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Ottendorfer Zeitung : 14.12.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-192112141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19211214
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19211214
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-12
- Tag 1921-12-14
-
Monat
1921-12
-
Jahr
1921
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 14.12.1921
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Mahnungen und Vorwürfe. EineNotederReparationZkommission. Vor kurzem weilte bekanntlich eine Anzahl Mitglieder der Neparationskommission in Berlin, um sich, wie sie sagten, durch eigenen Augenschein von den deutschen Zahlungsmöglichkeiten und den Schwierigkeiten, die die Zahlungen behindern, zu überzeugen. Auf Grund ihrer „Studien", vor allem aber wohl, um wieder einmal einen Druck auf uns auszuüben, hält die Kommission es jetzt für nötig, oer deutschen Regierung eine Note mit Ermah nungen. und Wünschen zu übersenden, die deutlich die ver steckten Drohungen durchblicken lasten für den Fall, daß wir am 15. Januar nicht pünktlich zahlen würden. In der Note wird gesagt, daß die Kommission darauf besteht, baß die deutsche Regierung alle ihre Aufmerksam keit unverzüglich den erforderlichen Maßnahmen schenkt, um die fälligen Zahlungen am Verfallstage sicherzustellen. Die deutsche Regierung möchte die schweren Folgen bedenken, die entstehen, wenn sie am Fälligkeitstage ihre Zahlungen nicht erfüllt. Die Reparationskommission for dert die deutsche Regierung dringend auf, entweder bei den Staatsbürgern, die Besitz im Ausland haben, oder bei den ausländischen Geldverleihern alle Anstrengun gen zu machen, um die erforderliche Ergänzung aus ländischer Devisen zu erhalten. Die deutsche Re gierung habe es versäumt, beizeiten die erforderlichen Mittel zu ergreifen, um das Budget derart ins Gleichgewicht zu bringen, daß die öffentlichen Ausgaben nicht in einem immer größer werdenden Matze durch die der Regierung von der Reichsbank gewährten Kredite und durch die Vermehrung des Papier geld Umlaufs, die die Folge dieser Kredite gewesen ist, gedeckt werden. Die Reparationskommission fordert die deutsche Regierung dringend auf, unverzüglich alle er forderlichen Maßnahmen zur Gesundung der Finanzlage zu ergreifen. Unterzeichnet ist diese Note von Dubois und von demselben Bradbury, der dieser Tage erst die auf sehenerregenden Vorschläge machte, nach denen Deutschland ein Zahlungsaufschub gewährt werden soll. Er hat übri gens inzwischen erhebliche Einschränkungen zu seinem Vor schläge gemacht, und sogar die Mitteilungen, daß die eng lische Regierung im Prinzip für das Moratorium zu haben wäre, wird neuerdings von mancher Seite bezweifelt. Jedenfalls wird die Gewährung eines solchen Aufschubs jetzt an weitgehende Bedingungen geknüpft, die besonders von Frankreich betont werden, für den Fall, daß es überhaupt einem Zahlungsaufschub zu stimmen wollte. Danach könne ein solcher Zahlungsauf schub nur gewährt werden, falls Deutschland darum er sucht und sein Ersuchen ausreichend begründet; der gegen wärtige Wert der deutschen Schuld ist aufrecht zu erhalten; der Aufschub darf sich nur auf Barzahlungen erstrecken; die Wiesbadener Vereinbarungen werden dadurch nicht be rührt. Ferner müßte Deutschland gewisse Verpflichtungen zur Sanierung seiner Finanzen übernehmen und müßte sogar die Kontrolle der Ausgabe von Papiergeld durch einen verbündeten oder neutralen Beirat, welcher der Reichsbank zuzuteilen wäre, gestatten. Auch solle ein Höchstbetrag für die Staatsausgaben sowie ein Mindest ertrag für die Staatseinnahmen sestgesetzt werden. Schließ lich sollten wir die Aufsicht des Kontrollkomitees über eine Reihe leicht zu überwachender Staatseinnahmen zulassen, und die angestrebte Anleihe müsse zum Teil die aufgescho benen Zahlungen ersetzen. — Man sieht, daß man es drü ben immer noch versteht, die schönsten Pläne durch „Bedin gungen" und Einschränkungen fast zu Unmöglichkeiten zu machen. für beut unä morgen. Barmherzigkeit. Ein englisches Sprichwort sagt: „Barm herzigkeit beginnt zu Hause." Also erst nachdem das eigene HauS versorgt ist, soll man den Armen geben. Wenn wir Deutsche uns auf diesen Standpunkt stellen wollten, dürften nur wenige unter uns in der Lage sein, Wohltun zu üben, denn eS sieht in den meisten Familien recht dürftig auS. Aber wollen wir deshalb auf die Freude und auf die Pflicht ver zichten, denen zu geben, die krank und hungrig sind? Können Wir, die daS Darben und Verzichten In bangen Jahren selbst gelernt haben und auch jetzt noch unter schweren Nöten seufzen, doch die Leiden unserer Mitmenschen nun viel bester verstehen Ver Mnn mit der Mske. Novelle von Walter Schmidt-Häßler. öSZ (Nachdruck verboten.) „Wie mich daS freut, kann ich dir gar nicht sagens antwortete er und drückte ihr die Hand. „Da hast du allerdings nicht Zeit gehabt, an Liebes- geschlitzten zu denken wie die Mädchen bei unS in der Großstadt, die meistens überhaupt nichts anderes im Kopf haben. Weißt du, ich hab' dich als Kind schon deshalb immer so gern gehabt, weil du immer so forsch warst und so genau wußtest, was du wolltest. Und so gut warst du", sügte er leiser hinzu, „so herzensgut, wenn du mir heimlich dein Butterbrot unter der Schürze brachtest, weil mich hungerte, und wenn du —" „Ach, laß doch die dummen Geschichten", unterbrach sie ihn. „Erzähl' mir lieber, was du geworden bist. Wie ein Baron siehst du auS, so fein, so galant. Schwere Arbeit hast du jedenfalls nicht viel gemacht, das merkt man an deinen Händen." Dabei strich sie mit ihren Fingern über keine Rechte, die allerdings keine Souren harter, körperlicher Tätigkeit aufwies. Unwillkürlich errötete er bis an die Stirn und blickie verlegen an ihrem fragenden Gesicht vorbei ins Leere. „Ich bin jetzt — Reisender", antwortete er etwas zögernd, denn das war ja io ziemlich die Wahrheit, und eine Lüge — ihr so ins Gesicht — wäre in diesem Augen blick nicht über feine Lippen gekommen. Grelchen machte große Augen. „Reisender" war er, also hatte er sich auch tüchtig herausgearbeitet mit fernem Hellen Kopf. Reisende verdienten viel Geld, wohmen immer in den fernen Hotels und hatten meistens so elegante Wäsche, was sie schon vom geschäftlichen Standpunkte ganz besonders zu schätzen wußte. Selbstverständlich folgte Felix ihrer Einladung mit hineinzukommen, die Mutter zu begrüßen und ein Stünd chen mrt ihnen zu verplaudern. Aber das Herz schlug ihm in merkwürdiger Besangen- al» früher im Zustande der Sättigung und de» Überflusses. Und jetzt, wo unser Zusammenleben so freudlos und düster geworden ist, wollen wir auf den Sonnenbli- verzichten, den gute Tat und gutes Wort in unsere Herzen werfen? Sollten wir nicht vielmehr gerade jetzt und tn Hinblick auf das Weih- nachtssest, über den engen Kreis der Unseren hinaus, Liebe spenden? Freilich, ein gutes, liebes Wort hat zwar schon oft Wunder gewirkt, aber Hunger kann man mit Worten nicht stillen, ebensowenig andere körperliche Nöte, unter denen Kranke und Schwache gerade im Winter leiden. Da hilft nur die Tat. Man tadele niemals, die im Elend sind, wenn sie Schuld an ihrer Lage tragen. Wohltäter wollen aufbauen, nicht zerstören und niederreißen. Sicherlich würde mit den zahlreichen Almosen, die bei uns im Laufe eines Jahres ge- opfert werden, der vielfache Nutzen zu schaffen sein, wenn sie nicht verzettelt würden und der einzelne Wohltäter es nicht vorzyge, Vorsehung im kleinen zu spielen. Jedoch haftet orga nisierter Wohltätigkeit oft etwas Mechanisches, Unpersönliches, Liebloses an. Dadurch laste man sich nicht abschrecken, sondern jeder übe Barmherzigkeit, so wie sein Herz es ihm eingibt. Aber noch ein Wort: Barmherzigkeit, die auf Dank rechnet, ist unecht! Hilse gegen Wucher und Preistreiberei. Wer hat nicht schon mit Zorn und Erbitterung das Treiben der Wucherer und Schieber verurteilt, denen wir zum Teil die übermäßige Verteuerung mancher wichtiger Waren und Bedarfsgegen stände zuzuschreiben haben! Aber wer hat schon daran gedacht, daß jeder einzelne dazu helfen kann, diesem Un- wesen zu steuern, ja, daß er helfen muß, wenn überhaupt wirksam durchgegrifsen werden soll? Die schweigende Ge duld des Publikums, und noch mehr die heimliche Be günstigung der Preistreiberei durch manche Aufkäufer und Spekulanten trägt das meiste dazu bei, um diese Sumpf- und Giftpflanzen immer üppiger blühen zu lassen. Jeder muß wissen, wo er den Weg zur Polizei oder zur Be hörde findet, wenn er strafbare Fälle entdeckt. Nur dadurch werden die Amtsflellen in die Lage gesetzt, auch überall energisch einzuschreiten. Dieser Gesichtspunkt kam dieser Tage besonders deutlich bei einer Beratung zum Ausdruck, die in Berlin unter Beteiligung der zuständigen Beamten des Reiches und Preußens und von Vertretern der Produ zenten, der Händler und der Verbraucher stattfand. Man wählte eine Kommission, die neue Richtlinien zur Be kämpfung deS Wuchers ausarbeiten soll, aber man war sich ebenso darüber klar, daß keine Kommission und keine Ne gierung der Welt endgültig Abhilfe schaffen kann, wenn nicht alle Kreise der Bevölkerung und jeder einzelne an seinem Teile dabei mithilft. Von und fern. Der erste neue Schlafwagen dritter Klasse ist jetzt fertiggestellt worden. Er ähnelt in seinem Äußeren einem gewöhnlichen D-Zugwagen. Die Liegestätten sind mit Polstern aus dunklem Stoff bezogen. Wie schon berichtet, werden die Schlafwagen dritter Klasse nicht mit Bettwäsche ausgerüstet. Den Reisenden bleibt es selbst überlassen, für Decken usw. zur Nacht zu sorgen. Der entlarvte falsche „Tillesen". Der Unbekannte, der sich der Dresdner Polizei vor kurzem stellte und angab, er sei der Mörder Erzbergers, hat eingestanden, der von der Staatsanwaltschaft Ulm gesuchte Verbrecher Berenbrock zu sein. Die Untersuchung hatte die Fährte auf diesen flüch tigen Verbrecher gelenkt. Mit der Ermordung Erzberges steht er in keiner Weise in Verbindung. Aktienfülscher und Scheckschwindler. Die Münchener Polizei verhaftete einen Schriftsteller auS München und einen Versicherungsagenten auS Nürnberg, die in einer Münchener Druckerei Aktien aus eine überhaupt nicht existierende rumänische Petroleumgesellschaft im Nennwert von 15 Millionen Lei drucken ließen, die Unterschriften fälschten und die Aktien in Verkehr zu bringen suchten. Gleichzeitig gelang es ihr, eine Schiebung mit amerika nischer Kriegsanleihe im Werte von 4000 Dollar zu ver hindern und Scheckschwindeleien in beträchtlicher Höhe auf zudecken. Es wurden insgesamt vier Personen verhaftet, von denen vorläufig zwei wieder auf freien Fuß gesetzt worden sind. Drei Kinder bei einer Explosion verbrannt. Eine folgenschwere Benzolexplosion ereignete sich in Donau wörth in der Wohnung der Landwirtseheleute GlaS. Eine mit Benzol gefüllte Kanne, die in der Nähe des warmen Ofens gestanden hatte, explodierte. In den Flammen ver brannten drei Kinder. Ein anderes Kind konnte von den schwerverletzten Eltern gerettet werden. * Historische Festspiele in Westfale«. Im Juli 1922 sollen in Westfalen historische Festspiele stattfinden, die alt germanische Kultur, sowie die Zeit der Völkerwanderung und den Sieg des Christentums zum Gegenstand haben. Mehrere Prosessoren der Universität Münster haben ihre Mitarbeit zugesagt. Grotzfeuer in einer Eisenbahnwerkstätte. In den Speichern der Eisenbahnhauptwerkstätten in Lauban brach ein Brand aus, der großen Umfang annahm. Es brannten acht Schuppen der Hauptwerkstätten. Die Dampfkessel konnten noch rechtzeitig abgestellt werden. Bluttat eines Wahnsinnigen. In Düsseldorf hat der Kaufmann Vogt in einem Wahnstnnsanfall seine drei Kin der umgebracht. Der Rasende warf die drei Kinder aus dem zweiten Stock auf den Hof hinab und sprang ihnen dann selbst nach. Er wurde schwerverletzt in die Irren anstalt gebracht. Vogt lebte seit einiger Zeit von seiner Frau getrennt. Erleichterte Einreisebestimmungen nach Nordamerika. Die amerikanische Regierung hat eine weitere Erleichterung zur Erlangung der Einreiseerlaubnis geschafsen. In sechs Großstädten Deutschlands befinden sich jetzt amerikanische Kommissionen, die die Berechtigung zur Einreise nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika geben können, und zwar in Hamburg, Ferdinandstraße 58, Berlin, Voßstraße 12, Bremen, Leipzig, Dresden und München. Da jedoch sämtliche Einreisebeftimmungen laufend Änderungen un terworfen sind, empfiehlt es sich, sich vor der Antragstellung zwecks Erlangung der Einreise an ein Reisebüro zu wenden Eine österreichische Prinzessin in Paris bestohlen. In Paris wurde der österreichischen Prinzessin Stefanie Hohenlohe, die in einem großen Kaufhaus auf dem linken Seine-Ufer Einkäufe besorgen wollte, die Handtasche mit Silber- und Schmucksachen im Werte von 500 000 Frank gestohlen. Revision im Landru-Prozeß. Der zum Tode ver urteilte Pariser Frauenmörder Landru hat gegen das Urteil des Schwurgerichts Revision eingelegt. Die Ge schworenen hatten für ihn ein Gnadengesuch eingereicht, er weigerte sich jedoch, dieses Gesuch zu unterzeichnen. Tote an Bord. In Messina ist der britische Dampfer „Coolgardie" mit der Flagge auf Halbmast eingelaufen, zum Zeichen, daß er Tote an Bord hatte. Das Schiff war Ende November von Marseille nach Alexandria abgefahren. Zur Ladung gehörte eine Anzahl an Deck verstauter Be hälter mit Vittiol, von denen einer schadhaft wurde. Das Vitriol fing Fener, und eS explodierte die ganze Ladung. Die Folge war, daß zehn Passagiere getötet und ein erheb licher Teil der Bemannung schwer verletzt wurde. Gerickrsbatte. DaS Urteil im Staßfurter Kommunistenprozetz. Im Staß furter Kommunistenprozeß wurde vom Reichsgericht nach fünf zehntägigen Verhandlungen daS Urteil gesprochen. Wegen Beihilfe zum Hochverrat wurde auf Festungshaft erkannt von 1 Jahr 6 Monaten bis zu 4 Jahren, wegen Aufruhrs, Gefan genenbefreiung. LandfriedenSbruchs, Beomtennötigung, Frei- hettsberaubung usw. wurden Gefängnisstrafen von 1 Monat bis zu t Jahr 3 Monaten verhängt. Bei einer Anzahl Ange klagter gilt die Strafe durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt. Acht Angeklagte wurden freigeiprochen. Sämt lichen Angeklagten wurden mildernde Umstände zugebilligt. Über 70 Zeugen im Jagow-Prozeß. Für den Kapp-Putsch- Prozeß, der nunmehr vor dem Reichsgericht in Leipzig be gonnen bat, ist eine Dauer von etwa 14 Tagen vorgesehen. Mehr als 70 Zeugen sind geladen, darunter die Generäle Ludendorff, Maercker, Seeckt und Reinhardt, ferner die früheren Minister NoSle, Hergt, Schisser, Heinze, Oeser, Hirsch, Süde- kum, Dominicus und Gothem, von sonstigen bekannten Per sönlichkeiten Oberpräsident a. D. Winnig, Vizeadmiral Trotha, Ernst v. Borsig, Reichsbankpräsident Havenstein und die Kap- Pisten Falkenhausen, Traub, Bang, Lensch und Bredereck. Ein Todesurteil. DaS Schwurgericht in Bochum verur teilte nach mehrtägiger Verhandlung den Bergmann Franz OwSrannh aus Herten, der im Juli vorigen Jahres im soge nannten Katzenbusch bei Herten die Lehrerin Gertrud Schu mann aus Eicken nach Begehung eines Sittlichkeitsverbrechens ermordet und beraubt hatte, zum Tode. Rindfleischkonserven aus Pferdefleisch. In einem großen Schieber- und BctrugSprozeß vor dem Hamburger Wucher- gcricht wurde der Kaufmann Sinn zu einer Geldstrafe von 122 000 Mark und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Gericht ging damit über den Antrag des Staatsanwalts hin aus. Sinn, der ohne einen Pfennig Geld nach Verbüßung einer Gefängnisstrafe nach Haneburg gekommen war, hatte dort eine große Kaninchenwurstfabrik angelegt, fabrizierte aber in Wirklichkeit Rindfleischkonserven auS Pferdefleisch. be t, als er die Schwelle der Kröningschen Wohnung über- schrüt. Er ram sich vor, a s wü de er za einem Verhör geholt, nein, schlimmer, weit schlimmer, denn wenn man ihn in Berlin, was zuweilen trotz seiner Schlauheit ge schehen war, a ns Kommissariat geritten hatte, so batte er dreist die Mütze in den Racken gedrückt und keine Spur von Befangenheit batte ihn jemals beirrt den Männern des Gesetzes gegenüber, die er als seine persönlichen Feinde zu betrachten gewohnt war. Warum suhlte er hier so was Zaghaftes, Unsicheres? Was überhaupt alles seit gestern über ihn kam! WaS in ihm alles wundersam ausstieg aus den allei geheimsten Tiefen, w,e blasse Schatten mit zwei milden, durchsonnten Augen, die ihn ansahen, so fragend, so selt am, daß er alle Kraft brauchte, sie abzuschüttein. Warum stellten sie sich ihm in seinen Weg mit den geisterhaft ausgebreiteten Armen, warum bahrten sich diese stummen Augen in seine Seele, Laß sie zuckte und bebte, wie auf der Folter? — Wcnmn jetzt? — Marnm heute? — Er mußte Liesen Weg ja geben — er wollte ihn gehen und wenn es sein Lod geweien wäre, denn er wollte nicht mehr zurück in das Elend seines Daseins, in die Peitluft der Kaschemmen, er wollte Geld haben, Geld um jeden Preis, um ein neues Lebe» anmiangen. Als Felix drinnen saß bei den zwei Frauen, in dem sauberrn Stübchen, auf dem ailen Ledersola, und die freundliche Frau vor sich sah, die immer an das Gute in ihm geglaubt hatte, als er die bekannte gütige Stimme zu ihm sprechen hörte, wie eine wunder süße Musik, da kam es wieder über ihn, daS unbeschreibliche Etwas, gegen das er sich nicht wehren konnte und lullte ihn em io mild, so beruhigend, daß es ihm war, als würde er von weichen Wellen gleitend dahingetragen in ein unbekanntes Land. Dre Heine eiserne Teemaschine summte und sang, die Lampe warf unter dem grünen Pauierichirm ihren trau lichen Schein über den appetitlich gedeckten Tisch, auf dem in der groben Schüssel die Kartoffeln dampften und die alten gemalten Taffen standen, die er als Knabe schon immer bewundert und mit heiliger Scheu betrachtet hatte. Und geschäftig ging Gretchen hin und her in dem blendend weißen Sommerkleid mtt dem breiten Matrosen kragen, der den schönen Nacken fre i eß. Ihre Wangen glühten vom Herd euer, die goldenen Zöpfe leuchteten und ab und zu drehte sie sich im Tür rahmen nm und n-ckke ihm zu. i Zum erstenmal saß der Ausgestoßene in einer richtigen Häuslichkeit glücklicher Menschen und der Hauch dec Ehr barkeit, der hier von allem ausging, was ihm umgab, be täubte ibn wie der Dust fremdländischer Blumen. WaS er alles gesprochen, was er erzählt hatte — er wußte es selbst nicht mehr, als er nach Stunden aufstand und sich dankend empfahl. Aber, daß er versprochen hatte, bestimmt morgen wieberznkommen, ganz bestimmt, Las wußte er genau. Morgen! — Er sah auf die Uhr, die über dem kleinen Sekretär hing. Es war zehn Uhr. , Wo war er morgen um diese Zeit? Bis an dis Treppe gab Gretchen ihm daS Geleits. Noch einmal drückten sie sich die Hand, lange und sest, und sahen sich tief in dis Augen. Das junge Mädchen lächelte, aber sie sagte kein Wort. Auch er war stumm. Es zerrte etwas an seinem Herzen, als sollt' es zerreißen, denn er wußte ganz genau, daß er zrm letztenmal in diese reinen, lichten Mädchen- äugen gesehen hatte. „Gute Nackt!" sagte er nur ganz leite, um das Zittern seiner Stimme nicht bören zu lassen, und mrt bem Lone fröhlicher Zuversicht klang eS ihm nach: „Auf Wiedersehen!" Ganz langsam ging er den langen Weg nach der Stadt zurück; ihm war, als käme er von einem Be gräbnis. AlS er in sein Zimmer getreten war, blickte er noch einmal durch» Fenster nach dem Europäischen Hof bin über. Himer den Scheiden des Barolls brannte noch Licht. (Fortsetzung folgtJ
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