dc§ in Breslau verstorbenen berühmten Hautarztes Prof. Neißer, verübte Raubmord, der seinerzeit großes Ansehen erregte, ge langt jetzt vor einem Berliner Schwurgericht zur Verhand lung. AlS Anstifterin deS Verbrechens ist Frau Helene Spanier angeklagt, als ihre Helfershelfer der Drogist Gustav Passarge, genannt „Matrosen-Willi", und der Mechaniker Harrv Selzer. Frau Spanier ist in Berlin als eine sehr anrüchige Persönlichkeit bekannt und soll als Leiterin einer großen Verbrechergescüschaft systematisch Raub und Mordpläne ersonnen Haden. Sie entstammt einer wohl habenden Familie und war mit einem Frauenarzt Dr. Stein, der gleichfalls eine Reihe von Straftaten begangen hat, ver heiratet. Ursprünglich betrieb sie Schiebergeschafte mit Lebens mitteln, Gold und Brillanten, um sich dann „schärferen Sachen" zuzuwenden. Sie ist mit ihrer Bildung und Intelligenz ein Verbrechertypus, wie er sich sonst nur in Hintertreppen romanen findet. Ten befahrten Teppichbändler fallen die drei Angeklagten während eines fingierten Teppichkaufs, bei dem sie einen Wortwechsel in Szene setzten, erdrosselt haben. Die Angeklagten bestreiten ihre Schuld, obwohl Passarge im Er mittlungsverfahren ein Geständnis abgelegt hat. Verrat militärischer Geheimnisse. Die Strafkammer in Frankfurt a. M. verurteilte wegen Verrats militärischer Ge heimnisse den Privatdetektiv Kurt Baumbach aus Wiesbaden zu drei Jahren acht Monaten Gefängnis. Die Verhandlung sand unter strengstem Ausschluß der Öffentlichkeit statt, auch vie Urteilsbegründung wurde hinter verschlossenen Türen be- kanntgegeben. Die Vxplosionskatastrophe bei Marlenstcl. Vor der Olden burger Strafkammer stand als Angeklagter der Kapitänleut nant Lange, der das große Explosionsunglück, das sich im September 1920 zu Mariensiel bei Wilhelmshaven ereignete, verschuldet haben sollte. Da dem Angeklagten keine Fahr lässigkeit bei der Leitung des GranatenentschärfungsbetriebeS nachgewiesen werden konnte, erfolgte Freisprechung und Über nahme aller Kosten aus die Staatskasse. Der Explosion waren 18 Personen zum Opscr gefallen, 21 wurden schwer verletzt. Ein Jahr früher fand bei Wilhelmshaven eine ähnliche Ex plosion statt, bei der 21 Tote zu verzeichnen waren. Auch da mals konnte dem Leiter des Betriebes keine Schuld nachge wiesen werden. Ilm die Heimst. Roman von Bruno Wagner. 48s (Nachdruck verboten.) Die Wolkenwand stand tiefschwarz am nördlichen Him mel; man sah, wie sie sich herausbewegte. Aber Karoline wollte noch nicht umkehren. „Laß uns noch dahinten lang gehen," sagte sie, „wo der große Schuppen steht. Der Weg am Waldrand ist so schön." Das war ein Umweg von zehn Minuten. Stahmer trieb zur Eile. Er sah, daß das Weiter schnell heraufzog. Ein Stück gingen sie schweigend nebeneinander her. Karo line verarbeitete in sich die Eindrücke, die eben auf sie ein- gestürmt waren. Schließlich sagte sie — flockend, als könnte er merken, worauf sie hinaus wollte: „Und das alles bekommst du einmal, wenn dein Vater stirbt?" „Oder wenn ich heirate und der Alte mir den Hof auf- läßt." Sie war flehen geblieben, um am steinigen Feldrande ein paar wilde Stiefmütterchen zu pflücken, von denen da Ler Boden bunt gesprenkelt war. „Wie gut muß es die haben, die dein« Frau wird," sagte sie und sammelte eifrig die winzigen Blumen. Er schlug mit der flachen Hand auf ihre beim Bücken vornüber gebeugten Schultern. „Hättest wohl Lust, Mädel? Du könntest mir schon passen!" Sie hatte sich ausgerichtet und sah ihm erwartungsvoll inS Gesicht, ans dem die blanken braunen Augen sie begehr lich anloderten. Da grollte plötzlich der erste Donner. Dumpf und bedrohlich hallte es über das weite L nd; und nun fuhr ein heftiger Windstoß über die Felder und wil delte den Staub in hohen Wolken- auf. Man sah, wie der Ger sich mit weißen Schaumkronen bedeckte. „Jetzt müssen wir lausen!" sagte Stahmer, „f»nst wer den wir naß. Nach Hause kommen wir nicht mehr. Da unter dem Schuppen finden wir Schutz." Und sie liefen. Wer die ersten Tropfen fielen schon. ehe sie das schirmende Dach erreicht hatten. Der Schuppen bestand nur aus einer Bretterwand und einem mit Teer pappe belegtem Dach auf Stützen. Die eine Hälfte war mit Roggcugarbrn bis zum Dach gefüllt, die in den Scheunen nicht mehr Platz gefunden hatten; in der anderen lag Heu in hohem Haufen zum Trocknen. Hier waren sie geborgen. Atemlos waren sie angelangt. Nun setzte der Regen in Strömen ein. Sie waren hier ganz trocken. Der Roggen schützte sie, und im Heu saßen sie weich und bequem. Vor ihnen beugten sich die Knicks mit wehenden Zweigen vor der Gewalt des Sturmwindes. ES fing an, dunkel zu werden. Ab «nd zu flammten rötliche Blitze. Aber die Schläge waren nicht häufig; sie schienen sich in den Wolken zu entladen. Dennoch hatte Karoline große Angst. Sie schmiegte sich dicht an Stahmer; und so saßen sie nebenein ander. Draußen rauschte das Wasser. Drinen wurde kein Wort gesprochen. Sie' sahen beide hinaus in das Toben der Natur, — er mit dem geweckten Auge des Land mannes, dem der Acker und die Weide, Wind und Wetter «ine verständige Sprache reden, — sie mit dem dumpfen SchutzbedürsniS des WeibeS, das sich neben dem Mann« geborgen fühlt. Endlich schien das Wetter nachzulassen. Die dicke Wolkenwand war schnell vorübergegangen. Aber es regnet« noch aus grauem Schleier. Erfrischende Kühle wehte herein, und das Heu duftete lieblich. „Wir können bald gehen," sagte er. Dabei sah er, wie ihre schönen Rügen, deren Graublau an leuchtender Tiefe gewonnen zu haben schien, angstvoll auf ihn gerichtet waren. „Wie schade," sagte sie leise. „Ich hätte immer so mit dir sitzen mögen." Da überkam cs ihn Heitz. Mit beiden Armen riß er sie an sich heran. „Hast Lu mich denn lieb?" fragte er sie. Sin« namen lose Angst packte st« plötzlich. Da ritz sie sich los und sprang «ns. Er stand vor ihr, zitternd vor Erregung. „Was denkst du von mir?" sagte sie. Und dann fügte sie zornig hinzu; „Wenn du mich wirklich lieb hast, dann behandelst du mich nicht so! Wenn ich deine Frau dir?, dann —" Mitten im Satze brach sie ab. Sie hatte das Erschrecken auf feinen Zügen gesehen. Einen Augenblick standen sie beide und sagten kein Wort. Zwischen seinen Brauen hatte sich eine finstere Falte eingegraben, und mit den Zähnen biß er auf feine Lippen. Dabei sah er sie an mit düstere» verzehrenden Blicken. Sie hatte angstvoll seinen Blick er widert. Dann wandte sie sich ab, und ihre Lippen bebten vor aufsteigendem Schluchzen. „Daö willst du denn von mir, wenn du mich nicht heiraten willst?" sagte sie tonlos. Da packte er sie gewalt sam bei beiden Schultern und dreht« sie wach sich herum, daß sie sich Auge in Auge gegenüberstemden. „Lieb hab ich dich, Mädchen, rasend lieb, — muß ich dirs erst sagen? Und daß du mich lieb hast, weiß ich längst. Und nun fragst du, ob ich dich heiraten will? Frage, ob ich dich heiraten kann! Ich bin ja nicht mein freier, eige ner Herr. Ich habe doch -den Hof; und wenn ich heirate, muß eS eine reiche Bauerntochtcr sein. Das kann ich nicht ändern; und wenn ichs tausendmal wollte." Mit zornsunkelnden Augen sah sie ihn an. Und dan» drehte sie sich ganz rasch um. Mitten durch den Regen lief sie über daS nasse Stoppelfeld. Sie fühlte nicht, wie sie durch und durch naß wurde. Sie lief nur immerzu, — lief, war sie konnte, bis sie endlich in ihrer Kammer i» Lehrerhaus« angckommen war. Sechzehnter KaptteL Karoline Jessen stand am Fenster der Wohnstube. El» paar dicke Tränen fielen aus ihren Augen; denn sie war sehr unglücklich. Seit zehn Tagen war sie nnn Johannes JeflenS Fra» und wohnte im Schulhause zu Neuendamm, und eben hatte ,S den ersten ehelichen Zwist gegeben. War konnte sie daskr, wenn sie sich in der ,ux»n Wohnung noch nicht zu- recht fand? (Fsrtss-ung folgt.).