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Ottendorfer Zeitung : 27.01.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-192201275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19220127
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19220127
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-01
- Tag 1922-01-27
-
Monat
1922-01
-
Jahr
1922
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 27.01.1922
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l>2näel miä Verkekr. Im Eisenbahnexprcßgutvcrkehr wird vom 1. Februar ab der bisherige Kilometertarif durch einen Staffeltarif Deutscher Keickstag. (Aus der 154. Sitzung.) Die erste Sitzung nach den Weihnachtsferien fand vor einem ziemlich stark besetzten Hause statt. Eröffnet wurde die Sitzung von dem Präsidenten Loebe mit einem dem verstor benen Abgeordneten v. Delbrück (Deutschnav) gewidmeten Nachruf. Der Präsident verwies auf die mannigfache Tätigkeit des Verstorbenen im Dienste des Vaterlandes und auf seine Mitarbeit im Vcrsassungsausschusse in Weimar. „Er war ein vornehmer Mann, der nie verletzen konnte, ein pflichigetreuer Charakter, der nie ermüdete, bis das Leiden ihn niederzwang. Ein guter Mensch ist mit ihm von uns gegangen," mit diesen Worten schloß der Präsident den Nachruf. Für den Abg. v. Delbrück ist die Abgeordnete Frau Hoffmann- Bochum in den Reichstag eingetreten. Der erste Punkt der Tagesordnung bestand in einer Interpellation aller bürgerlichen Parteien wegen der Futter- mittelversorgung. Ein Regierungsvertreter erklärte, daß die Beantwortung in der vorgeschriebenen Frist geschehen werde. Dasselbe Geschick hatte die an zweiter Stelle stehende Jnter- Vellation der Deutschnationalen wegen des Wagenmangels der Reichseisenbabn. Sodann wurde das Gesetz zur Vereinfachung des Aufgcbotvcrfahrens an den Rechtsausschuß und die Vor lage über die Errichtung einer Reichsausführnngsbehörde für Unfallversicherungen an den Haushaltsausschuß verwiesen. Schöffen- und Gcschworcncnauswahl. Hierauf kam man zu dem Gesetzentwurf über die Ent- schädigung der zur Auswahl der Schöffen und Geschworenen berufenen Vertrauensmänner. Sie sollen wie die Geschwore nen und Schöffen neben den Reisekosten Tagegelder erhalten. Abg. Dr. Rosenfeld (U.-Soz.) verlangte darüber hinaus volle Entschädigung. Vor allem müßten die Schöffen und Ge- schworenen vom deutschen Volke gewählt werden. Reichsjustizminister Dr. Radbruch erklärte dazu, eine starke Erhöhung der Bezüge der Schössen und Geschworenen scbe ich auch als dringend und drängende Aufgabe an. Die Einzelstaa ten verbandeln gegenwärtig über diese Frage. Gleichzeitig wird die Frage geprüft, ob man das bisherige System der Tage gelder durch das Svstem der Entschädigung ersetzen soll. Die Umgestaltung der Auswahl der Schössen und Geschworenen wird einer der Hauptpunkte des Gesetzes zur Neuordnung deS Strafgerichtswesens sein. Dieses Gesetz wird gegenwärtig von den Einzelstaaten geprüft. Das Verfahren im Dertrauensaus- schuß wird voraussichtlich beibehalten, aber durchgreifend um- gestaltet werden. Der Entwurf wird wahrscheinlich im März im Kabinett eingcbracht werden können. Alsdann wurde der Gesetzentwurf in allen drei Lesungen unverändert angenommen. Die Finanznot der Gemeinden. ES folgte eine demokratische Interpellation wegen der finanziellen Not der Gemeinden. Die Interpellation wies dar auf hin, daß die Gemeinden infolge der Verzögerung der Überweisungen aus der Reichseinkommensteuer völlig außer stande sind, die Mehrlasten aufzubringen, die ihnen durch die Erhöhung der Bezüge der Beamten, Angestellten und Arbeiter auferlegt werden. Die Reichsrcgierung wird ansgcfordert, den Gemeinden schleunige Deckung für die neuen Aufgaben zu ge währen. Gleichzeitig wird der Versuch, eine Beschränkung der Selbstverwaltung der Gemeinden herbeizusühren, entschieden zurückgewiesen. Rcichssinanzminister Dr. Hermes erwiderte auf die Be gründung durch den Abg. Dr. Külz (Dem.), es sei nicht zweck mäßig, tue Schuld an den mißlichen Verhältnissen lediglich dem Reiche zuzuschieben. In der Durchführung der seit der Re volution erlassenen Bestimmungen sind eben Schwierigkeiten entstanden, die sich nicht vorhersehen ließen. Sobald über die Steuersrage Entscheidung getroffen ist, wird eine Aussprache mit den Ländern und Gemeinden berbeigeführt werden. Das Reich beabsichtigt aber nicht, in direkte Beziehungen zu den Ge meinden zu treten. Vorschüsse können nur an die Länder ge zahlt werden, weil auS Einnahmen der Umsatzsteuer nur den Ländern, nicht aber den Gemeinden ein unmittelbarer An spruch gegen das Reich zustcht. In allen deutschen Einzel staaten haben dis Länder das Aussichtsrecht über die Gemein den. Wenn die'Reichsregierung also eine Prüfung der Aus gaben der Gemeinden fordert, so hält sie sich im Rahmen der bisherigen Verfassung. In der Besprechung der Interpellation nahm der Abg. Heimann (Soz.) das Wort. Er wies darauf hin, daß die Ge meinden kaum noch in der Lage sind, die allerwichtigsten Ver pflichtungen aus eigenen Mitteln zu erfüllen. Dasselbe machte Ler Abg. Herschel (Zentr.) geltend. Hieraus sprach der Abg. Berndt (Deutschnat.), der für die Not der Gemeinden die Erzbergersche Steuergesetzgebung ver antwortlich machte. Abg. Dr. Scholz (Deutsche Vp.) protestierte gegen die ge plante Kontrolle des Gemeindehaushalts und die Einführung einer Art GemeindezwangSwirtschast. Die Beratung wurde darauf abgebrochen. Des Vaters Vermächtnis. Original-Roman von 18 Werner Sinn. „Kannst im mir darüber keine Erklärung geben, oder willst du eS nicht?" „Ich bin gebunden und bedauere, dir keine Auskunft geben zu können!" „Was sagst du da, Ottomar? Ich bitte dich, bleibe ver nünftig! Die Geschichte ist verflucht ernst!" „Und eben darum muß ich auf meinem Standpunkt ver harren, daß ich dir weder als Freund, noch als Beamten über diese Sache etwas mitzuteilen habe!" „Mem lieber Junge, so leicht wirst du mich nicht los! Erstmal kenn' sch dich viel zu >genau, und zweitens pflege ich mich nicht an der Nase herumfühven zu lassen, zum aller wenigsten von dir! Verstehst im?" „Rolf, glaubst du, daß ich mit dem Mord irgend etwas zu tun habe, oder zu dem Mörder in irgend einer Beziehung stehe, oder gestanden habe?" „Ich würde mich hüten, einen solch furchtbaren Verdacht zu äußern, ohne dazu eine greifbare Unterlage zu haben. Für mich steht es lediglich fest, daß zwischen dir und dem Er mordeten Beziehungen bestanden haben müssen!" „Das ist nicht wahr!" „So? Und weshalb hat der Ermordete dein Bild skizziert?" „Ich erkläre mich nochmals außerstande, über diesen Punkt irgend eine Aussage machen zu können!" „Mein lieber Ottomar, ich muß dir die Versicherung geben, daß ich dich in dieser Angelegenheit noch mehr inter pellieren muß>. wenn dü mir fetzt keine näheren Aufschlüsse geben willst, oder kannst! Ich bedauere eS — und, ich kann wohl sagest, deinetwegen bedauere ich es außerordentlich!" Dr. Helmholtz schwieg. „Willst du mir nicht einen kleinen Schritt entgsgen- kommen, Ottomar? Ist das unsere ganze Freundschaft? Wo mit habe ich diese Mißachtung verdient? ersetzt, der durch einen 60prozentigen Zuschlag zum je- weiligen Eilgutstarif gebildet wird. Die Mindestfracht be trägt 12 Mark, das Mindestgewicht sür Frachtberechnung 10 Kilogramm, die Mindestentfernung 10 Kilometer. Die Beträge werden auf volle Mark abgerundet. Auch die Fracht für beschleunigtes Eilgut wird vom 1. Februar ab nicht mehr durch Verdoppelung des Gewichts, sondern nach dem einfachen abgerundeten Gewicht für gewöhn liches Eilgut unter Zuschlag von 60 Prozent berechnet. Mindestfracht 20 Mark, Mindestgewicht 20 Kilogramm. Damit sind die Tarife für Expreßgut und beschleunigtes Eilgut mit Rücksicht auf die Gleichartigkeit der Beförde rung gleichgestellt mit Ausnahme . der geringen Unter schiede im Mindestgewicht. Graf rmä Verbrecher. Die Sensationen des Schlieffen-ProzesseS. Görlitz, im Januar. Das Geständnis des Grafen Hans Heinrich von Schliessen hat wie eine Bombe eingeschlagen. Der junge Graf, der mit seiner Mutter, der Gräfin Eleonore von Schliessen, mit der Gesellschafterin dieser Dame, einem Fräulein Rumpf, mit einem wegen Diebstahls, Unterschla gung, Urkundenfälschung und Schleichhandels vielfach vorbs- straiten Handelsmann namens Rössel und mit einem Schlosser Stenschke, der sich Student nannte, weil er ein mal die Baugewerksschule besuchen — wollte, aus der Anklage bank sitzt, ist unter der Wucht des Kreuzverhörs, dem er unter- worfen wurde, zusammengebrochen und hat freimütig bekannt, daß er, um in den Besitz eines großen Vermögens zu gelangen, den Plan gefaßt hatte, seinen Bester, den Majorrtscrocn Grasen Georg Wilhelm von Schliessen aus Schliessenberg in Mecklenburg, beiseite zu schassen, und daß er Rössel und Stenschke mit der Aus'ührnng deS MordvlaneS betraut hatte. Dies ist der nackte Tatbestand, der selbst in unserer an „großzügige" Verbrechen aller An gewöhnten Zett nicht geringes Aussehen erregen dürfte. Die armen und dir reichen Schliessen. Die Vorgeschichte des Prozesses ist rasch erzählt. Sie liest sich w e ein Kapitel aus dem Roman vom verarmten Edel mann, der ohne Ar und Halm, und daher von Neis gegen die reiche Verwandtschaft erfüllt ist, und erinnert in mancher Beziehung an den jetzt schon halb verstaubten Prozeß der Gräfin Kwilecki, in dem auch mit nicht ganz einwandfreien Mitteln, wenn auch nicht gerade mit Dynamit und Revolvern, um ein Majorat gekämpft wnrde. Hans Heinrich von Schliessen ist der zweite Solln des im August 1921 in Bückeburg verstor benen früheren Rittmeisters und Kammeiherrn Friedrich Franz von Schlieffen, der von seiner ersten Fran, der jetzt angeklagten Gräfin Eleonore von Schliessen, einer Tockner des Kammerherrn von Sprenger aus M attisch in der Lausitz, geschieden und in zweiter Ehe mit einer Holländerin verheiratet war. Dieser Zweig der Familie Schliessen war verarmt, und die Gräfin geriet mit ihren drei Söhnen (der älteste ist im Weltkriege geialleni nach der Scheidung der durch ihre Schnld aus den Fugen gegangenen Ehe wiederholt in sinanzielle Nöte. Von dem Bruder ihres Mannes, dem Grafen Martin E r n st von Schliessen, Majoratsherrn ans Schliessenberg in Mecklenburg-Schwerin, erhielt sie als „Erziebungsbettrag" die sürstliche — oder sagt man hier gräfliche? — Summe von jähr lich 600 Mark! Es sei beiläusig bemerkt, daß Schliessenberg mehr als 3000 Hektar groß ist und einen Wert von vielen Mil lionen hat. Um aus den Schwulitäten herausznkommen, faßte die Gräfin den Entschluß, ihren Hans Heinrich, der einmal von seinem eigenen Bruder dem reichen Oheim gegenüber als ein gefährlicher Taugenichts bezeichnet worden war, „standes gemäß", d. h. mit so und so vielen Millionen zu verheiraten. Der Mordplan. Die Heiratspläne zerschlugen sich, und so kam HanS Heinrich unter den Einslüsterungen der Mutter — so behauptet wenigstens die Anklage -- allmählich auf den Gedanken, sich auf eine etwas summarischere Weise zu rangieren und sich um jeden Preis, auch um den eines Mordes, in den Besitz des mecklenburgischen Majorats zu setzen. Als Helfer gewann er den dunklen Ehrenmann Rössel, mit dem er durch gemein same Schiebergesckäste bekannt geworden war. Rössel sollte die ganze Schlicfsensche Familie auf Schliefsenberg nieder knallen und nach der Ausführung des Mordplanes eine riesige Belohnung, bis zu einer Million, wie ec sagt, erhalten. Er ließ sich zunächst einmal einen Vorschuß in Höhe des ganzen etwa 25 000 Mark betragenden Vermögens seiner Aupraggeter auS- zahlcn, machte mit dem Gclde einen Lebensmitleliaden auf, sah sich Schloß Schliefsenberg wiederholt an und will im übrigen gar nicht die Absicht gehabt haben, die Tat auch wirk lich auszuführen; er habe es vielmehr nur ans Prellerei ab gesehen gehabt. Was ihn aber nicht hinderte, sich in Berlin in der Person des Stenschke einen Helfershelfer sür das Schliefsenberger Attentat zu suchen. Dieser Stenschke ist eine Nummer sür sich. Er war ursprünglich Schlosserlehrling, diente ein paar Monate bei der Reichswehr, spielte in NachtcastzS Klavier und machte sich schließlich auS eigener Machtvollkom menheit zum Studenten. Rössel hatte ihm erzählt, daß in „Wer sagt dir, -daß ich dich mißachte? Ich mißachte dich durchaus nicht, sondern schätze dich nach wie vor als meinen Freund." „Um so weniger verstehe ich eS, daß du mir Geheimnisse verbirgst, Ottomar!" Helmholtz gab keine Antwort. Brandt bemerkte unter seinen Augen bläuliche Flecke seelischer Abspannung. Ein peinliches Schweigen entstand, das Brandt geradezu körperliche Schmerzen verursachte. Das hielt er nicht länger au§. Er mußte zum Ziele kommen. Noch einen Augenblick zögerte er, dann straffte sich sein Körper, und er überfiel Ottomar mit der Frage: „Was hat heute vormittag Ingeborg von Irmler, die dich in deiner Wohnung besuchte, von dir gewollt?" Auf diese Frage -war Ottomar nicht gefaßt gewesen. „Woher weißt du, daß Ingeborg bei mir war?" „Ich frage dich nicht, ob Ingeborg von Iratter bei dir gewesen ist, denn das weiß ich von meinen Agenten und Beamten, ich frage dich nur, was sie von dir gewollt hat?" „Also du fühlst dich gemüßigt, mich auszuspioni-eren? Mich von deinen Beamten heimlich beobachten zu lassen?" „Ottomar, rede keinen Unsinn! Selbstverständlich ließ ich alle Besucher des Hauses, in dem die Mordtat geschehen, beobachten, und es war für meine Leute wahrlich nicht schwer, fcstzustellen, daß dich Ingeborg in Laufe des heutigen Vor mittags, etiva 15 Mimiten lang in deiner Wohnung besuchte." „Und was schließt du daraus?" „Das es zum mindesten äußerst auffällig ist, daß du mir bisher von deiner Bekanntschaft mit Ingeborg von Irmler auch nicht das geringste Wort geäußerst hast!" „Ich bin nicht der Mensch, der seine innersten Gefühle seinen Mitmenschen preisgibt. Ich hatte mein Wort gegeben, keinem Menschen von meinen Beziehungen zu Ingeborg von Irmler zu sprechen." „Lieber Junge, komme mir nicht mit Phrasen! Ich glaube, daß wir uns zu lange und zu gut kennen müßten, um uns gegenseitig mit nichtssagenden Redensarten abzuweissn. Ottomar, besinne dich auf dich selbst! Es ist kein wildfremder Mensch, der vor dir steht, sondern ich, dein Freund, bitte dich, Mecklenburg eine Persönlichkeit, die „ganz rechtS" stünde, im Auftrage eines geheimen Klubs beseitigt werden müsse, und Stenschke war sofort bei der Sache. Die beiden Kumpane fuhren mit falschen Bärten und Perücken nach Schliefsenberg, fanden aber keine Gelegenheit, thr angeblich „politisches" Attentat auszu führen. Stenschke reiste nun nach Schönberg bei Görlitz, wo die armen Schliessens hausten, erstattete der Gräfin Rapport, wurde gut verpflegt und bekam vom Grafen Hans Heinrich wertvolle Weisungen über alle Möglichkeiten der Ausführung des Verbrechens. Außerdem aber erhielt er eine Parabellumpistole, mit der er sich „einschoß". Und nun fuhr der treue Mann, reichlich mit Proviant versehen, noch einmal nach Schliessenberg, verriet gegen 2000 Mark in bar und etliche Versprechungen den ganzen Mordplan an die Ge genpartei, verhandelte aus der Heimfahrt die Parabellum pistole an den gräflichen Kutscher, der ihn zur Bahn fuhr, und tauchte schließlich von neuem in Schönberg auf, um sich noch einmal mit Geld versehen zu lassen. Hier war aber nichts mehr zu holen. Sein Verrat hat den Stein ins Rollen ge bracht, und es ward ihm die Genugtuung, daß der als Zeuge vernommen; Majoratsherr von Schliefsenberg seine Angaben über seinen folgenschweren Besuch auf dem Schlosse — führte er doch zur Verhaftung der ganzen Mordge- sellschast — als „im ganzen richtig" bestätigte. Der alte Graf erklärte im übrigen, daß die Gräfin Eleonore in der Familie den maßgebenden Einfluß ausgeübt habe. Der Heidelberger Vuraernmstermsrd. Besichtigung der Tatorte. Heidelberg, im Januar. Am dritten VerhandlungStag wurden die Stätten besichtigt, an denen der des Doppclmordes und des Mordversuchs bezich tigte Eisenbahnschmied Leonhard Siefert seine Ver brechen verübt haben soll. Zuerst besuchte man die nahe bei Neckargemünd gelegene Fundstelle der Leichen der ermordeten Bürgermeister Busse und Werner und den Schießstand, den der Mörder kunstvoll angelegt hatte. Dann ging es nach Ziegslhausen, wo Sieserts Zimmer im Hause der Frau Kratz müller besichtigt wurde. Zuletzt gelangte man an die Stelle, an der der Ingenieur Link angeschossen worden >st. Die Verhandlung wurde daraus wieder im Sitzungssaal fortgesetzt Es wurden Zeugen und Sachverständige vernom men. Bemerkenswert waren die Gutachten der Sachverständi gen Dr. Popp (Frankfurt a. M.) und Dr. Heindet (Berlin), die übereinstimmend bekundeten, daß die Fingerabdrücke, die auf einer in der Tasche des ermordeten Bürgermeisters Werner gcsundeuen blutbefleckten Postkarte entdeckt wurden, mit den Fingerabdrücken des Angeklagten durchaus identisch seien. Von uncl fern. Die Höhe des Postschecks. Postschecks sind jetzt bis zu 20 000 Mark zulässig. Wegen der Entwertung des Geldes hat die Handelskammer zu Karlsruhe beim Neichspost. Ministerium beantragt, den Mcistbetrag auf mindestens 100 000 Mork zu erhöhen. Einkommensteuermarken zu 200 Mark. Die Reichs» druckerei hat neue Einkommensteuermarken zu 200 Mark hergestellt, da die Marken zu 100 Mark den hohen Steuer abzügen nicht mehr genügen. Die neuen Einkommen» steuermarken sind genau wie die Marken zu 100 Mark aus» geführt. Wittenberger NeformationSfeier. In Wittenberg wird am 5. März d. Js., dem Tage, an dem 400 Jahre ver flossen sind, seit Luther von der Wartburg nach Wittenberg zurückkehrte, im Beisein von Vertretern der deutschen Lan deskirchen und der ausländischen evangelischen Kirchen, so des Erzbischofs von Schweden und der Bischöfe von Finnland und Norwegen, eine große Reformationsfeier stattsinden. Der Feier wird auch der preußische Kultus minister beiwohnen. Die Zustände in Niederschönenfeld. Im Ver fassungsausschuß des bayerischen Landtages wurde ein Antrag der Unabhängigen auf Einsetzung eines Unter» suchungsausschusses für Niederschönenfeld abgelehnt. Da bei teilte ein Rcgierungsvertreter mit, daß die Festungs gefangenen zu Weihnachten Pakete im Gesamtgewicht von über 23 Zentnern, darunter die feinsten Leckereien, er hielten. Zwischen Weihnachten und Neujahr wurde ein Lumpenball in Niederschönenfeld veranstaltet, wobei die Leute vier Tage lang maskiert umherliefen. Der Redner erklärte, daß es so nicht weitergehen könne. Man habe bis jetzt in der Anstalt eine systematische Zermürbungs politik gegen daS AnstaliSpersonal getrieben. Eine diebische Schiffsmannschaft. In Wien wurde die ganze Besatzung eines aus Belgrad eingetroffenen Tonauschiffes verhaftet, weil sie Waren im Werte von 12 Millionen Kronen unter der Hand verkauft hatte. mir dein Herz auszuschütten! Hast du jemals Grund gehabt, dich über meins Schwatzhaftigkeit zu beklagen? Hast du je mals einen Anlaß gefunden, dich darüber zn beklagen, daß ich mich des erwiesenen Vertrauens unwürdig gezeigt hätte? Hast du irgendwie Ursache, an mir, deinem Freunde, zu zweifeln? Antworte, Ottomar!" „Rolf, ich bitte dich, dringe nicht weiter in mich! Ich kann dir nichts sagen, dich auch nur mit einem Wort in diese ganze Sache einweihen!" „Lieber Ottomar, du darfst eS mir nicht übel nehmen, wenn ich dich darauf aufmerksam mache, daß ich nicht nur Äs Freund zu dir spreche, sondern auch als Beamter!" „Und das hier, in dieser Umgebung? An diesem Ort?" „Ottomar, ich bitte dich zum allerletzten Male, komm Kl dir! Erleichtere dir und mir diese mißliche Geschichte!" „Nein!" „Ottomar, eS steht unendlich viel, eS steht für dich viel« leicht alles ans dem Spiele!" „Tue deine Pflicht. Ich habe meinen Worten nichts mehr hinzuzufügen!" ,„So werde ich zunächst Fräulein von Irmler in dein« Gegenwart vernehmen müssen." Dr. Helmholtz machte eine abwehrende Handbewegung, aber Brandt übersah sie absichtlich. Noch einmal wandte er sich cm den Freund: ,/können wir unsere eigenen Angelegenheiten wirklich nicht zweck mäßiger unter uns erledigen, Ottomar? Wozu brauchen wir einen fremden Zeugen?" Ottomar entgegnete kein Wort. Brandt bat Ingeborg, ins Atelier zu kommen. Es entging ihm nicht, wir sie einen kurzen Augenblick stutzte, als sie den Geliebten mit Brandt beieinander fand. Aber sogleich fand sie ihre völlige Fassung wieder und stand dem Kommissar Rede und Antwort. Auch auS ihrem Munde «fuhr Brandt nicht den Grund' ihres heutigen Besuches bei dem Redakteur deS Tage blattes. (Fortsetzung folgt.)
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