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gefängntS von Kalkutta ««getragen. 800 Sträflinge ver suchten auszubrechen. Sie unternahmen einen Sturman griff auf das Tor, und es gelang ihnen, die Wachtposten zu überwältigen. Zwölf Sträflinge gewannen darauf den Weg ins Freie. Da die Wache aber sehr rasch alarmiert war, wurde der Versuch in der Hauptsache vereitelt. Die Ausbrecher wurden unter Feuer genommen, und fünfzehn Sträflinge blieben tot am Platze. Die übrigen wurden, bis auf die entwichenen zwölf, wieder eingefangen. » Bremen. Ein neuer Dampfer der Hamburg-Amerika- Linie, die »Baden", ein Schwesterschiff der »Bayern" und »Württemberg", hat seine Probefahrt von der Bremer Vulkan werst aus nach Hamburg ausgesührt und ist von der Gesell schaft übernommen worden. Der Dampfer, der im südamerika nischen Dienst Verwendung finden wird, hat eine Länge von 142,4, eine Breite von 17,68, eine Tiefe von 10,79 Metern. Genua. Vom 10. bis 30. April wurden von Genua auß insgesamt 55 570 Telephongespräche von je drei Minuten Dauer geführt. Davon entfallen auf Deutschland 2961, auf die Schweiz 2766, auf Frankreich 2089, auf Österreich 431, ans Belgien 85 und auf England 78, die übrigen aus den italienischen Jn- landverkehr. Brüssel. Infolge der jüngsten Zwischenfälle im besetzten Rheinland hat die belgische Militärbehörde für das besetzte Gebiet angeordnet, daß die Soldaten in Uniform stets Waffentragen muffen. Außerdem wird den Soldaten der Rat erteilt, nur in Gruppen auszugehen. für beut unä morgen. Vorurteile. Zwar hat uns der Krieg nicht die erwartete Annäherung aller Volksschichten gebracht, aber er hat wenig stens die hohen Schranken eingeriffen, die uns einst trennten, so daß wir uns jetzt gegenseitig besser in die Fenster sehen kön nen. Zu friedlicheren Verhältnissen sind wir dadurch vor läufig freilich nicht gelangt, im Gegenteil: nachdem man sich besser kennen gelernt hat, haßt und beneidet man sich heftiger als je zuvor. Immerhin — die Verständigung marschiert. Es raucht in jeder Küche mal, und wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wenn genug Späne gefallen sind, wird auch unser Volk endlich erkennen, daß ihm kein Feindbund soviel Schaden zuzufügen vermag, wie Neid, Mißgunst und Verständnislosig keit in den eigenen Reihen. Jeder Mensch denkt und handelt unter dem Eindruck seiner Erziehung und der ihn umgebenden Verhältnisse. Es ist kaum möglich, sich von solchen Einflüssen sreizumachen. Dies sollte man stets bedenken, wenn es darauf ankommt über irgend eine Angelegenheit zu einem klaren Urieil zu gelangen. Wir sind um so weniger frei von äußeren Ein flüssen, je mehr wir glauben, es zu sein. Erst dann, wenn wir bei Zusammenfassung unserer Eindrücke regelmäßig unser Vor- urieil in Abzug bringen, können wir zu einem einigermaßen objektiven Urteil über Menschen und Dinge gelangen. Es gibt wenig Wahrheiten, wenig sestlegende Erfahrungen, die unter allen Umständen bestehen können. Wenn dies alle Menschen bedenken wollten, dann gäbe es weniger Streit, und die Men schen lernten, aus fremde Gründe und Voraussetzungen Rück sicht zu nehmen. Wie sich verschiedene Bilder ergeben, wenn man ein Haus von der Höhe oder vom Tal aus ansieht, so kommt es auch im Kampfe der Meinungen lediglich auf den Standpunkt an, den wir einnehmen. Aufforderung zur Anmeldung von Schadensforderun- gen. Mit Rücksicht auf die zurzeit stattfindenden deutsch- finnischen Verhandlungen wird amtlicherseits um möglichst umgehende Zusendung einer Ausstellung der Schadens forderungen, die deutschen Zivilpersonen in Finnland aus Anlaß des Krieges — ausgenommen durch Maßnahmen deutscher Truppen — erwachsen sind, ersucht. Zwecks An fertigung einer möglichst vollständigen Ausstellung bittet der Bund der Ausländsdeutschen e. V., Berlin C. 2, Klosterstr. 75, entsprechende Mitteilungen mit tunlichster Beschleunigung an seine Geschäftsstelle gelangen zu lassen. KuManäs Mecleraufdau. Bericht eines deutschen Abgeordneten. Auf einem parlamentarischen Abend in Berlin sprach dieser Tage der kürzlich aus Rußland zurückgekehrte Reichstagsabgeordnete Dr. Hugo über die politischen und wirtschaftlichen Zustände Rußlands. Die politische Energie der leitende« Männer, so sagte er, ist kaum zu übertreffen. Sie haben jeden Widerstand gegen ihr Regiment gebrochen und werden auch in Zukunft unter allen Umständen die Autorität des Staates aufrechterhalten. Die Bolschewisten haben sich die alte allrussische Parole zu eigen gemacht, das Heer in ihren Dienst gestellt und weitgehende Anerken nung ihrer auswärtigen Politik auch über ihre eigenen Kreise hinaus gefunden. Es ist auch durchaus keine Aussicht, daß irgend eine Bewegung die heutige Regierung stürzen könne. Dazu sind die Widerstände zu schwach und die Energie der Gewalt ist zu groß. Dagegen hat auf wirtschaftlichem Gebiete die gesetzgebende Kraft des Kommunismus das Menschen möglichste geleistet. In Rußland kann man studieren, wie alles verfällt, wenn nichts erhalten wird, und wie jede Produktion abstlrbt, wenn man den Besitzer, der Werte schasst und erhält, aus seiner arbeitenden und leitenden Stellung verdrängt. Die Industrie ist zerstört, die Woh nungen zerfallen, sogar die Landwirtschaft ist ruiniert. In dem Lande, dessen Landwirtschaft sonst eine gewaltige Ausfuhr leistete, sterben Millionen an Hunger. Die Eisen bahn ist auf einem unglaublichen Tiefstände angelangt. Rußland braucht eine große Kapital-Investierung, dann aber auch eine leistungsfähige Organisationsleitung, denn die politischen Spitzen haben sich schlecht bewährst Die Wiedcraufrichtung Rußlands ist von großem Werte für die Wiederherstellung des Gleichgewichts der Welt. Die deutsche Wirtschaft mutz an dem Werke energisch Anteil nehmen, Persönlichkeiten stellen, besondere Auf gaben übernehmen usw. Eine russisch« Stimme. Gleichzeitig hat der russische Delegierte Rakowski, der an der Konferenz von Genua teilnimmt, eine Denkschrift für die Finanzkommission fertiggestellt, worin er dieselben Gcdan- kengänge verfolgt. Im Vergleich zu der gewaltigen Aufgabe der Wiederherstellung der Landwirtschaft in Rußland seien die Hilfsquellen unzureichend. Daraus ergebe sich die Notwendig keit, vom Ausland Kredite zu erhalten. Die unumgänglich not wendige Summe betrage 3 Milliarden Goldrubel, die in drei bis fünf Jahren in der Landwirtschaft angelegt werden müß ten. In den letzten vier Jahren seien 4500 Kilometer Eisen bahnen gebaut worden. Die Abteilung für Flußschtfsahrt habe im Jahre 1921 große Ausbaggerungsarbeiten ausgesührt und die Abteilung für Seeschiffahrt bedeutende Bauten in den Häfen. Schätzungsweise werden für alles dieses 5 Milliarden Goldrubel nötig sein, wovon die Hälfte vom Ausland geliefert werden müsse. Vie jMnebener prelletagung. Ein Begrüßungstelegramm des Reichspräsidenten. München, im Mai. Die Tagung des Reichsverbandes der deutschen Presse ist am 6. Mai mit einem offiziellen Begrützungsakt im Saale des Münchener Justizpalastes durch den Vorsitzen den des Landesverbandes der bayerischen Presse, Schrift leiter Kajetan Freund, eröffnet worden. Der Mi nisterpräsident Graf Lerchenfeld sprach einige Worte des Willkommens. Unter Anspielung auf die allegorischen Malereien des Festraumes stellte er Justitia mit der Binde vor den Augen dem alles erspähenden Argus gegenüber, um die beiden gehüteten Güter, Recht und öffentliche Mei nung, zusammenzuführen und der Tagung einen guten Erfolg zu wünschen. Der Reichspräsident hat an den Neichsverband nach stehendes Begrüßungstelegramm gerichtet: »Dem Reichsverband der Deutschen Presse, der sich in einer Zelt großer politischer Spannunäund wichtiger Geschehnisse in München zu seiner Tagung versammelt hat, übersende ich herzliche Grüße. Ich wünsche, daß die Be ratungen und Arbeiten des Reichsverbandes dazu beitragen, die schwierige wirtschaftliche Lage Deutschlands zu bessern, und hoffe, daß die deutsche Presse als wichtiger Faktor unseres öffentlichen Lebens auch weiterhin für Lösung der uns so schwer bedrückenden wirtschaftlichen und po litischen Schwierigkeiten und für den Wiederaufbau unseres Vaterlandes ihre besten Kräfte einsetzen wird." Rach Verlesung dieses Telegramms, da« mit großem Beifall ausgenommen wurde, trat man im SchwurgerichtS- saal in die Geschäftsberatung ein. Nach einer Eröffnungs ansprache des bisherigen ersten Vorsitzenden Rtppler wurden der Geschäftsbericht und der Kassenbericht erstattet. Man schritt dann zur Vorstandswahl. Zum ersten Vor sitzenden wurde Baecker- Berlin gewählt. Die Zahl der erschienenen Delegierten überstieg alle Erwartungen. Vom ^obnkampfplarL. Breslau. Der Straßenbahnerstv-eikist »rach einer Dauer von drei Wochen beendet worden. Kattowitz. (Gehaltserhöhungen.) Bei den Ver handlungen zwischen dem Arbeitgeberverband der oberschlesi schen Bergwerks- und Hüttenindustrie und den Angestellten verbänden einigte man sich dahin, ab 15. April eine 35prozen- tige Erhöhung der Grundgehälter und der Steigerungssätze eintreten zu lassen. Das Frauen- und Kindergeld wurde auf 250 Mark pro Monat erhöht. Von unä fern. Deutschlands Bautätigkeit im April. Im Monat April sind im Deutschen Reiche 7486 Wohnhaus-, sowie 437 Fabrik- und sonstige Bauten bekannt geworden, gegen 10 341 Neubauten im gleichen Monat des Vorjahres. Im März 1922 wurden 6271 Wohnhaus- und 488 Fabrikbauten festgestellt. Holzschiebungen eines deutschen Beamten. Der Be auftragte des Reichskommissars für Wiederaufbau, Hans Tönze von der Dienststelle Zweibrücken, wurde wegen umfangreicher Schiebungen mit über Zweibrücken nach Frankreich rollendem Bauholz verhaftet. Gegen den ZuSerwucher Die Tatsache, daß im freien Handel nur noch sogenannter »Buslandszucker" zu 22 Mark das Pfund zu haben ist, hat in Frankfurt a. M. die Polizei veranlaßt, die größeren Lagerbestände an Zucker im Stadtgebiet einer Prüfung zu unterziehen. Alle auf Lager liegenden Zuckervorräte wurden zunächst beschlagnahmt« An Hand der Einkaufpapiere wurden Herkunft und Preis des Zuckers nachgeprüft. Die Beschlagnahme konnte jedoch nur in einigen Fällen aufrechterhalten werden; diese Fälle wurden der Staatsanwaltschaft zur weiteren Veranlassung überwiesen. Die Not der Presse. In Marienburg sand eine Ta gung der Zeitungsverleger West- und Süvostpreußcns statt. Es wurde festgestellt, daß die Papierpreise eine solche Höhe erreicht hätten, daß die Zeitungsverleger zum großen Teil ihre Betriebe nicht weiterführen könnten. Es stehe zu er warten, daß weitere Betriebseinstellungen eintreten. Verhängnisvolles Großfeuer. Bei einem Brande in Kirkenes bei Varanger (Norwegen) wurden zwei Hotels, zwei Geschäftsgebäude und ein kleines Haus eingeäschert. Sechs Personen sind in den Flammen umgekommen. Pilzkonserven als Todesursache. Der Pariser Unter suchungsrichter Prieur ist mit seiner gesamten Familie nach dem Genuß von Pilzkonserven schwer erkrankt und nach drei Tagen gestorben. Acht weitere Familienmit glieder sind noch krank, drei davon lebensgefährlich. Dreißig Häuser eingestürzt. In der süditalienischen Stadt Carato (Provinz Bari) ist ein Block von dreißig Häusern infolge Unterwaschung des Bodens eingestürzt. Menschenleben sind nicht zu beklagen, da die Katastrophe vorausgesehen war. Der Präfekt hat Truppen mit Zelten zur Unterbringung der Obdachlosen abgesandt. Eine Milliarde Monatsgehalt. Der Nat der russi schen Volkskommissare hat beschlossen, die Gehaltstarife für den Mai um 85 Prozent zu erhöhen. Da zahlreiche Sowjetbeamte schon Gehälter erhalten, die über 500 Mil lionen Rubel beiragen, werden einige Kategorien im Mai die Milliarde überschritten haben. Das erste Sowjetrennen. Dieser Tage hat in Moskau nach einer fünfjährigen Unterbrechung die Rennsaison ihren Anfang genommen. Der Andrang des Publikums war groß trotz des hohen Eintrittspreises von einer Mil lion. Der Totalisator machte Umsätze in Zahlen! die so überwältigend sind, daß sie sich gar nicht niederschreiben lassen. Die gesamte neue Bourgeoisie war erschienen und wetteiferte mit den Sowfetaristokraten im Geldausgeben. Die Blätter stellen mit Erstaunen und mit Grauen fest, daß man solchen Luxus selbst in der Zarenzeit nicht gesehen habe. Fünfzehn Sträflinge auf der Flucht erschossen. Eine Gesängnismeuterei hat sich dieser Tage in dem Gerichts« 6enektskatte. Zuchthausstrafen für Heiratsschwindler. Nach zweitägiger Verhandlung verurleille das Leipziger Schwurgericht mehrere der schweren Urkundenfälschung angeklagle Berliner Heirats schwindler, die im Frühjahr 1919 mii Hilse gefälschter Papiere sogenannte Adelsehen vermittelt und nicht weniger als 19 Hei raten unter den verschiedensten hochadligen Namen zustandege- bracht hatten, zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Es erhielten die Malerin Sophie von Hohendorfs 3 Jahre Zuchthaus und 4 Jahre Ehrverlust, der Kaufmann Paul Danziger aus Elber- ftld 2K Jahre Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust und eine Frau Danziger aus Berlin 5 Monate Gefängnis. Die übrigen 17 Fälle, in denen adlige Ehen unter fingierten Namen abge schlossen worden sind, und bei denen der Rechtskonsulent Ewald von Häusler aus Berlin miigewirkt Hai, werden Vor dem Berliner Schwurgericht zur Aburteilung gelangen. r Ilm die Heimst. Roman von Bruno Wagner. 44) (Nachdruck verboten.) Johannes Jeffen und Alice von Bählow hatten wäh rend des Tanzes kein Wort miteinander gesprochen. Er faßte diesen Tanz als eine Art Pflichttanz aus; nie hatte er die Grenze zwischen sich und der Baroneß so ti«-f gefühlt wie in diesen kurzen Minuten!, da er sich ihr körperlich so nahe wußte. .S-ie tanzie leicht wie eine Feder; er fühlte kaum, daß er sie im Arme hielt. Aber auch sie schwieg. Sonst war sie eine lebhafte Tänzerin, die sich der Freude der rhythmischen Bewegung gern hingab. Heute aber schnürte eine innere Aufregung ihr die Kehle zusam men; nicht einmal die Augen wagte sie zu heben. Immer wieder mußte sie des Gespräches denken, das sie mit Franz von Gudow gehabt; und sie zitterte bei dem Gedanken, ihm zu verraten -- dem Manne, der sie jetzt im Arme hielt, — was er ihr war im stillen Geheimnis ihrer keuschen Mädchenscele. Schweigend führte Johannes sie zum Wagen zurück. Er fah, daß sie anders war als sonst und wagte sie in ihren Gedanken nicht zu stören. Aber heimlich sah er sie von der Seite an. Wie war sie blaß. Und wie war sie schön. Da sah er seine Braut erhitzt und mit gelockertem Haar an sich vorübergehen; sie schien abseits gestanden zu haben von den Tanzenden. Ihr Gesicht brannte; das konnte er selbst beim matten Lichte der Lampions erkennen. Sie schritt hastig auf den Eingang zum Tanzboden zu. Richtig, da stand auch schon der Leutnant von Gudow und winkte ihr lachend. Sollte er ihr wehren, mit dem zu tanzen nach dem dreisten Angriff, den er auf das Mädchen gemacht? Einen Augenblick dachte er daran. Aber dann hielt er inne. Er hatte damals auf Karolinens Bitte den Leutnant nicht zur Rede gestellt. Heute war es zu spät. Wenn Karoline selbst das Peinliche nicht empfand. Da tanzten sie schon vorüber. — Eine Viertelstunde später verließen die Poggenhagener Herrschaften das Fest. Ein dreifaches Hoch, das der Orts- vorsteher auf sie ausgebracht hatte, scholl ihnen nach. Stah mer, der nicht mehr ganz nüchtern war, hatte sich auf eine leere Tonne geschwungen und brachte ein Hurra auf das Freifräulein Alice von Bählow aus; aber keiner hatte zu« gchört. Nur ein paar von den Kumpanen, die sich von ihm sreihalten ließen, stimmten mit heiseren Kehlen zu. Da packte Karoline ihren Verlobten am Arm. »Wir wollen nach Hause gehen," sagte sie hastig. »Hast du genug?" fragte er lachend und war innerlich froh. »Ich glaube, Karoline hat reichlich genug," sagte eine böse Stimme neben ihnen; Und Gesine Jeffen ging an Ihnen vorbei allein den Weg nach Hause. Sie schritten mit Frau Diestel langsamer hinterher. Karoline war voll furchtbarer Angst. Wenn Gesine nun etwas bemerkt hattet Und dann ärgerte sie sich doch wie der. Was hatte Heinrich Stahmer ein Hurra auf die .Baroneß auszubringen?k Und dann überhaupt, — sich so zu betrinken! Fünfzehntes Kapitel. Nie war Karoline Diestel so nervös und reizbar ge wesen wie in den nächsten Wochen nach Pfingsten. Men Menschen, die mit ihr zusammenkamen, siel ihr launisches Wesen auf. Besonders hatte Johannes darunter zu lei den. Er wußte sich gar nicht zu erklären, was mit dem Mädchen vorgegangen war, so sehr er sichs überlegte. Anfangs hatte er noch gedacht, sie fühlte sich von ihm vernachlässigt, weil er zu viel hinter seinen Büchern saß. Da hatte er sich denn ein paar Stunden mehr am Tage frei gemacht, um mit ihr spazieren zu gehen. Er hatte auch versucht, ihr aus seinen Lieblingsbüchern vorzulesen. Doch das war ein Fehlschlag gewesen. Sie hatte sich schließlich sogar vor ihm verleugnen lassen, wenn er nach ihr fragte. Tante Gesine Diestel hatte ihn zu beruhigen gewußt. Das fei nun einmal so bei jungen Mädchen, wenn die Hochzeit heranrücke. Es sei doch am Ende eine große Sache, sich einem Manne fürs Leben zu versprechen; da würden die besten nervös. Wenn sie erst verheiratet seien. würde alles anders werden. Er würde das beste kleine Frauchen von der Welt an ihr haben. Und damit gab sich Johannes zufrieden. Als er sah, daß sie nicht nach ihm sragte, blieb er häufiger fort und saß auf seiner Stube bei der Arbeit. Und nebenbei ent- standen, während er die alte Geschichte des Lauenburger Landes studierte, die einem Lehrer natürlich geläufig sein mußie, kleine Erzählungen und Balladen, in denen die Ge stalten der Vorfahren Leben gewannen und mit ihre« Freuden und ihrem Leide vor dem jungen Dichter einher« schritten, wie es einst vor Jahrhunderten gewesen. Dabei ging der Schulunterricht seinen ruhigen Gangr und dreimal wöchentlich wanderte Johannes nach Poggen hagen, wo er Bernhard von Bählow Stunden gab. Das Freifräulein sah er nur selten. Früher hatte sie Wohl mit einer Arbeit dabei gesessen oder hatte doch zu Anfang und am Schluffe des Unterrichts ein paar freundliche Worte mit ihm gewechselt. Jetzt schien es ihm fast, als wiche sie ihm aus. Wohl hörte er sie im Nebenzimmer ab und zu gehen, aber nur selten saß sie, wenn Bernhard sie dringend bat, im Zimmer. Das freilich ahnte er nicht, daß ste ihn ost im Neben zimmer heimlich im Spiegel beobachtete, und daß sie ver borgen zuhörte, wenn er dem Knaben aus der Geschichte erzählt« oder ihm Gedichte erklärte. Johannes war inner lich bedrückt über ihr plötzlich verändertes Benehmen. Er sucht« auch hier die Schuld in sich selbst, ohne sich darüber eine Erklärung geben zu können. Lag sür Tag wartete KaroNne aus ein heimliches Zeichen von Heinrich Stahmer. Er mußte ihr doch nun schreiben, damit sie wußte, wie sie mit ihm daran war. Aber die erste Woche verlies und die zweite, und es Hatto sich nichts ereignet. Fiebernd vor Erregung war sie damals von der Psingstheesch nach Hause gekommen. Die ganze Nacht hatte sie nicht schlafen können. Ihre Einbildungskraft malte »hr die rosigsten Zukunftsbilder aus. Es war für sie kein Zweifel, daß Heinrich Stahmer bis über beide Ohren in sie verliebt war. Und warum nicht? Sie war doch das hübscheste Mädchen i« der Runde. (Fortsetzung folgte