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Unleibeverbanälungen - „lustlos". Von unserem politischen O-Mitarbeiter wird unS geschrieben: Die Vertzandlnngen des Pariser Anleihekomitees rücken nicht vom Fleck, bleiben sozusagen auf dem toten Punkt. Herr Morgan hat über Pfingsten eine Spritz tour nach London gemacht, und in Paris will man wissen, daß er von dort gar nicht mehr über den Kanal zurückkeh- ren werde. Die guten Franzosen bemühen sich um den Nachweis, daß wir die Hoffnung auf wirksame Hilfe von feiten der internationalen Hochfinanz ruhig begraben könn ten. wobei besonders wohlmeinende Tröster treuherzig hin zufügen, daß eine »große internationale Anleihe nicht ein mal für Deutschland erwünscht wäre. Ob diese Versiche rungen ernst gemeint sind oder nicht, mutz natürlich dahin gestellt bleiben. Den Franzosen geht es einzig und allein Harum, den Schlußfolgerungen der Finanzgewaltigen, die eine Herabsetzung der Reparationsschuld Deutschlands als unerläßliche Voraussetzung für die Kreditgewährung an uns bezeichnen, unter allen Umständen auszuweichen. Und kein Mittel ist ihnen schlecht genug, das sich zur Abwehr dieser drohenden »Gefahr* verwenden läßt. Trotzdem — die Anschauung, daß wir dem Abschluß einer auswärtigen Anleihe nur mit gemischten Empfin dungen entgegensehen könnten, wird auch in Deutschland von gewichtigen Kreisen geteilt. Einmal schon deshalb, weil wir sehen müssen, daß Hie internationale Bankwelt, schon seit Jahr und Tag mit der Möglichkeit einer Heilung unserer durch und durch zerrütteten Finamverhältn'sse be- s-stäftigt, doch bis jetzt gar keine Neigung gezeigt hat, einen Wirtschastsfaktor von der Größe und Bedeutung des Deut schen Reiches langsam wieder gesund zu machen. Ver handlungen mit Staaten wie Italien und Rumänien, mit Österreich und Jugoslawien nehmen einen mehr oder weniger aussichtsreichen Verlauf. Wir da^-m haben bisher nichts als Ablehnung erfahren. Aus Gründen, die sich allerdings hören lassen: denn einmal bestellt heute so wenig Aussicht wie je, daß unsere Wiederherstellungs- Pflichten auf ein annähernd vernünftiges Matz zurückge führt werden, und überdies kann auch die Tatsache, wie die uns etwa zu gewährende Anleihe verwendet werden .soll, auf die internationalen Finanzkreise nichts weniger als ermutigend wirken. Wenn sie auch nur zu einem nam haften Teil zur Wiederherstellung unserer Wirtschaft die nen könnte, so würde in dieser Art ihrer Nutzbarmachung allein schon eine beträchtliche Sicherheit für die Anleihe und ihre Verzinsung gegeben sein. Sie soll aber in erster Reibe zur Befriedigung unserer Hauptgläubiger, Frank reichs und B e lgiens dienen, die dadurch ihrerseits in den Stand gesetzt würden, die internationale Konkurrenz auf dem Weltmarkt mit größerer Aussicht aus Erfolg zu bestehen. Da dem aber so ist, müssen wir damit rechnen, daß eine Anleihe, wenn sie uns ernstlich geboten würde, nur zu Bedingungen zu haben wäre, die das mühsame Schreiten unserer Volkswirtschaft nur noch schwerfälliger machen würden. Auf der anderen Seite würde unsere Wirtschaft allerdings in entsprechender Höhe von Schulden lasten befreit, und an die Stelle kurzfristiger, laufender Zahlungen würden langfristige Verpflichtungen treten. Aber zu welchen Bedingungen? Wenn uns die Stillegung unserer Notenpresse zur Pflicht gemacht wird, so wird wohl kein Erfüllungsministerium in der Lage sein, unter den ge gebenen Verhältnissen eine solche Bedingung einzugehen, solange ihm nicht gleichzeitig Mittel und Wege angegeben werden, wie trotzdem die ohne unser Dazutun unaufhalt sam steigenden Ausgabeverpflichtungen des Reiches ge deckt werden sollen. Und was denkt man sich als Sicher heitsleistung für eine auswärtige Anleihe, mag sie nun »klein* oder »groß* ausfallen? Das Vermögen des Reiches und der Länder ist bereits der Reparationskommission als erste Hypothek für die Schuldverpflichtungen Deutschlands verhaftet. Wird sie bereit sein, einen Teil davon für die DaxlehnSgeber freizumachen? Oder sollen wir etwa unse ren wertvollen Privatbesitz, vor allen Dingen unsere gro ßen Judustrieunternehmungen als Pfandobjekt bingeben? Damit würde für den Vampyr des Versailler Vertrages nur ein neues Futter bereitgestellt, ohne daß wir jemals hoffen könnten, auf diese Weise nun wirklich „erfüllen* zu können, was doch nun einmal unerfüllbar ist und bleibt. Und im Endergebnis würde ein Teil der öffentlich recht lichen Reparationsschuld den Charakter einer Privatver pflichtung annebmen, die selbstverständlich unter allen Um ständen erfüllt werden muß, während wir von den Kriegsforderungen der Siegerstaaten immer behauptet haben und bis in alle Ewigkeit behaupten werden, daß wir sie nicht erfüllen können. Aus solchen Gründen erklärt es sich, daß man vielfach auch in Deutschland den Pariser Anleiheverhandlungen mit kühler Zurückhaltung begegnet. Wer, wenn sie endgültig scheitern sollten, in Wahrheit der leidtragende Teil sein würde, dürfte danach immer noch als eine offene Frage be handelt werden. Das Keicksbaknfman2geseiL. Baldige Überweisung an den Reichstag. Der erste Entwurf zu einem Ncichsbahnfinanzgesetz wird zurzeit im Reichsverkehrsministerium umgearbeitet. Dabei werden die vielfach von beteiligter Seite ge gebenen Anregungen berücksichtigt werden. Vor allem soll dem Reichsrat und dem Reichstag gegenüber den als allzu einschränkend empfundenen Vorschlägen des bisherigen Entwurfs eine erheblich stärkere Überwachung und Ein wirkung auf die Verwaltung der Reichsbahn gewahrt bleiben, unbeschadet der wünschenswerten Entlastung die ser Körperschaften von deuAEinzelfragen der laufenden Verwaltung. Die Befugnisse des Verwaltungsrats sollen erweitert werden. Den Wünschen der Eisenbahngewerk schaften hinsichtlich des aktiven und passiven Wahlrechts zur Personalvertretung im Verwaltungsrat will man cnt- gegenkommen. Konflikte zwischen dem Reichsverkehrs minister und dem Verwaltungsrat sollen zur Schlich tung dem Reichstag unterbreitet werden. Die Einzelbe stimmungen über die Finanzgebarung werden kürzer und dehnungsfähiger gefaßt, um die Anpassung an die jeweili gen Verhältnisse zu erleichtern. Es besteht die Absicht, den neuen Entwurf noch in die sem Monat mit den früheren Eisenbahnländern zu er örtern und nach endgültiger Feststellung durch das Kabi nett ohne Verzug dem Reichsrat und dem Reichstag vor zulegen. Gsstsitung äer Getreiäeumlage. Kein Einheitspreis. Der Reichsernährungsminister hat den zuständigen Stellen den Entwurf des Gesetzes über die Regelungen des Verkehrs mit Getreide aus der Ernte 1922 zur Be gutachtung zugehen lassen. Nach dem Entwurf wird die Umlage in der gleichen Höhe wie im Vorjahre eingefordert. Die aufzubringende Menge wird auf die Länder nach dem Verhältnis ihrer Ernteerträge an Brotgetreide, Gerste und Hafer im Durch schnitt der Jahre 1906 bis 1921 verteilt. Länder mit viel Kleinbesitz werden geringer belastet. Den Ländern wird die Ermächtigung erteilt, der Umlage die gesamte land wirtschaftlich benutzte Fläche zugrunde zu legen. Für den Fall der Verteilung auf die gesamte landwirtschaftlich be nutzte Fläche ist die Freilassung der Fläche bis zu fünf Hektar vorgesehen. Die Kommunalverbände haben ihr Umlagesoll nach näherer Bestimmung der oberen Landes behörde auf die Gemeinden oder unmittelbar auf die Unternehmer landwirtschaftlicher Betriebe (Erzeuger) zu verteilen. Von der öffentlichen Brotversorgung sollen die Kreise ausgeschlossen werden, die nach Besitz und Einkom men auf eine solche Sicherung des notwendigsten Lebens- bedarss nicht angewiesen sind. Die Festsetzung eines Ein heitspreises für das auf die Umlage abgetieferts Getreide ist mit Rücksicht auf den Stand der Mark fallen gelassen worden. Die Reichsregierung setzt den Preis nach An hörung eines aus 20 Mitgliedern bestehenden Ausschusses fest. politische Kunälckau. veutfcklLnck. Der Reichspräsident für den Oberschlesischen Hilfsbund. Der Reichspräsident weist in einem Aufruf auf die nötige Aufbauarbeit in dem nun wieder mit dem Reiche zu vereinigenden deutsch bleibenden Teil Ober- schlestens hin. Bei dieser Arbeit wolle der Oberschlesische Hilfsbund ein wichtiges Werkzeug sein. Er wolle helfen, die Wunden jeglicher Art zu heilen, die dem oberschlesi schen Volke geschlafen worden sind. Der Oberschlestsche Hilfsbund brauche noch Mithelfer, Freunde und Gönner. Hier sei eine Gelegenheit, durch die Tat zu danken und zu Helsen. — Die Pfingsttage sind in Oberschlesien, abgesehen von einigen polnischen Ausschreitungen, ruhig verlaufen. Sammelmappe für bemerkenswerte Tages- und Zeitereignisses. * Der Gesetzentwurf über die ZwangSanlethe ist nunmehr dem Reichstage rugegangen. * Der französische Präsident PoincarS war- in einer Red« zu Verdun um Amerikas Freundschaft für Frankreich. * Nach der Bekundung ihres Bürgermeisters haben die zu rückgebliebenen Bewohner des französischen Städtchens Pagny während der Besetzung durch die Deutschen die Wohnungen ihrer geflohenen Mitbürger selbst geplündert. Deutscher Schutzbund für Grenz- und Ausländsdeutsche. Die Tagung des Schutzbundes während der Pfingst tage in Allenstein verlief unter großer Begeisterung der Teilnehmer und gipfelte in einer Entschließung. In die ser heißt es: „Wir, die als Deutscher Schutzbund vereinig ten Verbände des Grenz- und Auslandsdentschtums, glau ben an die deutsche Volksgemeinschaft. Wir glaube« daran, daß alle, die sich als Deutsche fühlen, ohne Unter schied der Konfession, ohne Unterschied der Parteien und Klassen, ohne Unterschied der Staatszugehörigkeit oder der Umgangssprache kraft inneren Gesetzes eine unauflöslich« Einheit sind. In diesem Glauben liegt die Zukunft der deutschen Nation.* Am zweiten Feiertage begaben sich die Teilnehmer an der Tagung nach Marienburg. frankneick. PoincarSS Llebeswerben um Amerika. Zum Pfingst- feste überbrachte der amerikanische Botschafter in Paüs, Herrick, der Stadt Verdun die Kriegsmedaille der Ver einigten Staaten. Poincars war natürlich auch da und hielt die übliche Rede, in der er diesmal die süßesten Flötentöne über den Atlantischen Ozean schickte, um für Frankreich in Amerika Propaganda zu machen. Der Prä- sident leugnete den aller Welt offenbaren französischen Militarismus ab und behauptete, Frankreich habe Deutsch land gegenüber „Beweise außerordentlicher Mäßigung* gegeben. Der lothringische Unruhestifter scheint etnzu- seben, daß er in England allmählich taube, Ohren findet. Also versucht er es mit Amerika. „Die größte Dummheit." Auf dem außerordentlichen Kongreß der französischen sozialistischen Partei führte Sembat aus, die Politik Frankreichs sei jetzt eine der artige, daß die englische Arbeiterpartei Frankreich als den letzten Herd des Imperialismus ansehe. Wenn das noch drei Monate so fortdauere, dann werde Frankreich eine wirtschaftliche Entente zwischen England, Deutschland und Rußland gegen sich haben. Die Regierenden in Frank reich wollten die größte Dummheit durchführen, nämlich Deutschland ruinieren, aber Reparationszahlungen von ihm erlangen. KuLlanä. LeninS Befinden gebessert? Rach einem Funkspruch aus Moskau erkrankte Lenin am 24. Mai an einer schweren Unterleibsentzündung mit Fieber. Diese Erkrankung hatte eine Verschlechterung des Nervenzustandes hervorgerufen. Auch machte sich eine Störung der Blutzirkulation bemerk bar, die aber im Laufe der nächsten Tage rasch wieder zu schwinden begann. Zurzeit ist die Temperaturhöhe nor mal. Das Allgemeinbefinden ist gut, und der Kranke, dem vorläufig Ruhe für die nächste Zeit vorgeschrieben ist, bs- findet sich aus dem Wege der Besserung. * Berlin. Da die Deutsche Allgemeine Zeitung (früher Norddeutsches die Politik der Regierung weder inner», noch außenpolitisch mehr unterstützt, hält sich auch, wie amtlich mitgetcilt wird, die Reichsregierung nicht mehr gebunden und betrachtet die Deutsche Allgemeine Zeitung nicht mehr als offiziös. Oppeln. Nachdem die Ratifikationsurkunden zu dem Gen fer Abkommen über Oberschlesien ausgetauscht waren, wurde auch die Erklärung über die weitere Geltung der deut schen Gesetze in dem polnisch werdenden Teil des Gebietes unterschrieben. Metz. In Metz wurde in Anwesenheit PoincarSS an der Stelle, an der ehemals das Denkmal Kaiser Wilhelms l. stand, die Statue des Poilu (französischer Soldat), der den Sieg darstellen soll, enthüllt. Stockholm. Hier trat die Konferenz der internationale« Kommission zur Untersuchung der Kriegsursachen zu sammen. Auf ihr sind vertreten: Holland, Norwegen, Schweiz und Schweden. Am die Hermal. Domra von Bruno Magnet- S8) (Nachdruck verboten.) Nun war der Abend hereingebrochrn. Auf die Boots fahrt hatte man verzichtet. Ta wäre man unter so vielen Menschen gewesen. Viel schöner war eS am Strande, wo man für sich allein sein konnte. Sie waren am Lsucht- turm vorbeigrgangen und dann der Biegung des Ufers gefolgt, daS sich nordwärts wendet und den Blick auf die breite von Wäldern und Höhen umsäumte Neustädter Bucht und auf das blinkende Leuchtfeuer von Pelzerhalm eröffnet. Allmählich wurde die Zahl der Spaziergänger, denen sie begegneten, geringer. Zwar hatte es Karoline eine Genugtuung bereitet, zu sehen, wie man sich ost nach ihr und ihrem stattlichen Begleiter umgeblickt hatte. Sie Warrn «in Paar, vaS auch hie: im eleganten Treiben des See bades auffiel. Aber heute sehnte sich Karoline fort aus all Lem Trubel. Und nun schritten sie allein am weißen Strande dahin. Frau Diestel hatte sich auf eine Bank ge setzt, weil ihr das Gehen zu sauer wurde. Sie ließ die beiden ruhig ohne Aufsicht allein. Im stillen sagte sie sich, daß doch alles kommen müsse, wie es vom Schicksal be stimmt war. Sie konnte daran nichts mehr ändern. Die Sonne war in roter Glut hinter drr Userhöhe ver sunken. Aber der Mond stand mit sriuer vollen Scheibe am Himmel und zog eine silberne Schleppe über das Lire:, VaS mit leisem Branden geheimnisvoll ans Ufer schlug. Heinrich Stahmer ging ruhig neben Karoline her. Sie sprachen kaum miteinander. Jedes dachte seine eigenen Gedanken; und beide fühlten, daß es nun zur Entscheidung ivmmen müßte. Wenn er heute nicht redet«, dann würde eZ nie dazu kommen; das wußte Karoline ganz genau. Und sie fror innerlich vor zitternder Angst, daß er nun umkehrrn würde, ohne das Wort zu sprechen. Dann mußte sie wieder hinein in das enge Leben im Schulhause, das sie haßte. seit sie wußte, daß es anderes sür sie hätte geben können. Ihr graute davor, daß jetzt ein Wort von ihm all ihr heimliches Hoffen zerstören könnte. Heinrich Stshmer war mit dun festen Entschluß ge kommen, sich heute ihre Antwort zu holen. Er hatte sich Las ganz leicht gedacht. Und nun ging er neben ihr her und rang mit seinen Gedanken. Ja, wenn er ein Jahr früher gekommen wäre, dann Ware eS nicht schwer gewesen. Aber damals hatte er selbst nicht gewußt, waS er wollte. Ihm war es als ganz selbstverständlich erschient», daß er eine Hofrochter heiraten würde, eine reiche natürlich. Der Gedanke, daß dieses kleine Mädchen, LaS kein Geld ins Haus brachte und von der Wirtschaft nichts verstand, seine Frau werden und auf Lem großen Hofe die Erste sein sollte, war ihm wie eine Unmöglichkeit erschienen. Und Loch hatte sie seine Sinne entflammt, fein Begehren gereizt. Nun, da es zu spät war, sah er ein, daß er sie brauchte für sein Leben. Aber jetzt war sie «eines andern Weib; und der andere war sein Freund. Sollte er sie ihm nehmen und heimlich ein Glück genießen, ans das er kein Recht besaß? In einer Stunde der Leidenschaft war er einmal beinahe so weit gewesen. Aber das war über wunden. Nein, eS blieb nur das eine: sie zu fragen, ob sie sich von jenem trennen wollte, um sein Weib zu werden. Dann mußte er vor den andern hintrrten und mit ihm reden, Mann gegen Mann. Das war der einzige Aus weg. Würde sie den betreten wollen? Daß sie sich nicht glücklich fühlte im Schulhanfe, das hatte er längst erkannt. Aber liebte sie nicht doch im heimlichen Grunde ihres Herzens ihren Mann? Würde sie sich von ihm losreißen können, nm einem andern zn gehören? Und wenn es dann vielleicht doch eine Täuschung war? Der Nachtwind erhob sich, und die Wellen rauschten lanter. Heinrich Stahmer war stehengeblieben und sah sich um. Von Frau Diestel war nichts mehr zu sehen. Man mußte umkehren. Sollte er heimkehren, ohne ge sprochen zu haben? Er sah, wie Karoline blaß im Hellen Mondlichte vor ihm stand und ihn mit großen Auge» an sah, als warte sie, daß er etwas sage. Da begann er zu sprechen. Ganz nrhig und breit erzählte er ihr, wie es ihm ge- gangen, seit er sie kennengelernt; wie rr selbst nicht ge wußt, was in ihm vorgegangen war, und wie er daS erst erkannt, als sie Jessens Frau gewesen. Sie ging schweigend und mit gesenktem Kopfe neben ihm her. Ihre Kehle war ihr wie zugeschnürt. Heinrich Stahmer verhehlte es Karoline nicht, daß cs einen schweren Kampf mit seinem Vater geben würde, der sich eins andere Tochter ins Haus wünscht«. Aber er wolle den Kampf auf sich nehmen. Damals hätte er es nicht gewußt, heute aber wisse er, daß seine Liebe stark genug sei, alles zu ertragen. Und nun blieb er stehen. Von weitem sahen sie die Dank, neben der Frau Diestel stand und ungeduldig mit dem Tuche wehte. „Ich habe dir alles gesagt, Karoline,* sagte er. „Willst du das, was nun kommen muß, auf dich nehmen? Die Scheidung von deinem Manne, das lange Warten, das Gerede der Leute, alles? Es ist nicht leicht für dich. Du mußt dir's Wohl überlegen, ob du mich lieb genug hast, das um meinetwillen zu ertragen.* Da sagte sie leise, daß es fast der Wind verwehte: „Wenn ich nur dich habe, ist mir das andere einerlei." Er ergriff ihre Hände und küßte sie, eine nach der andern. Dann gingen sie Frau Diestel entgegen. Die beiden Frauen in dem kleinen Hause an der Vorderreihe kamen diese Nacht erst spät zum Schlafen. Nun die Entscheidung gefallen, war eine furchtbare Unruhe über Karoline gekommen, ob sie auch recht gehandelt. Es schien ihr ein sündhaftes Glück, das sie sich erringen wollte. Aber Frau Diestel war die Verständigere. Sie war ja selbst tief bettübt, wenn sie an Johannes dachte; aber Lesser war es doch, ein Ende zu machen und ein Band zu lösen, das nun doch sür keins von beiden Teilen zum Glück werden konnte. (Fortsetzung folgt.)