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Vie groke ^anLierreäe. Steuerkompromiß und Antwort an Poincarö. Vor einem saft vollzählig besetzten Hause und vor überfüllten Tribünen hielt der Reichskanzler Dr. Wirth am Abend des 26. Januars seine angekündigte große Rede über die innere und äußere Politik. Neben den Reichs ministern waren auch zahlreiche Vertreter der einzelnen Staaten anwesend. Bald nach der Eröffnung der Sitzung nahm das Wort zu einer Erklärung der Reichsregierung Reickskanzler Dr. Wirth: „ML die Reichsregierung," so führte er aus, „am 26. Okto ber vorigen Jahres mit einer programmatischen Erklärung vor den Reichstag trat, vertrat ich im Namen des Kabinetts dis Meinung, daß unsere innere und auswärtige Politik in ihren Grundlinien auch in der durch die ungünstige Entscheidung über Obcrschlesicn geschaffene neuen Lage fortgssührt werden müsse. Diese Politik ist im Innern Erhaltung und Wieder aufbau des Reiches, Überwindung der wirtschaftlichen sozialen und moralischen Kriegsschädcn durch innere Konsolidierung der Ration: in der auswärtigen Politik aber: Mitarbeit Deutschlands an der Herstellung eines wahren Friedens in der Welt und als Mittel hierzu die Bereit willigkeit, die Lasten Deutschlands aus dem Friedensvertrage und seinen Annexen bis zur Grenze der Leistungsmöglichkeit zu erfüllen." Der Kanzler kam dann aus die Kardinälfrnge der Reparationen zu sprechen und fuhr, nachdem er Walter Rathenau den Dani der Regierung für seine Bemühungen um das Zustande kommen eines unmittelbaren Gedankenaustausches mit unseren ehemaligen Gegnern ausgesprochen hatte, also sort: „In Can nes ist cs uns zum erstenmal gelungen, in freier Weise und anders als in einem Verhör die wahre Lage Deutschlands vor Äner Konferenz auseinanderzusetzen, auf die die Augen der gan zen Welt gerichtet waren. Diese Konferenz hat auch Veran lassung genommen, Deutschland zu einer nächsten Konferenz als Teilnehmer einzuladen, auf der die Lage der gesamten Weltwirtschaft und die Probleme der Erneuerung friedlicher internationaler Wirtschaftsbeziehungen, besonders die Frage der Errettung Rußlands und Mitteleuropas aus ihrer wirt schaftlichen Isolierung, beraten werden sollen. Wir werden nach Genua gehen und kommen nicht mit dem Dolch im Gewände und mit hinterlistiger Absicht, sondern mit offenem Visier und mit der Devise, die auch die des Konferenzprogramms ist: V e r- ständigung aller Rationen, der armen und der reichen, der Sieger und der Besiegten, zu dem gemeinsamen Ziel der Wiederherstellung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen. An Frankreichs Adresse. Dr. Wirth ging dann auf die Rede ein, die PoincarS an läßlich des jüngsten französischen Kabinettswechsels gehalten Hat, indem er sagte: „Ich möchte im Anschluß an diese Worte Mich noch kurz über das, was wir in der letzten Zeit aus unserem westlicher: Nachbarlande gehört haben, äußern. Der französische Kabinettswechscl ist fast in der ganzen Welt als ein Zeichen dafür angesehen woroen, daß der Wiederherstellung eines dauerhaften Friedens in Europa noch Rückschläge drohen kön nen. Ich bin der Meinung, daß die deutsche Politik jeder fran zösischen Regierung gegenüber dieselbe Haltung einzunehmen hat, nämlich die aus dem ehrlichen Friedenswillen sich ergebende Bereitwilligkeit, den Interessen Frankreichs soweit Befriedi gung zu verschaffen, als dies nur irgend in unserer Macht liegt." Der Kanzler wies nach, daß Poincares Behauptung, daß Deutschland mit der sogenannten Wiedergutmachung noch gar nicht begonnen habe, nicht den Tatsachen entspreche, und daß es ebenso falsch sei, immer wieder zu behaupten, daß Deutschland nichts leisten wolle, sondern absichtlich eine Politik ver folge, die zu seiner eigenen Bereicherung und zur Schädigung der sranzösiscken Interessen führe. Wer wlcheS sage, habe keine Ahnung von den wirtschaftlichen Grundlagen der deutschen Ent wickelung in der letzten Zeit. In besonders scharfer Weise wandte sich Dr. Wirth dann der Frage der Kriegsbeschuldigten zu. Der Vorwurf der Parteilichkeit des Reichsgerichts müsse mit aller Schärfe zurückgewiesen werden. Wie Deutschland seinerzeit die verlangte Auslieferung der Kriegsbeschuldigtcn jetzt unmöglich sein.Man könne die Befürchtung nicht unterdrücken, unmöglich sein. Man könne die Befürchtung nicht unterdrücken, daß die französische Regierung die Frage der sogenannten Kriegsverbrecher dazu benutzen will, um von neuem das System der Garantien und Sanktionen anzu- wendcn. 100 Milliarden Steuern. Nunmehr svracb der Kanzler über das Problem der Repa rationen und kündigte das c n d g ü lt i g c S t e u erko m p r o - miß an; er teilte mit, daß die Parteien von der Sozialdemo kratie bis zur Deutschen Völkspartci sich im wesentlichen auf dir Regierungsvorlage geeinigt hätten, mit folgenden Änderungen: . 1. Bei der Vermögenssteuer und der Vertno- gen s.zuw achs st eucr sind die von der Regierung vorge schlagenen mittleren Tarife vorgesehen; der Zuschlag zur Ver mögenssteuer soll 200 Prozent betragen. Dazu soll durch Ge setz eine Zwangsanleihe in Höhe des Gegenwer tes von einer Milliarde Goldmark aufgelegt wer den, die in den ersten drei Jahren unverzinslich bleiben soll. 2. Dje Nachkriegsgewinnsteuer soll fallenge lassen werden, da ihre Erhebung den Finanzämtern eine nicht im Verhältnis zum Auskommen stehende Arbeit verursacht. Z. Bei der Umsatzsteuer soll ausnahmslos ein Satz von 2 Prozent zur Anwendung kommen. 4. Die Kohlensteuer soll grundsätzlich 40 Prozent be tragen mit der Möglichkeit der Anpassung an die Wirtschafts lage. 5. Die Zuck er steuer wird auf 50 Mark für den Doppel zentner festgesetzt. 6. Die Zölle auf Kaffee, Tee und Kakao sollen nach den Vorschlägen des Reichswirtschaftsrates bemessen werden. 7. Bei der Biersteuer sollen bezüglich der Steuersätze die Beschlüsse erster Lesung aufrechterhalten werden. Die Re gelung der Gemeindebiervesteuerung soll dem Landessteuer gesetz überlassen bleiben. Der Kanzler schloß seine große Rede mit Bemerkungen, in denen er seine Übereinstimmung mit einigen der in letzter Zeit veröffentlichten Äußerungen des englischen Ministerpräsi denten Lloyd George kundgab, und verbreitete sich schließ lich noch über den Wiederaufbau Rußlands, der nur im Einverständnis mit Rußland selbst ausgesührt werden könne. Die Rede, die in ihrem ganzen Verlauf bei der Mehrheit lebhaften Beifall ausgelöst hatte, fand auch am Schluffe stür mischen Beifall. Als einziger Redner in der Debatte sprach nach dem Kanz ler der Abg. Graf Westarp (Du. Nolköp.), dessen Ausführun gen, die sich scharf gegen die Politik der Regierung wandten, wiederholt zu lebhaften Kundgebungen der Linken führten. Graf Westarp erklärte das Kompromiß für ein „Fanal der Par- teiherrschasi" und sprach die Befürchtung aus, daß die Zwangs anleihe eine Sistierung der deutschen Unternehmungslust be wirken werde. Politische Kunclickau. Deutsch - amerikanischer Schiedsgerichtsausschuß? Mit Rücksicht auf die Gegnerschaft vieler amerikanischer Senatoren gegen jede Teilnahme Amerikas an den Ver pflichtungen, die im Versailler Vertrage festgesetzt sind, hat sich eine im Weißen Hause zu Washington zusammenge tretene Konferenz dahin ausgefprochen, daß Verhandlungen mitDeulschland über einen neuzubildenden deutsch-amerika nischen Schiedsgerichtsausschuß zur Regelung der privaten Schadenersatzforderungen aus dem Kriege eröffnet werden sollen. Der Betrag der Schädigungen aus dem Kriege, den Amerikaner angemeldet haben, wird auf 400 Millionen Dollar geschätzt. Nach den offiziellen Statistiken habe der Verwalter feindlichen Eigentums noch 500 Millionen Dollar in Verwahrung, die Deutschland gehörten. Das Deutschtum in Polen. Der polnische Verband zum Schutze der Westbezirke gibt seinen Anhängern bekannt, daß von den 25 000 Deut schen, die im Laufe der letzten vier Wochen optiert haben, 12 000 die Absicht hatten, als deutsche Staatsangehörige in Polen zu bleiben. Bisher hätten sich in Polen und Pommerellen insgesamt 51000 für Deutschland erklärt. Von diesen seien 31 000 nach Deutschland abgewandert. Sicherung der Brotversorgung. Im Staatshausüaltsausschuß des bayerischen Land tages wurde ein Antrag über eine Hilfsaktion für die Min derbemittelten behandelt. Da die Aussprache erneut das Gespenst aufbrachte, daß Deutschland am 1. Mai lein Brot getreide mehr Haven werde, teilte der Landwirtschafs minister ein ihm zugegangenes Schreiben der Reichs getreidestelle mit, aus dem hervorging, daß die Brotge treideversorgung bis Mitte Juli gesichert sei, und zwar die heute gegebene Brotration. veutfck Öfterrei;:?,. Unruhen infolge der Teuerung befürchtet. Verschie- dentliche Nachrichten besagen, der Niedergang der Krone habe ein solch ungeheures Steigen der Preise hervorge- rufen, daß die Lage verzweifelt sei und Unruhen zu be fürchten seien. Die österreichische Negierung habe deshalb den alliierten Mächten Vorstellungen gemacht, die Lage auseinandergesetzt und erklärt, daß sie, wenn nicht inner halb der nächsten Tage Hilfe aus dem Auslände einträfe, jede Verantwortung für die Folgen ablehne. — Eine An sammlung von Vundesangestsllten demonstrierte Des Vaters Vermächtnis Original-Roman VLN 81) Werner Sinn. Was konnte Brandt für ein besonderes Interesse daran haben, den Grund des gestrigen Besuche- Ingeborgs zu er fahren? Ottomar blieb cs gänzlich unverständlich, in welchem Zusammenhang dieser Besuch mit dem Morde stehen sollte. War er etwa der Täter? Hatte Ingeborg vielleicht mit der Ermordung ihres Vaters irgend etwas zu tun? Diese Ge danken waren doch tatsächlich zu absurd, um jemals von irgend einem Menschen ernstlich erwogen zu werden, am aller wenigsten von Rolf Brandt, den er doch als klugen, ver ständigen Menschen zur Genüge kannte. Er hatte Brandt gegenüber nichts von seiner Hiebe zu Ingeborg verlauten lassen. Dazu hatte er aber seine Gründe. Professor von Irmler hatte ihn zum Schweigen verpflichtet. Warum also wollte Brandt es sich anmaßend deswegen mit 'ihm zu rechten? Ihre Freundschaft hatte bereits schwere Prüfungen bestanden und bei früheren Gelegenheiten hin reichend rhre F/stigkeit erwiesen, als daß Brandt nun gerade diese Tatsache süßlicher Weise hätte in diesem ungünstigen Sinne ausnützen dürfen, folgerte Ottomar. Hinzu kam seine schwere Sorge um Inge. s Ls Er litt unsäglich m-t ihr. " Besonders beunruhigte ihn die (Gewißheit, daß er ihr im Augenblick nicht helfen konnte. Was sollte er noch für sie tun? Sie trösten mit schalen, hohlen Worten? Dazu standen sie sich viel zu nah und hiesten viel zu große Stücke aufeinander. Wenn Inge wirklich seiner Hilse bedürfte, würde sie ihn schon rufen lassen. Das wußte er. Sie hatte aber sein Won, nach naßen hin 'nach Möglichkeit vorläufig noch jedes nicht unbedingt nölige Bcicinaudcrsetn zu vermeiden. Und dieses Versprechen war ihm heilig. In Jwwc mißmutigen Stimmung war kein Arbeiten Möglich. Das erkannte Helmholtz. Darum zog er es vor, sich. ! mit Krankheit zu entschuldigen und seine beiden Kollegen zu > bitten, ihn für die nächsten Tage vollständig zu vertretcu. Sie j waren gern dazu bereit. Ottomar ergriff Hut und Sporer- ' stock und verließ die Redaktion. Ms er den schwarzen Ebenholz-Stock mit der fein- «ichwungsncn silbernen Krücks ergriff, siel ihm ein, daß dies daS letzte Geschenk war, dps ihm Frau Professor Brambsrg gemacht hatte. Ein unmerkliches Lächeln stahl sich in seine Züge, als er daran dachte. Helmholtz ging nach Hause. Eine nahe Kirchenuhr schlug gerade 8 Uhr, als er da? Ge bäude des „Tageblatts" verließ. Die Sonne schien. Es war wundervolles Wetter. Der Tag würde heute ebenso schön werden, wie der gestrige, dachte Ottomar. Das Sonnenlicht schmerzte ihn. Er hätte sich heute lieber einen trüben, grauen Regentag gewünscht. Schulkinder kamen ihm entgegen, die sich beeilten, um zum Unterricht nicht zu svät zu kommen. Auch Ellmor Bromberg kam mit ihren Freunomnen ihm entgegen. Aber Helmholtz sah sie rächt. Er hatte überhaupt keinen Blick für das, was rings um ihn vorging. Als Ellmor ihn sah, wollte sie sogleich auf ihn zueilen, ihn zu begrüßen. Aber als sie sah, wie ihr „Schwarm" ganz verbittert und finsteren Blicks dahcrschriit, wagte sie es nicht, ihn anzuschcn. lieber dm Vorfall am gestrigen Abend im Zimmer ihrer Mutter wußte sie noch nichts. Sie hatte ihre Mutter heute morgen noch nicht gesprochen. Daher konnte sie sich dieses sonder bare Verhalten ihres verehrten Ottomars auch nicht erklären. So ging Ottomar an den Mädchen vorüber, ohne zu be merken, Ivie sich die blondbezopsten, rvtgewordenen Köpfe immer und immer iviedcr nach ihn: umdrehten. Auch ihre Fröhlichkeit war dahin angesichts des Kummers, der so offenbar den Viel geliebten betroffen. In seiner Wohnung angelangt, bestellte sich Ottomar von seiner Wirtin,nochmals Kaffee, mW zwar besonders.starken. Sein.Bück fiel auf dey.Kalender.. Es war der 13. Mai. Dieses Datum Hatte für" ihn eine besonders Bedeutung. Am 13. Mai hatte er sein Abiturienten-Examen gemacht. Am 13. Mai Sammelmappe für bemerkenswerte TageS- und Zeitereignisse, k * Der Vorsitzende der Reparationskommission stellte eine neue Nachprüfung der deutschen Zahlungsfähigkeit in Aussicht. * Der deutsche Außenhandel im Dezember weist einen Aus fuhrüberschuß dem Werte nach von 0,9 Milliarden Mark auf. * Die österreichische Regierung hat bei den Alliierten um Hilfe wegen der einsetzenden. außerordentlichen Teuerung er sucht. * In Rom und Washington wird behauptet, daß die Kon ferenz in Genua verschoben werden würde. * Der polnische Außenminister Skirmunt hat sich zu entgegen kommenden Verhandlungen mit Deutschland bereit erklärt, falls sich Deutschland mit dem polnisch-französischen Bündnis aus- söhne. in Wien vor dem Parlament wegen ihrer Gehaltsforde- rungen. Polizei vertrieb die Demonstranten. KuManck. Versuche zur Herstellung einer Goldwährung. Der Nat der Volkskommissare hat beschlossen, vom 1. Februar ab die Personentarife auf der Eisenbahn in Vorkriegs rubeln festzusetzen und zwar in Höhe von fünfzig Prozent der Tarifsätze, die im Juni 1917 in Geltung waren; die Gütertarife ebenso auf fünfzig Prozent der Sätze vom Januar 1921. Die Handelskammer des Nordwesigebietes hat beschlossen, die Kommission für die Preisregulierung beim Petersburger Volkswirifchastsrat aufzulösen und an zuordnen, daß alle Geschäfte in Goldwährung abgeschlossen werden. Außerdem will man die Zwangsregistrierung aller abgeschlossenen Geschäfte einfi'chren. Ob dieses neue etwas unvermittelte Experiment Erfolg verspricht? -r- Berlin. Beamte der Berliner politischen Polizei haben den als kommunistischen Agitator bekannten russischen Schrift steller Malow sowie den Kommunisten Willi Budich sestge- nommen. Beide befanden sich im Besitz gefälschter Pässe und anderer Ausweispapiere. Der letztere wird aus München wegen Hochverrats und Beteiligung am Geiselmord gesucht. Dresden. Hier ist der sozialdemokratische Abgeord nete Karl Sindermann einem schweren Leiden er lege». Sindermann war einer der Führer der sächsischen Sozialdemokratie. Hannover. Im Provinziallandtag von Hannover hielt Oberprästdcnt Noske eine Rede, in der er sich gegen eine Ver stümmelung der Provinz durch Abtretung größerer Gebiets teile an Hamburg aussprach, zumal diesem Beispiel bald auch Bremen folgen würde. Paris. DaS Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten teilt mit, daß durch Beschluß vom 12. Oktober 1921 die Ent- schädigung für die Hinterbliebenen des in Oberschlcsten er« fchossenen Obersten Montalögre auf 225 000 Franken festgesetzt worden ist. Paris. Die Botschafierkonferenz hat sich mit der Frage der Jahresbezüge Karls von Habsburg beschäftigt. Ge rüchtweise verlautet, daß sie 6 Millionen Franken im Jahre be tragen werden. Rom. Wegen Erkrankung einer großen Anzahl von Kar- dinälen ist die Möglichkeit nähegerückt, daß der Zusammentritt der Konklave und damit die Papstwahl verschoben wird. Vom ^olmkampfplatr. Dresden. (Ende des sächsischen Eisenb ah ner- streiks.) Der Streit ist gänzlich abgebrochen worden. Die Arbeit ist wieder ausgenommen. Eine allgemeine Eisenbahner versammlung im KristaApalast war so zahlreich besucht, daß der Raum nicht äusreichte, so daß in einem benachbarten Saal eine gleiche Versammlung abgehatten werden mußte. Es sprachen mehrere Redner, die, bis auf einen, den Versammelten den Rat erteilten, den Streik, der ja doch nicht mehr haltbar sei, abzu brechen. Es fand eine Abstimmung statt, die 2000 Stimmen gegen die Fortführung des Streiks und nur etwa 30 Stimmen für den Streik ergab. Die Parallelversammlung hatte ein glei ches Ergebnis. Die Eisenhahnverwaltung erklärt, daß niemand gemaßregelt werden soll. Essen. (Bedrohliche Lage im Ruhrrevier.) Unter den Bergarbeitern des Ruhrreviers macht sich wieder eine starke Unzufriedenheit bemerkbar» die ihren Grund hat in der herrschenden Teuerung nnd damit in Zusammenhang stehenden Lobniragen. Die Stimmung ist sehr gespannt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß das rheinisch-westfälische Wirt schaftsleben unliebsamen Erschütterungen ausgesetzt sein wird, wenn nicht ein befriedigender Ausgleich der Gegensätze gesun den werden wird. war seine Mutter gestorben; sechzehn Jahre ruhte sie mm schon unter dem kühlen Rasen. Am 13. Mai vor drei Zähren hatte er noch ein weiteres schreckliches Crlüvm's. ... Ms Schriftleiter der „Aegyvtischrn Nachrichten" weilte er damals in Cairo. Es war seine erste selbständige Stellung als Redakteur gewesen, die er auf besondere Empfehlungen einfluß reicher Freunde und Gönner bekommen hatte. Heute vor drei Jahren hatte er ein Frühlingsfest in Aegypten mitgcfciert. Es war Las einzige geblieben. Denn nur kaum ein Jahr hatte er in Cairo gelebt. Dann war er nach Europa zurückgekehrt. An dieses Frühlingsfcst — Chamal-Ncssim heißen es die Araber — mußte er denken, als er den 13. Mai auf seinem Kalender sah. Er nahm sein Tagebuch vor. Regelmäßig hatte er es nie geführt, sondern immer nur zeitweilig, um ihm wirklich wichtig er scheinende Erlebnisse darin festzuhalten. Er blätterte in dem Buche, bis er gesunden, was er suchte. Endlich land er es und las: Chamal-Ncssim! Frühlingsfest! — In diesem Jahre fiel ei gerade aus den dritten Psingstieiertag. Chamal-Nessim! Ein Europäer, der es nicht milerlcbt, kann sich überkaupt keinen Begriff machen von einem Frühlingsfcst in Aegypten. A* märchenhaft schön ist's. — Vergnügt und ausgelassen hatten wir Pfingsten gefeiert, wir jungen Deutschen unter uns, in mitten der internationalsten Stadt der ganzen Welt. — Es gibt ja nur ein Cairo, ein Aegypten. M-. den dritten Pfingsttag hatten wir mit mehreren fremde» Damen und Herren eine Nilfahrt verabredet. Wir trafen uns in Boulac, jener schmutzige» Vorstadt;, i» deren Mitts neben der Eisertbahn sich die schmucke deutsche Kolonie, .das Konsulat, die Realschule, das Pfarrhaus und einige andere hübsche Gebäude stolz erheben. , : . Einige Diener Hütten wir mit Proviant und viel Getränken a» den belebten Ril varansgeschiL. Gerade, M die leckeren Vorräte in dem Motorboot verstaut waren, langten wir an; die Dame» in weißen, iMgen Kicidern, wir in unseren luftigen, rohseidenen Anzügen, - Gortjetzuu- solgH