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G Qbcrbürg-rmeiktc« Scheidemaun. zwei Schüsse abgcben, durch die indessen niemand verletzt wurde. Dann brach er zusammen. Die Bewußtlosigkeit dauerte längere Zeit, dann kam Scheidemann wieder zu sich und konnte in seine Wohnung gebracht werden. Der Gummiball enthielt Blausäure, rin bekanntlich schnell tötendes, aber an der Lust verdunstendes Gift. Diesem Umstande verdankte Scheidemann seine Ret tung. Das Gift betäubte ihn nur. Der Attentäter lief davon und zur nächsten Bahnstation, wo er mit einem ab fahrenden Zug flüchtete. Man nimmt an, daß er auf der nächsten Haltestelle wieder ausgestiegen ist. da eine Durch suchung dev Zuges erfolglos blieb. Die Augenzeugen haben durchweg angegeben, daß das Äußere des Atten täters auf einen Angehörigen der besseren Stände schließen läßt. Ein in Kassel verhafteter junger Mann, der sich durch Redensarten verdächtig gemacht hatie, wurde wieder entlassen, da er mit dem Attentat nichts zu tun hatte. Der Regierungspräsident hat auf die Ermittelung des TäterD eine Belohnung von SOM Mark gesetzt. Scheiveamnn, der andauernd zahllose Drohbriefe erhielt, trug seit längerer Zeit stets einen Revolver bei sich, um im Notfall gegen Attentäter gerüstet zu sein. Der vergrabene KrillantenlcbatL. Eine baltische Adelsfamilie als Schwindler verhaftet. Berlin, im Juni. Eine baltische Adelsfamilie, deren Spezialität Brillan ten und Perlen waren, wurde hier hinter Schloß und Riegel gebracht. Es sind eine Frau Elisabeth von Lüding hausen-Wolf und deren zwei Kinder, die 28jährige Vera und der 18jährige Alexander von Lüdinghausen. Die Familie ist vor zwei Jahren aus den Ostseeländern nach Berlin gekommen und lebte auf großem Fuße. Der junge Baron nannte sich gelegentlich auch Herzog von Kurland. Schon vor einem Jahre gab die Familie der Polizei Anlaß, sich mit ihr zu befassen, es gelang ihr aber noch, sich loszuschwindeln. Damals handelte es sich um eine wertvoolle Perlenkette (fünf Millionen Mark), die der junge Baron einem Berliner Juwelier angeschmiert hatte. Die Perlen waren, wie sich dann herausstellte, unecht, aber so täuschend nachgeahmt, daß man der alten Baronin die Ausrede glaubte, sie hätte von der Unechtheit des „alten Familienstücks" selbst nichts gewußt. Ein gar zu frecher Schwindel brachte jetzt den Krug zum Brechen. Am Pfingstsonnabend erschien der junge Baron mit seiner „eben aus Moskau mit vielen Millionen angekommenen" Schwester bei einem andern Juwelier. Er hatte früher schon, um Vertrauen zu erwecken, bei diesem Einkäufe ge macht und bar bezahlt. Diesmal sollten Millionen in Ju welen angelegt werden, deshalb wurde der Juwelier auf- gcsordert, sich in einem Pensionat am Magdeburger Platz einzufinden und für 5 bis 10 Millionen Mark Juwelen vorzulegen. Nach einigem Bedenken kam der Juwelier der Aufforderung nach. In der Pension war die alte Baronin, welche die Juwelen genau besichtigte. Darauf ging das Geschwisterpaar ins Nebenzimmer und nahm die Juwelen mit, während der Juwelier von der Baronin durch ein Gespräch zurückgehalteu wurde. Als dem Juwelier die Sache verdächtig wurde, ergab sich, daß die beiden jungen Leute verduftet waren. Die Mutter aber kehrte den Spieß «m und behauptete, der Juwelier habe einen L -rfall auf sie versucht; sie eilte ans Telephon, um Hilfe herbeizurufen. Als der Juwelier auf die Straße kam, um die Polizei zu holen, waren auch die Geschwister wieder da; diese be schuldigten den Juwelier, bei ihnen eine Kassette mit SOO 000 Mark gestohlen zu haben, von mugebrachten Ju welen wüßten sie nichts! Es blieb der Polizei nichts übrig, als zunächst einmal alle vier in Haft zu nehmen. Inzwischen aber hatte die Polizei erfahren, daß die Fa milie Lüdinghausen noch bei einem andern Juwelier einen Betrugsversuch unternommen hatte. Nun legten die Herr schaften ein Geständnis ab. Die von dem Juwelier mitgebrachten und verschwun denen Juwelen wurden im Tiergarten an einem Reit wege vergraben aufgefunden. Die beiden jungen Leute hatten der Schatz dort, während die Mama mit dem be stohlenen Juwelier schwatzte, in aller Eile verscharrt und waren dann zurückgekommen, um ihn des Diebstahls zu bezichtigen. Wie gewöhnlich in solchen Fällen, melden sich jetzt nach und nach noch mehr Geschädigte, die von der Fa milie auf mehr oder minder raffinierte Art hineingelcgt worden sind Vas Attentat auf Gc^eiäemann. Vergistungsversuch mit Blausäure. Der Angriff gegen Philipp Scheidemann, den früheren Ministerpräsidenten, jetzt Oberbürgermeister von Kassel, wurde am ersten Pfingstfeiertage verübt, als Scheidemann mit seinerFamilie im Park von Wilhelmshöhe spazieren ging. Entgegen den ersten etwas übertriebenen Nachrichten ist festzustellen, daß Scheidemann keinerlei Ver letzungen erlitt. Er scheint auch von den Folgen des Attentats, das in einem Vergiftungspersucy bestand, ziem lich wioderhergestellt zu sein, so daß er bereits wieder eine Ausfahrt unternehmen konnte, über den Vorgang bei dem Attentat ist zu berichten: Ein junger Mann von etwa 22 bis 25 Jahren, der mit Scheidemann in derselben Richtung ging, überholte ihn, drehte sich dann um und hielt ihm einen mit einer Spritze versehenen Gummiball vor das Gesicht und spritzte eine Flüssigkeit gegen Scheidemann. Daraus ließ der Täter den Ball fallen und entfloh. Scheidemann wurde Übel, aber er konnte noch eine Pistole aus der Tasche ziehen und «iuem Papierzelt «MMLru, und unter der Hülle wird Dl au- säure entwickelt, die man dann einige Stunden einwirken läßt. Der Name „Blausäure" kommt daher, daß man die Verbin- düng zuerst als einen Bestandteil der bekannten Farbe „Ber- liner Blau, Preußisch Blau" usw. kennen lernte und sie für den farbenbildenden Stoff hielt. Die Blausäure ist selbst ganz farblos. Von ^ab unck fern. > Ein Rembrandt gestohlen. In der Nacht zum Pfingst montag wurde aus der staatlichen Gemäldegalerie in Stuttgart Rembrandts Gemälde „Paulus im Gefängnis" gestohlen. Der Wert des Bildes wird auf 5 Millionen Mark geschätzt. Von den Tätern fehlt jede Spur. Für lhre Ermittlung und die Herbeischasfung des Bildes ist eine Belohnung von 50 000 Mark ausgesetzt. Bom Vater ermordet. Der Berliner Kriminalpolizei ist es nach langen und schwierigen Ermittlungen gelungen, den Schuhmacher Theodor Mischke aus Berlin-Neukölln des Mordes an seinem zwölf Jahre alten Sohn zu über führen. Mischke hat den Knaben, der ihm zur Last gewor den war, in den Teltowkanal geworfen. Bestattung der Opfer des Essener Grubenunglücks. Am Pfingstmontag fand in Essen die Bestattung der 23 Die Blausäure, chemisch Cyanwasserstoff genannt, ist eins der gefährlichsten Gifte. Von wasserfreier Blausäure wirkt schon die geringe Menge von sechs Hundertstelgramm tödlich. Der Vergiftete stürzt zusammen, es treten Krämpse ein, die Lungen werden gelähmt, In wenigen Augenblicken erlischt das Leben. Als Gegenmittel benutzt man Magenspülungen mit Lösungen von übermangansaurem Kali, einem Mittel, das glücklicherweise fast immer zur Hand ist, sowie künstliche At mung. Die Blausäure ist bekanntlich in bitteren Mandeln, Pflaumen- und Kirschkernen usw. enthalten. Eigentlich ist die Behauptung, daß diese Samen Blausäure enthalten, nicht ganz richtig; sie haben aber Verbindungen, aus denen sich nachher bei Wasserzntritt leicht Blausäure bildet. Die Blausäure und verwandte Verbindungen, wie das Cyankali, werden technisch verwendet, gelegentlich auch als Arzneimittel. In den letzten Jahren hat man in Amerika die Blausäure in zunehmender Menge als Dertilgerin von Raupen, Blattläusen, Racht- fchnecken an Obstbäumen benutzt. Die Bäume werden mit Am die Heimst. Roman vonBrunoWagner. SSI Mach druck verboten.) Mit elegischer Miene zog Karoline ihren Trauring vom Finger, wickelte ihn in rosa Watte und tat ihn in ein PappkSstchen; und dann kam ihr ein Gedanke, der ihr sehr gefühlvoll erschien. Sie schnitt sich eine ihrer blonden Haarsträhnen ab, — lang und seidenweich schimmernd, und wand sie um ein Stück Papier und tat sie zu dem Ringe. Das sollte ihr Abschiedsgruß sein. Sie kam sich wie eine von den Gestalten in den Heimburgschen Roma« nenüdor, die sie immer so gern gelesen batte. Dann be« rieien sie, was nun geschehen müsse. Es war doch Wohl daS Nichtigste, was Stahmer ihnen gestern geraten. Sie sollten gar nicht nach Neuendamm zurückkehren. Frau Diestel sollte an Jessen schreiben und Karoline ein paar Zeilen hinzufügen, in denen sie ihn bat, sie zu ihrer beider Glück frei zu geben. Stahmer wollte selbst zu Jessen gehen und ihm ehrlich die ganze Wahrheit berichten. Das hatte Frau Diestel ganz besonders gefallen. Sie selbst aber sollte mit ihrer Tochter nach Lübeck ziehen. Stahmer hatte ihr angeboteu, ihr einen Zuschuß zu geben, da sie mit ihren Zinsen in Lübeck nicht auskommen würde. Aber das hatte sie nicht gewollt. Jetzt konnte sie ja getrost ihr Kapital angreifcn. Wenn ihre Tochter ein mal Frau Hofbesitzer Stahmer war, dann brauchte sie sich keine Sorgen mehr zu machen. Dann zog sie in die Alten« reiler-Kate auf dem Hofe und wohnte dicht bei ihren Kindern. Aber biS dahin würde nach eine lange Zeit vergehen, «nd dazwischen lag noch der langwierige Ehescheidungs prozeß, der nun einmal nicht zu vermeiden war, und der erst vorüber sein mußte. Am Sonntag morgen war Stahmer gekommen, um die Frauen abzuholen. Es wehte eine frische Brise; die Bucht war mit Schaumkronen bedeckt, und zahlreiche Segel boote tummelten sich im Sonnenglanz auf ihrer Fläche. Das versprach einen schönen Tag. Langsam schlenderten s'r zu dreien über die Promenade. Die beiden Hamburge rinnen, die ihnen begegneten, sahen ihnen verwundert nach. Nicht einmal stehengrbNeben war dir Zunge Frau, um den neuen Freundinnen ihren Mann vorzustrllen. Der sah übrigens gar nicht ans wir ein Oberlehrer: man würde ihn eher für einen Gutsbesitzer gehalten Haden. Auf der Terrasse am Kurhause nahmen die drei Platz, um zu frühstücken. Nings herum waren alle Tische von Kurgästen und Sonntagsausflüglern aus Lübeck besetzt, Karoline strahlte vor Wonne. Vor ihr lag die Zukunft in Hellem Licht. Sie selbst kam sich heute morgen be sonders hübsch angezogen vor, und sie sah, wie Heinrich die Blicke nicht von ihr wandte. Durch die Reihen kam ein Telegraphenbote, von einem Hotelangestellten begleitet. Sie suchten offenbar jeman den in der Menge. Nun erblickten sie Stahmer, und der Hotclangcstellte, dessen Mütze den Ramen des Hotels trug, in dem Stahmer abgestiegen war, trat an ihn heran. „Ein dringendes Telegramm an Herrn Heinrich Stah mer aus Ncuendamm," sagte «r. „Dies ist der Herr," wandte er sich an den Telegraphenboten. „Er hat heute nacht bei uns gewohnt." Stahmer griff erstaunt nach der Depesche. Einen Augenblick zögerte er, sie zu öfsnen. WaS konnte zu Hause vorgefallen sein? Alle Möglichkeiten durchzuckten sein Ge hirn. War der Hof abgebrannt? Hing es mit Jessen zufammen? Und nun öffnete er. Einige Sekunden starrte er sprachlos hinein. Dann reichte er das Blatt Frau Diestel. „Mein Daker ist heute nacht gestorben. Ich muß sofort «ach Hanse reisen." Sie begleiteten ihn zur Dahn. MS sie dort Abschied nahmen, zog er Karoline an sich und küßte sie. „Run sei tapfer, Schatz," sagte er. „Was jetzt kommt, muß durchge- fochten werden. Es wird noch alles gut werden." EinundzwanzigsteS Kapitel. Jahre waren vergangen. Auf dem Herrenhause von Poggenhagen wehte die Flagge lustig im Morgenwind. Wan erwartete einen lieben Gast. Bernhard vou Bählow, Opfer des ExplosionSunglückS auf Zeche Amalie statt. Im Trauerzuge erblickte man u. a. den preußischen Wohlfahrts- Minister Hirtsiefer und als Vertreter der Regierung Ober bergrat Hatzfeld, Leiter des Grubensicherungsamtes, ferner Vertreter der städtischen und sonstigen Behörden. Eine große Menschenmenge bildete auf dem Wege zum Fried- Hof Spalier. Schwarzumrandete Wagen mit je vier schwarzen, mit Kreuzen gezierten Särgen brachten die Opfer zum Friedhof. An dsr Massengruft, wo sich herz zerreißende Szenen abspielten, hielten katholische und evangelische Geistliche Traueransprachen. Ein ganzes Dorf niedergebrannt. In dem Dorfe Streesow in der Altmark brach ein Großfeuer aus, das das ganze Dorf in Schutt und Asche legte. Sieben Bauern gehöfte mit über 20 Gebäuden, vielem Vieh und Ernte- Vorräten wurden vernichtet. Nur einige Tagelöhnerhäufer und der Gasthof des Dorfes blieben vom Feuer verschont. Bei den RettungLarbeiten wurde der Gastwirt Riek so schwer verletzt, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Ein einstürzcndes brennendes Strohdach begrub ibn unter sich- Eisenbahnunglück. Am zweiten Pfingsttage ereignete sich in Düsseldorf auf der Strecke nach Köln, kurz hinter der Ausfahrt am Hauptbahnhof, ein Eisenbahnunglück. Ein Wagen zweiter Klasse stürzte um, und der Zug ent gleiste. Zwei Fahrgäste wurden getötet, zwei schwer und vier leicht verletzt. Es handelt sich um Ausflügler aus der näheren und weiteren Umgebung Düsseldorfs. Der Atlanticflng beendet. Die portugiesischen See offiziere Sacadura Cabral und Coutinho, die am 30. Mär; im Seeflugzeug von Lissabon abgeflogen waren, sind mit der dritten Maschine jetzt in Pernambuco (Brasilien) ein getroffen, von wo sie Rio de Janeiro auf dem Luftwege (2250 Kilometer) erreichen wollen. Der Flng führte über die Kanarischen nach den Kapverdischen Inseln und darauf über dis etwa 2500 Kilometer lange offene Ozeanstrecke unter Berührung der Inseln St. Paul und Fernando Noronha. Zweimal erlitte» die Flieger schwere Havarien, und beidemal verloren sie das Flugzeug, daS dann durch die portugiesische Regierung ersetzt wurde. Die Ersatz- flugzeuge kamen an Bord von Kriegsschiffen nach. Deutschlaudfahrt deutschamerikanischer Sänger. Der Germania-Sängerbund in St. Louis (Nordamerikas bat dem Berliner Lehrer-Gesangverein seinen Besuch ange zeigt. Die Abfahrt von Newyork erfolgt am 17. d. Mrr. Dem Sängerbund, der ausschließlich aus deutschamerika nischen Sängern zusammengesetzt ist, geht ein großer Ruf chorgesanglichsn Könnens voraus. Amerika auf Reisen. Berichte aus Newyork stellen fest, daß die Zahl der Europa besuchenden amerikanischen Touristen in diesem Jahre eine bisher unerreichte Höhe aufweist. Seit dem 1. Januar sind annähernd 30 000 Passagiere erster Klasse und 37 000 zweiter Klasse nach Europa gereist, was eine Zunahme von 11000 Reisenden gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres bedeuitt. Ein argentinischer Dampfer gesunken Der argenti nische Dampfer „Dilla Branca", der Ausflügler nach dem Wasserfall von Jguaca bringen sollte, ist an der Küste von Paraguay infolge einer Explosion gesunken. 80 Personen sollen ertrunken sein. 6ericktsbaUe. Folgen de- Elsenbahnerstreiks. Die Potsdamer Diszi« plinarkammer erkannte bei ihrer letzten Tagung gegen den Eisenbahnfekretär Papinski und den Lokomotivführer Reichert auf Dienstentlassung. Der Rangiermeister Ziegener wurde zu Strafversetzung und Herabsetzung des Gehalts um ein Fünftel verurteilt. für beut unä morgen. Deutsches Gepäck in Rumänien. Bekanntlich soll da? in Rumänien zurückgelassene Gepäck deutscher Staatsange höriger, soweit es Kleider, Wäsche oder andere kleinere Effekten enthält, in einem Sammeltransport nach Deutsch land zurückgeschickt werden. Es wird jetzt von zuständiger Seite noch einmal daraus hingcwiesen, daß diesbezügliche Anträge unter Beifügung eines Inhaltsverzeichnisses uu» etwaiger Kofferschlüssel bis spätestens 1. Jutt d. I. bei der deutschen Gesandtschaft in Bukarest einzureichen sind. Nach diesem Termin eingehende Anträge können nicht mehr be rücksichtigt werden. Etwaige Auskünfte erteilt das Aus wärtige Amt. jetzt ein schlanker Jüngling von einundzwanzig Jahren, dsr das Gymnasium seit einem Jahre hinter sich hatte und nua als Gutseleve hie Landwirtschaft Lei seinem Letter Franz von Endow lernte, war heute herübergekomme» und hatte es sich nicht nehmen lassen, zum Bahnhof zu fahren, um den Erwarteten abzuholen. War es doch sei« einstiger Lehrer, Lem der Willkomm galt, der in grünem Eichenlaub an der Haustür prangte. Mit einem rosigen Schimmer auf den Wangen schritt Alice von Bählow durch daS HauS. Sie trug einen mäch tigen Strauß von Goldregen und duftendem Flieder in der Hand, mn damit das Fremdenzimmer zu schmücken. Sin nend blieb sie am Fenster stehen und blickt« hinab in de» im Frühlnigsylanze daliegenden Patt, durch Hessen Bäume Lie blinkende Fläche des Sees schimmerte. Sie dachte der langen Zeit, die vergangen war, und vor ihrer Seele wurde alles wieder lebendig, was damals geschehen. Sie dachte der Sttrrmnacht auf der See und der Reife nach Italien, — sie sah sich sitzen am Waldrande am Ningftmorgeu, als sie in der Kirche gesungen hatte; und vor ihr stand der Tag, da Johannes Jessen ihr gesagt, daß seine Frau ihn verlassen hab« und daß er sie bitte, ihn von dem Versprechen zu lösen, in Neuendamm als Lehrer zu bleiben. Sechs Jahre waren seitdem ins Land gezogen. Für sie Jahre mühevoller Arheit, Jahre der Entbehrung. Denn eS war nicht leicht, daS verschuldet« Gut wieder in Li« Höhe zu Wirtschaften, — doppelt sOver für ein Weib. Aber es war ihr gelungen. Freilich hatte ihrs nicht an treuen Freunde« gefehlt. Ihr Detter Franz von Gudow war ibr ein rechter Helfer gewesen in diesen schlimmen Jahren; und auch ein anderer, auf den sie nickst gerechnet, hatte sich al« wackerer Nachbar erwiesen; der junge Hofbesitzer Heinrich Stahmer, der seit dem Tode feines Vaters auf seinem Gut «inen wahren Musterbetrieb «ingeführt hatte und ihr ge- treulich seinen Nat lieh, wenn «S galt, vorteilhafte Neue rungen in der Wirtschaft zu treffen. (Fortsetzimg folgt.)