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Ottendorfer Zeitung : 07.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-192205071
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19220507
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19220507
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-05
- Tag 1922-05-07
-
Monat
1922-05
-
Jahr
1922
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 07.05.1922
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Vie beugen im Sisner-Pro^el). München, im April. Im Prozeß Fechenbach schloß sich an die Vernehmung des Grafen Lerchen seid die des Legationsrates Frei- berrn v. Ler sner an. Er schilderte die demütigende Be handlung, die ihm und anderen Mitgliedern der deutschen Frie densdelegation rn Versailles zuteil wurde, und führt diese Be handlung größtenteils aus die Veröffentlichung Eisners zu rück, da er auch in Privatgesprächen über die Kriegsschuldfrage öfter hören mußte: »Und Eisner?" Das Gericht b-schloß dann, das Auswärtige Amt noch ein mal zu fragen, ob es die Genehmigung zur Verneh mung des Fürsten Lichnowsky erteile. Nus eine erste Anfrage hatte das Auswärtige Amt die Genehmigung versagt, da der Fürst, der bis zum Ausbruch des Krieges deutscher Bot schafter in London war, auch über Dinge gefragt werden könnte, auf die sich die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit er strecke. DaS Gutachten des Grafen Montgclas. Der Rest des Tages gehörte dem Gutachten des Grafen Montgelas, Mitgliedes der Viererkommission zur Unter suchung der deutschen Kriegsschuld. Er beschäftigte sich zunächst mit dem Schocnschen Bericht, aus dem in der Eisnerschen Ver öffentlichung gerade die Stellen wcggelassen seien, ans denen klar hervorgehe, daß die Berliner Regierung den Krieg nicht wollte. Der gekürzte Bericht, bei dem eine ungemein schwere Entstellung der ganzen Tendenz vorliege, habe eine verhäng nisvolle Wirkung auf das Ausland ausgeübt. Das Gesamt urteil der Sachverständigen geht dahin, daß der Schoensche Be richt an mehreren Stellen absichtlich, an einigen Stellen infolge mangelnder politischer Schulung und Kenntnisse des Bearbei ters derart entstellt worden sei, daß ein unparteiischer und übel wollender Leser daraus entnehmen konnte, vielleicht sogar ent nehmen mußte, Deutschland und Österreich hätten eine Aktion gegen Serbien vereinbart, in der Hoffnung, daß daraus ein europäischer Krieg entstehen würde. Der Bericht der Entente kommission lasse keinen Zweifel daran zu, welche bedenkliche Wirkung dieser Bericht auf die 14 Mitglieder der Kommission gusgeübt habe. Im Verlauf der Sitzung bestätigte der Münchener Stadt- «rchivar Landtagsabgeordneter Dr. Dirr die Darstellung des Grasen Montgelas "und legte dar, zur Vermeidung des Weltkrieges von feiten der Entente entschieden viel mehr unter lassen und zur Herbeiführung des Weltkrieges viel mehr getan worden sei als von deutscher Seite. Dies habe zwar Eisner in den Einzelheiten nicht alles überblicken können, aber allgemein sei doch Eisners Absicht dahingegangen, alles zu unterdrücken, was Deutschlands Bemühungen zur Vermeidung des Weltkrie ges betreffe. Volkswirtschaft. Einfuhrüberschuß im deutschen Handel mit dem Ausland. Die Einfuhrstatistik verzeichnet für März 1922 einen Einfuhr überschuß gegen die Ausfuhr von 1,6 Milliarden Mark. Unter den eingeführten Waren ist die stärkste Zunahme bei den Roh stoffen eingctreten und bei den Halbfabrikaten; hierbei sind ins besondere beteiligt Kohle, Eisenerz, tierische und pflanzliche Spinnstoffe, Rohtabak, Häute und Felle, Roheisen, ferner Kup fer, Blei, Zinn und Nickel. Die Einfuhr von Lebensmitteln weist ebenfalls eine starke Steigerung auf. Eine Ausnahme macht sedock Brotgetreide, wovon geringere Mengen als im Vormonat eingeführt wurden. Deutscher Schiffsverkehr in Malta. Nach der für das Jahr 1921 herausgegebenen Statistik der Schiffsbewegungen im Lasen von Malta steht an erster Stelle England, dann folgt Deutschland mit 99 Schiffen gegen 17 Schiffe im Jahre 1920. Von und fern. Deutschlands ältester Lehrer gestorben. In Berlin starb der frühere Lehrer Emanuel Jungnik im 100. Lebens jahre. Er war am 12. September 1822 in Wollstein (Posen) gebdren und hatte 62 Jahre seines Lebens in dem Städichen RakwiH (Posen) zugebracht. Der politische Um schwung veranlaßte ihn, im Herbst v. Js. im Alter von 99 Jahren noch den Wanderstab zu ergreifen und sich in Berlin eine neue Heimat zu suchen. Deutsches Rotes Kreuz. Die erste ordentliche Mit gliederversammlung des deutschen Noten Kreuzes wurde vom 25. bis 28. April unter starker Beteiligung aus ganz Deutschland in Berlin abgehalten. Die Hauptpunkte der reichen Tagesordnung waren: Jugendfragen (Fürsorge für Säugling, Schulkind, Schulentlassene, akademische Jugend), Förderung des Schwesternwesens, der gemein nützigen Arbeit der Sanitätskolonnen und Samariterver eine vom Noten Kreuz, Zusammenarbeit mit den sozial- hvgirnischen Fachverbänden, Ausbildung von Wohlfahrts- Pflegerinnen, Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Flücht linge. Fünf Kinder im Kinderheim durch GaS vergiftet. Eine furchtbare Gaskatastrophe hat sich in Neumünster zu- MM I HW Iß »»»WW« ! Will» IIVII I IIIÜI I I, Am die Heimat. Roman von Bruno Wagner. SS) (Nachdruck verboten.) Sie hatte erst einen schiefen Mund gezogen; denn als »gnädiges Fräulein" war sie in Ratzeburg noch nicht an geredet worden; und es hatte ihr riesig geschmeichelt. Die ser Stahmer hatte doch Schliff und wußte, was sich ge hörte. Als jetzt aber Johannes seinen Vorschlag machte, stimmte sie lebhaft zu. Und dann verabredeten sie, daß man sich um 8 Uhr abends auf dem Tanzplatze treffen wollte. Als Johannes mit seiner Brmtt sich von Stahmer verabschiedet hatte und zum Schulhause ging, stand der junge Hoferbe noch einige Augenblicke und sah ihnen nach. Er hatte eigentlich vor der Kirche auf jemand anders ge wartet. Aber Alice von Bählow, nach der er sich umge schaut hatte, war nicht gekommen. Das war ärgerlich, denn er hatte schon vorweg zum Tanz engagieren wollen. Nun hatte der Baron, der ihn neulich bei seiner Antrittsvisite so freundlich ausgenommen und auch seinen Damen zugeführt hatte, heute im Weg- fahren nur ganz steif auf seinen Gruß geantwortet; und eingeladen hatte man ihn auch noch nicht nach Poggen hagen. Da mußte er sich schon bei Jessens Braut entschädigen. Dem hübschen Mädchen Hatte er natürlich längst den Kopf verdreht, das wußte er ganz gut. Sie war die Verlobte seines Freundes; zu weit durste man also nicht gehen. Das verbot die Ehrenhaftigkeit, die dem Sauenburger Ball ern tief im Blute sitzt. Doch ein bißchen Herumtollen auf der Pfingstheesch, — das war wohl noch erlaubt. Und er freute sich richtig daraus. Wie das Mädchen neben dem Jessen einherging! Dis hatte Knöchel, schlank und stark wie die Fesseln eines jun gen stolzen Pferdes. Und wie sie sich ein wenig in den Hüsten wiegte und beim Gehen zierlich mit dem Kleide schwänzelte! . Richtig, La drehte sie sich um. Darauf hatte er ja nur getragen. In sechs Betten des Städtischen Kinderheims war für die Nacht die gleiche Zahl Knaben und Mädchen im Alter von 1 bis 3 Jahren untergebracht. Als am Morgen die aufsichtführende Pflegeschwester den Raum be trat, bemerkte sie im Räume einen starken Gasgeruch. Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, daß bereits fünf Kinder durch Gasvergiftung während der Nacht den Tod gefunden hatten, während das sechste, ein zweijähriger Knabe, noch schwache Lebenszeichen von sich gab. 'Das Unglück ist durch einen schadhaften Gasofen entstanden. Beim Kartoffeldiebstahl erschossen. Wie aus Kolberg gemeldet wird, versuchten 12 Männer und Frauen, dis mit Wagen aus Kolberg kamen, nachts auf dem Rittergut Jo hannisberg Kartoffeln zu stehlen. Sie wurden dabei von dem Gutsgärtner überrascht, der in die Dunkelheit hinaus Schreckschüsse abgab. Ein gewisser Steinschläger aus Bublitz und sein Vater wurden tödlich getroffen. Für 511 Millionen Mark Seide gestohlen. Aus einem in Basel unter besonderen Vorsichtsmaßregeln anfgelisfer- ten Eisenbahnwagen wurden auf der Fahrt zum Bestim mungsort Krefeld acht Ballen Rohseide im.Werte von 5;^ Millionen Mark gestohlen. Die Seide wurde in Krefeld zum Verkauf angeboten, wodurch es gelang, die Diebe und Hehler zu verhaften. Die steilste Bergbahn der Welt vor der Eröffnung. Die Oberweißbacher Bergbahn-A.-G. hat die mit einem Kostenaufwand von 10 Millionen Mark erbaute Oberweiß bacher Bergbahn, dis steilste Bergbahn der Welt, so weit fertiggestellt, daß der Personenverkehr am 1. Juni eröffnet werden kann. Goethefcicr in Wien. Der Journalisten- und Schrift» stellervcrein „Concordia" in Wien veranstaltete in der Hofburg eine Gocthefeier, deren Reinertrag dem Fonds zur Erhaltung des Goethehauses in Frankfurt am Main überwiesen werden soll. Der Feier wohnten der Präsident der Republik Hamisch, der deuische Gesandte Dr. Pfeiffer, sowie zahlreiche Vertreter von Kunst, Wissenschaft und Literatur bei. Tunnel Belgien—Dover. Brüsseler Blätter melden, daß Belgien den Bau eines Tunnels plane. Dieser soll Dover mit der belgischen Küste verbinden. England, so beißt es, stehe dem Plan sehr wohlwollend gegenüber, da Belgien auf der kürzesten Strecke zwischen England und Mitteleuropa liege. Eisenbahnunglück in Galizien. Auf dem galizischen Bahnhof Ropozica stieß ein Gitterzug auf einen Personen zug. Fünfzehn Waggons wurden stark beschädigt und neun Personen getötet. Ein Sanitätszug brachte die Ver- wnndeten, deren Zahl gegen 80 beträgt, darunter 19 Schwerverletzte, nach Tarnopol. Neue Erhöhung der russischen VerkchrZtarife. Die Sowjetregienmg hat die Eisenbahntarife ab 1. Mai auf da? Einmittionenfache derjenigen Sätze erhöht, die für den Personenverkehr im Juni 1917 und für den Güterverkehr bis zum 1. Januar 1921 gegolten haben. Bis zum 15. April d. Js. betrugen die Tarife das Zwcihunderttansend- fache und vom 15. April an das Vierhunderttausendfache dieser Sätze. — Die Apothekentaxe in Rußland ist vor läufig auf das Einmillionenfache der Preise von 1911 fest gesetzt worden. Selbstmord des Nic-Earter-Dichters. Der Erfinder der Figur Nic Carters, des Rivalen von Sherlock Holmes in Bild und Roman, Fredric von Rensalleradey, hat sich in Newyork in einem Hotel erschossen. Rensalleradey hat 1076 verschiedene Abenteuer Nic Carters erfunden und hat fast alle amerikanischen Filme mehr oder weniger be einflußt. TyphnSeprdemie in Indochina. In Marsrille sind Meldungen von einer großen Tyvhusepidemie in Indo china emgetroffen. Allein in Stadt Furman-Fon sollen 35 000 Personen der Seuche zum Opfer gefallen sein, mehr als ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Es ist unmöglich, die Leichen der Verstorbenen wegzuschaffen; das hat zur Folge, daß die Epidemie immer weiter um sich greift. Der ärztliche Dienst versagt vollkommen. Vom ^oknkampfplarr. Berlin. (Reichsgewerkschaft deutscher Eisen bahnhandwerker und »arbeite r.) Vor einigen Tagen ist unter diesem Namen ein neuer Verband ins Leben getreten, der mit der Reichsgewerkschaft der Eisenbahnbeamten in eng ster Fühlung steht. Der Vorsitzende der neuen Gewerkschaft Mihm spielte früher im Deutschen Eisenbahnerverband eine Rolle. Anscheinend steht die neue Gewerkschaft in engster Füh- gewartet. Sie wäre kein Mädchen gewesen, hätte sie es nicht getan. Und da er mit raschem Blicke sah, daß der Platz leer war und niemand nach ihm sah, warf er ihr eine Kußhand zu. Sie lachte und nickte. Dann ging sie ruhig neben Jessen weiter. Nach dem Essen wurde im Schulhause allgemeiner Nachmittagsschlaf gehalten. Heute hatte man dazu die Wohnstube Frau Diestel und ihrer Tochter eingeräumt. Der Krüppel hatte sich mit seinem Stuhl ins Schulzimmer setzen müssen. Das tat er gern, weil es ihm eine Ab- wechflrnrg war. Der alte Jessen hielt sein Nickerchen im Schlafzimmer, und Anna hatte ihm so lange zugeredet, bis rr sich aus ein Stündchen aufs Bett gelegt hatte. Sie selbst saß in der Kammer nebenan auf einem harten Küchenstuhl, den sie sich in die Ecke gestellt hatte, damit sie Schulter und Kopf au die Wand lehnen konnte. Frau Gesine Diestel hatte ihr Kleid geöffnet, das ihr schrecklich prall faß, und schnarchte in der einen EckedeS harten schwarzen Roßhaar-Sofas, und Karoline faß in der anderen und ärgerte sich über die Fliegen, die ihr um den Kopf flogen und über das Geräusch, das die Mutter verursachte. Dann fing sie an, die kleinen gelbbraunen Blumensträuße zu zählen, mit denen die graugrüne Tapete geschmacklos in Reihen gemustert war; und als das auch nicht den Schlaf brachte, ließ sie ihre Gedanken wandern, und bald genug waren sie bei Heinrich Stahmer angelangt. Wenn sie nicht verlobt gewesen wäre, hätte sie den stattlichen Bauern Wohl heiraten mögen. Der war ganz anders als die Leute hier in der Gegend, viel manier licher. Wann hatte wohl sonst einer einmal „gnädiges Fräulein" zu ihr gesagt? Und wie er die Hacken zu sammenklappte und sich verbeugte. Er hatte ihr wohl gar dis Hand küssen wollen, so tief hatte er sich darüber ge neigt; aber sie hatte es nicht gelitten. Sie war doch ver lobt, und im Oktober wollte sie heiraten. Der Heinrich Stahmer wäre übrigens ein Mann nach ihrem Geschmack gewesen. Sein Vater hatte die große Doppelhufe, die schon fast ein kleines Gut darstellte; und schwer reich war er, das hatte der alte Jessen der Mutter erst heute bei Lisch erzählt. Wenn Heinrich Stahmer lung mit der Elsenbahner-RetchSgewertschast, und bei den kom menden Verhandlungen der Regierung mit den Vertretern der Beamten uni» Staatsbediensteten soll di« Eisenbahner-Reichs« gewerkschast bereits die Interessen der neuen Gewerkschaft mit« vertreten. Berlin. (Verband deutscher Lokomotivfüh rer.) Die Rechtsschutzvereinigung deutscher Lokomotivführer hat unter Änderung ihrer Satzungen den Namen „Verband deutscher Lokomotivführer" angenommen und bezweckt nun auch die Vertretung und Förderung der Lokomotivführerinteressen. Der Rcichsverkehrsminifler hat der Vereinigung zugesagt, ihrem Eriuchen, als Interessenvertretung ihrer Mitglieder be rücksichtigt zu werden, zu entsprechen. Berlin. (Neue Lohnerhöhungen im graphi schen Gewerbe.) Tarifverhandlungen zwischen den Arbeit geber- und Arbeitnehmerverbänden im graphischen Gewerbe führten zu einem Schiedsspruch des ReichSarbeitsmini« sterS. Zu den bisherigen Wochenlöhnen treten Zuschläge von 120 Mark bis 160 Mark. Beide verhandelnden Parteien er klärten ihr Einverständnis mit dem Schiedsspruch. Berlin. (Vorschlag deS Reichsarbeitsmini sters zum Arbeitskonflikt im süddeutschen M etallgewerbe.) Der Streit dreht sich um die Arbeits zeit. Die Arbeiter wollen an der bisherigen Arbeitsweise (46)4 Stunden wirklich« wöchentliche Arbeitszeit) festhalten, die Unternehmer die Arbeitszeit auf 48 Stunden bringen. Der Arbeitsminister schlägt nun vor, daß die wöchentliche Arbeits zeit zunächst auf 47 Stunden festgesetzt und darüber hinaus für Fälle, in denen betriebstechnische oder allgemein wirtschaftliche Gründe Mehrarbeit erfordern, die Verpflichtung zur Leistung einer weiteren Arbeitsstunde anerkannt wird. Diese ev. Stunde soll wie eine tarifliche Überstunde bezahlt werden. Gencktsballe. Preistreibereien mit Milch. Einen Beweis dafür, wie umfangreich die Preistreibereien im Molkereigewerbe sind, lie ferte ein Prozeß, der vor der Strafkammer zu Paderborn ver handelt wurde, Angeklagt waren der Verwalter Theodor Röhe von der Genossenschastsmolkerei in Erwitte (Wests.) Wegen Preistreiberei und Bestechung, der Milchhändler Lorenz Pütz in Solingen wegen Bestechung und die vier Vorstandsmitglie der der Genossenschaft wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Die Genossenschaft Erwitte erzeugt jährlich 21L Millionen Liter Milch, die sie während der Zwangsbewirtschastung an eine An zahl Städte abzusetzen hatte. Vor Gericht wurde festgestellt, daß Röhe die Milch nur gegen hohe Überpreise, insgesamt von 1 Million Mark, abgegeben habe und für sich persönlich minde stens 163 000 Mark Bestechungsgelder angenommen habe. DaS Gericht verurteilte Röhe wegen Preistreiberei zu fünf Mona ten Gefängnis, und wegen passiver Bestechung zu weiteren vier Monaten Gefängnis, unter Einziehung der erhaltenen Be stechungsgelder von 163311 Mark. Pütz wurde wegen Be stechung RöheS zu 25 000 Mark Geldstrafe verurteilt, die Vor standsmitglieder der Genossenschaft wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht zu Geldstrafen von 10 000 bis 1000 Mark. Di- Einziehung der Überpreise von 728000 Mark bleibt dem Ver- fahren gegen die Genossenschafter Vorbehalten. Vermischtes. Novalis' 150. Geburtstag. Im Kreife der deutschen „Romantiker" nimmt der unter dem Namen Novalis be kannte Dichter Friedrich von Hardenberg eine hervor ragende Stellung ein. Am 2. Mai 1772 — vor 150 Jahren also — in Wiederstedt im ManSfeldischen geboren, wurde er Regierungsbeamter, siechte aber, von Jugend an kränk lich, rasch dahin und starb, erst 28jährig, am 25. März 1801 in Weißenfels. Novalis war ein Mensch von großer Be- geisterungsfähkgkeit, ein phantastereicher und tiefsinniger Theosoph, der „Prophet der romantischen Schule", der es mit der Absicht, Leben und Poesie, Wissenschaft und Re ligion in eins zu verschmelzen, sehr ernst genommen hat. Sein unvollendet gebliebener Roman „Heinrich von Ofter dingen" legt davon Zeugnis ab. Von seinen Gedichten sind besonders bemerkenswert die mystisch-tiefen „Hymnen an die Nacht" und die „Geistlichen Lieder". Ein Kamps um den Ehering ist in England entbrannt. In dem Jnselreich war nämlich die Zeremonie des Ring tragens nicht üblich: der Bräutigam steckte der Braut den einfachen goldenen Reif an den Finger, ohne oon ihr einen Ring zu empfangen. Die englischen Frauen wün schen aber, daß das anders wird, und daß auch der Mann durch einen Ring öffentlich feine Gebundenheit anerkennt. Die Blätter bringen zahlreiche Zuschriften aus ihrem Leserinnenkreise, in denen gefordert wird, daß das Tragen eines Eheringes für den Mann verbindlich gemacht wird. Ob das wirklich viel helfen würde? Man braucht ,a den Trauring nicht immer an den Finger zu stecken — wozu gibt es denn Westentaschen? heiratete, übergab ihm natürlich der Alte den Hof und zog aufs Altenteil. Die Frau würde es gut haben. Freilich, der alte Bauer hatte gesagt, wenn der Hein rich ihm nicht eine Frau rmch seinem Herzen brächte, gäbe er den Hof nicht ab, solange er lebte. Darum hatte Stahmer auch auf die schöne Hamburger Schauspielerin verzichten müssen, von der man erzählte, daß sie sich in ihn bis über beide Ohren verliebt hätte und ihm ihre Kunst und eine glänzende Zukunft opfern wollte. Frau Hofbesitzer Stahmer wäre Karoline gern gewor den. Aber da es nicht fein konnte, war sie froh, ihren Jo hannes zu haben. Die Hauptsache war doch, daß sie von allen ihren Freundinnen die erste war, die heiratete. Dar auf war sie sehr stolz, denn die Zahl der in Betracht kom menden Heiratskandidaten war in der kleinen Stadt recht gering. Unter solchen Gedanken schlief sie ein; und bald träumte sie von Johannes Jessen. Der aber nahm plötzlich eine andere Gestalt an, und nun war es Heinrich Stahmer, Ler sich über ihre Hand neigte, sie zu küssen. Nur Gesine Jessen und Johannes waren nicht zur Ruhe gegangen. Gesine stand in der Küche am Zuber und wusch auf. Ihre robusten Arme waren krebsrot vom hei ßen Wasser. Sie planschte und klapperte mit den Tellern, Messern und Gabeln, daß es eine Lust war; und dabei schalt sie in stoßweisen Worten auf die Faulenzer, die nach Tische schliefen und Lie getrost hören mochten, wie st« in der Küche hantierte. Johannes war zu der Dachkammer hinaufgestiegen, in der er stets gewohnt hatte, wenn er in Neuendamm ge- wefen war. Da stand noch die einfache hölzerne Bettstelle, mit dem Strohsack und dem rotweiß gestreiften billigen Überzüge, auf dem er auch jetzt schlief, wenn er zu Besuch im Vaterhause war; dazu ein eisernes Gestell mit dem blechernen Waschbecken und der schadhaften Emaillekanne, — ein wackeliger Stuhl und ein Tisch, den man aa die Wand rücken mußte, damit er feststand. (Fortsetzung folgt.)
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