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^ 89, 20. April. Nichtamtlicher Theil. 1447 preise, nicht bloß die einzelne Waarc Silber im Preise zurückgehen, was bis jetzt aber keineswegs bewiesen, sondern sehr unwahrschein lich ist." In diesem Satz ist eine unrichtige Ansicht unklar aus gedrückt. Hr. ^V. X. legt auf das Wort „alle", da er cs durch-, schießen ließ, besondern Nachdruck. Gerade durch dieses Wort zeigt er aber, wie sehr ihm das Verständniß für die Wirkungen fehlt, welche eine Veränderung des Werthes der Valuta in den Preisen der Maaren hervorbringt. Nicht „alle" Maaren, sondern nur ein großer Theil derselben, und auch diese nur in sehr verschiedenem Grade, werden von einer solchen Werthveränderung der Valuta berührt. Hr. IV. X. ist ja wohl ein Buchhändler, und da hätte ihm doch der Gedanke nahe liegen können, daß der Preis seiner eigenen Waare durch das Steigen des Goldes nicht fällt. Die Preise der Maaren werden in erster Linie durch An gebot und Nachfrage, nächstdem aber noch durch verschiedene andere Verhältnisse, die mitunter schwer zu ermitteln sind, bedingt. Zu allen diesen ohnehin schon nach entgegengesetzten Richtungen wirken den Einflüssen kommt jetzt noch das Steigen des Goldwerthes als ein neues Moment. Es wird als solches seine Wirkung gewiß ausüben und hat sie bei manchen Artikeln ohne Zweifel auch schon ausgeübt; allein wenn man bedenkt, welche große Schwankungen die Preise der wichtigsten Handelsartikel, wie z. B. Eisen, Kohlen, Baumwolle, Zucker, Kaffee, Spiritus u. s. w. in den letzten Jahren durchgemacht haben, so wird man einsehcn, daß die Wirkung des nun seit einigen Jahren andauernden langsamen Steigens des Goldes auf die Waa- renpreise keine entscheidende ist und aus der Wirkung aller andern Ursachen nicht herausgeschält werden kann. Wie unbedeutend sind die 4—5°/b, um die Gold seit 1871 gestiegen ist, gegen die bei soge nannten großen Conjuncturen vorkommenden Schwankungen der Preise um 20, 30, 40 ja 100 gg und mehr imLaufe von oft nur we nigen Wochen und Monaten. Kaffee ist kürzlich an einem Tag um etwa 15 9b gefallen und ähnliche Ereignisse kommen ja gar nicht sel ten vor. Dazu kommt noch, daß das von Carey aufgestellte Gesetz, wonach bei fortschreitender Civilisation die Rohstoffe die Neigung haben, im Preise zu steigen, die Fabrikate aber, im Preise zu fallen, auch seine Geltung behalt. Gewiß meint Hr. VV. X. nicht, daß die Warenpreise an dem Tage der Einführung der Goldwährung Plötzlich um soviel, als das Gold seit 1871 gestiegen ist, fallen werden. Die ganz langsam unter vielen Schwankungen stattfindende Einwirkung des steigenden Goldwerthes auf die Warenpreise, die sich in vielen Fällen auch nur als ein geringeres Steigen aussprechen wird, ist aber jedenfalls in den Ländern mit Goldwährung schon eingetreten; sie wird auch in Deutschland in dem Maße eintrcten, als die Zehn- und Zwanzig markstücke mehr und mehr in Umlauf kommen werden. Der Nach weis aber, daß der Preis eines Artikels gerade des steigenden Gold werthes wegen gefallen ist, wird nur in sehr seltenen Fällen mög lich sein. Der Gewinn des Verlegers durch die Goldwährung liegt ja gerade darin, daß das Steigen des Goldwerthes auf seine Waare keinen Einfluß ausübt, während dessen Einwirkung auf den Preis der meisten andern Maaren nicht ausbleiben kann. Endlich läßt sich Hr. ^V. X. im dritten Absatz seines Aufsatzes von seiner Phantasie zu einer ganz abenteuerlichen Hypothese hin- reißen, um seine, wie er wahrscheinlich selbst gefühlt haben mag, schwer zu vertheidigenden Ansichten zu stützen. Er sagt: „Wenn der Uebergang Deutschlands zur Goldwährung wirklich einen Einfluß auf die Warenpreise ausübcn kann, so ist es eher der entgegen gesetzte, als Hr. Dominicas vermuthct, da gegenwärtig eine große Menge Gold und Silber in Deutschland zurückgehalten wird, die Goldmenge der andern Länder also geringer ist, als sie bei Ein führung unserer neuen Valuta sein wird. Die Warenpreise müßten also die Tendenz haben, jetzt zu fallen und bei Einführung der Goldwährung zu steigen. Die Kaufkraft von 30,000 Mark Gold wäre dann zur Ostermesse 1875 geringer, als die jetzige von ^ 10,000 Thaler Silber." Alles hier Gesagte ist rein aus der Luft gegriffen. Deutschland hat den andern Ländern von ihrem Geld zum Behufe der Einführung der Goldwährung keinen bemerkbaren Betrag entzogen. Hätte Deutschland in England durch seine Ope rationen den Geldmarkt wirklich in solcher Weise gedrückt, daß die Waarenprcise gesunken wären, so hätte die englische Presse, die wie das ganze englische Volk in Geldsachen nichts weniger als gemüth- lich ist, zu einer solchen Störung des Verkehrs nicht geschwiegen. Man weiß ja in England sehr gut, daß die I^oudon ckoint 8tooü Lanlc die Geschäfte der deutschen Regierung besorgt, und man hat die Operationen der deutschen Regierung seit dem Krieg dort mit einem gewissen Mißtrauen auf das sorgfältigste beobachtet, weil Deutschland allerdings in der Lage war, recht störend auf den eng lischen Geldmarkt einzuwirkeu. Wäre das nun wirklich geschehen, so wäre die englische Presse sofort mit jener Rücksichtslosigkeit, mit der dort das eigene Interesse gewahrt wird, gegen Deutschland auf getreten. Dies ist aber nicht geschehen und konnte auch nicht ge schehen, weil die deutsche Finanzverwaltung ihre Geschäfte mit der größten Umsicht und Klugheit durchführte und jeden Schritt, der eine Störung der Geldvcrhältnisse hätte verursachen können, sorgfältig vermied. Wir haben darüber das Zeugniß eines ganz competenten Mannes, des Herrn Walter Bagehot, der in seinem Werk „I-ombard Street", 2. Ausl., London 1873, Se. 309 Folgendes darüber sagt: „It" (tbe Zerrann Oovernruent) „evs.8 in tbs main reell udvissd and eonsickerats ln its aetlon; and dld not tulrs nsarl/ us innob troin tbe Lunle as it nnZbt, or as rvonld bave been danZsrons." Da Deutschland aus die Geldverhältnisse Englands also keinen Ein fluß ausgeübt hat, so müßte den andern Ländern, die die Gold währung haben, nach der Ansicht des Hrn. IV. X. ein Theil ihrer Goldmenge durch Deutschland entzogen worden sein, denn Silber wird Deutschland doch jetzt nicht an sich ziehen, da es im Gegentheil suchen muß, das, was es davon besitzt, so gut als möglich los zu werden. Außer England sind die Länder mit Goldwährung Frank reich, Nord-Amerika, Italien, Belgien und die Schweiz. Nun haben aber die drei erstgenannten Papier-Circulation mit Zwangscours und da Hr. IV. X. doch nicht wird behaupten wollen, Deutschland beabsich tige aus den amerikanischen Greenbacks und aus den französischen und italienischen Bankbillets Zehn- und Zwanzigmarkstücke zu prä gen, so wird er zugeben müssen, daß die Geldmenge dieser Länder durch die deutschen Finanz-Operationen gar nicht berührt werden kann. Es bleibt also nur Belgien und die Schweiz; auch Califor- nien, das sich seine Goldcirculation erhalten hat, wäre noch zu erwähnen. Daß aber Deutschland diesen Ländern etwas von ihrer Geldmenge entzogen habe, ist so handgreiflich unwahr, daß Hr. V. X. gewiß selbst jetzt schon bedauert, diese übereilte Behauptung gewagt zu habe». Die deutsche Regierung hat in ihrer öffentlichen Erklärung über die Goldkäufe gesagt, daß sie Gold in London kaufe und auch weiter kaufen werde, dies ist auch ganz selbstverständlich, da mau jetzt in Europa nur in London größere Partien Gold kau fen kann. In Belgien und der Schweiz hat Deutschland kein Gold gekauft und konnte auch keins kaufen. In San Francisco könnte es allenfalls noch Gold kaufen, allein der Ucbcrschuß der dortigen Gold- production kommt ja doch nach London, und dieser, sowie das austra lische Gold wird dort gekauft, was selbstverständlich die Geldmenge anderer Länder nicht vermindern kann. Die deutsche Finanzverwal tung muß wünschen, ihre großen Operationen ohne Herbeiführung einer Krise, also ohne die Geldmenge anderer Staaten zu vermindern, durchzusühren, und hat sie auch bisher so durchgeführt. Beiläufig bemerkt ahnt Hr. °lV. X. gar nicht, welche Bcleidi- 196*