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Ratdenau. Don unserem O-Mitarbeiter wird uns geschrieben: Bisher hat der neue Minister des Auswärtigen seit seiner Ernennung nur einmal Gelegenheit gehabt, sich vor dem Reichstag in dieser seiner Eigenschaft zu präsen tieren: als der deutsch-schweizerische Schiedsvertrag zur Beratung stand, den er mit einigen Bcglcitworten dem Hohen Hause zur Annahme empfahl. Auf die groben Aufgaben seiner Politik konnte er erst jetzt im Hauptaus» schuß des Reichstages eingehen, als der Etat des Aus wärtigen Amtes zur Verhandlung stand. Der Reichstag kennt aber diesen Redner schon aus seiner früheren Tätigkeit als Wiederaufbonminister zur Genüge, um zu wissen, daß er die Form ebenso wie die Sache, mit der er es jeweils zu tun hat, in ungewöhn lichem Maße beherrscht, daß er sich auf die wohltuende Ruhe seines Vortrages zu verlassen pflegt, die seine poli tischen Gegner, so scharf sie auch die Gesamtrichtung seiner Politik ablehneu mögen, doch immer in den Grenzen einer würdigen Opposition festhält. Wesentlich Neues dürfte von den vielleicht allzu laut angekündigten Mit teilungen des Außenministers dagegen kaum jemand er wartet haben. Wir wissen ja so ziemlich alle, wie unsere auswärtige Lage heute beschaffen ist, wie wir auch den jämmerlichen Zustand unserer Reichs- uno Volkswirt- schäft mit jedem Tage drückender zu spülen bekommen. So begann denn Herr Dr. Rathenau in der üblichen Weise mit einem Rückblick auf die politische Entwicklung der letzten Wochen. Dabei wiederhol:.' er das Eingeständ nis der Notwendigkeit zum Wiederaufbau der zerstörten Provinzen Frankreichs, die, solange sie als Wüsteneien zwischen Deutschland und Frankreich liegen, ein Symbol der Spaltung zwischen den Völkern bedeuteten. Daß, wenn eS nach Deutschland gegangen wäre, dieser Wieder aufbau schon sehr wesentliche Fortschritte gemacht haben könnte, und daß in weiten Kreisen nicht nur unseres Vol kes der Eindruck besteht, daß Frankreich diese Wüsteneien als solche erhalten möchte, weil eS aus ihnen kein Symbol der Völkervereinigung oder Völkerversöbnung gemacht sehen will, hat Herr Tr. Rathenau selbstverständ- lich unerwähnt gelassen. Als Minister des Äußern darf er sich solche Extratouren nicht leisten, womit indessen gar nicht gesagt sein darf, daß er in diesem Punkt wirklich so harmlos denkt, wie er gesprochen hat. Er kam dann auf Wiesbaden, auf Cannes und auf Genua zu sprechen, unter polemischen Wendungen gegen seine innerpolitischen Gegner, die auf der einen Seile nicht wahrhaben wollten, daß man Ursache habe, sich über die Anberaumung einer internatioralen Wirtschaftskonferenz zu freuen, und die auf der andern Seite nach der Nieder läge Lloyd Georges in Boulozne triumphierend erklär ten, daß man sich von Genua nun gar nichts versprechen könne. Er folgert daraus, daß hier weniger wirtschaft liche als innerpolitische Gegensätzlichkeiten ausgesochten würden, die ihn in seiner jetzigen Eigenschaft natürlich nicht berühren. Er seinerseits begnügt sich mit der Fest stellung, daß er nie erwartet habe, man würde einer aus vierzig, nicht durchweg am FriedeneveNrag beteiligten Nationen bestehenden Versammlung, wie sie die Konferenz von Genua darstelle, die Wiederhersiellungssiage und den Versailler Vertrag zur Beschlußfassung unterbreiten. Da für sei Genua niemals der Ort gewesen, wohl aber werde die Möglichkeit gegeben sein, daß in Genua die allgemei nen Ursachen der Wellerkcankung erörtert würden, und daß die Nationen gemeinschaftlich nach solchen Wegen suchten, die zu einer Gesundung des ganzen Erdteiles führen könnten. Hier liegt freilich der Einwand nahe, ob dann die wirklich maßgebenden Teilnehmer der Konferenz ernstlich auf eine fruchtbare Lösung dieses schicksals schweren Weltproblems irgend welchen Wert legen, und ob st« nicht vielmehr von vornherein entschlossen sind, auf ihrer Auffassung von den Ursachen der Welte-krankung unter allen Umständen zu beharren. Als da sind: Der „böse Wille" Deutschlands seinen Versailler Verpflich tungen gegenüber, die mangelnde moralische Abrüstung bestimmter Teile des Volkes, und was ähnliche Unter stellungen mehr sind. Dr. Ratbenau aber ist weit davon entfernt, von Genua auf den ersten Hieb sozusagen einen durchschlagenden Erfolg zu erwarten. Praktisch, sagt er, werde Genua vermutlich das erste Glied einer Reibe von Konferenzen sein, die voraussichtlich dieses Jahr und das nächste Jahr in Anspruch nehmen werden. Die Völker seien eben heute noch zu weit entfernt von der Klarheit über die Ursache ihres Elends, als daß man annehmen könne, eS möchten sofort endgültige H^iungsprozefle vor genommen werden. Rathenau hat offensichtlich die klare Überzeugung ge wonnen, daß die Hauptaufgabe der interna"—-7len Poli tik, und somit auch unsere Aufgabe, darin besteht, aus dem Stadium des „Vorläufigen" in das des „End gültigen" Hinüberzugclangen. Jedes Provisorium oe- lastet uns unerträglich und hält uns vom wahren Frieden fc '. Er wies nach, wie schwer die D<-''^«Zahlungen von 31 Millionen Mark auf unsere Volkswirtschaft und auf unsere Valuta drücken, konnte aber gleichzeitig be tonen, daß nicht nur wir, sondern die aef"v^e Weltwirt schaft unter diesem ewigen Hangen und Bangen leiden, das seine letzte Wurzel immer noch im Versailler Frieden findet. Amerika ist Rathenaus große Hoffnung. Amerika, da« nach seiner Überzeugung den Krieg und den Frieden entschieden hat, und auch zur Entscheidung der künftigen wirtschaftlichen Welten! ickln-g berufen sein werde. Von Amerika könne die Möglichkeit einer groß n internationalen Anleihe zur Reform deS aanzen Wie- dergn'machungSwerkes ausgehen, und weil Amerika a^ 'n dazu in der Lage ist, habe es wohl auch die alleinige Ver antwortung dafür, daß die Welt dem wirklichen Frieden endlich näherkommt. Genua, der Zielpunkt aller anaenbücklichen politi schen Bestrebungen, wird daher auch im wesentlichen von der Stellungnahme Amerikas zn dicker Konferenz ab hängig sein, und wenn auch der Minister in kühler Ab wägung aller Schwierigkeiten nicht mit allzu großem Op timismus auf Genua blickt, f» ließ er doch der Hornung Raum, daß von dort auS unser Keg vielleicht eine Wen dung zum Besseren nehmen k-wn». politische kunctscbau. veutfcklanct. Der Antrag Kapps an das Reichsgericht, sich gegen die Zusicherung freien Geleits den deutschen Be hörden zu stellen, ist beim Oberreichsanwalt in Leipzig tat sächlich etngelKfse«. Lie Entscheidung, ob das Gesuch Kapps abgekehnt oder angenommen werden soll, liegt nicht beim Justizminister, sondern beim Untersuchungs richter in Leipzig, der die Untersuchung in der Angelegen heit des März-Putsches führt. In Parlameutskreisen be stehen gewisse Bedenke« gegen den Verzicht auf Unter suchungshaft, besonders da sowieso nur eine ganz kurze Untersuchungshaft in Frage käme. Die endgültige Ernennung des RcichSsinanzministerS wird in parlamentarischen Kreisen als unmittelbar bevor stehend angesehen, und zwar ist man überzeugt, daß Dr. Hermes, der neben seinem Ernäherungsministerium das Finanzministerium vorläufig mit verwaltete, end gültig dahin übersiedeln wird. Jedenfalls scheinen sich die Koalitionsparteien mit der Übergabe dcL Postens an Dr. Hermes einverstanden erklären zu wolle«, einschließlich der Sozialdemokraten. Der Papst gegen das Unrecht am Rhein. Der Papst empfing die italienische „Antisklavereigesell schaft" und lobte besonders deren Auftreten gegen den Ausschluß der deutschen Missionare aus ihrem frühe ren Wirkungskreis und gegen die schwarzen Be- satzungstruppen in Europa. Bekanntlich hatte vor Monate» der italienische Antistlavereikongrcß die Verwen dung schwarzer Truppen zur Besetzung deutscher Gebiete als eine „Kulturschande" bezeichnet. Die Bedrücker des Sa-rgcbiereS. Ebenso wie vor kurzem der Kreistag von St. Wendel und die Saarbrückener Stadtverordnetenversammlung, hat nun auch der Kreistag von Ottweiler die Begut- Des Vaters Vermächtnis. Lriginal-Roma» «on 4g Werner Sinn. Zitternd streckte Ingeborg die ^>and aus, um da? haket in Empfang zu nehmen. Ihre Erregung war so groß aß sie unfähig war, die Umhüllung des Paketes zu lösen. Ottomar und Rolf ivaren ihr dabei behilflich. Sie lasen die Aufschrift, sie die genaue Adresse Ingeborgs ausmics, lösten die Um- chnürung und falteten das Papier, das das Tagebuch um- chloß, auseinander. Wenige Sekunden später hielt Ingeborg das ganz ein fache, aber ziemlich dicke Buch in der Hand. Ihre Aufregung hatte den Höhepunkt erreicht. Instinktiv fühlte sie, das; nunmehr oll ihre Zweifel geklärt werden würden, daß es jetzt Licht werden sollte um sie. Aber gleich zeitig ahnte sie, daß diese Enthüllung, so sehnlichst sic sie auch herbeigcwünscht hatte, nunmehr, wo sie endlich da war, furcht bar werden müßte. Das, was sie so lange erhofft, bereitete ihr jetzt Ängst. Ihr Sehnen ward zur Qual, ihr Wünschen zu bitterem Herzeleid. Diese Gewißheit war in ihr so deutlich ausgeprägt, daß kie nicht die geringste physische Kraft aufzubringen vermochte, um den Deckel des Buches aufzuschlagen, damit sie läse, waS es ibr offenbaren wollte und was aus dem Grab heraus ihr der fremde Mensch zu sogen hätte. Rolf und Ottomar bemerkten, wie Ingeborg sich zwingen mußte, gerade jetzt, im allerletzten Augenblick, stark zu bleiben, um den Mut aufzubringen, ihrem Schicksal voll in die Augen zu sehen. Ottomar wollte daS Buch an sich nehmen, um darin zu lesen, aber Inge wehrte es ihm und bat: „Liebling, b'tte, letz mir dos Buch: es ist mein Eigentum, ich will eS setzt lesen und will ganz ruhig bleiben, sei unbesorgt; ängstigt Euch nicht um mich, ich muß jetzt endlich wissen, was hier eigentlich voraebt." Damit schlug Ingeborg den Deckel des Buches zurück. Auf der ersten Seite standen mit klarer, deutlicher, großer Schrift geschrieben nur' vier Worte. — . Und Inge las: „Milner lieben Tochter Ingeborg." In demselben Moment begriff Ingeborg alles; blitzschnell arbeiteten ihre Gedanken, auch wenn sie gewiße Zusammen hänge nur schwach e^nen konnte. Was sich ereignete, halte sie plötzlich mit klarem Bewußtsein erfaßt; nur allzu be stimmt war ihr die Bedeutung dieser vier Worte zum Ve- wußdlein gekommen. Es flimmerte ihr vor den Augen, Nebel umschleierten ibre Blicke und mit ihrer Kraft war es zu Ende: leise entglitt das Buch ihren zarten Händen; ohnmächtig sank Inge in Ottomars Arme. Rolf halte diese Kat. fdrophc kommen sehen; er klingelte sogleich nach Inges Zofe, die auch sofort erschien, um ihrer geliebten Herrin zu helfen. Sie betteten Ingeborg auf ein Ruhebett; alle drei waren um die Aermste bemüht, sic wieder zum Bewußtem jurückzurufen. — DaS Tagebuch lag aufge- schlagcn ani Boden, dort, wo Ingeborg gesessen hatte. Deutlich las Brandt immer wieder die Widmung: „Meiner lieben Tochter Ingeborg." Er bückte sich, hob das am Boden liegende Buch auf und überreichte es Ottomar mit der Bitte, es fortzuschließen. Er wollte nicht, daß, wenn Ingeborg wieder erwachte, ihr erster Blick gleicy darauf fiele und dadurch ihre Gesundheit vielleicht aufs m»e gefährdet werden könnte. Immer noch hielt die liefe Ohnmacht Ingeborg umfangen. Trotz redlichster Bemühungen vermochten weder die Diener schaft noch ihre Freunde der Armen zu helfen. Rolf hielt eS daher für das Beste, einen Arzt herveizurufen, um ernsteren Komplikationen vorzuber^en. Bereitwilligst erbot er sich, mit seinem Wagen zur Stadt zu fahren, um dort nach Möglichkeit Professor Bramberg erreichen zu suchen, um diesen sogleich zur „Villa Inge" mitmbrmgen. Herzlich dankte ihm Ottomar für diesen neuen Freund schaftsdienst. Rolf fuhr sogleich davon. Ottomar war Rolf ausrichtig dankbar, daß er sich um einen Arzt bemühte; denn er machte sich ernstliche Sorgen um daS Befinden seiner VcrloRen. Er kannte Ingeborg ganz genau, er wußte, daß die unendlich vielen seelischen Kämpfe, die furchtbaren Aufregungen und Er schütterungen, die sie in den letzten Tagen und Wochen erlitten. Sammelmappe kür bemerkenswerte Lage»- un», Zettereignisf«. * Im Preußischen Landtage kam es bei der Debatte übe: die Dato-Mörder zu stürmischen Auftritten. * Zwischen England und Frankreich ist ein Kompromiß über die Schaffung dauernder Kontrolllommlssionen in Deutsch land zustandegekommcn. * Die italienische Regierung hat nunmehr ibre Zustimmung zur Eröffnung der Genueser Konferenz am 10. April gegeben. achtung der ihm jetzt von der Reglerungskommisslon vorgelegten neuen Gesetzentwürfe, darunter das neue Lohnsteuergesetz, das dem im Reiche bereits gelteuden ähnlich ist, abgelehnt. In der Begründung wird be tont, daß der Kreistag nach wie vor zur Mitarbeit bereit sei, sobald die unverkennbaren Annexions bestrebungen der Regierungskommission und ihre planmäßigen Versuche, die Saarbevölkecung von Deutsch land und dem Deutschtum loszulösen, aufhören und der Saarbevölkerung ein zeitgemäßes und entscheidendes Bestimmungsrecht gewährleistet wird. Die Begründung soll dem Völkerbund unterbreitet werden. * Berlin. Dem Nationalrat von Montevideo wurde ein Ge setzentwurf vorgelcgt, der die Ermächtigung enthält, mehrere Anleihen in Goldpiastern auszulegen. Die eine in Höhe von zehn Millionen soll unter dem Titel „Anleih« an Frankreich im Jahre 1922", die andere von 10 Millionen unter dem Titel „An leihe an Deutschland im Jahre 1922" aufgelegt werden. ' Köln. Die Interalliierte Rheinlandkommisston hat daS Strafmaß für Spionage dahin gemildert, daß an Stelle der Lugedrohtcn lebenslänglichen Freiheitsstrafe eine Freiheits strafe von höchstens 15 Jahren Gefängnis tritt. Koblenz. Die Interalliierte Oberkommission in den Rhein- kanden hat die Auflösung des Vereins ehemaliger Offiziere in Aachen ungeordnet und den Verein im gesamten BesetzungS- gebiet verboten. Oppeln. Der Plan der Interalliierten Kommission in Oppeln für die Räumung Oberschlesiens durch die Entcntetrnp- pen und die Übergabe der entsprechenden Gebiete an Deutschland und Polen ist nunmehr endgültig sertiggestellt und dem Ober sten Rat zur Gcnebmigung vorgelcgt worden. Sobald der Oberste Nat nach Anhörung des von Oppeln nach Paris ge reisten Gcneralstabschess der Interalliierten Kommission den Plan genehmigt haben wird, soll er der deutschen und der polni schen Regierung offiziell überreicht werdem Paris. Die Konferenz der französischen, englischen, belgi schen und italienischen Finanzminister wird sich mit folgenden Fragen beschäftigen: 1. mit dem Finanzabkommen vom 13. Ang., der Kohle im allgemeinen und ihrem hohen Preis, den Saar gruben und dcr Verteilung der ersten Milliarde, 2. mit der Frage der Vesatzuugskosten und 3. mit dem Wiesbadener Ab kommen. Neuerung unä Gekallserbökung. Eine Eingabe der Gewerkschaften. Nach einer Mitteilung des Vorwärts haben vor einigen Tagen die in den fünf Spitzenorganisa- tionen Allgemeiner Deutscher Gewerkschaflsbund, Afa- Bund, Deutscher Beamtenbund, Deutscher Gewerkschaf:»- bund und Gewerkschaftsring vereinigten Verbände, kotreit sie Reichs-, Staats-Kommunalbeamte und «arbciter ver treten, der Neichsregierung eine schriftliche Ein gabe übermittelt, in der mit Rücksicht auf die ge waltig fortschreitende Teuerung sofortige Verhand lungen über eine angemessene Erhöhung der Grundgehälter und GrundlShne des Personals der Reichs-, Staats- und Kommunalbeiriebe gefordert wird. In der Eingabe werden keine ziffern mäßigen Forderungen aufgestellt, dagegen wird gesag-7 „Die Gewerkschaften behalten sich vor, zu Beginn dcr noch feflzusetzenden Verhandlungen ihre Vorschläge vor- zttlegen und entsprechend zu begründen. Mit Rücksicht auf die unter den Beamten und Arbeitern vorhandene großeErregung wird einraschesHandeln und die sofortige Festsetzung des Verhandlungstermins ver langt." Zurzeit finden in den beteiligten Verbänden Be ratungen über die Höhe der zu stellenden Forderungen und das taktische Zusammenarbeiten statt. Allem Anschein nach wird auch diesmal die Einheitsfront zwischen den fünf Spitzeuocganisationen hergestellt werden. unmöglich spurlos an ihr hatten vorübcrgchen können. Mit einen: bewundernswerten Mut und einer seltenen Aufbietung aller Kräfte hatte das junge Mädchen bis setzt standgehalten und bis zuletzt war sie bemüht, stark zu bleiben. Jetzt waren ihre Kräfte zu Ende. Länger vermochte sie nicht gegen ihr Schick sal anzukä'npsen; es hatte sich allzu überlegen und heraus fordernd ibr gegenüber gestaltet. Daß sie Mut besessen, hatte sie bewiesen; daß sie mit aller Kraft dem Schicksal Trotz zu biete» versucht, koni te ibr die Welt bezeugen. Aber sie war nur ein Weib. Uebcrmmschlichcs konnte niemand von ihr verlangen. Bis zur letzten Sekunde hatte sie gekämpft und gerungen. Jetzt packte sic die Verzweiflung, und da mußte sie zufammenbrcchen. Otto mar kannte ihre Aufopferungsfähigkeit, er bewunderte ihren Mut und konnte cs wirklich ermessen, was sie hatte leiden und aushalten müssen. Hoffentlich, so wünscht« er daher sehnlichst, gelänge es dem Freunde, ball» einen Arzt zu finden, der seine geliebte Inge retten könnte. 12. Kapitel. Ingeborg war mehrere Tage ernstlich krank. Sie hatte seelisch zu viel leiden müssen; darum hatte die Krar.kbeit solche Macht über sie gewinnen können. Professor Bramberg, dm hcrbeizurufm Rolf damals tat sächlich gelungen war, bemühte sich außerordentlich um Ingeborg. Er lat, was in seinen Kräften stand, schon aus rein menschlichem Mitgefühl mit dem schweren Geschick, das auf ihr lastete. Sein Mitleid mit der Schwergeprüften war aufrichtig. Sein Bedauern erschöpfte sich keineswegs lediglich in leeren Worten, sondern er suchte der Armen tatkräftigst beizustehen. Was irgendwie in seine« Kräften stand, geschah. Er hatte von vornherein erkannt, daß feine Patientin besonders seelisch litt, und daß diese seelischen Leiden die Hauptursache ihrer körperlichen Erkrankung darstellten. Alles war in Ingeborg zusammengcbrochen. Innerlich mußte sie sich erst einmal wieder aufrichte» können, wenn anders sic auch körperlich genesen sollte. Jeden inneren Haft hatte sic verloren. Den mußte Ottomar ihr zurückgoben. (Fortsetzung folgt.)